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Gaußsche Normalverteilung

Die von Gauß gefundene glockenförmige Kurve der Normalverteilung ist die wichtigste Wahrscheinlichkeitsverteilung. Der "Gaußschen Glocke" kommt noch heute nicht nur in der Stochastik (Wahrscheinlichkeitsrechnung) eine bedeutende Rolle zu.
Wird etwa in einem geschlossenen Raum eine Parfümflasche geöffnet, so beginnen sich die Duftmoleküle im Raum zu verteilen, da sie von den Luftmolekülen in zufälliger Richtung und mit zufälliger Stärke gestoßen werden. Um die geöffnete Flasche bildet sich dadurch eine Parfümwolke, deren Konzentrationsverteilung der Gauß'schen Normalverteilung entspricht.

Ein Beispiel:
Nehmen wir an, dass wir zehn Münzen werfen, deren eine Seite eine "1", die andere eine "0" zeigt. Nach einem Wurf zählen wir die Zahlen auf den zehn Münzen zusammen, d.h. wir zählen die Münzen, welche eine "1" zeigen. Die Summe liegt zwischen Null (keine "1") und Zehn (zehn Mal "1"). Jetzt fragen wir danach, wie wahrscheinlich die einzelnen Ergebnisse sind. Dazu überlegt man sich, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt, ein bestimmtes Ergebnis zu erhalten. Die Summe Eins erhält man z.B. wenn die erste Münze "1" zeigt und alle anderen "0". Genauso kann aber auch die zweite Münze "1" zeigen und die anderen "0", und so weiter. Insgesamt gibt es daher 10 Möglichkeiten, wie die Münzen fallen können, so dass sie die Summe Eins liefern. Die Summe Null kommt nur in dem einzigen Fall zu Stande, dass alle Münzen "0" zeigen. Am häufigsten ist das Ergebnis Fünf; hier gibt es 252 verschiedene Fälle, wie sich fünf Mal "0" und fünf Mal "1" auf die zehn Münzen verteilen können. Aus "Symmetriegründen" (wie sie Mathematiker gerne heranziehen) gibt es auch nur eine Möglichkeit für das Ergebnis Zehn, 10 Möglichkeiten für das Ergebnis Neun, etc. Insgesamt gibt es 2 * 2 * 2 * 2 * 2 * 2 * 2 * 2 * 2 * 2 = 1024 Möglichkeiten, wie die Münzen fallen können. (Und hier kommt noch eine bei Mathematikern beliebte Begründung: Beweis als Übungsaufgabe.)

Die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis Fünf ist, beträgt genau 252/1024, d.h. etwa 1/4 oder 25%. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis Zehn ist, beträgt dagegen nur 1/1024 oder 0.1%; dieser Fall ist also sehr viel unwahrscheinlicher!

Bevor wir zur Normalverteilung kommen, wollen wir uns ansehen, was diese Wahrscheinlichkeiten bedeuten. Damit Sie nicht mehrere tausend Mal mühsam Münzen werfen und zählen müssen; haben wir ein kleines Programm vorbereitet, das den Vorgang simuliert. Wenn Sie unten auf "1 mal Münzen werfen" klicken, sehen Sie das Ergebnis angezeigt. Unter den zehn Münzbildern sind alle möglichen Ergebnisse von Null bis Zehn aufgeführt. Rechts neben jeder möglichen Summe ist ein kleiner schwarzer Balken. Wenn Sie beim Klicken auf "1 mal Münzen werfen" z.B. als Ergebnis sechs Mal die "1" bekommen haben, bewegt sich der Balken neben der Summe Sechs um ein kleines Stück nach rechts. Wenn Sie sehr oft klicken, bemerken Sie, dass die mittleren Zahlen sehr viel häufiger vor kommen als sehr kleine oder sehr große. Um Ihre Nerven und Ihre Maus zu schonen, können Sie auch gleich 10 oder 100 Münzwürfe auf einmal simulieren.

Sie können alle Ergebnisse wieder auf "Null setzen", indem Sie auf das entsprechende Feld klicken. Wenn eine bestimmte Summe (in der Regel die Fünf) mehr als 511 Mal das Ergebnis war, bleiben die Balken stehen. (Das hat technische Gründe.) Spielen Sie ein bisschen mit der Münzsimulation und lesen Sie dann weiter unten, was es mit der Gaußschen Normalverteilung auf sich hat!

