Zusammenfassung
Die 11ß-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (11ßHSD) des Meerschweinchens ist für die reversible Umwandlung von Kortisol (F) zu Kortison (E) zuständig. Nur F, die 11-Hydroxy-Form, ist am Gluko- und Mineralokortikoidrezeptor aktiv, so dass die 11ßHSD eine entscheidende Rolle bei der Wirkung und Selektivität der Steroidhormone spielt.
Bislang sind zwei Isoenzyme bekannt: Die 11ßHSD Typ 1 (11ßHSD1) ist in fast allen Geweben nachweisbar und funktioniert in vivo fast ausschließlich als reduzierendes und damit aktivierendes Enzym. Sie ist vermutlich für die Feinregulation des ?Glukokortikoid-Tonus? in den verschiedenen Zielgeweben verantwortlich. Die 11ßHSD Typ 2 (11ßHSD2) ist ein ausschließlich oxidierendes und damit inaktivierendes Enzym, das die Protektion des unselektiven Mineralokortikoidrezeptors vor hohen Kortisolkonzentrationen gewährleistet und dementsprechend exklusiv in den mineralokortikoiden Zielgeweben exprimiert wird.
Nach Vorarbeiten der Arbeitsgruppe, in denen die Isoenzyme des Meerschweinchens in Leber (11ßHSD1) und Niere (11ßHSD1/2) charakterisiert wurden, war das Ziel dieser Arbeit den Einfluss von Stress (=ACTH-Injektionen) auf die Aktivität dieser Isoformen zu untersuchen. Außerdem sollte eine Charakterisierung der Isoenzyme in Homogenaten weiterer Organe durchgeführt werden.
Zunächst wurden Leber- und Nierengewebeschnitte von sechs Meerschweinchen hinsichtlich ihres Kortisolmetabolismus nach dreitägiger subkutaner in vivo ACTH-Behandlung untersucht. Als Kontrollgruppe dienten dieselbe Anzahl von Tieren, die mit Kochsalzlösung (NaCl) behandelt wurden. Nach der Tötung wurden die Gewebeschnitte mit radioaktiv markiertem F oder E inkubiert, die Steroide mittels Dünnschichtchromatographie (TLC) getrennt und der Umsatz (in Prozent) errechnet.
Es zeigte sich nach ACTH-Behandlung eine hochsignifikante Zunahme der Reduktionsreaktion in Leber (70,3% ACTH vs. 50,2% NaCl) und Niere (56,8% ACTH vs. 39,6% NaCl). Gleichzeitig kam es zu einer signifikanten Abnahme der Oxidationsreaktion (Leber: 23,9% ACTH vs. 33,7% NaCl; Niere: 28,6% ACTH vs. 33,9% NaCl), so dass das Reaktionsgleichgewicht nach dreitägiger in vivo ACTH-Behandlung eindeutig zu Gunsten des F verschoben wurde. Im Einklang mit diesen Ergebnissen zeigte sich eine signifikante Zunahme des Verhältnisses von Tetrahydrokortisol/Tetrahydrokortison im 24h Urin, was Ausdruck einer Steigerung der hepatischen 11ßHSD1 Aktivität ist.
Die Plasmakonzentration von F, E, Progesteron, 17-OH-Progesteron und Androstendion waren bei den ACTH-Tieren nach Behandlung hochsignifikant erhöht. Zusammenfassend konnten wir in den Untersuchungen an Gewebeschnitten zeigen, dass die Erhöhung des Plasmakortisolspiegels durch ACTH nicht ausschließlich durch adrenale Sekretion verursacht wird, sondern auch durch verstärkte hepatische und renale Aktivierung von inaktivem E zu F. Dies ist durch eine Aktivitätssteigerung der 11ßHSD1 bedingt. Daher scheint vor allem die Leber als relativ großes Organ mit hoher 11ßHSD1-Aktivität neben den Nebennieren zur Stressadaptation durch eine gesteigerte Kortisolproduktion beizutragen, wohingegen andere Organe, die 11ßHSD1 exprimieren, vermutlich ihren Bedarf an aktivem Glukokortikoid in einer auto- oder parakrinen Weise über dieses Enzym regulieren.
Des weiteren wurde Homogenate mit radioaktiv markiertem F oder E, sowie gegebenenfalls mit Kosubstrat inkubiert, die Steroide wiederum mittels TLC getrennt und der Umsatz errechnet. Eine gesicherte Reduktaseaktivität mit NADPH Präferenz als Ausdruck einer 11ßHSD1 Aktivität zeigte sich in absteigender Reihenfolge in Leber, Niere, Nebenniere und Lunge der Meerschweinchen. Andererseits ließ sich eine Oxidaseaktivität mit NAD+ Präferenz als Ausdruck einer 11ßHSD2 Aktivität in Niere, Nebenniere, Kolon, Lunge und Herz nachweisen (ebenfalls in absteigender Reihenfolge).
In der Leber zeigte sich zudem eine NAD+-abhängige Oxidation, die bei fehlender Expression der 11ßHSD2 in diesem Organ Ausdruck der Aktivität eines dritten, von unserer Arbeitsgruppe bereits zuvor charakterisierten Isoenzyms in der Meerschweinchenleber ist. |