Zusammenfassung
Zahlreiche elektrochemische Reaktionssysteme zeigen jenseits einer
kritischen Überspannung spontane dynamische Instabilitäten
(dissipative Strukturen) wie z.B. die Bistabilität zweier
stationäre Zustände, kinetische Ratenoszillationen oder
deterministisches Chaos. In der Gegenwart von räumlichen
Kopplungen aufgrund von Diffusion oder Migration können zusätzlich
spontane, räumliche Inhomogenitäten von Systemvariablen
(stationäre oder laufende Wellen oder Domänen) auftreten.
Die experimentelle Untersuchung, die kinetische Modellierung sowie
das mechanistische Verständnis solcher dynamischen Muster
anhand von ausgewählten, elektrokatalytischen Modellreaktionen
ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Die elektrokatalytische Oxidation von Ameisensäure an Platinelektroden
bildet einen ersten thematischen Schwerpunkt. Spontane Stromoszillationen
auf niederindizierten Einkristallflächen wurden mit elektrochemischen
Methoden charakterisiert. Hierauf aufbauend wurde ein realistisches,
kinetisches Reaktionsmodell entwickelt, welches alle relevanten
dynamischen Merkmale des experimentellen Systems zu reproduzieren
vermochte.
Komplexe, räumlich inhomogene Muster des lokalen Elektrodenpotentials
wurden sowohl unter bistabilen, als auch unter oszillatorischen
Bedingungen beobachtet. Dazu wurde das lokale Elektrodenpotential
mit Hilfe mehrerer Mikropotentialsonden räumlich aufgelöst
gemessen. Unter bestimmten Elektrodengeometrien (Ringelektrode
mit Referenzelektrode im Zentrum) wurde eine quasi-instantane,
negative, langreichweitige, aber positive, kurzreichweitige Migrationskopplung
durch den Elektrolyten beobachtet. Dies führte zu einem überraschenden
Effekt der ´Fernauslösung´ (remote triggering) von Potentialfronten
im bistabilen Regime sowie zu stehenden Wellenphänomenen
bei oszillierendem Gesamtstrom.
Weitere Kapitel der Arbeit beschäftigen sich mit der Gewinnung
von mechanistischer Information über oszillierende, elektrochemische
Systeme durch experimentelle Feedback-Kontrollmethoden. Dabei
wurde durch Rückkopplung einer Systemvariablen auf einen
Systemparameter die oszillatorische Dynamik bewußt
verändert, um aus der dynamischen Antwort des Systems Rückschlüsse über die
mechanistische Rolle einzelner Spezies ziehen zu können.
Desweiteren wurde die elektrokatalytische Reduktion von Iodat
in alkalischer Lösung an Edelmetallkatalysatoren (Ag, Au,
Pt) experimentell sowie theoretisch untersucht. Das System zeigte
oszillatorisches Verhalten sowohl unter potentiostatischen als
auch galvanostatischen Bedingungen. Mit Hilfe eines einfachen,
kinetischen Modells konnten auch hier die mechanistischen Grundlagen
der Oszillationen aufgeklärt werden und die entscheidenden,
dynamischen Merkmale reproduziert werden.
Schließlich wurde eine generelle, mechanistische Klassifikation
oszillierender, elektrochemischer Systeme auf der Basis literaturbekannter
oder durch diese Arbeit gewonnener Information vorgeschlagen.
Das Klassifizierungsschema sollte dabei alle bislang bekannten
oszillatorischen, elektrochemischen Phänomene umfassen. Aus
dem erhaltenen Schema wurde abschließend eine experimentelle
Methode zur systematischen Klassifizierung unbekannter Oszillatoren
abgeleitet.
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