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Kapitel 10 - In Dankbarkeit verbunden – Schenkungen Ehemaliger | Übersicht |


107 Die erste illustrierte deutsche Bibel

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Biblia, deutsch.
Augsburg: [Günther Zainer, 1475/76].
Signatur: 2° Mulert 152
Provenienz: Oskar und Ilse Mulert-Stiftung, 1953

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2° Mulert 152 (Ausschnitt)
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Bereits 56 Jahre vor Erscheinen des Lutherschen Septembertestamentes und 68 Jahre vor der Publikation seiner Gesamtausgabe der Heiligen Schrift druckte Johannes Mentelin (um 1410 – 1478) in Straßburg 1466 die erste hochdeutsche Vollbibel. Seinem Werk liegt eine Übersetzung zugrunde, die der Mitte des 14. Jahrhunderts entstammt und die damit zur Zeit ihres Drucks sprachlich veraltet war; Syntax und Phraseologie schlossen sich eng an die lateinische Vorlage der Vulgata an. Wahrscheinlich wurde der Text als Hilfsmittel zum besseren Verständnis der lateinischen Bibel oder auch zur Vorbereitung auf die (lateinischen) Lesungen im Gottesdienst benutzt. Sämtliche weiteren hochdeutschen Bibeldrucke vor Luther hängen direkt oder indirekt von ihm ab. Als der Augsburger Erstdrucker Günther Zainer († 1478), der vermutlich in der Werkstatt Mentelins ausgebildet worden war, um 1475 / 76 seine Ausgabe der Heiligen Schrift – die nunmehr dritte hochdeutsche Bibel – vorlegte, griff auch er auf den Text der Mentelin-Bibel zurück, unterzog ihn dabei aber einer grundlegenden Revision und Modernisierung. Kolumnentitel, Blattzählung und Kapitelüberschriften, die in der Mentelin- Bibel noch handschriftlich eingefügt worden waren, wurden hier teils in Rot mitgedruckt.

Sieht man von der gleichzeitig erschienenen Ausgabe von Jodocus Pflanzmann in Augsburg ab, so schuf Zainer mit dieser Ausgabe auch die erste deutsche illustrierte Bibel. Am Beginn der Vorreden setzte er die für ihn charakteristischen Maiglöckchen-Initialen, am Beginn der Bibelbücher Bildinitialen, die im Innern des Buchstabenkörpers Szenen aus dem nachfolgenden Text enthalten oder seine theologischen Kernaussagen veranschaulichen. Von späteren deutschen Bibelausgaben des Göttinger Inkunabelbestands ist noch die Koberger-Bibel von 1483 hervorzuheben. Sowohl wegen der Textverbesserungen als auch wegen der Abbildungen aus den niederdeutschen Kölner Bilderbibeln wurde sie zu der am weitesten verbreiteten deutschen Bibel vor Luther.

(HR/SG)