 

Summe

000

001

002

003

004

005

006

007

008

009

010

Wenn Sie mehrere Male "bis zum Anschlag" Münzwürfe simuliert haben, werden Ihnen sicher mehrere Dinge aufgefallen sein:

Die Verteilung wird im Idealfall (dazu gleich mehr) zur Gaußschen Normalverteilung. Diese hat im einfachsten Fall die Form

y = exp(-x*x).

Dabei entspricht x dem Wert der "Summe" und y bezeichnet die Strecke, um die der betreffende schwarze Balken neben x nach rechts verschoben wurde. Meistens wählt man allerdings eine Darstellung, in der die Verteilung um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht ist, so dass der Bauch nach oben zeigt. (So war sie z.B. auf dem 10 DM Schein vor der Einführung des Euro abgebildet.) Wir haben hier nur die Form der Normalverteilung angegeben. Sie müsste eigentlich noch verschoben werden, da hier der Bauch bei x = 0 liegt. Außerdem müsste man sie vertikal und horizontal noch strecken oder stauchen.

Wir hätten auch zum Beispiel bei jedem Wurf 20 Münzen werfen können. Im Prinzip hätten wir wieder die gleiche charakteristische Verteilung bekommen, nur dass der Bauch diesmal beim Ergebnis Zehn gelegen hätte und etwa 1,4 Mal so dick gewesen wäre. Oder wir hätten zehn Würfel nehmen können und bei jedem Wurf die Augen zusammengezählt. Oder zehn Münzen und drei Würfel. Ganz allgemein steht die Normalverteilung für mehrere Zufallszahlen, die unabhängig von einander sind und addiert werden. In unserem ersten Beispiel erzeugt jede Münze eine Zufallszahl "0" oder "1". Wie eine einzelne Münze gerade fällt ist völlig unabhängig von den anderen Münzen.

Wir haben gesagt, dass die Normalverteilung den Idealfall darstellt. Der Idealfall wird angenähert, indem man eine große Zahl von Zufallszahlen addiert (in jedem Wurf viele Münzen wirft) und sehr viele Würfe durchführt. Der Idealfall wäre dann erreicht, wenn man unendlich viele Würfe mit jeweils unendlich vielen Münzen durchführt. Zugegeben - das klingt ziemlich abgehoben, als wenn es nur Mathematiker interessieren könnte. Die Gaußsche Normalverteilung ist aber aus zwei Gründen sehr relevant für die reale (nicht nur die ideale, unendliche) Welt. Der eine Grund ist, dass sie schon für Summen weniger Zufallszahlen eine sehr gute Näherung ist (z.B. für zehn Münzen oder fünf Würfel). Der andere kommt dadurch zu Stande, dass sich in der Natur oft a) sehr viele, b) zufällige Zahlen c) sehr häufig addieren. Dazu noch ein Beispiel.

In einem geschlossenen Raum wird eine Flasche Parfum geöffnet. Die Duftmoleküle treten aus und verteilen sich im Raum. Wodurch? Jedes Duftmolekül erhält ständig Stöße von Luftmolekülen (meistens Stickstoff oder Sauerstoff). Dabei bekommt ein Duftmolekül in jeder Sekunde viele Millionen Stöße zufälliger Stärke von rechts, links, oben, etc. Betrachten wir ein bestimmtes Duftmolekül, dann hat es z.B. nach drei Minuten viele Stöße aufgesammelt und befindet sich an einer Position im Raum, die sich aus der Summe aller Stöße ergibt. Ein anderes Duftmolekül hat nach drei Minuten seine eigene zufällige Geschichte hinter sich und steht an anderer Stelle. Das Parfum bildet eine Wolke um die Flasche, deren Konzentrationsverteilung genau der Gaußschen Normalverteilung entspricht.

In ähnlicher Form kommt die Normalverteilung an so vielen Stellen in der Natur vor, dass es bei genauer Überlegung schwieriger ist, ein Beispiel zu finden, in dem sie keine Rolle spielt, als umgekehrt.