1 DER GUINEISCHE RAUM: GRENZEN UND INHALTE
Zu Seefahrerzeiten war der Name Guinea stets mit etwas Mystischem behaftet.
So ist denn auch seine Herkunft nicht eindeutig geklärt und oft mit zahlreichen
Geschichten alter westafrikanischer Königreiche umwoben. Die einen sagen, er
kommt aus der Zeit des sich ausbreitenden Transsaharahandels um Christi Geburt,
abgeleitet von dem Wort "aginau" (schwarzer Mann) oder "akal'n'I Guinawen" (Land
der schwarzen Männer) aus der Berbersprache (LEWIN 1984, S. 8). Andere vermuten
seinen Ursprung im Wort "Djenné", das jenes große Handelszentrum des Königreichs
Ghana um 1000 n. Chr. bezeichnet (ARCIN 1907, S. 1). Eine dritte Geschichte
handelt vom Aufeinandertreffen der Europäer, die zum ersten Mal an Guineas Küste
landeten, auf afrikanische Frauen, die auf jede Frage nur mit dem Wort "giné"
antworteten. Dies bedeutete "Frau" in der Sprache der Soussou, die, damals wie
heute, die guineische Küste bevölkerten (LEWIN 1984, S. 8). Die ersten Europäer,
die einen Fuß auf das Gebiet des heutigen Guinea setzten, waren Portugiesen, die
Mitte des 14. Jahrhunderts die gesamte Guineaküste abzusegeln begannen. Der Name
Guinea tauchte daher am Ende desselben Jahrhunderts in den portugiesischen
Seekarten auf, bezeichnete jedoch den gesamten Golf von Guinea.
Die heutige Republik Guinea, zwischen 7°10' und 12°30' nördlicher Breite
sowie zwischen 8° und 16° westlicher Länge gelegen, besitzt einen etwa 300 km
langen Streifen der westafrikanischen Atlantikküste, der von den Tristao-Inseln
im Nordwesten bis zur Landspitze von Sallatouk im Südosten reicht. Ihr
Staatsgebiet von etwa 246.000 km2 wird von 6 westafrikanischen
Nachbarstaaten umrahmt, mit denen sie gemeinsame Grenzen teilt: Guinea-Bissau im
Nordwesten, Senegal und Mali im Norden und Nordosten, Elfenbeinküste im Osten
sowie Liberia und Sierra Leone im Süden. Die Grenzen Guineas, willkürliche
Aufteilungsakte als Resultate kolonialer Großmachtinteressen, entsprechen in
keiner Weise der Abgrenzung naturräumlicher Einheiten oder den Lebensräumen
ethnischer Gruppen. Im Norden teilten sie die Volksgruppe der Peulh, die vom
Fouta Djallon Guineas bis zum Fouta Toro im Senegal einen zusammenhängenden
Lebensraum besaßen. Im Nordosten wurde das Siedlungsgebiet der Malinké, von der
südlichen Hälfte Malis bis weit in den Süden Guineas zu den Quellen des Nigers
reichend, jäh zerschnitten. Das südlich gelegene Nimba-Bergmassiv verbindet
heute Guinea mit der Elfenbeinküste und Liberia. Auch hier wurden zahlreiche im
Bergland lebende Volksgruppen und Stämme rücksichtslos voneinander getrennt.
Der auf so unnatürliche Weise entstandene guineische Raum erweckt denn auch
den Eindruck einer Collage von vier charakterlich völlig unterschiedlichen
Naturräumen: Niederguinea, Mittelguinea, Oberguinea und Waldguinea. Jeder dieser
Räume hat sich ökonomisch, demographisch, gesellschaftlich und kulturell
unterschiedlich entwickelt, grenzt sich jedoch auch durch spezifische
klimatische, bodenkundliche, geomorphologische und geologische Eigenschaften
markant von den anderen ab. Die Inhalte dieser Collage sind in jeder Hinsicht
umfang- und facettenreich. Aber auch spezifische sozioökonomische und
demographische Aspekte verleihen jedem Naturraum seinen eigenen Charakter.
Niederguinea wird beherrscht vom Regierungs- und Wirtschaftszentrum Conakry, das
als Hauptstadt und bedeutendstes Handelszentrum in seinem Einzugsbereich über
die bestentwickelte Infrastruktur des Landes verfügt. Guineas wichtigster
Rohstoff, der Bauxit, wird in diesem Naturraum gewonnen, teilweise verarbeitet
und exportiert. Die die gesamte Küstenregion bevölkernde Soussou-Ethnie stellt
zu einem erheblichen Anteil auch die Regierungspartei. Mittelguinea besteht aus
einem zusammenhängenden Hochlandsystem, dem Fouta Djallon. Auf seinem
Zentralmassiv stellt die Stadt Labé das Kultur- und Handelszentrum der dort
lebenden Peulh-Ethnie dar. Die Viehzucht ist die Hauptwirtschaftsform auf diesem
als größtes Wasserreservoir Westafrikas geltenden Bergland. Die Ebene des Niger
und seiner Nebenflüsse dominieren das landschaftliche Erscheinungsbild
Oberguineas. Die Malinké-Ethnie, Nachkommen des großen Malireiches aus dem 14.
Jahrhundert, treiben von ihrem traditionellen Kulturzentrum Kankan aus Handel im
ganzen Land. Die Ausbeutung der bedeutenden oberguineischen Gold- und
Diamantvorkommen stellen eine wichtige Einnahmequelle für die nationale
Wirtschaft dar. Das Antlitz Waldguineas wird durch die Morphologie des mit
zahlreichen Bergzügen durchsetzten guineischen Rückens bestimmt. Seine
reichhaltige, von der Waldsavanne über die Galeriewälder bis zum tropischen
Regenwald reichende Vegetation ist die grüne Lunge Guineas. Die hier lebenden
Volksgruppen der Kissi, Toma, Guerzé und Manon sind auf den Kaffee-, Tee- und
Tabakanbau spezialisiert. Mit der Stadt N'Zérékoré besitzt Waldguinea einen
zentralen Umschlagplatz für den Handel mit Liberia und der Elfenbeinküste.
Trotz der Unterschiedlichkeit und der durch die natürlichen,
sozioökonomischen und auch ethnischen Bedingungen teilweise hervorgerufenen
Isoliertheit der Naturräume treten neben der staatlichen Einheit des Volkes
weitere, den gesamten guineischen Raum verbindende Inhalte hervor. Wichtige
Handelsachsen, von Conakry über die Verkehrsknotenpunkte Labé für den Handel mit
Guinea-Bissau, Gambia und Senegal, über Kankan für die Verbindungen mit Mali
sowie über N'Zérékoré für den südlichen Austausch mit Liberia und der
Elfenbeinküste reichend, durchqueren gitterförmig das Land. Somit erfüllt das
Land eine für den regionalen Handel in Westafrika eine wichtige Transitfunktion.
Zudem hat der Hafen von Conakry als zentraler Außenhandelspunkt für den
Überseeaustausch eine das ganze Land durchziehende Sogwirkung. Ein negativer
Aspekt dieses verkehrsgeographischen Inhalts ist die mehr oder minder starke
Migrationsbewegungen hervorrufende Landflucht.
Die schon erwähnte Einheit des guineischen Volkes mag denn auch der am
stärksten hervortretende Inhalt des Landes sein. Trotz der zu bestimmten
politischen Ereignissen immer wieder aufflammenden, jedoch lokal begrenzten
Konflikte zwischen ethnischen Gruppen hat das guineische Volk seinen ethnischen
Frieden weitgehend gewahrt. Nur so war es möglich, daß vor den benachbarten
sierra-leonischen und liberianischen Bürgerkriegen fliehende Flüchtlingsmassen,
die ein Volumen von mehr als einem Zehntel der guineischen Gesamtbevölkerung
erreichten, auf guineischem Territorium und in der guineischen Gesellschaft
aufgenommen werden konnten.
Aus diesem grundsätzlichen inneren Frieden ergibt sich ein umfangreiches Potential an Humanressourcen, dessen Inwertsetzung, zusammen mit den Reserven an natürlichen Rohstoffen, wesentliche Entwicklungsinhalte des Landes darstellen. Dennoch bleibt die Dichotomie der Wirtschaftszweige Bergbau und Landwirtschaft, die weder in Planung und Konzeption, noch in der reellen Entwicklung zu einer der sozioökonomischen Gesamtentwicklung des Landes dienlichen integrativen Anpassung gefunden haben, ein negativer Inhalt, den es zu überwinden gilt.
2 METHODIK
Die Methodik der vorliegenden Arbeit ist eine klassische: Ausgehend von einer
bestehen-den Situation wird ein
Ziel definiert, das mit einer bestimmten
Vorgehensweise unter Benutzung verschiedener
Instrumente erreicht werden soll.
Die Ausgangssituation
Die Republik Guinea ist im aktuellen deutschen Sprachraum ein weitestgehend
unbeschriebenes Blatt. Unter der 26-jährigen Diktatur eines afrikanischen
Despoten, Ahmed Sékou Touré, als einer der von sozialistischen Ideologien
beherrschten Staaten der panafrikanischen Unabhängigkeitsbewegung verurteilt,
wird das Land nun seit dem Regierungswechsel 1984 der Kategorie halbtotalitär
agierender Militärregierungen mit begrenztem politischen und wirtschaftlichen
Entwicklungspotential zugeordnet.
