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Kapitel 12 - Die Sammlung Deutscher Drucke des 18. Jahrhunderts | Übersicht |


119 Trattners Musterbuch

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Johann Thomas Trattner:
Abdruck von denjenigen Röslein und Zierrathen, welche sich in der K.K. Hofschriftgiesserey bey Johann Thomas Trattnern dermalen befinden.
Wien 1760.
Signatur: DD 94 A 487 Rara
Provenienz: Sammlung Deutscher Drucke des 18. Jahrhunderts, 1994

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DD 94 A 487 Rara (Ausschnitt)
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Der Verleger und Buchhändler Johann Thomas Trattner (1717 – 1798) hatte sich vom einfachen Buchdrucker in einer kleinen Offizin (Werkstatt) in Wien zu einem „typographischen Großunternehmer“ entwickelt. Im Verlauf seiner Karriere expandierte er auch in Bereiche des Buchhandels und der Papierproduktion. Mit seinem Unternehmen baute er in Österreich ein wahres Netzwerk von Filialen und aufeinander bezogenen Geschäftszweigen auf. Dazu gehörten außerdem eine Schriftschneiderei, eine Gießerei, eine Kupferstecherei und eine Buchbinderei. Neben Geschäftstüchtigkeit, Innovationsbereitschaft und Fleiß verhalfen ihm besonders die Beziehungen zur Kaiserin Maria Theresia und die Kontakte zu wichtigen Personen aus dem jesuitischen und universitären Milieu zu seinem herausragenden Erfolg. Sein eigener Wahlspruch „LABORE ET FAVORE“ (Mit Arbeit und Gunst) macht dies deutlich. Mit Förderung durch die österreichische Kaiserin entwickelte er sich zum privilegierten Hofbuchhändler mit zahlreichen, zum Teil auf 20 Jahre zugestandenen Privilegien für seine Produktion.

Sein Erfolg zeigte sich nicht zuletzt in der Erhebung in den Adelstand (Johann Thomas Edler von Trattner). Trattners Plan war die „allgemeine Verbreitung der Kultur in den kaiserlich königlichen Staaten durch wohlfeile Lieferung der Bücher für alle Fälle der Wissenschaften“. Dafür wollte er die nützlichsten wissenschaftlichen Werke der Zeit systematisch nachdrucken und in einer typographisch ansprechenden Reihe zu einheitlichen und zu verhältnismäßig günstigen Preisen anbieten. Zur Qualitätssicherung beschäftigte er mehrere Korrektoren und führte den Stücklohn im Buchdruck ein. Absatz fördernd war zudem die Tatsache, dass er es außerordentlich gut verstand, seinen Drucken ein gefälliges Aussehen zu geben, wie an vorliegendem Schrifttypen-Buch deutlich wird. Sein Erfolg war allerdings auch begleitet von der Kritik an ihm als „Nachdrucker-Fürst“ und als Raubdrucker.

Insgesamt gab Trattner vier Schriftmusterbücher heraus. Anhand der Schriftproben konnten die Druckereien und Schriftgießereien ihren Kunden das Repertoire an verschiedenen Typen zeigen. Bücher dieser Art wurden in den Druckereien „verbraucht“, nicht mehr aktuelle Schriftproben vernichtet, so dass sie heute kaum noch auftauchen, was den Wert dieses fast verlagsfrischen Exemplars noch zusätzlich erhöht. Das Buch enthält Antiqua- und Frakturschriften, griechische und hebräische Typen, verschiedene Typen von Musiknoten, Kalenderzeichen, medizinische Zeichen, algebraische Zeichen, gebrochene Ziffern sowie einen Fundus an Zierstücken, Ornamenten und Symbollettern.

(KN)