<< Hauptmenü  < Kapitel Mathematik
  
 

Das regelmäßige Siebzehneck

Durch wiederholtes Klicken wird eine sogenannte Mittelsenkrechte konstruiert.

Schon vor 2000 Jahren beschäftigten sich die Griechen mit der Frage, welche geometrischen Figuren sich mit Zirkel und Lineal exakt konstruieren lassen. Betrachten wir gleich ein Beispiel. Gegeben ist eine Gerade, auf der zwei Punkte markiert sind (siehe Abb. links). Die Aufgabe besteht darin, eine zweite Gerade zu konstruieren, die senkrecht auf der ersten steht und sie genau zwischen den beiden markierten Punkten schneidet. Das ist offenbar nicht besonders schwer: Um beide Punkte schlägt man einen Kreisbogen mit dem gleichen Radius, der etwa 2/3 des Punktabstandes beträgt. Dann zieht man eine Gerade durch die beiden Schnittpunkte der Kreisbögen und ist fertig.

 

Hier zeigen wir die Konstruktion einer Parallele, die durch einen vorgegebenen Punkt verläuft.

Ähnliche Verfahren kann man sich überlegen, um z.B. eine Senkrechte auf einer gegebenen Geraden so zu konstruieren, dass sie durch einen vorgegebenen Punkt verläuft. Oder man hat eine Gerade und einen Punkt daneben gegeben, und möchte eine zweite Gerade parallel zur ersten konstruieren, die durch den Punkt verläuft (siehe Abb. rechts).

Diese Konstruktionen kann man verwenden, um z.B. ein Quadrat zu konstruieren. Besonders einfach ist ein gleichseitiges Dreieck. Gauß hat als erster erkannt, dass man auch ein regelmäßiges Siebzehneck mit Zirkel und Lineal konstruieren kann.

Die Konstruktion ist etwas einfacher zu verstehen, wenn man nicht nur geometrische Objekte (Parallelen, Senkrechten, Dreiecke, etc.) konstruiert, sondern auch Zahlen. Was soll das bedeuten? Zeichnen wir eine Strecke auf das Papier und definieren ihre Länge als 1. Kann man dann daraus eine Strecke konstruieren, die die Länge 2 hat? Natürlich, man muss nur entlang einer Geraden zweimal mit dem Zirkel die 1 abtragen. Kann man auch eine Strecke mit der Länge 1/2 konstruieren? Das geht auch leicht: einfach eine Mittelsenkrechte konstruieren. Wir kommen gleich auf die Frage, welche Zahlen man sonst noch erzeugen kann, machen aber noch einen kleinen Einschub an dieser Stelle.

 

Mit Zirkel und Lineal kann man sogar rechnen! Hier ist die Multiplikation zu sehen.

Wir können noch mehr als Zahlen und geometrische Objekte konstruieren, nämlich rechnen! Wenn wir z.B. zwei Strecken mit den Längen x und y haben, dann können wir daraus eine Strecke mit der Länge x*y konstruieren. Wie das geht, zeigt die Bilderfolge links. Addition und Subtraktion sind wieder trivial. Division geht so ähnlich wie die Multiplikation, versuchen Sie es selbst!

Damit - hier kommen wir wieder zurück zum Problem Zahlen zu konstruieren - ist es leicht, eine beliebige positive rationale Zahl zu konstruieren. Um zum Beispiel eine Strecke der Länge 4/7 zu zeichnen, zeichnet man zuerst x = 1 + 1 + 1 + 1 und y = 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1 und dann x/y. (Vielleicht finden Sie, dass dieses Verfahren wenig Wert hat, wenn wir Zahlen wie 99999987/25390625 behandeln. Hier geht es aber um Mathematik, und deshalb interessiert in erster Linie, ob das Verfahren möglich ist, weniger ob es praktikabel ist.)

 

Zu der Länge a wird hier die Wurzel konstruiert.

Und ist das alles? Nein! Zeichnen wir ein Quadrat mit der Seitenlänge 1. Dann haben die Diagonalen die Länge (Quadrat-)Wurzel aus 2. Man kann sogar zu einer beliebigen Länge a die Wurzel konstruieren, wie man rechts sieht. (Falls Sie versuchen wollen, zu beweisen, dass die Konstruktion auch wirklich zur Wurzel aus a führt, denken Sie an Thales und Pythagoras.) Man kann also mit Zirkel und Lineal alle möglichen Längen konstruieren, die sich durch Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division und Wurzelziehen aus der 1 erzeugen lassen.

Jetzt kommen wir endlich wieder zu Gauß. Er konnte nämlich zeigen, dass der Winkel A = 360°/17 konstruiert werden kann. Dazu zeichnet man das rechtwinklige Dreieck mit den Katheten cos(A) und sin(A) und der Hypothenuse 1. Das ist möglich, weil man cos(A) mit Wurzeln, Multiplikation, etc. schreiben kann. Wie Gauß in einer längeren Rechnung gezeigt hat, ist nämlich

Weil wir zwei Seiten des Dreiecks, nämlich 1 und cos(A), und einen Winkel, nämlich den 90°-Winkel, konstruieren können, haben wir eine Möglichkeit, das Dreieck zu zeichnen und damit den Winkel A = 360°/17. Damit muss man nur noch einen Kreis unterteilen und die 17 Eckpunkte zu einem regelmäßigen Polygon verbinden.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob man denn irgendeine Zahl nicht konstruieren kann. Es stellt sich heraus, dass es a) unendlich viele nicht konstruierbaren Zahlen gibt, und zwar b) in gewissem Sinne "mehr" als die (ebenfalls unendlich vielen) konstruierbaren. Zwei Beispiele sind hier vielleicht nützlicher.

Die Zahl Pi lässt sich nicht konstruieren. Das ist einigermaßen erstaunlich, wenn man bedenkt, dass wir nur Lineal und Zirkel zur Verfügung haben, also bei jeder Konstruktion Kreise zeichnen. Deshalb ist es auch trivial, eine Linie mit der Länge Pi zu zeichnen: ein Kreis mit dem Radius 1/2. Aber wir können keine gerade Linie mit der Länge Pi konstruieren.

Kubikwurzeln gehen auch nicht. Schon die alten Griechen haben sich gefragt, ob man die Kubikwurzel aus 2 konstruieren kann. Sie wollten den Rauminhalt eines Würfels verdoppeln und wissen, um wieviel die Kantenlänge zunimmt. Sie haben sogar das Orakel befragt, aber keine so recht befriedigende Antwort gefunden. Évariste Galois konnte dann im Jahr 1832 beweisen, dass es nicht geht. Den Beweis hat er in seinen letzten Lebensstunden aufgeschrieben. Da er am folgenden Morgen ein Duell zu bestreiten hatte, wollte er in der Nacht noch einige wichtige mathematische Gedanken niederschreiben. Es erübrigt sich mitzuteilen, wie das Duell - sehr zum Bedauern der Mathematiker - ausgegangen ist.