Land und Leuten geschieht damit vielfach unrecht. Überall ist das Bestreben
zu spüren, sich entwickeln und vorwärtsbewegen zu wollen. Das Ziel ist dabei
immer gleich: besser zu leben. Die Rahmenbedingungen haben sich inzwischen
geändert und sind immer umfassenderen und immer schneller aufeinanderfolgenden
und ineinander übergreifenden Entwicklungsprozessen ausgesetzt. Doch ein
konsistenter Fortschritt in aufeinander aufbauenden Etappen ist nur durch die
Verfügbarkeit notwendiger Informationen möglich, mit Hilfe derer angepaßte
Entwicklungsstrategien formuliert und angewandt sowie tragfähige
sozio-ökonomische Strukturen geschaffen werden können.
Der Informationsbedarf ist sowohl auf der guineischen als auch auf der Seite
der externen Kooperationspartner vorhanden. Guinea benötigt die Öffnung nach
Außen, um mit Unterstützung internationaler Finanzhilfe und Technischer
Zusammenarbeit den Entwicklungsprozeß zu forcieren. Dazu müssen Signale gesetzt
werden, Bereitschaft und Dynamik zur Schaffung der notwendigen Voraussetzungen
müssen gezeigt werden. Auf der anderen Seite ist Guinea ein Land voller
ergiebiger Ressourcen, bereit, diese im Rahmen von Partnerschaften
verschiedenster Art und Form zu erschließen und inwertzusetzen.
Die Informationen müssen fließen. Das ist die Ausgangssituation und
gleichzeitig Sinn dieser Arbeit. Dabei können Informationen über die heutige
Situation nur richtig beurteilt werden, wenn der problemorientierte
kausalhistorische Zusammenhang, die Hauptakteure und die die zukünftige
Entwicklung lenkenden Einflußgrößen bekannt sind. Eine kritische
Auseinandersetzung führt damit von der Ausgangssituation zu einer realistischen
Darstellung von Potentialen und Risiken.
Das Ziel
Ein sehr komplexes, in sich geschlossenes und dennoch sehr facettenreich gestaltetes Erscheinungsbild, das ist das geographische Gesicht Guineas, dessen Konturen und inneres wie äußeres Bewegungsspiel es zu beschreiben, zu analysieren und zu deuten gilt. Dieses Gesicht hat sich über lange Zeit geformt, und die Geschichte hat deutliche Spuren hinterlassen. Die Entwicklungen der letzten Dekade haben dieses Gesicht in eine andere, neue Richtung schauen lassen. Ein neuer Blickwinkel sorgt für neue Ansichten, Ein-sichten und Reaktionen, sowohl auf der guineischen als auch auf der internationalen Partnerseite. Guineas Zustand, seine Wahrnehmung und Verarbeitung der Geschehnisse
und seine Reaktionen, Möglichkeiten und Risiken für die Zukunft im Augenblick
dieses Wandels zu bestimmen und zu analysieren, das ist erklärtes Ziel dieser
Arbeit. Dazu gehört ebenso eine fundierte historische Hintergrundbetrachtung wie
ein Aufzeigen und Beurteilen möglicher Entwicklungsperspektiven.
Die Vorgehensweise
Die Erreichung des Ziels erfordert aufgrund seiner Komplexität eine genau
definierte methodische Vorgehensweise. Nachdem eine Basisstrategie ausgearbeitet
ist, führt die Nutzung einer Palette von Instrumenten unter Anwendung bestimmter
Prinzipien zur Aufarbeitung, Darstellung, Analyse und Beurteilung aller der
Basisstrategie zugrundeliegenden Untersuchungssegmente.
Erarbeitung einer Basisstrategie
Die Basisstrategie sieht eine klare und eindeutige Bearbeitungsstruktur des
Themas vor. Den Anfang bildet eine ausführliche Raumansprache, den guineischen
Raum als physisches und thematisches Untersuchungsobjekt absteckend. Die Frage
nach dem "Warum" der heutigen Situation der guineischen Gesellschaft und dem
Zustand ihrer Wirtschaft sowie dem anschließenden "Wohin" kann nur dem Boden
einer umfassenden historisch-geopolitischen Hintergrundanalyse erwachsen. Erst
die Aufarbeitung der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung Guineas führt
zu dem nötigen Verständnis und Einschätzungsvermögen für die Gegenwart und die
Zukunft von Land und Menschen im guineischen Raum.
Die darauffolgende geographische Analyse zeigt zunächst die physischen
Rahmenbedingungen mit all ihren ineinandergreifenden und sich regionaltypisch
präsentierenden Erscheinungsformen auf. Guineas Reichtum an Bodenschätzen ist
Bestandteil dieser natürlichen Voraussetzungen und wird in der
interdisziplinären Betrachtungsweise der physischen Basis des Landes als
zentrale Analyseebene betrachtet, wobei die Inwertsetzung der geologischen
Ressourcen entscheidend für die weitere volkswirtschaftliche Entwicklung des
Landes ist.
Der anthropogeographische Teil dieser ersten Analyse beschränkt sich auf die
Untersuchung der Situation der guineischen Bevölkerung. Neben den allgemeinen
Problemen, die mit ihrem hohen Grad an Bevölkerungswachstum in Zusammenhang
stehen, treten für die guineische Bevölkerung im Zuge des politischen und
volkswirtschaftlichen Wandels der letzten Jahre neue Probleme auf.
Traditionellen Elementen wie die ländlichen Haushaltsstrukturen und das
Verhältnis ethnischer Gruppen zueinander stehen Veränderungen in den
Migrationsbewegungen und der Verwaltungsstruktur gegenüber.
Die darauffolgende wirtschaftsgeographische Betrachtungsweise beginnt mit der
Darstellung ökonomischer Strukturen und Entwicklungen seit der vorkolonialen
Zeit, um einen möglichst genauen und umfassenden evolutionär-kausalistischen
Eindruck der Formierung des guineischen Staats- und Wirtschaftsraumes bis heute
zu vermitteln. Dieser historischen Aufarbeitung schließt sich eine detaillierte
sektorielle Analyse an.
Die Struktur dieser Analyse ist auf die schwerpunktmäßige Untersuchung der für die
Volkswirtschaft Guineas wichtigsten Sektoren und Subsektoren ausgelegt,
insbesondere den Bergbau und die Landwirtschaft. Doch auch die
infrastrukturellen Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung in diesen und
anderen Sektoren werden genau untersucht. Dazu gehört ebenso die Beurteilung des
Verhaltens der guineischen Regierung in ihrer Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und
Arbeitsmarktpolitik im Rahmen der externen Steuerungsmomente im Reformenfeld der
strukturellen Anpassung wie auch eine Gesamtbetrachtung der Ergebnisse
(volkswirtschaftliche Gesamtrechnung).
Die operationelle Ebene
Das Kernstück der Arbeit bildet die Bearbeitung der einzelnen
Wirtschaftssektoren und Subsektoren. Eine problemorientierte
Analyse zeigt hierbei die systemischen Zusammenhänge der einzelnen
sektoriellen Strukturelemente auf. Gleichzeitig werden ihre Steuerungsgrößen und
die sie beeinflussenden Hemmfaktoren und Entwicklungsschwellen identifiziert,
analysiert und beurteilt.
Ausgehend von dieser Basis erfolgt daraufhin eine Darstellung und
Untersuchung bisher vorhandener Entwicklungsstrategien mit einer Einschätzung
ihrer Relevanz und Nutzen, politischen Bedeutung, Realitätsnähe und
Umsetzungsmöglichkeiten. Aus der Verbindung dieser Beurteilung mit den
Ergebnissen der vorangegangenen Basisanalyse resultiert im weiteren Verlauf eine
Darstellung des Entwicklungspotentials sowohl im
jeweiligen Sektor und Subsektor als auch auf den gesamtvolkswirtschaftlichen
Kontext bezogen.
Die kritische Betrachtung und Bewertung von Rolle und Bedeutung der
finanziellen und technischen Zusammenarbeit der internationalen
Gebergemeinschaft fließt episodisch ein. Unbestritten ist die lebenswichtige
Bedeutung der Entwicklungshilfe für Guinea. Fragen bezüglich ihrer Wirksamkeit,
Koordinierung und Nachhaltigkeit werden daher vor allem im Hinblick auf ihre
vorhandenen Potentiale, ihre realen Ergebnisse und mögliche Folgewirkungen
gestellt.
Instrumente
Die wichtigsten in der vorliegenden Arbeit angewandten Instrumente sind
Befragungen und Interviews sowie die Beschaffung, Auswertung und im direkten
Gespräch mit Verfassern und verfassenden Institutionen und Organen erfolgte
Interpretation, Bewertung und Beurteilung von politischen, volkswirtschaftlichen
und planerischen Unterlagen und Dokumenten vor Ort, in Hamburg und in Frankfurt.
Während der gesamten Bearbeitungszeit bestanden direkte Kontakte mit guineischen
Personen aus Politik und Wirtschaft, die während zahlreicher Arbeitsaufenthalte
des Verfassers in Guinea permanent vertieft und erweitert wurden. Zahlreiche
Dokumente sind unveröffentlicht und nur für den Dienstgebrauch bestimmt, konnten
jedoch ausnahmslos mit freundlicher Genehmigung der jeweiligen Behörden,
Dienststellen und Organisationen/Institutionen in die Arbeit einfließen.
