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Kapitel 8 - Auswärtige Wissenschaftler | Übersicht |


81 Die Weisheit der alten Weisen

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Johannes de Capua:
Directorium humanae vitae, deutsch.
Ulm: Lienhart Holl, 28. V. 1483.
Signatur: 4° Fab. Rom. I, 1730 Inc. Rara
Provenienz: Gottfried Thomasius, 1770

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4° Fab. Rom. I, 1730 Inc. Rara (Ausschnitt)
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Das Buch der Beispiele oder der Weisheit der alten Weisen zeigt eine Verwandtschaft zu orientalischen Fabelsammlungen wie dem indischen Pañcatranta, in denen menschlich handelnde Tiere auftreten, deren Beispiele den Leser oder Zuhörer kluges, wohlbedachtes und auch gutes Verhalten lehren sollen. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde der Stoff von Johannes de Capua unter dem Titel Directorium humanae vitae in einer lateinischen Fassung zusammengestellt, die durch den Geistlichen Rat Antonius von Pforr aus Rottenburg am Neckar um 1470 ins Deutsche übersetzt wurde. Antonius widmete das Werk Graf Eberhard im Bart von Württemberg, dessen Name als (im Vergleich zu Fyners Ausgabe verstümmelten) Akrostichon „EBERHART GRAF“ aus den Holzschnitt- initialen der Vorrede herauszulesen ist. Im Hauptteil des Werkes erzählt der Weise Sendebar auf Bitten des indischen Königs Dißles Geschichten, die als byspel, glychnuß, fabel dienen und rechtes Verhalten und Lebensklugheit lehren wollen.

Die Erstausgabe der Übersetzung wurde vermutlich im Jahre 1481 von Conrad Fyner in Urach gedruckt und mit insgesamt 128 Holzschnitten ausgestattet. Noch prachtvoller aber ist die vorliegende zweite Ausgabe gestaltet, die der Ulmer Drucker Lienhart Holl „auff den xxviij. tag des mayenß“ 1483 vorlegte. Die 126 Holzschnitte dieser Ausgabe übertreffen den Erstdruck in jeder Hinsicht – es sind Meisterwerke der deutschen Buchillustration, die im Göttinger Exemplar zudem sehr sorgfältig und mit erstaunlichen Farbnuancen koloriert wurden. Lienhart Holl druckte von seinem Erstdruck einige Exemplare auf Pergament und brachte – vermutlich wegen des Verkaufserfolges – schon zwei Monate nach der Erstveröffentlichung eine unveränderte Neuauflage des Buchs der Beispiele auf den Markt, dem ein Jahr später die dritte, durch ein Register erweiterte Ausgabe folgte. Die Abbildung gehört zum Ende des dritten Kapitels und illustriert den Abschluss des Gerichtsverfahrens gegen den Übeltäter Dymna, der auf Befehl des Königs hingerichtet wird, weil er zum Schaden anderer eigenen Vorteil erzielen wollte.

(HR)