Zusammenfassung
Unter den in Xenopus bekannten Cadherinen kann den maternalen Cadherinen XB/U- und EP/C-Cadherin besondere Bedeutung zugemessen werden. Beide liegen koexprimiert im Embryo vor und stellen die Voraussetzung für die Integrität der Blastula dar. Neben dieser mechanischen Funktion der Zelladhäsion wird eine Cadherinbeteiligung auch vor dem Hintergrund Wnt-abhängiger Signaltransduktion im Kontext der dorsoventralen Spezifizierung des Mesoderms diskutiert. Inwieweit sich bisher gemachte Beobachtungen neben einem Eingriff des Cadherinsystems auf Wnt-abhängige Signaltransduktion allein durch die artifiziell induzierbare Depletion des gemeinsamen Mediators β-Catenin erklären lassen, oder ob cadherinvermittelte Zelladhäsion per se diese Differenzierungsvorgänge mit zu beeinflussen vermag, ist Gegenstand kontroverser Diskussion und sollte in dieser Arbeit näher untersucht werden.
Zu diesem Zweck wurden mehrere extrazellulär deletierte Mutanten des zu diesem Zeitpunkt im Embryo exprimierten XB/U-Cadherins erstellt. Von diesen wurde die Mutante XB/UΔe349, deren extrazelluläre Calciumbindungsdomänen unter Erhalt des Signalpeptids deletiert vorliegen, zur näheren Funktionsuntersuchung des Cadherinsystems herangezogen. Die so verlorengegangene Typspezifität erlaubte im dominant negativen Pancadherinansatz Aussagen über die Funktion beider vorhandener maternalen Cadherine.
Mittels Immunfluoreszenz konnte die membranständige Expression Cadherinkonstrukte überexprimierender Zellen der dorsalen Marginalzone histologisch gezeigt werden.
Die dorsal marginale Überexpression von XB/UΔe349 in Xenopus-Vierzellstadien resultierte im Schwanzknospenstadium in drei unterscheidbaren Phänotypen. Zwei dieser Phänotypen werden ebenfalls nach Überexpression cytoplasmatisch deletierten XB/U-Cadherins post MBT gefunden und konnten unhabhängig von Signalprozessen daher als rein adhäsiver Effekt auf den Vorgang der konvergenten Extension mit resultierender Fehlwanderung des Mesoderms während der Gastrulation bezogen werden. Zusätzlich konnte in dieser Arbeit ein weiterer Phänotyp mit stark reduzierter oder fehlender Achsenausbildung identifiziert werden, der ebenfalls nach β-Catenin antisense Oligidesoxynukleotid Knockout-Experimenten beschrieben und auf eine Depletion von β-Catenin aus dem Wnt-Signalweg zurückgeführt wird. Unterstreichen diese Ergebnisse für sich lediglich die unterschiedliche Funktionalität der verwendeten Cadherinmutante, so konnte in dieser Arbeit anhand von Rescueexperimenten die Bedeutung cadherinvermittelter Zelladhäsion im Sinne des postulierten Community-Effektes für die Ausbildung der Dorsoventralachse des Embryos unterstrichen werden: Selbst eine Erhöhung putativer β-Cateninbindungsstellen führte im Koexpressionsansatz mit dem Wildtypkonstrukt von XB/U-Cadherin offenbar durch Wiederherstellung der Zelladhäsion nicht zu einer Verstärkung, sondern zu einem Rescue der Achsendefizienz. Die Wiederherstellung der Adhäsion konnte dabei histologisch gezeigt werden.
Vergleichende Koexpression von XB/UΔe349 mit β-Catenin oder Plakoglobin lassen für Plakoglobin weniger eine Mediatorfunktion des Wnt-Signalweges als vielmehr zelladhäsiver Prozesse vermuten. β-Catenin und Plakoglobin könnten daher hinsichtlich Adhäsions- und Signalfunktion in vivo nicht redundant sein.
Anhand von Whole Mount in situ Hybridisierungen von Embryonen nach Überexpression von XB/U-Cadherinkonstrukten wurde der Einfluß auf die Genexpression mesodermaler Marker untersucht. Der beobachtete Effekt auf die phänotypische Ausprägung unter Verlust dorsaler Strukturen konnte auf molekularer Ebene bestätigt werden. Es konnte gezeigt werden, daß die Störung des Cadherinsystems zum Zeitpunkt und am Ort der Spezifizierung dorsalen Mesoderms im Embryo mit einer Störung der für die Regulierung des dorsalen Schicksals essentiellenen Genexpression diffusibler und DNA-bindender Proteine einhergeht. Eine Erklärung durch β-Catenindepletion reicht hier nicht aus. Vielmehr scheint die Integrität des Gewebes für den Empfang und Erhalt des einzelnen Signals eine Rolle zu spielen. Daß cadherinvermittelte Zelladhäsion der dorsalen Marginalzone dabei auch indirekte Auswirkungen auf die Expression ventraler Markergene haben, wurde anhand von Rescueexperimenten mit β-Catenin und BMP-4 bestätigt.
Entgegen bereits beschriebener Wnt-abhängiger Regulation der Fibronektinexpression konnte in vivo ein Zusammenhang zwischen Cadherinexpression und der Ausbildung der fibrillären Fibronektinmatrix des Blastocoeldaches nicht festgestellt werden.
Im animalen Kappenassay konnte gezeigt werden, daß die Störung des Cadherinsystems mit einer Verminderung activinabhängiger Erkennung des Fibronektin-Synergieepitopes durch Integrinrezeptoren einhergeht. Der Mechanismus ist unklar; die Ergebnisse weisen aber auch hier auf eine Beteilgigung der cadherinbedingten Integrität des Gewebes im Sinne des Community-Effektes hin. |