Im Rahmen eines Programms für beigeordnete Sachverständige zu Internationalen Organisationen des in Frankfurt ansässigen Büros Führungskräfte zu Internationalen Organisationen (BFIO) war der Verfasser 1991 - 1993 als Programme Officer bei der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (Organisation des Nations Unies
pour le Développement ONUDI) in Guinea tätig. In den Jahren 1994 und 1995
folgten mehrere beraterische und ingenieurtechnische Tätigkeiten im Hafen von
Conakry während seiner Ausbau- und Konsolidierungsphase. Seit Mitte 1997 ist der
Verfasser von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)
GmbH als Berater des guineischen Ministeriums für Planung und Zusammenarbeit für
3 Jahre entsandt.
Im Zuge der o.g. Tätigkeiten des Verfassers in der bi- und multilateralen
Entwicklungshilfe und im internationalen Beratungswesen konnten ebenfalls
wichtige Daten und Erkenntnisse aus dem Kontakt mit Personen in Programmen und
Projekten im bergbaulichen, agrarindustriellen, wirtschaftspolitischen und
infrastrukturellen Bereich gewonnen werden. Die Teilnahme an Konferenzen,
Diskussionsrunden und Foren der Entwicklungspolitik trug dazu bei, die
unterschiedlichen Rationalitäten der Geber- und Nehmerseite besser zu verstehen
und zu berücksichtigen. Auf eine detaillierte Darstellung der
Entwicklungsprogramme der verschiedenen Geber wurde aufgrund ihrer Komplexität
verzichtet. Neben der Darstellung einiger wichtiger Komponenten der Reformen der
strukturellen Anpassung wurden deshalb relevante Programme und Projekte zwar in
ihrer Gesamtheit analysiert, flossen jedoch nur beispielhaft während der
Bearbeitung der einzelnen Themengebiete und Sektoren ein.
Ein wesentliches Instrumentarium dieser Arbeit ist das auf der Basis der
verhältnismäßig umfassenden Datenlage entstandene Kartenwerk. Es setzt sich
zusammen aus aktualisierten und teilweise nachkartierten physischen Karten sowie
einem Paket von thematischen Karten zur Erläuterung und Darstellung thematischer
Sachverhalte in den einzelnen Sektoren und Subsektoren. Alle Karten wurden der
besseren Übersicht und Bearbeitung halber in einem Beiheft der Arbeit beigelegt.
Als Quellen dienten für die physischen Karten zumeist alte französische und
russische Karten. Für die thematischen Karten wurden ausschließlich
Informationen aus den bibliographischen Quellen benutzt und kartographisch
verwertet. Alle Quellenangaben für Karten sind im Literaturverzeichnis genannt.
Das Spektrum der Instrumente vervollständigen regelmäßige Auswertungen der guineischen Tagespresse während der Aufenthalte dort sowie der internationalen Westafrika-orientierten Fachpresse. Weitere wichtige Informationsquellen waren Projektberichte, Statistiken und entwicklungspolitische Hintergrundberichte der bi- und multilateralen Geberorganisationen vor Ort und in ihren Zentralen, die, ebenfalls teilweise unveröffentlicht und nur für den Dienstgebrauch bestimmt, mit freundlicher Genehmigung der Organisationen herangezogen werden konnten.
3 GUINEA GESTERN UND HEUTE - DIE STAATSBILDUNG IM KAUSALHISTORISCHEN
ABRISS
Nach 26-jähriger Herrschaft des Despoten Sékou Touré, die 1984 jäh mit seinem
Tode endete, entschloß sich die nachfolgende Regierung, die Tore ihres lange
Zeit verschlossenen Landes weit zu öffnen und einen totalen ökonomischen und
politischen Wandel zu vollziehen. Vielerorts war von Guinea als einem Land im
Aufbruch die Rede, ein Land, dessen Optimismus und Initiative, über mehr als
eine Generation unterdrückt, leicht den Sprung von der destruktiven Lethargie
vorangegangener Jahre in einen Prozeß der progressiven Entwicklung von Volk,
Staat und Wirtschaft schaffen würde.
Wie viele afrikanische Staaten unterzog sich Guinea daraufhin einem Programm
zur strukturellen Anpassung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der
Weltbank (WB), um sich das technische Know-how und die finanzielle Grundlage für
die Realisierung dieses Wandlungsprozesses zu sichern. Mit radikalen Reformen im
staatlichen Verwaltungsapparat, in der Führung der öffentlichen Haushalte, im
Zollwesen und Außenhandel, im Banken- und Finanzwesen, in der Wirtschaftsplanung
und -steuerung sowie in der Formulierung, Initiierung und Umsetzung von
sektoriellen Entwicklungsstrategien, Reformen und öffentlichen Investitionen
sollten der öffentliche Dienst und die politische Führung in ihrer
Leistungsfähigkeit gestärkt werden, um zu einem rationellen und konsistenten
Wirtschaftswachstum zu kommen.
Doch das Erbe des ein Vierteljahrhundert währenden Staats- und
Parteizentralismus wiegt schwer. Eine wenig ausgebaute und kaum funktionierende
Infrastruktur behindert noch immer den ökonomischen Entfaltungswillen, ebenso
wie fest verankerte Stör-, Verzö-gerungs- und Kontrollmentalitäten sowie
Korruption in vielen Teilen der Gesellschaft. Eine lange Zeit der Entbehrungen
hinter sich, ohne finanzielle und materielle Grundlagen und zu 73%
analphabetisch, mangelt es dem guineischen Volk bis heute an den wesentlichen
Voraussetzungen für eine beständige, unabhängige Entwicklung seiner Wirtschaft
und Gesellschaft.
Die vorliegende Arbeit soll zuerst Aufschluß über die Resultate der Jahre des
gelenkten Wandels geben. Um jedoch der vielschichtigen Problematik der
Steuerungsprozesse und deren Ursachen, die Guinea in den heutigen
Entwicklungsstand manövrierten, die nötige Transparenz zu verleihen, ist es
zweckmäßig, zunächst einmal die wichtigsten Etappen des "Gestern" aufzuarbeiten.
3.1 Von der Kolonie über die Unabhängigkeit zum modernen Staat -
eine normale Vergangenheit?
3.1.1 Französisch Guinea - Schaffung kolonialökonomischer
Basisstrukturen
Die heutigen Grenzen Guineas wurden, wie in so vielen anderen afrikanischen Regionen auch, durch die damaligen Kolonialverwaltungen ohne Rücksicht auf vorhandene ethnische Strukturen, kulturelle Raumeinheiten und naturräumliche Gegebenheiten als Verwaltungsgrenzen festgelegt. Per Gründungsdekret vom 17. Dezember 1891 wurde der
unter französischer Verwaltung stehende guineische Raum an der Westküste
Afrikas dem französischen Kolonialreich angegliedert. Die Kolonie
"Französisch-Guinea" (Guinée Française) war gegründet.
Ihr ging eine langjährige Verhandlungsphase mit den in Westafrika
konkurrierenden Kolonialmächten um die Grenzziehung der Kolonie voraus. Als
erste Partei zog sich das Deutsche Reich 1885 vom Küstengebiet unter Abtretung
der Kantone Koba, Kholisoko und Khabitaye an Frankreich zurück(1).
Kurz darauf, am 12. Mai 1886, wurden im Rahmen einer Konvention mit Portugal die
Grenzen im Norden zwischen Portugiesisch-Guinea und Französisch-Guinea
festgelegt. Einer ersten Konvention vom 10. August 1889 zwischen England und
Frankreich zur Verwaltungsaufteilung der südlichen Gebiete folgten weitere
Übereinkommen (26. Juni 1891 und 24. Januar 1895), in denen endgültig der
Verlauf der südlichen Grenze zu Sierra Leone festgesetzt wurde. In einer
Konvention vom 8. April 1904 trat England schließlich die Loos-Inseln an
Frankreich ab, und der französisch-liberianische Vertrag vom 13. Januar 1911
schloß die verbleibende Lücke der Grenzen Französisch-Guineas.
Während die französischen Kolonialherren mit der Konsolidierung ihrer
Machtansprüche in der Küstenregion durch ständige Präsenz und im Fouta Djallon
(Mittelguinea) durch geschickte Handels- und Vertragspolitik leichtes Spiel
hatten, stellten sich Ihnen in Ober- und Waldguinea schwerer zu bewältigende
Hindernisse in den Weg.
In Oberguinea hatte sich zwischen 1870 und 1875 Samory Touré, ein aus
einfachen Verhältnissen stammender Malinké, durch die Vereinigung mehrerer
Stämme ein mächtiges und gut organisierte Reich, das "Empire du Ouassoulou",
geschaffen. 1875 ließ er sich in der Hauptstadt des Reiches, Bissandougou, zum
Herrscher krönen. 9 Jahre später wurde er aufgrund seiner charismatischen
Erscheinung und seiner Verdienste für die Islamierung seines Machtbereiches zum
Almamy(2)
berufen.
Samory Touré herrschte über den oberguineischen Raum insgesamt 33 Jahre, von 1865 bis 1898. Die ersten 20 Jahre benötigte er, um dem zunächst lockeren Zusammenschluß unterschiedlicher Volksgruppen eine straff organisierte Verwaltung und Wehrhaftigkeit zu verschaffen. Die Präsenz einer schlagkräftigen Streitmacht, einer Armee von Berufssoldaten, den berüchtigten "Sofas", verbunden mit der vereinenden Religion durch die jedem Regierungsbezirk vorstehenden Oberpriester, sicherten Samory eine wirksame Kontrolle über sein Reich, ohne die er in dem darauffolgenden siebenjährigen Krieg gegen die Franzosen nicht zur Legende geworden wäre. In einem beispiellosen Wanderkrieg (VOSS 1968, S. 44) leistete er den französischen Kolonialtruppen von 1891 bis zu seiner Gefangennahme 1898 im Lager von Guélémou (in der heutigen Elfenbeinküste) erbitterten Widerstand. Nach Gabun auf die Insel Ogooué deportiert, starb Samory Touré im Jahre
1900.
