Die Struktur und Eigenschaften
von flüssigem Wasser sind bis heute nicht in allen Einzelheiten verstanden. In
der vorliegenden Arbeit wurde die homogene Keimbildung (Nukleation) von
Eis in stark unterkühltem leichtem (H2O) und schwerem (D2O)
Wasser untersucht. Da an der homogenen Keimbildung nur Moleküle der
metastabilen Phase beteiligt sind, wird dieser Vorgang ausschließlich von der
Struktur und Dynamik der Flüssigkeit beeinflußt. Das Studium der homogenen
Nukleation kann somit weiteren Aufschluß darüber geben, wie flüssiges Wasser
"funktioniert".
Die homogene Nukleation von Eis in stark unterkühlten
Tröpfchen aus flüssigem Wasser spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung
von Cirrus-Wolken. Dabei hängt die Kinetik der Wolkenbildung entscheidend von
der sogenannten Nukleationsrate ab. Für die erfolgreiche Modellierung der
Vorgänge in der Atmosphäre werden deshalb verläßliche Meßdaten für die
Nukleationsrate als Funktion der Temperatur benötigt. Hierzu leisten die
beschriebenen Messungen einen wertvollen Beitrag.
Für die Untersuchung der
homogenen Nukleation im Labor sind elektrodynamisch levitierte, unterkühlte
flüssige Tröpfchen sehr gut geeignet. Diese Methode bietet gegenüber anderen
Verfahren eine Reihe von Vorteilen, die in der vorgestellten Arbeit weiter
ausgebaut wurden.
Kernstück der verwendeten
Apparatur ist eine kühlbare elektrodynamische Doppelringfalle. Die Apparatur
ist speziell auf die Erfordernisse bei der Messung von Nukleationsraten in
stark unterkühlten levitierten Flüssigkeitströpfchen zugeschnitten. Der
vollautomatische Betrieb ermöglicht die Durchführung sehr langer Meßreihen.
Infolgedessen steigt die Aussagekraft der Messungen, denn die Nukleation ist
ein zufälliger Prozeß, der statistischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt.
Das Volumen jedes einzelnen
Tröpfchens wird während der Messung ständig durch Auswertung der räumlichen
Intensitätsverteilung des gestreuten Laserlichts ermittelt und als Funktion der
Zeit aufgezeichnet. Dadurch ist die Größenverteilung innerhalb des betrachteten
Tröpfchenensembles mit hoher Genauigkeit bekannt. Hierin liegt ein wesentlicher
Vorteil unserer Methode gegenüber allen anderen Alternativen (Unterkühlung von
Emulsionen, Aerosolen etc.).
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die
homogene Nukleation in unterkühltem H2O im Temperaturbereich
zwischen 239.4 K und 239.7 K beobachtet. Die homogene Nukleation von Eis in D2O
wurde erstmalig an levitierten unterkühlten Tröpfchen untersucht, und
zwar im Temperaturbereich zwischen 243.7 K und 244.7 K.
Die untersuchten
Temperaturbereiche wurden so gewählt, daß die Nukleationszeiten bis zu 3 min
betrugen. Der unterkühlte Zustand wurde damit im Mittel wesentlich länger
aufrechterhalten als in früheren Messungen. Bei Gefrierereignissen mit längeren
Nukleationszeiten traten deutliche Abweichungen von dem erwarteten
statistischen Verhalten zutage. Die Ursachen für die Diskrepanz zwischen
Theorie und Experiment konnten bisher allein auf der Grundlage der vorhandenen
Messungen nicht geklärt werden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die
beschriebenen Phänomene ihre Ursache in bislang unbekannten Eigenschaften des
unterkühlten Wassers haben. Unsere Beobachtungen deuten auf die Existenz
verschiedener Modifikationen des unterkühlten Wassers hin, die miteinander im
Gleichgewicht stehen.