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41 Ein seltener früher
Eulenspiegel-Druck

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Eulenspiegels wunderbarliche, abenteuerische und gar seltsame Historien.
Frankfurt am Main: Sigmund Feyerabend (?), 1569.
Signatur: 8° Fab. Rom. VI, 1201 Rara
Provenienz: Auktion München, 1974

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8° Fab. Rom. VI, 1201 Rara (Ausschnitt)
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Zum ersten Mal gedruckt wurde der spätmittelalterliche, biographisch angelegte Schwankzyklus Eulenspiegel 1510/11 in Straßburg. Die vorliegende Ausgabe ist mindestens der 25. Druck des Werks – und damit zwar keiner der frühesten, immerhin aber noch ein früher. Die große Anzahl der Auflagen schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts deutet auf eine hohe Popularität des Eulenspiegels hin, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bis zu diesem Zeitpunkt weniger ein „Volksbuch“ als vielmehr ein Buch für ein humanistisch-gelehrtes Publikum war. Über den Kompilator der wenigstens schon 100 Jahre vor dem Datum des Erstdrucks bekannten Schwänke ist nichts Sicheres bekannt; es wird im Allgemeinen angenommen, dass es sich dabei um den Braunschweiger Chronisten und Zollschreiber Hermann Bote (um 1467 – um 1520) handelt. Wirkliche Belege für diese Hypothese gibt es jedoch nicht. Ob die Titelfigur Till Eulenspiegel auf eine historische Person zurückzuführen ist, die zwischen 1300 und 1350 lebte, kann ebenfalls nicht nachgewiesen werden.

Der ambivalente Charakter Eulenspiegels – sein Handeln bewegt sich zwischen erzieherisch- entlarvend und boshaft-zerstörerisch – hat Anlass zu widersprüchlichen Interpretationen gegeben. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Figur bewusst mehrdeutig gestaltet worden ist, um den Leser zum Nachdenken anzuhalten. Das genaue Abwägen des Für und Wider einer Sache galt im rhetorisch geprägten Zeitalter des Humanismus als eine besondere, immer wieder zu übende Kunst.

Aufgeschlagen ist das Titelblatt mit einem Holzschnitt, der Eulenspiegel in einem Bienenkorb zeigt. Der gut erhaltene Druck hat einen Umfang von 168 ungezählten Blättern, die recht knapp beschnitten und zum Teil von Hand foliiert sind. Im Text finden sich weitere 100 Holzschnitte in vielfach variierten Zierrahmen, in denen Eulenspiegel beim Ausüben seiner Späße zu sehen ist. Hinzu kommen zwei Schmutzblätter, deren vorderes handschriftliche Bemerkungen zu den Vorbesitzern in Tinte und Blei enthält. Der Text bricht in der Historie C ab; das hintere Schmutzblatt trägt von Hand hinzugefügte Textergänzungen zu den fehlenden Historien CI und CII sowie den Eulenspiegel-Epitaph. Dem Titelblatt ist ein Holzschnitt des 19. Jahrhunderts vorgebunden, auf dem Eulenspiegel zu Pferd mit einer Eule und einem Spiegel in den Händen abgebildet ist. Die Ausgabe ist äußerst selten und wurde mit dem Ankauf durch die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek erstmals bibliographisch nachgewiesen.

(JMb)