Die in Waldguinea lebenden Stämme der Guerzé, Manon, Kissi und Toma wehrten
sich heftig gegen die französische "Befriedung"(3).
Seit 1895 versuchten die Franzosen, das bisher nur als Militärregion verwaltete
Gebiet (in Kissidougou, Sampouyara, Diorodougou und Beyla standen kleine
Garnisonen) vollständig zu erobern und die Stämme zu unterwerfen (s. Karte 2:
Die Kolonialisierung Guineas). Lange Zeit war dieses Vorhaben aufgrund des
Fehlens einer einheitlichen gegnerischen Front und dem undurchdringlichen
Dschungel dem Scheitern nahe. Immer wieder trafen militärische Aktionen der
Franzosen auf sich erbittert wehrende, völlig unabhängig voneinander operierende
Widerstandsgruppen, die ihnen schwere Verluste zufügten. Doch schließlich wurde
der Widerstand der Toma mit der Unterwerfung ihres Führers Koko Tolino während
der Einnahme des Dorfes Daorassou am 5. Mai 1909 gebrochen. Als im Oktober 1911
die Städte N'Zérékoré und Samoe fielen, gaben auch die Guerzé und Manon auf
(VOSS 1968, S. 47).
Der durch größtenteils erzwungene Schutzverträge und Annexion(4)
angeeignete guineische Raum wurde von einer personell und materiell ständig
ungenügend ausgestatteten Kolonialverwaltung mehr oder weniger willkürlich
beherrscht. Zwar gehörte Französisch-Guinea per Dekret des Präsidenten der
französischen Republik seit 1895 zum Verband des französischen
Generalgouvernements Westafrika(5),
dessen in Dakar residierender Generalgouverneur die politischen Direktiven aus
Paris in Westafrika umzusetzen hatte, doch genoß die Kolonie, von einem
Gouverneur verwaltet, zunächst weitgehende finanzielle und administrative
Autonomie.
Im Zuge der seit der Jahrhundertwende einsetzenden französischen
Zentralisierungspolitik wurde Guinea jedoch bald darauf per Dekret vom 23.
Oktober 1904 zum "Eigentum des französischen Staates" erklärt (Patrimoine de
l'Etat Française), was eine starke Einschränkung ihrer Autonomie zur Folge
hatte. Den aus den im Mutterland glorreich proklamierten Prinzipien der
Kulturförderung(6)
für die Kolonien abgeleiteten Interventionsansprüchen entsprang das harsch
durchgesetzte rechtliche Selbstverständnis, jedwede Störung des von Frankreich
ohnehin bestimmten Gleichgewichtes und Friedens zu bekämpfen(7).
Die willkürliche Gewalt herrschte nicht nur in den neu konzipierten Verwaltungsein-
heiten, den "Cercles"(8),
denen ein französischer Beamter (Commandant de Cercle) mit unbegrenzten Machtbefugnissen
vorstand, sondern insbesondere in der darauffolgenden Verwaltungsebene der
Kantone bzw. Dorfgemeinden(9).
Die hier herrschenden traditionellen Dorf- oder Gebietsautoritäten wurden zu
Handlangern der französischen Kolonialverwaltung. Vermeintliche Vorzüge der
Kollaboration führten zu ungezügeltem Machtmißbrauch, in dem persönliche
Bereicherung, Durchsetzung von persönlichen Interessen, Drangsalierung der
Bevölkerung etc. genügend Raum fanden (VOSS 1968, S. 50). Hier drang der
zerstörerische Einfluß des den Kolonialismus begleitenden Amtsdespotismus bis in
die kleinsten traditionellen sozialen Strukturen vor. Er zersetzte das Gefüge
der über Generationen entwickelten demokratischen Kontrollorgane in den
Gesellschaften oder formte sie zu bloßen Konsultationsstationen um (EBENDA).
Die Kolonialepoche bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges war geprägt von einer
intensiven Raubwirtschaft, bei der sowohl von der französischen Regierung, als
auch von den von ihr beschützten Handelsgesellschaften ein Maximum an Produktion
erbarmungslos aus Mensch und Erde der Kolonie herausgepreßt wurde.
Während des Ersten Weltkrieges wurden die schon arg strapazierten Ernährungsressourcen durch Zwangsabgaben für das im Krieg stehende Frankreich weiter belastet, Hungersnöte stellten sich ein. Erst in den Jahren 1918 - 1939 vermochte die Kolonie, sich zu
stabilisieren. Doch ein hohes Maß an Desinteresse seitens der französischen
Regierung und Wirtschaft an Französisch-Guineas ließen dort eine langanhaltende
Stagnation in allen Bereichen der wirtschaftlichen Entwicklung einkehren.
Der
infrastrukturelle Ausbau beschränkte sich auf die Errichtung einer einzigen
Eisenbahnverbindung von Conakry zum 662 Km entfernten, im Landesinneren
gelegenen Kankan, sowie den Bau des Hafens von Conakry, der sich in seinen
Ausmaßen eher bescheiden ausnahm(10).
Das immense Rohstoffpotential Guineas konnte daher kaum genutzt werden, und der
Aufbau einer rohstoffverarbeitenden Industrie stellte sich somit nicht ein.
Frappierend war denn auch der Mangel an Aufwendungen für die medizinische(11), soziale und kulturelle Entwicklungskomponente. Das im Jahre 1901 errichtete Hospital Ballay(12) blieb bis zur Unabhängigkeit das einzige Krankenhaus für das riesige Land. Es war wie die anderen spärlichen Einrichtungen vornehmlich für die Benutzung durch die Europäer vorgesehen. Fast die gesamte guineische Bevölkerung blieb ohne ärztliche Betreuung. Krankheiten wie Bilharziose, Lepra, Gelbfieber, Malaria und die Schlafkrankheit grassierten in der Bevölkerung, schwächten und dezimierten sie, vor allem in der südlichen Waldregion(13).
Im
Ausbildungssektor war die Bilanz ähnlich enttäuschend. Die erste Schule wurde
1878 von den "Pères du Saint-Esprit", einer Missionarsgemeinschaft, in Boffa
gegründet. Um 1900 zählten sämtliche Missionarsschulen etwa 300 Schüler. Am
Vorabend der Unabhängigkeit von 1958 lehrten 567 französische Lehrkräfte in 296
Schulen insgesamt 45200 Schüler. Diese Zahl entsprach nur knapp 9% aller Kinder
im schulfähigen Alter. Demgegenüber standen ca. 19000 Schüler, denen in 2556
arabischen Schulen der Koran gelehrt wurde (alle Zahlenangaben nach LEWIN 1984,
S. 46).
Die Konferenz von Brazzaville vom 30.01. - 08.02.1944, einberufen vom französischen
nationalen Befreiungskomitee (Comité National de Délibération), dessen Präsident General Charles de Gaulle war(14), sollte die nach dem Fall der Vichy-Regierung entstandene unklare Situation in den Kolonien mit einem Reformprogramm bereinigen. Tatsächlich schien der Inhalt dieses Reformprogramms zu einem Kompromiß zwischen der ehemaligen, vom Grundsatz der Assimilation geprägten kolonialpolitischen Vorgehensweise und der neuen, den Föderalismus anstrebenden Politik zu führen, der den Menschen in den Kolonien durch erstmalige umfangreichere rechtliche Zugeständnisse erhebliche Erleichterungen versprach. Schon in den ersten beiden Nationalversammlungen vom November 1945 und Juni 1946 zur Verfassungsgebung der IV. Republik Frankreichs kam es, zumindest auf dem Papier, zur Anerkennung bestimmter französischer Bürgerrechte für afrikanische Koloniebewohner:
Verordnung vom 21.08.1945: Zulassung zumindest eines Teils der afrikanischen Bevölkerung zu den Wahlen zur französischen Nationalversammlung,
Gesetz "Lamine Gueye"(15) vom 07.05.1946: Ausdehnung der französischen Staatsbürgerschaft auf alle schwarzen Koloniebewohner,
Dekret von 1946: Presse-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit in allen französischen Überseegebieten,
Gesetz "Houphouet-Boigny"(16) vom 11.04.1946: Abschaffung der Zwangsarbeit,
Dekrete vom 20.02. u. 22.12.1946: Annulierung des Eingeborenenstrafrechts,
Dekret vom 30.04.47: Aufhebung der besonderen Strafgerichtsbarkeit für
"Eingeborene"(17).
Im Referendum vom 13. Oktober 1946 schließlich wurde die neue Verfassung der
IV. französischen Republik verabschiedet, die französische Union (Union
Française) war gegründet(18).
Gemäß dieser Verfassung wurden nun aus den Kolonien Überseegebiete (Territoire
d'Outre-Mer) mit einem aus gewählten Abgeordneten gebildeten Generalrat (Conseil
Général), der ab 1952 in Territorialversammlung umbenannt wurde.
