Zusammenfassung
Die optische Tomographie mittels nah-infrarotem (NIR) Licht ist ein nicht-invasives medizinisches Bildgebungsverfahren. Die Verteilung der optischen Parameter (Streu- und Absorptionskoeffizient) im menschlichen Koerper wird rekonstruiert und in Schnittbildern dargestellt. Diese Bilder liefern medizinisch relevante Informationen, wie z.B. ueber den Zustand der Blutoxygenierung, zur funktionellen Diagnostik von Gehirnaktivitaeten, oder zur Fruehdiagnose der rheumatischen Arthritis in Fingergelenken.
Die Mehrheit der zur Zeit verwendeten Bildrekonstruktionsverfahren basiert auf der Gueltigkeit der Diffusionstheorie zur Beschreibung der Lichtausbreitung in menschlichem Gewebe. Die Diffusionstheorie beschreibt jedoch nicht korrekt die Ausbreitung von NIR Licht in schwach streuendem Gewebe, wie z.B. bei der cerebrospinalen Fluessigkeit im Gehirn oder bei der Synovialfluessigkeit in Fingergelenken.
Diese Arbeit behandelt erstmals die Rekonstruktion der optischen Parameter mittels der Transporttheorie zur Lichtausbreitung in stark und schwach streuendem Gewebe. Es wurde ein
modellbasiertes iteratives Bildrekonstruktionsverfahren entwickelt, das aus zwei Teilen besteht: (1) ein Vorwaertsmodell zur Lichtausbreitung und (2) ein inverses Modell zur Bestimmung der optischen Parameter im NIR.
Das Vorwaertsmodell basiert auf der Gleichung fuer Strahlunstransport, welche die Lichtausbreitung auch in schwach streuendem Gewebe korrekt beschreibt. Das Vorwaertsmodell berechnet mittels eine Finite-Differenzen Diskrete-Ordinaten Verfahrens die NIR-Detektorsignale am Geweberand bei gegebener Position der NIR-Lichtquelle und einem sinnvoll gewaehlten
Startwert der Verteilung der optischen Parameter.
Das inverse Modell, andererseits, bestimmt die unbekannten optischen Parameter im Gewebe bei gegebenen Detektorsignalen des Vorwaertsmodells und gemessenen Detektorsignalen des Experiments. Die gemessenen Detektorsignale werden mit den berechneten Detektorsignalen mittels einer definierten Zielfunktion (Optimierungsfunktion) verglichen. Diese Zielfunktion wird mit Hilfe nichtlinearer Optimierungsverfahren (konjugierte Gradientenverfahren, Quasi-Newton-Verfahren) minimiert. Diese Verfahren benutzen die erste Ableitung der Zielfunktion nach den optischen Parametern (Gradient), um eine Suchrichtung, die in Richtung des Minimums zeigt, bestimmen zu koennen. Die optischen Parameter am Punkt des Minimums werden in einem Schnittbild dargestellt.
Ein Hauptproblem der Optimierungsverfahren ist die zeiteffiziente numerische Berechnung des Gradienten, da die Objektfunktion eine Funktion von ca. 10.000 unbekannten optischen Parametern ist. Deshalb wird die Methode der Differenzierung von Algorithmen ("adjoint differentiation") verwendet, welche eine numerische Umsetzung eines "adjoint models" darstellt. Dieses Verfahren wurde erstmals auf die Strahlungstransportgleichung angewendet. Die verwendete Zeit zur numerischen Berechnung des Gradienten entspricht ca. der Zeit, die zum numerischen Loesen der Transportgleichung im Vorwaertsmodell benoetigt wurde.
Rekonstruierte Schnittbilder der optischen Parameter von menschlichen Fingergelenken wurden erstmals in dieser Arbeit praesentiert, die zur Fruehdiagnose der rheumatischen Arthritis verwendet werden koennen. |