Zusammenfassung
Die durch Prooxidantien induzierte Calciumfreisetzung aus Mitochondrien wurde bisher mit einer NAD+-Glycohydrolase (NADase)-Aktivität und der
ADP-Ribosylierung spezifischer Proteine in Zusammenhang gebracht. Es wurde vorgeschlagen, daß die mitochondriale
NADase zunächst aus NAD+ Nikotinamid und ADP-Ribose bildet. Freie ADP-Ribose würde daraufhin zu einer nicht-enzymatischen, kovalenten Modifikation von
Proteinen führen, die mit dem Calcium-Efflux-System der Mitochondrien in Beziehung stehen. Ein derartiger Mechanismus weist der Hydrolyse des NAD+,
katalysiert durch die mitochondriale NADase, eine Schlüsselrolle in der Calcium-Freisetzung dieser Organellen zu.
In der vorliegenden Arbeit wird hingegen die Identifizierung der NAD+-Glycohydrolase aus Mitochondrien der Rinderleber als ein Mitglied der Klasse
multifunktioneller ADP-ribosyl Cyclasen/cyclische ADP-Ribose Hydrolasen dargestellt. Diese potentiellen "second messenger" Enzyme katalysieren die Bildung und
den Abbau von cyclischer ADP-Ribose (cADP-Ribose), einem hochwirksamen Nukleotid in der intrazellulären Calcium-Mobilisierung. Die erzielten Ergebnisse
unterstützen ein neuartiges Modell der prooxidans-induzierten Calciumfreisetzung aus Mitochondrien, die durch die Bildung des spezifischen Botenmoleküls
cADP-Ribose erklärt werden kann und nicht durch eine nicht-enzymatische Modifikation mitochondrialer Proteine mit ADP-Ribose.
Die ADP-Ribosylierung in Rinderleber-Mitochondrien bei Verwendung von NAD+ als Substrat erfolgt unter zahlreichen Bedingungen (nahezu) unvermindert, unter
denen die NADase substantiell inhibiert wird. Während der Reaktion werden spezifisch zwei mitochondriale Proteine ADP-ribosyliert, deren Molekulargewichte zu
ca. 26 bzw. 53 kDa bestimmt werden konnten. Die mitochondriale ADP-Ribosylierung scheint unter den gewählten Bedingungen über einen enzymatischen
Mechanismus zu verlaufen und nicht über einen nicht-enzymatischen Transfer freier ADP-Ribose, die zunächst aus NAD+ durch die NADase-Aktivität generiert
werden muß.
Die chemische Stabilität der ADP-Ribose-Protein-Bindungen weist auf Cysteinreste als Hauptakzeptor-Aminosäuren hin. Zusätzlich konnte die
Aldehyd-Dehydrogenase aus Hefe mittels der mitochondrialen Aktiviät aus Rinderleber und NAD+ als Substrat ADP-ribosyliert werden. Die Vorbehandlung der
Aldehyd-Dehydrogenase mit N-Ethylmaleimid, einem thiol-spezifischen Reagenz, vermindert ihre enzymatische Modifikation deutlich. Diese Befunde lassen auf die
Anwesenheit einer cysteinspezifischen ADP-Ribosyltransferase in Mitochondrien der Rinderleber schließen.
Zusammengenommen weisen die erzielten Ergebnisse dem mitochondrialen NAD+-Pool - neben seiner Funktion in der Energieübertragung - eine weitere Rolle in
der Signaltransduktion zu. |