Doch in der Realität verschärfte sich eher der assimilatorische Charakter des Systems auf der Ebene der Kolonien, als daß eine tatsächliche föderalistische Beteiligung eintrat. Gesetze, Verwaltung, Bürgerrechte und das Ausbildungs- und Erziehungssystem waren französisch und die ökonomische Planung der Kolonien war Teil der Wirtschaftsplanung Frankreichs. Die Macht des französischen Gouverneurs in Französisch - Guinea wurde durch
die ihm zufallende finanzielle und administrative Autonomie, von der die
Kolonie selbst wenig profitierte, noch erweitert. Dennoch schaffte die
reformierte Kolonialpolitik Raum und Gelegenheit für politische Aktivitäten. Es
bildeten sich politische Parteien, die jedoch aufgrund ethnischer Rivalitäten
regional begrenzt und ohne größeren Einfluß blieben(19).
Im Oktober 1946 entsteht im Zuge des Bestrebens nach Vereinigung der
politischen Gruppen Schwarzafrikas zur Formulierung einer gemeinsamen Politik
die "Rassemblement Démocratique Africain (RDA)". Im Mai 1947 wird dessen
guineischer Arm gegründet, die "Parti Démocratique de Guinée". Obwohl auch hier
oftmals tribalistische Auseinandersetzungen und stammesspezifische
Machtinteressen ein einheitliches politisches Auftreten der Partei
beeinträchtigten, waren es doch junge, leidenschaftliche Führer, die die Partei
mit Energie und Initiative am Leben hielten. Unter ihnen befand sich Sékou
Touré, der 1952 zum Generalsekretär der PDG gewählt wurde.
In dieser Zeit war die PDG keineswegs eine Massenpartei. Dem durch eine erhöhte Bergbautätigkeit und Schaffung neuer Industrien sich einstellenden wirtschaftlichen Aufschwung in Guinea folgte die Bildung von Gewerkschaften. Sie standen zunächst unter dem Einfluß der mit den französischen Kommunisten assoziierten allgemeinen Arbeitergewerkschaft für Französisch - Westafrika CGT-AOF (Confédération Général du Travail - Afrique Occidentale Française). Im Kampf um die Verankerung der 40-Stunden-Woche und anderer sozialer Vorteile in dem zur Verabschiedung durch die französische Nationalversammlung anstehenden Arbeitsgesetz (Code du Travail, 15. Dezember 1952) schwang sich Sékou Touré zu einem der wichtigsten massenpolitischen Sprecher der CGT-AOF auf. Als das verabschiedete Arbeitsgesetz eine vorher geforderte 20%ige Lohnerhöhung unberücksichtigt ließ, rief die CGT-AOF zum Generalstreik auf. In einem 66 Tage andauernden landesweiten Arbeiterstreik konnte Sékou Touré die verlangte Lohnerhöhung durchsetzten. Dieser gewerkschaftli-
che Erfolg, der sich im gesamten Französisch-Westafrika manifestierte(20),
brachte Sékou Touré und damit auch der PDG, die er verkörperte, den politischen
Durchbruch(21),
auch weit über die Landesgrenzen Guineas hinaus (VOSS 1968, S. 62). 1952 wurde
Sékou Touré Generalsekretär der PDG. Im August 1953 konnte er sich in einer
Nachwahl in Beyla (Waldguinea) um einen Sitz im Kolonialparlament (Assemblée
Territoriale) durchsetzen. Die darauffolgende Wahl (1954) um einen
Abgeordnetensitz in der französischen Nationalversammlung wurde dann zu einem
offenen Kampf zwischen dem konservativen BAG (Bloc Africain de Guinée), der
marxistischen DSG (Démocratie Socialiste de Guinée), beide im Fouta Djallon
Mittelguineas ansässig, und der PDG. Als Diawara Barry, der Kandidat des BAG,
von der Kolonialverwaltung in einer durch sie selbst manipulierten Auszählung
der Stimmen als Wahlsieger gegen die PDG ausgerufen wurde, kam es in der
Folgezeit zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen PDG und BAG und zu Protesten
in der französischen Nationalversammlung (EBENDA, S. 64).
Währenddessen wendete die PDG ein neues politisches Aktionsprogramm an, das
auf die stärkere Einbeziehung vor allem der ländlichen Bevölkerung (80% der
Gesamtbevölkerung) sowie der Frauen und Jugendlichen abzielte, um sich die Masse
des Volkes als Wählerbasis zu sichern. Die Aktionen trugen ihre Früchte
rechtzeitig für die Wahl am 2. Januar 1956 zur französischen Nationalversammlung
ein, als die PDG 2 von 3 Mandaten für sich verbuchen konnte(22).
Nun gab es keinen ernstzunehmenden Gegner mehr, und im März 1957 konnte die PDG
die Wahlen der Volksvertretung für sich entscheiden und gewann 57 der 60 Sitze.
Schließlich wurde im Juni 1957 auf der Basis der Reformen des von Frankreich
postulierten "Loi Cadre" vom 26. Juni 1956(23)
die erste guineische Regierung gebildet. Sékou Touré wurde ihr Vizepäsident.
Als General de Gaulle im Juni 1958 in Frankreich wieder die politische Führung übernahm, legte er zur Lösung des Kolonienproblems einen Verfassungsentwurf vor, der die alte französische Union ("Union Française") von 1946 in eine französische Gemeinschaft ("Communauté Française") überführen sollte. Dieser neue Status sollte den Kolonien zwar einerseits weitere Rechte hinsichtlich ihrer Autonomie einräumen, andererseits jedoch war die hegemoniale Stellung Frankreichs als ungleicher Seniorpartner bedingungslos
anzuerkennen. In einer Stellungnahme zu diesem Entwurf verurteilte Sékou Touré die Grundidee der Communauté Française unter Berufung auf das Fehlen einer tatsächlichen föderalistischen Struktur für Westafrika auf das Schärfste. Am 25. August 1958 erreichte General de Gaulle, nachdem er seinen Entwurf schon in den übrigen westafrikanischen Staaten der Union vorgestellt hatte, Conakry. Sékou Touré nahm in seiner ersten Stellungnahme gegenüber General de Gaulle die Entscheidung seiner Partei schon vorweg, den Beitritt abzulehnen. General de Gaulle reagierte heftig und wies auf die Konsequenzen einer negativen Antwort hin.
3.1.2 Der Sprung in die Unabhängigkeit: historische und
ideologische Ge-nese der I. Republik
Im Gegensatz zu allen anderen französischen Territorien erklärte
Französisch-Guinea am 2. Oktober 1958 seine Unabhängigkeit, nachdem am 28.
September in einem Referendum 1,1 Mio. Guineer gegen und nur 57.000 für die
Communauté Française gestimmt hatten (LEWIN 1984, S. 61). Die
Territorialversammlung wurde in eine verfassungsgebende Nationalversammlung
umgewandelt, und Sékou Touré übernahm die Regierungsbildung.
Mit unerwarteter Härte reagierte Frankreich auf die Unabhängigkeitserklärung: binnen 2 Monaten hatte nahezu das gesamte französische Verwaltungs-, Ausbildungs- und Militärpersonal unter Mitnahme ihrer Ausrüstung und ihrer Unterlagen das Land verlassen. Oft wurde zurückgelassenes Gerät vorsätzlich zerstört. Mit Ausnahme einer in Fria gelegenen Industrieanlage zur Herstellung von Aluminiumoxid, dem aus dem Grundstoff Bauxit gewonnenen Vorprodukt von Aluminium, in die schon zu bedeutende Investitionen flossen, wurden sämtliche Investitionsprojekte gestoppt. Der Handel mit Frankreich kam zum Erliegen. Guineische Gütertransporte wurden an einigen französischen Häfen abgewiesen und zurückgeschickt. Im Gegensatz zu den afrikanischen Nachbarländern, der Sowjetunion und anderen Mitgliedern der Ostblockstaaten sowie Großbritannien, der
Bundesrepublik Deutschland und später auch der Vereinigten Staaten erkannte
Frankreich denn auch die Unabhängigkeit nicht sofort an. Im Dezember 1958 trat
Guinea den Vereinten Nationen bei.
3.1.2.1 Die Innen- und Parteipolitik Sékou Tourés
Neben dem sich aus dem Abzug der Franzosen ergebenden akuten Mangel an
qualifiziertem Technik- und Verwaltungspersonal mußten in erster Linie die sich
drastisch verschärfende wirtschaftliche Krisensituation(24)
und der Bildungsnotstand bekämpft werden. Angesichts der sich einstellenden
Kapitalflucht, des Preisanstiegs und der so geschaffenen restriktiven
Investitionslage beschloß die guineische Regierung, Industrie und Handel zu
verstaatlichen. Im gleichen Atemzug wurde die Nationalisierung der privaten
Grundschulen eingeleitet. Im März 1960 erfolgte dann die Einführung einer nicht
konvertiblen Binnenwährung, des guineischen Franc. Die ökonomische Entwicklung
sollte mit ambitiösen Wirtschaftsplänen in positive Bahnen gelenkt werden(25).
Im Rahmen des ersten Planes (1960 - 1963) wurden zahlreiche Staatsbetriebe
gegründet. Zur Kontrolle des Außen- und Binnenhandels wurden im April 1960 zwei
Staatshandelskontore gebildet. Die Landwirtschaft wurde mittels Genossenschaften
vollends reorganisiert. Ausländische Banken mußten alle bis auf eine schließen.
