Zusammenfassung
Die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) am Kopf bietet die Aussicht auf eine nicht-invasive Funktionsdiagnostik des Gehirns des Menschen. In der vorliegenden Arbeit wurde eine Apparatur für eine zeitaufgelöste NIRS am Kopf des Erwachsenen aufgebaut. Es wurde eine neue Methode der Datenanalyse entwickelt, mit der aus gemessenen Photonenlaufzeitverteilungen Absorptionsänderungen in trüben, semi-infiniten Medien lokalisierbar und quantifizierbar sind. Hiermit können am Kopf Änderungen des Absorptionskoeffizienten im Gehirn ermittelt und von den störenden Änderungen der Lichtabsorption im Skalp und im Schädel unterschieden werden.
Für dieses Datenanalyseverfahren wurde ein theoretisches Konzept entwickelt, mit dem für geschichtete, trübe Medien der Zusammenhang zwischen einer lokalen Absorptionsänderung und der daraus folgenden Änderung der Laufzeitverteilung beschrieben wird. Für kleine Absorptionsänderungen ist der Zusammenhang durch ein lineares Gleichungssystem gegeben, wobei die Koeffizientenmatrix aus dem Ortsraum, in dem die Absorptionsänderung stattfindet, in den Zeitraum der Laufzeitverteilungen transformiert. Die Matrix besteht aus zeitabhängigen partiellen Pfadlängen der Photonen in den Schichten des Mediums. Diese Pfadlängen wurden mit einer hierfür entwickelten Monte-Carlo Simulation für inhomogene Schichtmodelle berechnet. Die Modelle berücksichtigen die optischen Eigenschaften der Gewebekompartimente des Kopfes (Skalp, Schädel, Liquorraum, graue und weisse Substanz).
Wird die Matrix mit einer regularisierten Hauptwertzerlegung invertiert, so erhält man die Änderung der Absorptionskoeffizienten als Funktion der Tiefe im Gewebe.
Durch Experimente an gewebesimulierenden Mehrschicht-Phantomen wurden die Funktionsfähigkeit und die Grenzen der Methode untersucht. Hierbei konnten simultane Absorptionsänderungen in bis zu drei Schichten des Phantoms lokalisiert und quantifiziert werden.
Für it in-vivo Messungen wurde ein mobiler, kliniktauglicher Messplatz aufgebaut. Mit diesem können simultan bei drei Wellenlängen Laufzeitverteilungen bestimmt werden. Die Breite (FWHM) der zeitlichen Apparatefunktion des Messplatzes beträgt zirka 300ps. Durch einen neuen Entfaltungsalgorithmus konnte die gemessene Laufzeitverteilung von der Apparatefunktion getrennt werden.
Bei Messungen an Probanden wurde eine Änderung der intra- und extrazerebralen Absorption durch folgende Manöver herbeigeführt: Motorische Stimulation, Valsalva-Manöver, venöse Farbstoffinjektion und Änderung des Sauerstoffanteils im Atemgas. Bei allen it in-vivo-Messungen hätte die Verwendung der herkömmlichen Messmethode, die keine Tiefenauflösung gestattet, zu falschen Ergebnissen geführt. Die in dieser Arbeit entwickelte Methode ist somit relevant für NIRS-Messungen am Kopf des Erwachsenen.
In einem weiteren Teil der Arbeit wurden Untersuchungen zur Ermittlung eines klinisch relevanten Sauerstoffsättigungsparameters des Gehirns durchgeführt. Verschiedene, zum Teil publizierte Algorithmen zur Bestimmung dieses Parameters wurden an simulierten Daten getestet. Im besten Fall konnte mit einem neuen, heuristischen Algorithmus aus simulierten Laufzeitverteilungen ein Sättigungsparameter ermittelt werden, der maximal 5\% von der im Gehirn vorgegebenen Sättigung abwich. Messungen an einem Probanden haben gezeigt, dass dieser Algorithmus auch auf in vivo gemessene Laufzeitverteilungen anwendbar ist. |