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Kapitel 9 - Aus den Bibliotheken privater Büchersammler | Übersicht |


93 Der Spiegel der Welt:
eine volkstümliche Enzyklopädie

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Gossuin de Metz:
L’Image du monde, englisch.
Westminster: W. Caxton, [nach 8. III. 1480/81].
Signatur: 4° Hist. un. II, 42 Inc. Rara
Provenienz: Friedrich Wilhelm von Duve, 1782

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4° Hist. un. II, 42 Inc. Rara (Ausschnitt)
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Das Werk geht zurück auf den französischen Schriftsteller Gossuin de Metz (13. Jahrhundert), der in dem didaktischen Epos seine Kenntnisse in der Geographie, Kosmogonie, Astronomie und Meteorologie zusammengetragen hat. Enzyklopädien dieses Typs waren im Mittelalter sehr weit verbreitet; das Werk ist in zahlreichen Handschriften erhalten und übte auf eine Reihe von spätmittelalterlichen Schriftstellern einen erheblichen Einfluss aus. Der englische Erstdrucker William Caxton übersetzte und druckte die hier vorliegende erste englische Ausgabe im Auftrag des Kaufmanns Hugh Bryce, Alderman der Stadt London. The Mirror of the World ist das erste illustrierte Buch, das in England gedruckt wurde. Im ersten Abschnitt des Werks finden sich Bemerkungen zur Astronomie und zur Beschaffenheit der Welt. Es wird deutlich gemacht, dass die Erde keine Scheibe, sondern rund sei: Es ist möglich, dass ein Mensch um die Erde herumgeht „lyke as a flye goth round about a round apple.“

Im englischen Königreich fasste der Buchdruck erst relativ spät Fuß. In mehr als 70 Städten in acht Ländern Europas bestanden schon Druckereien, als William Caxton 1476 in Westminster die erste englische Presse einrichtete (Caxton hatte das Druckerhandwerk in den Jahren 1471 und 1472 in der Stadt Köln erlernt). Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es nur verhältnismäßig wenige englische Inkunabeldrucke gibt: Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts sind kaum mehr als 370 – zumeist übrigens volkssprachliche – Werke erschienen. Die erkennbare Nähe zum niederländischen Wiegendruck zeigt sich darin, dass die drei bedeutendsten englischen Drucker der Inkunabelzeit – William Caxton, Wynkyn de Worde und Richard Pynson – die in Holland weit verbreitete Bastarde als Drucktype verwendeten. Der Frühdruck in England war nicht nur für die Verbreitung der volkssprachlichen Texte von großer Bedeutung, er trug auch ganz maßgeblich zur Ausbreitung eines sprachlichen Standards bei, denn bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts war die englische Literatur noch stark dialektal geprägt.

Das Göttinger Exemplar des Mirror of the World enthält auf dem Schlußblatt die handschriftliche Eintragung „Roberte ... Spensar ... 1525“. Das Buch wurde später in die berühmte Sammlung Harley aufgenommen, mit der es 1743 in den Besitz des Londoner Buchhändlers Thomas Osborne gelangte, der den Harley-Bestand ab 1747 einzeln abgab. Dadurch geriet der Caxton-Druck in den Besitz des Hofrats Friedrich Wilhelm von Duve in Hannover.

(HR)