Zusammenfassung
Ziel dieser Arbeit war es, Krankheiten vom TSE-Typ mit Hilfe der
Infrarotspektroskopie zu untersuchen, wobei es insbesondere darum
ging, weitere Informationen über den molekularen Hintergrund
derartiger Erkrankungen zu gewinnen und möglicherweise Ansätze für die
Erkennung der Krankheit bzw. Testverfahren in relativ frühen Stadien
zu finden. Die Messungen konzentrierten sich auf verschiedene
anatomische Strukturen im Hirnstamm und im Kleinhirn oral mit dem
Scrapie-Erreger 263K infizierter Individuen eines Laborstammes von
Mesocricetus auratus sowie auf die Untersuchung von
Spinalganglien.
Die Entwicklung und Optimierung entsprechender
Auswertungsalgorithmen bildete die Grundlage für einen gezielten
Vergleich von Spektren spezifischer anatomischer Strukturen.
Mapping-Experimente, bei denen ortsaufgelöst Infrarotspektren
von Dünnschnitten des Hirngewebes aufgenommen wurden, dienten der
groben Kartierung histologischer Strukturen in einer coronalen Ebene
der Medulla oblongata und einer zweiten Schnittebene im Kleinhirn. Für
Vergleichszwecke wurden parallel immunhistochemisch und konventionell
gefärbte sequentielle Schnitte der IR-Proben herangezogen. In
Bereichen des Nucleus nervi hypoglossi (HypN), des Nucleus dorsalis nervi
vagi (DMNV) und des Nucleus tracti solitarii (SolN), sowie
einem Areal aus dem Nucleus interpositus cerebelli (IntN) wurden dann
detaillierte Messungen durchgeführt. Mit Hilfe der Clusteranalyse und
einem darauf beruhenden Bildgebungsverfahren wurden alle für diese
Strukturen spezifischen Spektren aus den Datensätzen extrahiert und
für systematische Vergleiche zwischen infizierten und Kontrollhirnen
verwendet.
Beim Vergleich von Spektren aus mehreren Individuen wurden im
terminalen Stadium von Scrapie 263K für alle untersuchten anatomischen
Strukturen in mehreren Bereichen der Spektren charakteristische
Unterschiede zwischen den infizierten Hamstern und den Tieren der
Kontrollgruppe festgestellt. Zu früheren Zeitpunkten (120 d.p.i., 90
d.p.i. waren die Unterschiede zwischen den Mittelwerten auf den
Bereich zwischen 1300 und 1000cm-1 begrenzt. Die
Unterschiede zwischen den Spektren belegten komplexe,
fingerabdruckähnliche Veränderungen von Membrankomponenten,
Kohlenhydraten, Nukleinsäuren und Proteinen. Diese unterschieden sich
qualitativ und quantitativ zwischen den verschiedenen untersuchten
anatomischen Strukturen und für die verschiedenen
Infektionsstadien. Es konnte eine gute Übereinstimmung der
IR-spektroskopischen Daten aus dieser Arbeit mit anderen
Pathogenese-Untersuchungen auf Grundlage der
PrPSc-Markierung festgestellt werden. Diese betrifft
insbesondere das Ausmaß und die Detektierbarkeit der spektralen
Änderungen im Krankheitsverlauf ausgehend vom DMNV und vom
SolN. Mittels Mustererkennungsmethoden wie der hierarchischen
Clusteranalyse konnten die Einzelspektren aller untersuchten
Hirnstrukturen der terminal kranken Hamster von denen der
Kontrollgruppe klar getrennt werden. Die Anwendung von künstlichen
neuronalen Netzen für die Spektrenidentifizierung gestattete auch 90
d.p.i. eine Unterscheidung der Spektren aus infiziertem und
nicht-infiziertem Gewebe mit einer Genauigkeit von ca. 80% in allen
untersuchten Strukturen. Damit konnte gezeigt werden, daß sich
Scrapie-infiziertes Hirngewebe bereits im präklinischen Stadium anhand
von IR-spektroskopisch detektierbaren molekularen Änderungen
identifizieren läßt.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden zum ersten Mal
IR-mikrospektroskopische Messungen an einzelnen Nervenzellen in
Spinalganglien durchgeführt. Aus den Ergebnissen dieser
Untersuchungen geht hervor, daß innerhalb von Ganglien infizierter
Hamster lokal auf sehr kleine Flächen begrenzt Proteinaggregate mit
erhöhtem Anteil an ß-Faltblatt-Struktur nachweisbar sind. Damit konnte
gezeigt werden, daß ein direkter in situ-Nachweis von
PrPSc-Aggregaten in IR-Spektren bei genügend hoher
Ortsauflösung prinzipiell möglich ist. |