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5.1.1 Kriterien für Qualität

Eine der Anforderungen an für wissenschaftliche Informationsrecherchen geeignete Suchdienste ist der Nachweis von Ressourcen hoher Qualität und Glaubwürdigkeit. Die im Internet veröffentlichten Informationen sind in ihrer Qualität sehr unterschiedlich, wie in Kap. 2 erläutert. Es obliegt dabei i.d.R. dem Nutzer, die Seriosität und Qualität der gefundenen Ressourcen zu beurteilen. Eine kritische Begutachtung jedes gefundenen Dokumentes ist aber bei den vorhandenen Mengen an Informationen sehr arbeitsaufwendig. Vor allem in Bereichen, in denen der Informationssuchende selbst kein Experte ist, ist es teilweise schwer, die sachliche Richtigkeit einzuschätzen. Es ist daher wünschenswert, daß Suchdienste das Auffinden von Qualitätsressourcen durch eine Vorauswahl unterstützen.

Zur Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität von Ressourcen sind klare Kriterien notwendig, sei es für die persönliche Bewertung gefundener Informationen im Internet oder für die Aufnahme in ein Qualitätsverzeichnis. Es existieren inzwischen von verschiedenen Autoren Zusammenstellungen von Bewertungskriterien, die dem Nutzer helfen sollen, Qualität und Glaubwürdigkeit von Dokumenten im Internet zu bestimmen.[67] Sie wurden großenteils von Mitarbeitern wissenschaftlicher Bibliotheken erstellt, also in Einrichtungen, die sich traditionell mit der Qualitätsbestimmung von zu erwerbenden Publikationen auseinandersetzen müssen. Die Kriterienlisten unterscheiden sich sowohl im Umfang als auch in der Detailliertheit. Durch einen Vergleich von acht Hilfsseiten zur Evaluierung von Internetdokumenten[68] wurden diejenigen Anforderungen ermittelt, die die Mehrzahl der Autoren hinsichtlich der Qualität der Dokumente für wichtig erachtet. In abnehmender Häufigkeit genannt sind dies:

Die genannten Kriterien beziehen sich auf die inhaltliche Qualität der Dokumente. Darüber hinaus wurden von mehreren Autoren auch formale Anforderungen genannt. So wurde empfohlen, korrekte Verwendung von Überschriften, Grammatik, fehlerlose Rechtschreibung, sowie gute Organisation der Inhalte als Kriterium heranzuziehen (Quality of writing). Auch die Verwendung von speziellen Funktionalitäten, wie multimedialer Elemente, leichte Benutzbarkeit und die Stabilität und Erreichbarkeit der Ressource wurden als Evaluationskriterien erwähnt. Insgesamt stehen aber inhaltliche Kriterien für die Beurteilung der Qualität im Vordergrund, was sich auch an der entschieden häufigeren Nennung zeigt.

Während sich die genannten Zusammenstellungen auf Internetdokumente im allgemeinen beziehen, unterscheidet Ciolek[69] fünf Ebenen von Netzwerkinformationen (Pointer, Item, Document, Resource, Information system) und benennt für jede Ebene Qualitätskriterien in den Bereichen Language, Encoding, Accuracy, Size, Structure, Layout und Presentation, die zur Anwendung auf wissenschaftliche Publikationen gedacht sind. Dies wird den unterschiedlichen Typen von digitalen Ressourcen, die im Internet vorkommen, besser gerecht.

Ein sehr ausführlicher Katalog von Auswahlkriterien für Verzeichnisse von Internetressourcen mit Qualitätskontrolle, sog. Quality Controlled Information Gateways, wurde im Rahmen des EU-Projektes DESIRE erstellt.[70] Er soll als Grundlage für die Qualitätsauswahl bei diesen Diensten dienen. Die einzelnen Kriterien wurden fünf Kategorien zugeordnet, jede dieser wiederum in Unterkategorien unterteilt:

1 Scope Policy: Considering your Users

2 Content Criteria: Evaluating the Information

3 Form Criteria: Evaluating the Medium

4 Process Criteria: Evaluating the System

5 Collection Management Policy: Considering your Service

Jede der Kategorien umfaßt mehrere Kriterien in Frageform und jeweils Konkretisierungen, die die angegebenen Kriterien operationalisierbar machen[71] und Hilfestellungen für deren Einsatz geben. Ziel war die Zusammenstellung einer möglichst umfassenden Liste, aus dem sich qualitativ auswählende Suchdienste eigene, für sie relevante Kriterien zusammenstellen können. Sie gibt einen Überblick über alle Aspekte, die bei der Bewertung von Internetressourcen unter Qualitätsgesichtspunkten eine Rolle spielen. Nach Ansicht der Autoren spielen dabei die Nutzer des Dienstes, das Wesen der verzeichneten Ressourcen und der spezielle Dienst selbst eine Rolle. Daraus ergeben sich die verschiedenen Gruppen von Kriterien. Content, Form und Process Criteria sind Primärkriterien zur Beurteilung der aufzunehmenden Ressourcen. Collection Management und Scope Criteria dagegen sind Kriterien auf sekundärer Ebene, die aus den Eigenschaften und Zielsetzungen des Qualitätsdienstes und den Kundenbedürfnissen gewonnen werden.

Die in den eingangs genannten Zusammenstellungen verzeichneten Kriterien orientieren sich vor allem an den Anforderungen, die an die Qualität traditioneller, wissenschaftlicher Printveröffentlichungen gestellt werden. Der im DESIRE-Projekt erstellte Katalog beinhaltet unter den Punkten drei und vier besonders auch solche Merkmale, die für digitale Publikationen im Internet charakteristisch sind. Da jeder im Internet die gleichen Möglichkeiten der Veröffentlichung hat, ist eine kritische Prüfung des Autors oder Herausgebers besonders wichtig.

Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Kriterien für die Beurteilung der Auswahlkriterien von Suchwerkzeugen sind bei den verschiedenen Typen von Suchdiensten im Internet sehr unterschiedlich. Während eine Qualitätsauswahl bei den manuell erstellten Diensten potentiell realisierbar ist, haben roboterbasierte Dienste nur eingeschränkte Möglichkeiten, die verzeichneten Ressourcen nach ihrer Qualität auszuwählen.


[67] Eine gute Zusammenstellung bietet Ciolek 1997. Eine Auflistung von in der Literatur genannten Auswahlkriterien findet sich auch im DESIRE 1997d, Appendix IV: Selection criteria of selective subject gateways.

[68] Alexander 1996; Caywood 1997; Harris 1997; Kirk 1997; Smith 1997; Tillman 1997 ; TCJC 1997 sowie Wittman 1997

[69] Ciolek 1996

[70] DESIRE 1997d, Abschnitt 2: A list of quality selection criteria: a reference tool for Internet subject gateways.
Erläuterungen zu Zielen und Entstehungsweise finden sich in Abschnitt 1.

[71] Um überindividuell als Entscheidungsgrundlage verwendet werden zu können, müssen Kriterien operationalisierbar formuliert sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie genaue, anwend- und meßbare Aussagen treffen, wie z.B. konkrete Angaben, welche Inhalte ein- oder ausgeschlossen werden, exakte Größenangaben (nur Informationen, die nicht älter als drei Monate sind) usw.


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