Zu Beginn des Jahre 1961 wurde Sékou Touré zum Staatspräsidenten gewählt. In der Wirtschaftspolitik trieb man in zunehmendem Maße die Entwicklung des Bergbaus und die Industrialisierung voran, während die Landwirtschaft sträflich vernachlässigt wurde. So liefen die Planungen für einen Eisenerzabbau am Mont Nimba (Waldguinea) und den Bauxitabbau bei Boké (Niederguinea) vielversprechend an. Die beiden ineffizient arbeitenden Staatshandelskontore wurden inzwischen in zahlreiche branchenspezifische nationale Handelsgesellschaften aufgesplittet. Im Zuge der allgemeinen Verstaatlichung in allen Sektoren begannen im August 1961 alle Missionsschulen zu schließen. Nach einem linken Komplott gegen Sékou Touré im September 1965 (siehe Schaukasten) stellte die Regierung ihre antikommunistische Position dar. Dies war für viele Beobachter eine Überraschung, hatte es doch durch die deutlichen sozialistischen Elemente in der Außenpolitik und die Zusammenarbeit mit dem Ostblock in Bereichen der Wirtschaft und Entwicklung nach einer pro-kommunistischen Einstellung Guineas ausgesehen.
Die
Entwicklungshilfe des Ostblocks war bedeutend, denn zum einen erhoffte sich die
UdSSR, das Land Guinea eines Tages als Sprungbrett für die "kommunistische
Revolution" in Westafrika zu nutzen, zum anderen stellte es eine wichtige
Rohstoffquelle dar (Bauxit, Eisenerz). Ein erster sowjetischer Kredit von 35 Mio
US$ im August 1959 war der Beginn einer finanziellen Unterstützung, die bis 1967
insgesamt 76 Mio US$ erreichte. Trotz der zahlreichen realisierten Projekte wie
das Nationalstadion, das polytechnische Institut "Gamal Abdel Nasser" und ein
Hotel in Conakry, ein Sägewerk in N'Zérékoré sowie ein Schlachthof in Mamou,
trotz der im Lande tätigen Ausbilder, Lehrkräfte, Techniker, Experten und
Mediziner sowie der militärischen Zusammenarbeit blieb das guineische Volk
gegenüber dem russischen Kommunismus stets skeptisch(26)
und verschlossen.
Doch mit den Partnern China und dem Ostblock überstand Guinea die 60er Jahre,
die hinsichtlich dem Verhältnis zum Westen durch eine sehr gehemmte und wenig
fruchtbare Entwicklungszusammenarbeit gekennzeichnet war. Allein die Vereinigten
Staaten zeichneten sich in einer wirtschaftlich und politisch
krisengeschüttelten Zeit durch eine zwar begrenzte, jedoch beständige
Entwicklungspolitik und Präsenz aus.
Von großer innenpolitischer Bedeutung war der VI. und VII. Parteitag der PDG vom Dezember 1962 bzw. August 1963. Unter der Prämisse "Die Verwaltung näher am Volk" ("l'administration plus près du peuple") propagierte man eine Dezentralisierung der
Verwaltungsfunktionen. Tatsächlich wurde die Legislative auf eine "ständige Kommission" reduziert und Volksgerichte auf den unteren Partei- und Verwaltungsebenen eingerichtet. Nach der Fusion von Gemeinderäten und den örtlichen Parteikomitees in den etwa 8000 Dorfgemeinden im Landesinneren existierte die Gewaltenteilung auf kommunaler Ebene nicht mehr, die Exekutive lag auch hier vollends in den Händen der Partei. Durch diese Machterweiterung gab es quasi keine Trennung mehr zwischen Staat und Partei.
Der
privatwirtschaftliche Sektor wurde in einem teuflischen Wechselspiel von Verbot
und Zulassung systematisch an seiner Entfaltung gehindert. Teils aus
Unwissenheit und Ignoranz ob der ökonomischen Bedeutung, teils aber auch aus
Furcht vor einer Kompetenz- und Kräftekonzentration wurde die Entwicklung
umfangreicherer privatwirtschaftlicher Aktivitäten immer wieder unterbunden.
Schließlich stellte das Rahmengesetz ("Loi Cadre") vom Jahresende 1964 das
staatliche Handelsmonopol wieder her, womit sich das Ende des privaten
Einzelhandels endgültig ankündigte. Wenig später zwangen steigende
Nahrungsmittelimporte, vor allem Reis zur Versorgung der urbanen Bevölkerung,
und sinkende Exporte die Regierung, eine Politik zur Erreichung der
Nahrungsmittelautarkie und Forcierung des Anbaus landwirtschaftlicher
Exportgüter einzuschlagen. Doch sowohl die dafür zur Verfügung stehenden
Mittel(27)
als auch die steigende Abwanderungsrate der ländlichen Bevölkerung in die
Nachbarländer infolge der Zwangskollektivierung der Produktionsbetriebe, sowie
weitreichende politische Kontrollen und Repressionen entzogen diesem Vorhaben
bald den Boden.
1968 wurde Sékou Touré erneut zum Staatspräsidenten gewählt. Mit einer Kabinettsreform, in der die Regierung und das nationale Politbüro (Bureau Politique Nationale BPN), also die administrative und politische Exekutive, zusammengelegt wurden, zentrierte er noch einmal seine Macht. Der Parteistaat war so aufgebaut, daß den einzelnen
Elementen der Parteistruktur eine komplementäre Verwaltungsinstanz
gegenüberstand (s. Grafik 1).
In der Nacht des 22. November 1970 landeten portugiesische Söldner an
verschiedenen Stränden Conakrys, um dort die bei vorangegangenen
Grenzauseinandersetzungen mit Guinea-Bissau gefangengenommene Soldaten zu
befreien. Ihnen schlossen sich ins Exil geflohene Guineer an, um die Gunst der
Stunde für einen Staatsstreich zu nutzen. Doch der wache Polizeistaat, durch die
ständige Komplottangst Sékou Tourés in permanentem Bereitschaftszustand
gehalten, war auf der Hut und gewann nach kurzem und rücksichtslosem Kampf die
Oberhand. Mehr als 350 Einwohner Conakrys fanden den Tod.
Überzeugt von der Existenz von die Landung unterstützenden Gruppen in der
Bevölkerung sowie der Mittäterschaft Frankreichs und der Bundesrepublik
Deutschland gebar Sékou Touré die Komplottvorstellung der "fünften Kolonne". Mit
äußerster Brutalität und diktatorischer Härte richtete er alle tatsächlichen und
vermeintlichen Beteiligten(28).
Die diplomatischen Beziehungen zu den beiden verdächtigten Staaten wurden
abgebrochen, Franzosen und Deutsche ausgewiesen. Unter Mißachtung der
Menschenrechte wurden Untersuchungen, Gefangennahmen und Verurteilungen über
Monate hinaus fortgesetzt. Bis heute ist nicht bekannt, wieviele Hunderte von
Menschen in die Straflager, insbesondere in das berüchtigte "Camp Boiro"in
Conakry, eingeliefert wurden und dort ihr Leben lassen mußten.
Bis 1975 war die politische Entwicklung Guineas durch eine zunehmende
Isolation gegenüber den europäischen Staaten und den Nachbarländern,
insbesondere dem Senegal und der Elfenbeinküste(29),
gekennzeichnet. Die durch Investitionen im Bergbausektor (Bauxit, Eisenerz)
rapide gestiegene Auslandsverschuldung, der den Binnenmarkt schädigende
Ressourcenabfluß in allen Bereichen (mineralische Rohstoffe, Agrarprodukte), das
äußerst restriktive Investitionsklima bei einer unterentwickelten Infrastruktur
(vor allem Transport und Kommunikation), die stetig steigende
Abwanderungsbewegung von Arbeitskräften(30)
sowie die Zunahme von Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder trieben
Guinea in den wirtschaftlichen Ruin.
War es in der Zeit nach der Unabhängigkeit das Modell eines der bedingungslosen industriellen Entwicklung verfallenen demokratischen Zentralismus, das die wirtschaftliche und politische Orientierung der guineischen Regierung auszeichnen sollte, so ging die Regierungsform zu Beginn der 70er Jahre in eine Staatsklassendiktatur über (HILLEBRANDT/WEIMER 1988, S. 25). Die politische, juristische, administrative, ökonomische und technische Macht vereinigte sich im Parteistaat, in dem die beherrschte Bevölkerung als Masse wie auch als Individuen keine Rolle mehr spielte. Die Sicherung seiner Exi-stenz basierte auf der konzentrierten Ausbeutung der einzigen funktionierenden Devi-
senquelle des Landes, dem Rohstoffabbau und dessen Exportinfrastruktur. Aus
seinen Funktionären rekrutierte sich auch zum überwiegenden Teil eine schmale
Oberschicht, dessen Mitglieder sich durch Machtmißbrauch (unrechtmäßiger
Plantagenerwerb, Abschöpfen von Subventionen sowie Schwarzmarktgeschäfte und
Schmuggel) bereicherten und sich bald völlig von Partei, Staat und Bevölkerung
abtrennten. Die Verstaatlichung von Handel und Gewerbe ging schließlich soweit,
daß im Jahre 1975 alle privatwirtschaftlichen Handelsaktivitäten in jeglicher
Form verboten wurden, womit die Versorgung der Bevölkerung mit Industrie- und
Konsumgütern vollends zusammenbrach.
Der sich daraus ergebende wirtschaftliche Druck zwang Sékou Touré, in den
darauffolgenden Jahren eine Politik der allmählichen Öffnung einzuleiten.
Zunächst wurden mit Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, Senegal und der
Elfenbeinküste wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen, um späteren Phasen
der wirtschaftlichen Zusammenarbeit den Weg zu bereiten.
