Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in zwei Teile.
Der erste Teil behandelt die Faltung von Peptiden mit einer
Monte-Carlo-Methode zur Langzeitdynamik von Proteinen.
Der zweite Teil enthält Studien zum Titrations- und Redoxverhalten des
bakteriellen photosynthetischen Reaktionszentrums und von Myoglobin.
Durch die Kombination beider Teile skizziere ich am Schluß der Arbeit
eine neue Methode zur Titrationsberechnung von Proteinen mit vollständiger
Konformationsflexibilität.
Die Arbeitsgruppe Knapp arbeitet bereits seit langer Zeit an der
Entwicklung einer Monte-Carlo-Methode zur Langzeitdynamik von
Proteinen.
Diese Methode wurde von mir für den ersten Teil meiner Arbeit
weiterentwickelt.
Es gelang daraufhin nicht nur, wie bereits zuvor, ein Modellpeptid zu
einem Helix-Turn-Helix-Motif zu falten, sondern auch die Faltung
eines ß-Hairpins zu simulieren.
Diese Berechnungen beinhalteten jedoch noch kein Modell für das
Lösungsmittel.
In einem weiteren Schritt wurde daher das Analytical Continuum
Solvent-Modell von Michael Schaefer in unsere Methode integriert.
Mit diesem Modell konnte der Aufbau und das Schmelzen einer
alpha-Helix aus Polyalanin in Übereinstimmung mit Ergebnissen einer
Molekulardynamik mit explizitem Lösungsmittelmodell simuliert werden.
Auch die Faltung eines Fragmentes der Ribonuclease A war erfolgreich,
wohingegen die Faltung des ß-Hairpin-bildenden Peptids BH8 mißlang.
Hier zeigten sich bislang nicht erkannte Schwächen unseres
Proteinmodells mit starrer Geometrie der Peptidebene und speziellen
effektiven Potentialen für die Torsionswinkel.
Die Faltung von BH8 konnte erfolgreich mit einem voll flexiblen
Proteinmodell simuliert werden, allerdings weitaus weniger effizient
als man es bei Verwendung des starren Proteinmodells erwarten würde.
Die Berechnung der Protonierungs- und Redoxzustände von titrierbaren
bzw. redoxaktiven Gruppen in Proteinen erfolgte, wie auch schon beim
für die Simulation der Proteinfaltung verwendeten Lösungsmittelmodell,
auf Basis der Kontinuumselektrostatik, bei der das Lösungsmittel durch
einen Bereich erhöhter Dielektrizitätskonstante simuliert wird.
Durch numerisches Lösen der Poisson-Boltzmann-Gleichung auf einem
Gitter lassen sich die resultierenden elektrostatischen Potentiale und
damit auch die elektrostatischen Interaktionsenergien berechnen.
Damit kann man die elektrostatische Energie eines bestimmten
Protonierungs- und Redoxzustandes des Gesamtproteins bestimmen.
Ein Protein verfügt in der Regel über eine große Zahl n von titrierbaren
bzw. redoxaktiven Gruppen.
Die Gesamtzahl an möglichen Zuständen (2n) ist extrem groß, so daß
sich thermodynamische Mittelwerte, die zur Bestimmung von
Titrationskurven und Redoxpotentialen nötig sind, praktisch nicht
exakt berechnen lassen.
Daher verwende ich in der vorliegenden Arbeit eine
Monte-Carlo-Methode, mit der eine Teilmenge der Vielzahl möglicher
Zustände gemäß des Metropoliskriteriums durchmustert wird.
Durch diese Methode erlangt man nach kurzer Zeit Ergebnisse hoher
statistischer Genauigkeit, was durch Auswerten einer Korrelationsfunktion
gezeigt werden kann.
Mit der genanten Vorgehensweise war es mir möglich, eine Vielzahl
wertvoller Erkenntnisse zu sammeln. So konnte erstmalig die Energie
des Elektronentransfers von QA.- zu
QB im bakteriellen Reaktionszentrum korrekt berechnet
werden. Die Berechnungen ergaben auch wichtige Hinweise für die zuvor
ungeklärte weitere Reihenfolge der Elektronentransfer- und
Protonierungsschritte der Chinone im Reaktionszentrum. Desweiteren
konnte auch von theoretischer Seite die conformational
gating-Hypothese betreffend den Elektronentransfers von
QA.- zu QB untermauert und das
Verständnis der zugehörigen Vorgänge im Reaktionszentrum vertieft
werden. Ich entwickele in der vorliegenden Arbeit mehrere Ansätze zur
Einführung multipler Konformationen und von Konformationsflexibilität
in die Titrationsberechnungen. In einem Fall konnte durch die
explizit berücksichtigte strukturelle Relaxiation die
Dielektrizitätskonstante für das Innere des Proteins entsprechend
allgemeiner Prinzipien stark verringert werden. In einem anderen Fall
wurde die Energetik pH-induzierter struktureller Änderungen von
Myoglobin durch Einbeziehen eines Ensembles von Kristallstrukturen
verstanden. Die dabei berechneten pKa-Werte zeigen eine
Übereinstimmung mit dem Experiment, die in dieser Genauigkeit niemals
zuvor mit nicht-trivialen Methoden zur pKa-Wertberechnung erzielt
worden sind. In einem Ausblick erörtere ich die in Zukunft möglichen
Verbesserungen der Monte-Carlo-Methode zur Langzeitdynamik von
Proteinen und die Vor- und Nachteile der existierenden Methoden zur
Titrationsberechnung mit Konformationsflexibilität. Ich zeige auf,
wie sich durch eine zukünftige Kombination der Monte-Carlo-Dynamik mit
der Titrationsberechnung die meisten Nachteile der existierenden
Methoden umgehen lassen. Diese Methode verwirklicht das
uneingeschränkte und verzerrungsfreie gleichzeitige Durchmustern des
Konformationsraumes und des Raumes der Titrationszustände. |