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Kapitel 3 - Herkunft aus öffentlichen Institutionen | Übersicht |


19 Das Fuldaer Sakramentar –
Göttingens wertvollste Handschrift

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Sacramentarium Fuldense.
Pergamenthandschrift, Fulda um 975.
Signatur: 2° Cod. Ms. theol. 231 Cim.
Provenienz: Universitätsbibliothek Helmstedt, 1812

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8° Cod. Ms. theo. 231 Cim. (Ausschnitt)
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Sakramentare sind liturgische Handschriften der römischen Kirche, die die Gebete und sonstige heilige Texte enthalten, die während eines Gottesdienstes von dem Vorsteher der Messe verlesen wurden. Unter Karl dem Großen wurde der von Papst Gregor I. (540 – 604) geschaffene Sakramentartypus, das Sacramentarium Gregorianum, in die fränkische Kirche eingeführt. Wegen ihres Inhalts und ihrer sakralen Funktion zählen die Sakramentare zu den prächtigsten illuminierten Handschriften des frühen und hohen Mittelalters.

Auch im Fuldaer Sakramentar findet sich reichhaltiger Buchschmuck: goldene Unzialschrift, abwechselnd auf purpurnem und blauschwarzem Untergrund, nahezu 500 Initialen, bestehend aus goldenem oder farbigem Rankenwerk auf blauem oder grünem Grund, und mehr als 30 überwiegend ganzseitige Miniaturen, die Szenen aus dem Neuen Testament, aus Heiligenviten sowie von liturgischen Handlungen darstellen. Die Prachthandschrift gilt mit Recht als das Hauptwerk der Fuldaer Schreib- und Malschule, aus der neben dem Kilians-Margarethen-Kodex in Hannover der Kodex Wittekindeus in Berlin sowie die Sakramentare in Bamberg, in Udine und im Vatikan hervorgingen. Das Fuldaer Sakramentar ist eines der wichtigsten Denkmäler der ottonischen Buchmalerei und gleichzeitig eine der bedeutendsten Quellen zum Verständnis der Liturgie des hohen Mittelalters. Die aufwändige bildliche Ausstattung der Handschrift, an deren Ausschmückung vermutlich vier Buchmaler beteiligt waren, zeigt sich unter anderem in den Purpurzierseiten (z. B. Pater Noster, Agnus Dei) und in den Illustrationen zu den Festen des Kirchenjahres (Allerheiligen, Pfingsten). Am Ende der Handschrift findet sich ein Kalendarium, das mit einer ganzseitigen Jahresdarstellung abgeschlossen wird. Die konzentrisch angeordneten Elemente zeigen die zwölf Monate, die vier Jahreszeiten, die Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft und im Zentrum eine Darstellung des römischen Jahresgottes Annus, der mit Sonne und Mond versehen ist. Die Entstehung des Sakramentars im Kloster Fulda belegen die häufigen Erwähnungen des Heiligen Bonifatius und des Ortes im Text sowie der paläographische Befund, der eine besonders enge Verwandtschaft mit dem Kilians-Margarethen- Kodex in Hannover erkennen lässt.

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts ist die Handschrift im Besitz des lutherischen Theologen Matthias Flacius, genannt Illyricus (1520 – 1575), nachweisbar, und etwa um das Jahr 1600 muss sie im Besitz der 1576 gegründeten Universität Helmstedt gewesen sein. Nach Auflösung der Universität unter König Jérôme Bonaparte gelangte sie wie die Gutenbergbibel in den Besitz der Göttinger Bibliothek.

(HR)