Ein Aufstand von Tausenden von Marktfrauen im August 1977 als Protest gegen
die bevölkerungsfeindliche und destruktive Wirtschaftspolitik des Staates
erreichte eine Wiedererteilung von Einzelhandelslizenzen in kleinerem Umfang,
was erste Schritte zur Liberalisierung der Wirtschaft andeutete. Doch die
Regierung hatte kein Konzept zur Sanierung der extrem defizitär arbeitenden
Staatsbetriebe, zur Reduzierung des Beamtenapparates und zur Integration des
Bergbausektors in die übrige Wirtschaft parat. Stattdessen konzentrierten sich
die Bemühungen Sékou Tourés bis zu seinem Tode im Jahre 1984 konsequent auf die
Verwirklichung seiner Politik der internationalen Blockfreiheit Guineas, wobei
er versuchte, jeglicher ökonomischer Realität zum Trotz mit Hilfe von regionalen
und überregionalen politischen wie wirtschaftlichen Vernetzungen, die zum
größten Teil wirkungslos blieben, seine panafrikanischen Ziele durchzusetzen.
3.1.2.2 Die Außenpolitik - Blockfreiheit aus Opportunismus
Die Außenpolitik der Regierung Sékou Tourés stütze sich auf 3 Hauptaktivitätsbereiche:
1. das Bestreben, für Guinea ein Niveau der totalen politischen Unabhängigkeit zu erreichen,
2. den Anspruch einer Führungsrolle in der panafrikanischen Einheitsbewegung sowie
3. das Bemühen, in permanenten Verhandlungen mit den Staaten der westlichen
und östlichen Bündnissysteme unter Einnahme eines blockfreien Status' den
größtmöglichen Nutzen für sich und das Land zu ziehen.
Wesentlich beeinflußt wurden die außenpolitischen Aktivitäten und
Entscheidungen zum einen durch die vorherrschende Diskrepanz zwischen den
politischen Endzielen Sékou Tourés und der ökonomischen Krisensituation des
Landes, zum anderen formten auch die sich aus der innenpolitischen Instabilität
ergebenden Zwänge das Bild der guineischen Außenpolitik mit.
Trotz der heftigen Reaktion Frankreichs auf Guineas Unabhängigkeitserklärung war das Land schon 3 Monate später von den Vereinten Nationen und über 60 anderen Staaten, darunter die U.S.A., die Sowjetunion, Großbritannien und die Bundesrepublik Deutsch-
land, diplomatisch anerkannt worden. Dennoch wahrten die westlichen Staaten
mit Rücksicht auf Frankreich bezüglich einer tieferen wirtschaftlichen
Zusammenarbeit mit Guinea zunächst eine gewisse Zurückhaltung.
Im November 1958 sicherte sich Sékou Touré durch einen Besuch beim Staatschef
und Freund Kwame N'Krumah die politische und wirtschaftliche Partnerschaft mit
Ghana, was einen ersten Kredit von 28 Mio US$ und einen Unionsvertrag zwischen
den beiden Ländern einbrachte. Dieser erste Pakt wurde als Ausgangspunkt für
einen angestrebten Staatenbund aller westafrikanischer Länder betrachtet (LEWIN
1984, S. 65). 3 Jahre später stieß Mali unter Präsident Modiba Keita hinzu. Doch
die Aufmerksamkeit Sékou Tourés galt fortan der Einheit des gesamten
afrikanischen Kontinents, für die er sich als Vorreiter der panafrikanischen
Unabhängigkeitsbewegung unermüdlich einsetzte. 1963 schließlich wurden seine
Bemühungen mit der Gründung der Organisation für die afrikanische Einheit
(Organisation de l'Unité Africaine OUA) in Addis Abeba gekrönt.
Doch schon kurze Zeit später setzte er sich verstärkt für die Bildung von
Bündnissystemen mit regionalem Charakter im Rahmen der OUA-Charta ein (VOSS
1968, S. 76). Die daraus entstandenen Projekte resultierten aus der
Weiterführung der Gespräche im Rahmen des Komitees der Anrainerstaaten des
Flusses Senegal(31)
sowie der Diskussionen um den Aufbau einer Guinea, Liberia, Sierra Leone und die
Elfenbeinküste umfassenden Freihandelszone(32).
Nach einem erfolgreichen Besuch beim amerikanischen Präsidenten Kennedy im
Jahre 1961 konnte Sékou Touré ebenfalls eine Erhöhung der amerikanischen
Entwicklungs- und Finanzhilfe für Guinea verbuchen. In den ersten 5 Jahren
seiner Regierungszeit erreichte er ein hohes Maß an internationaler Anerkennung
und avancierte durch sein leidenschaftliches und dynamisches Eintreten für seine
politischen Denkweisen rasch zum Prototyp eines afrikanischen Führers im Kampf
um Einheit und gegen Postimperialismus und -kolonialismus.
Mit Frankreich blieb das Verhältnis kühl. Der Austritt aus der Franc-Zone und die Einführung einer nicht konvertiblen Binnenwährung, des guineischen Syli, erfolgte am 1. März 1960. Kurze Zeit später wurden Frankreich, Senegal und die Elfenbeinküste der Beteiligung an einem Komplott gegen Sékou Touré beschuldigt. Frankreich wiederum vermochte eine deutliche Zuwendung Guineas zum Kommunismus zu erkennen. In der Tat nutze der Ostblock das zögerliche Verhalten des Westens aus, um seine politischen, wirtschaftlichen und auch kulturellen Beziehungen zu Guinea zu verstärken. Mehrere Abkommen in diesen Bereichen sowie erhebliche Finanzhilfen für strategische Entwicklungsprojekte und zur Realisierung des ersten dreijährigen Wirtschaftsplanes
(1960 1963)(33)
halfen Guinea, das nach dem Abzug der Franzosen entstandene Vakuum zunächst zu
füllen. Doch zur Überraschung der westlichen Welt bekannte sich Guinea zwar zu
den sozialistischen Errungenschaften und beabsichtigte, den Staatsaufbau in
dieser Weise weiterzuverfolgen, es distanzierte sich jedoch deutlich vom
Kommunismus des Ostblocks. Die Beziehungen zur Sowjetunion froren schließlich
gänzlich ein, als Sékou Touré sie im Zusammenhang mit dem Komplott der Lehrer
vom November 1961 (s. vorh. Kasten) der Mittäterschaft bezichtigt. Am 26.
Dezember desselben Jahres mußte der russische Botschafter das Land verlassen.
Erst nach dem Sturz Nikita Chruschtschows im Jahre 1964 nahmen die beiden
Staaten wieder engere Beziehungen miteinander auf.
Ein weiterer Entwicklungspartner der ersten Stunde war die Volksrepublik
China. Ein erster zinsfreier Kredit von 25 Mio US$ im Jahre 1960 ebnete den Weg
für eine im weiteren Verlauf eher bescheidene, jedoch krisenfreie Partnerschaft.
Im Jahre 1970 stieg China sogar zum drittgrößten Importeur auf, vor allem
aufgrund der rasch anwachsenden Reislieferungen.
Nach dem Abkühlen des sowjetisch-guineischen Verhältnisses schaltete sich die
USA zunehmend in die Wirtschafts- und Entwicklungszusammenarbeit ein. Besonders
ein großangelegtes Nahrungsmittelhilfsprogramm gab der Regierung während ihrer
Bemühungen, den Degenerationsprozeß im landwirtschaftlichen Produktionssektor
aufzuhalten, lange Zeit Rückhalt und bewahrte die Bevölkerung vor Hungersnöten.
Trotz allem konzentrierte sich die amerikanische Initiative im wesentlichen auf
den Bergbausektor. Der Bauxitabbau und -export wurde in der Anfangsphase
weitgehend durch amerikanisches Kapital ermöglicht(34).
Dann, 5 Jahre nach der Unabhängigkeit, schienen sich die Beziehungen Guineas
zu Frankreich allmählich zu normalisieren. Abkommen über Handel und technische
Zusammenarbeit wurden getroffen, ein kultureller Austausch wurde eingeleitet,
und Saifoulaye Diallo, Sékou Tourés Stellvertreter, wurde von General de Gaulle
in Paris empfangen. Doch der Frieden währte nicht lang. Schon im November 1965
wurden die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen wieder gekappt, da
Frankreich beschuldigt wurde, maßgeblich am Komplott der Händler (s. vorh.
Kasten) beteiligt gewesen zu sein.
Nach einem Militärputsch in Ghana im Februar 1966 gewährte Sékou Touré seinem
Freund und Weggefährten N'Krumah politisches Asyl. Damit verschlechterten sich
die Beziehungen zur Elfenbeinküste weiter, denn ihr Staatschef Houphouet-Boigny
war ein erklärter Gegner N'Krumahs. Zudem bezichtigte ihn Sékou Touré der
Mitschuld am Militärstreich (LEWIN 1984, S. 72).
Im Oktober desselben Jahres trübte ein außergewöhnlicher Zwischenfall die Beziehungen zu den USA: das neue Regime Ghanas hielt den guineischen Außenminister Béavogui auf dem Weg zur OUA-Ministerkonferenz in Addis Abeba während einer Zwischenlandung
in Accra mehrere Tage fest. Da es sich um ein PANAM-Flugzeug handelte, machte
Sékou Touré die USA für diese Aktion mitverantwortlich, wies kurzerhand das
amerikanische Peace Corps außer Landes und sperrte PANAM die Landerechte. Doch
schon im darauffolgenden Jahr glätteten sich die Wogen und neue Kontakte,
besonders im Hinblick auf die Entwicklung des Bergbausektors, wurden mit den USA
geknüpft. Die Versöhnung mit Ghana erfolgte mit der Rückkehr einer stabilen
ghanaischen Regierung und dem Tod N'Krumahs 1972.
