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Kapitel 10 - In Dankbarkeit verbunden – Schenkungen Ehemaliger | Übersicht |


108 Die Luther-Bibel niederdeutsch

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De Biblie uth der uthlegginge Doctoris Martini Luthers yn dyth düdesche vlitich uthgesettet mit sundergen underrichtingen alse men seen mach.
[Mit Summarien hrsg. von Johannes Bugenhagen].
Lübeck: Ludwig Dietz, 1533.
Signatur: 2º Mulert 143
Provenienz: Oskar und Ilse Mulert-Stiftung, 1953

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2° Mulert 143 (Ausschnitt)
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Mit der Verwendung der sächsischen Kanzleisprache in seiner hochdeutschen Übersetzung des Neuen Testamentes 1522 hatte Martin Luther (1483 – 1546) die Hoffnung verbunden, einen im gesamten deutschen Sprachraum verständlichen Text vorzulegen. Tatsächlich überschätzte er die Verbreitung dieser Varietät: In oberdeutschen Städten wurde es üblich, dem Werk Luthers mitteldeutsch-oberdeutsche Glossarien beizulegen; im norddeutschen Raum entstanden gar eigene niederdeutsche Fassungen.

Die erste niederdeutsche Vollbibel nach der Übersetzung Luthers erschien im Jahre 1533 in Lübeck und kam damit der ersten Gesamtausgabe der hochdeutschen Luther-Übersetzung, die 1534 in Wittenberg gedruckt wurde, um ein halbes Jahr zuvor. Entstanden war sie unter der Leitung des Wittenberger Stadtpfarrers und Universitätsprofessors Johannes Bugenhagen (1485 – 1558), eines engen Vertrauten Luthers, der sich in seiner Eigenschaft als Reformator zahlreicher norddeutscher Städte und Territorien von 1530 bis 1532 in Lübeck aufhielt, um dort die neue reformatorische Kirchenordnung einzusetzen. Vermutlich in dieser Zeit entstand der Plan, eine niederdeutsche Fassung der Heiligen Schrift herzustellen; sie wurde bei dem zwischen 1529 und 1534 in Lübeck tätigen Rostocker Drucker Ludwig Dietz († 1559) in Auftrag gegeben, der außer der Vollbibel auch eine niederdeutsche Psalterausgabe (1533) herstellte. Der von 59 Holzschnitten Erhard Altdorfers begleitete Text enthält außer den Vorreden und Glossen Luthers auch Vorreden und Summarien Bugenhagens sowie die vorher nicht im Druck erschienenen Apokryphen.

Das Werk steht in der bereits vorreformatorischen Tradition eines niederdeutschen geistlichen Schrifttums, die sich u. a. in vier zwischen 1478 und 1522 in Köln, Lübeck und Halberstadt gedruckten niederdeutschen Bibelübersetzungen der Vulgata manifestiert. Vor allem aber aufgrund der reformatorischen Schriften, welche die Volkssprache zur Sprache des kirchlichen Lebens erhoben, stieg die Zahl der niederdeutschen Drucke im 16. Jahrhundert sprunghaft an. Allein bis zum Jahre 1545 erschienen vier weitere Vollbibeln und etwa 90 Einzelausgaben der Heiligen Schrift in niederdeutscher Sprache. Erst im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde der endgültige Wechsel zum Hochdeutschen vollzogen.

(SG)