Zusammenfassung
Wie kann es unter freiheitlichen Bedingungen dazu kommen, daß emanzipatorische Potentiale der demokratischen Öffentlichkeit unausgeschöpft bleiben? Wenn das normative Potential offener gesellschaftlicher Diskurse die Möglichkeit der Ermittlung universalistischer Normen bedeutet, dann stellt sich die Frage, warum sich in der faktischen Öffentlichkeit so häufig partikulare Interessen durchsetzen können. Als Antwort auf diese Frage wird die Hypothese entwickelt, daß die performative Ebene öffentliche Diskurse dafür verantwortlich ist, daß legitime normative Ansprüche unerfüllt bleiben können und die Gesellschaft sich in ihrer Öffentlichkeit daran hindert, systembedingte Pathologien zu verhindern oder zu beheben. Um dieser Annahme nachzugehen, wird zunächst die historische Ontologie Michel Foucaults so rekonstruiert, als habe Foucault eine Analytik der Öffentlichkeit konzipiert, welche jene strukturellen Präfigurationen öffentlicher Diskurse aufzuklären vermag, die auf der performativen Ebene Verständigungsprozesse begleiten. Indem Foucault die gesellschaftlichen Diskurse des Wissens, der Macht und des Subjekts untersucht, entwickelt er implizit Elemente einer solchen Analytik. Diese bezieht sich auf die performativen Eigenschaften öffentlicher Diskurse, sofern sie in einer Unmittelbarkeit und Produktivität erscheinen (Erster Teil). Sodann wird die Entwicklung des Begriffs der Öffentlichkeit im Werk von Jürgen Habermas, insbesondere in der Theorie des kommunikativen Handelns, nachgezeichnet. Der Ertrag dieser Theorie besteht in dem Nachweis einer der Sprache innewohnenden Verständigungsidealität, die sich in der Thematisierbarkeit von Geltungsansprüchen manifestiert, ein Befund, der für die Annahme eines normativ-emanzipatorischen Potentials der Öffentlichkeit von zentraler Bedeutung ist (Zweiter Teil). In der Verbindung struktureller und normativer Diskursmerkmale wird schließlich mit Hilfe der Anerkennungstheorie von Axel Honneth ein Begriff der Öffentlichkeit dargestellt, der den anspruchsvollen Bedingungen einer zeitgemäßen Kritik zu genügen vermag. Die Verbindung der Theorien von Foucault und Habermas findet auf der Basis der mit sprachlicher Kommunikation gegebenen Weltbezüge des Objektiven, des Sozialen und des Subjektiven statt. Vor dem Hintergrund dieser Verbindung dient die Theorie der Anerkennung als gesellschaftstheoretischer Hintergrund für den intendierten kritischen Begriff von Öffentlichkeit. Das mit der Anerkennungstheorie verbundene posttraditionale Modell der Sittlichkeit liefert die begrifflichen Vorkehrungen für die Annahme, daß von einer gelungenen Form der Vergesellschaftung nur die Rede sein kann, wenn ethische und moralische Ansprüche auf zwanglose Weise miteinander verbunden sind. Schließlich wird die Durchführung einer angemessenen Kritik der Öffentlichkeit angedeutet. Das Problematische an aktuellen öffentlichen Diskursen besteht darin, daß soziale Pathologien nicht in geeigneter Weise diskursiv behandelt werden können, weil die gesellschaftliche Öffentlichkeit, in der dies einzig möglich wäre, keine Arena für normativ orientierte Diskurse darstellt. Dieser Befund ist der Kern der angezielten Kritik der Öffentlichkeit (Dritter Teil). |