Zusammenfassung
Welche Verhaltensweisen wenden Menschen in Anbetracht von biologischen und gesellschaftlichen Grenzen und nur begrenzt verfügbaren Ressourcen an, um ihren eigenen Lebensweg mitzugestalten? In ihrer handlungstheoretischen Konzeption des Modells der Selektion, Optimierung und Kompensation (SOK-Modell; M. M. Baltes & P. B. Baltes, 1990) schreiben Freund und P. B. Baltes (2000) dem Setzen und Verfolgen persönlicher Ziele diesbezüglich eine zentrale Bedeutung zu. Menschen haben normalerweise mehrere Ziele in verschiedenen Lebensbereichen. Gegenstand der vorliegenden Studie war die Frage, welche Rolle die Beziehungen zwischen solchen multiplen Zielen für eine adaptive Lebensgestaltung spielen. Solche Ziel-Beziehungen können die Form von Konflikt, wechselseitiger Unterstützung oder Unabhängigkeit annehmen. Um objektive Informationen über die längerfristige Realisierung persönlicher Ziele zu erhalten, sah das Studiendesign vor, dass sich alle Studienteilnehmer ein a priori bekanntes Ziel teilten. Hierbei handelte es sich um das Ziel, mit regelmäßiger sportlicher Betätigung anzufangen. N = 99 jüngere (M = 25,1 Jahre, SD = 3,9) und n = 46 ältere (M = 63,8 Jahre, SD = 5,1) Sportanfänger nahmen an einer longitudinalen Fragebogenuntersuchung mit zwei Messzeitpunkten in einem durchschnittlichen Abstand von 4,2 Monaten teil. Eine Substichprobe von 52 jüngeren und 29 älteren Studienteilnehmern partizipierte darüber hinaus an einer zusätzlichen Tagebuchphase. Alle Studienteilnehmer berichteten drei persönliche Ziele, die sie neben dem gemeinsamen Ziel regelmäßiger sportlicher Betätigung hatten. Von zentralem Interesse waren die Beziehungen innerhalb dieser Menge von vier Zielen (ein Sportziel und drei weitere Ziele). Unter Anwendung eines neu entwickelten Erhebungsinstruments zeigte sich, dass das Ausmaß an Konflikt und das Ausmaß an wechselseitiger Unterstützung innerhalb der Ziele einer Person zwei voneinander unabhängige Beziehungsmerkmale sind. Zielkonflikt und wechselseitige Zielunterstützung waren mit verschiedenen Indikatoren adaptiven Lebensmanagements assoziiert. Zielkonflikte gingen mit Beeinträchtigungen in einer Vielzahl von Facetten des subjektiven Wohlbefindens einher. Das Ausmaß wechselseitiger Zielunterstützung war dagegen positiv mit der Intensität, in der Personen ihre gewählten Ziele tatsächlich verfolgen, assoziiert. Ältere Erwachsene berichteten weniger Zielkonflikte und mehr wechselseitige Zielunterstützung als jüngere Erwachsene. Darüber hinaus hielten sie die regelmäßige sportliche Betätigung längerfristig persistenter aufrecht als jüngere Erwachsene. Die stärkere Integration ihrer persönlichen Ziele (weniger Zielkonflikt, mehr wechselseitige Zielunterstützung) scheint diesbezüglich eine entscheidende Rolle zu spielen. Insgesamt stimmen die Ergebnisse der vorliegenden Studie mit Entwicklungstheorien überein, die postulieren, dass Entwicklung im Erwachsenenalter nicht nur durch Abbau und Verlust, sondern auch durch ein anhaltendes Potential für Entwicklungsgewinne (z.B. zunehmende Zielintegration und Lebensmanagementkompetenz) gekennzeichnet ist. Die Ergebnisse zeigen ferner, dass die Auswahl nicht konfligierender und sich wechselseitig unterstützender Ziele altersunabhängig ein Charakteristikum adaptiver Zielauswahl darstellt, das zu erfolgreicher Lebensgestaltung durch das Setzen und Verfolgen persönlicher Ziele beiträgt. |