Die Sprunghaftigkeit und bisweilen Unberechenbarkeit der guineischen
Außenpolitik hatte bald eine politische Isolation des Landes zur Folge. Nachdem
sich Guinea gegen Ende der 60er Jahre seiner Abkapselung gegenüber den
westlichen Bündnissystemen und dem Ostblock sowie seinen westafrikanischen
Nachbarstaaten bewußt wurde, versuchte Sékou Touré, sich mit einer offensiven
Außenpolitik aus dem Abseits zu manövrieren und eine konstruktive Atmosphäre zu
schaffen, um sich auch endlich den dringlichen innenpolitischen und
wirtschaftlichen Problemen widmen zu können.
Die Beziehungen zur Elfenbeinküste und zum Senegal normalisierten sich. Die
lange vorbereitete Gründung der Organisation der Anliegerstaaten des
Senegalflusses (s. Fußnote 31) kam zum Abschluß. Mit der Wahl Siaka Stevens,
einem langjährigen Gesinnungsgenossen Sékou Tourés, zum Premierminister von
Sierra Leone und dem dortigen Aufbau einer stabilen Zivilregierung im Jahre 1968
wurde eine Phase intensiver Zusammenarbeit der beiden Länder eingeleitet. Auch
mit Liberia bemühte sich Sékou Touré um eine freundschaftliche Kooperation.
In dieser Zeit des "positiven Neutralismus" (KAKE 1987, S. 136) scheute er
sich dennoch nicht, konsequent für nationale Freiheitsbewegungen einzutreten und
unterstützte sie nach besten Kräften. So wurden u.a. Vertreter der
palästinensischen Freiheitsbewegung PLO in Conakry empfangen(35)
sowie der portugiesisch-guineischen Freiheitsbewegung PAIGC, die unter der
Führung von Amicar Cabral für ein freies und unabhängiges Guinea-Bissau kämpfte,
die Benutzung Conakrys als Operationsbasis gewährt.
Nachdem schon 2 Jahre zuvor erste Annäherungsversuche an Frankreich unternommen wurden, schien das Jahr 1970, vor allem nach dem Abgang General de Gaulles, zunächst eine deutliche Verbesserung des Verhältnisses beider Länder zueiander bereitzuhalten, bekräftigt durch eine diplomatische Mission Frankreichs, die in Conakry warmherzig empfangen wurde. Doch die Invasion portugiesischer Söldner vom 22. November desselben Jahres, bei der Frankreich und auch die Bundesrepublik Deutschland der Mittäterschaft beschuldigt wurden, machten eine Wiederaufnahme jedweder Zusammenarbeit zunichte. Eine Welle unbeschreiblicher Gewalt, angetrieben von Sékou Tourés unbändigem Zorn über das Geschehene, wogte anschließend über das ganze Land hinweg. Hunderte von Menschen, der Zugehörigkeit einer für die Invasion verantwortlichen "fünften Kolonne" bezichtigt, fanden mit oder ohne Gerichtsverhandlung in öffentlichen Massen-
hinrichtungen den Tod(36).
Mit diesem Ausbruch willkürlicher Gewaltherrschaft, der in aller Welt scharf verurteilt wurde, fiel Guinea in den darauffolgenden Jahren wieder in tiefste Isolation zurück. Lediglich die Sowjetunion und Kuba konnten den Kontakt über gemeinsame Ziele im Rahmen der Unterstützung der panafrikanischen Befreiungstendenzen(37) und der bestehen-den wirtschaftlichen und militärischen(38) Kooperation halten. Die Bevölkerung reagierte ebenfalls auf die zunehmende diktatorische Unterdrückung. Ein Exodus ungeahnten Ausmaßes erfaßte das Land, vor allem in den ländlichen Regionen.
In den Jahren 1974-75 begann Sékou Touré, sein Land mit spektakulären Versöhnungen, vor allem mit Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland, aus dem Brackwasser der politischen Abgeschiedenheit zu navigieren. Auf Initiative des damaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Kurt Waldheim, und des französischen Diplomaten André Lewin, die im März 1974 dem guineischen Präsidenten einen Besuch abstatteten, wurden in zähen Verhandlungen 3 langjährig im Camp Boiro festgehaltene Deutsche freigelassen, anschließend, am 22. Juli die diplomatischen Beziehungen mit Bonn wieder aufgenommen. Der in Guinea verbliebene Lewin erreichte sogar die Freilassung von weiteren 18 französischen Gefangenen und arbeitete daraufhin, vor allem seit seiner Berufung zum Botschafter seines Landes ab 1976, auf eine völlige Aussöhnung der beiden Länder hin. Seine Bemühungen erreichten ihren Höhepunkt, als dem französischen Staatspräsidenten Giscard d'Estaing im Dezember 1978, 20 Jahre nach der Abkehr Guineas von Frankreich, ein rühmlicher Empfang in Conakry bereitet wurde.
Schon bald wurden Verträge zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit unterzeichnet und Handelsabkommen getroffen. Frankreich kam mit dieser dankbaren Entwicklung zwei Zielen näher: zum einen gewann es die Verbindung zu einem Land zurück, dessen Reichtum an mineralischen Ressourcen immer noch eine profitable Erschließung und Ausbeutung wichtiger Rohstoffe in Aussicht stellte, zum anderen sollte in gewisser Weise der Ausbreitung und Konsolidierung sowjetischer Interessen Einhalt geboten werden. Auch mit seinen bisher meist als imperialistische Vasallen des neokolonialistischen Frankreich bezeichneten Nachbarstaaten Senegal und Elfenbeinküste (KAKE 1987, S. 214) wurde eine Basis für eine Annäherung und zukünftige Zusammenarbeit geschaffen. Die Präsidenten Guineas, des Senegals, der Elfenbeinküste, Togos, Sierra Leones und Gambias folgten am 17. März 1978 der Einladung des liberianischen Präsidenten Tolbert nach Monrovia, um dort ihren Willen zur Kooperation zu bekräftigen(39). Staatsbesuche in den Senegal und zur Elfenbeinküste festigten die getroffenen Grundsätze.
Doch eines der wichtigsten Elemente der Offensivpolitik Sékou Tourés war
seine Rückkehr zu den Gipfeltreffen der OUA, denen er seit 1965 fernblieb, um
nun, 13 Jahre später, einen triumphalen Wiedereinzug zu feiern. Denn trotz der
langjährigen Abstinenz hatte niemand den "alten" Sékou Touré vergessen, jenen
bedingungslosen Vertreter afrikanischen Freiheitswillens. Ungeachtet dieses
Bonus' nahm er im Rahmen seiner wiederbelebten Präsenz in der OUA jene Linie
wieder auf, wurde Mitglied des Komitees zur Regelung der Tschad-Frage und trat
dem Ausschuß zur Erarbeitung einer Resolution über das Referendum die westliche
Sahara betreffend bei(40).
Zur gleichen Zeit erfolgte eine stetig wachsende Distanzierung von der
Zusammenarbeit mit dem Ostblock. Ihm wurde vorgeworfen, die guineische
Wirtschaft in Zeiten schwerster Probleme sich selbst überlassen zu haben, ohne
die versprochene Qualität und Quantität wirtschaftlicher und technischer
Zusammenarbeit jemals in die Realität umgesetzt zu haben.
Die hauptsächlichen Gründe für die 180-Kehrtwendung in der Außenpolitik Sékou
Tourés waren wohl in den innenpolitischen und nationalen Macht- und
Glaubwürdigkeitsverlusten sowohl auf der Seite der PDG, als auch hinsichtlich
seiner Person selbst, und in der noch immer andauernden wirtschaftlichen Misere
zu suchen. Es war nunmehr ein Zwang daraus geworden, aus den sich aus der
außenpolitischen Totaloffensive ergebenden diplomatischen Versöhnungen und neuen
Kontakten wirtschaftlichen Nutzen in Form von Krediten und Abkommen über
technische Zusammenarbeit zu ziehen. Eine wichtige Rolle hierbei spielten die
Verbindungen zu religionsbrüderlichen Staaten wie Marokko und Saudi-Arabien. In
seiner Haltung als absoluter Verfechter der islamischen Tugenden und Vermittler
zwischen im Konflikt stehenden islamischen Parteien beeindruckte er die
arabische Welt(41).
Dies ebnete den Weg für zahlreiche Zuwendungen wie den Bau einer der größten
Moscheen Afrikas durch Saudi-Arabien, die Einrichtung einer 50 Mio US$ teuren
Villenanlage mit 26 prunkvollen Chalets zur Aufnahme des 1984er
OUA-Gipfeltreffens sowie mehrere Kredite der arabischen Bank für die
wirtschaftliche Entwicklung in Afrika (Banque Arabe pour le Développement
Economique en Afrique BADEA).
Es schien, als ob Sékou Touré schließlich doch noch den Weg zur Außenpolitik
seiner Vorstellungen gefunden hätte: eine konstruktive Zusammenarbeit mit den
Nachbarstaaten im westafrikanischen Raum, neue Impulse in der afrikanischen
Einheit, bedingungslose Unterstützung von nationalen Freiheitsbewegungen, eine
liberale Position gegenüber gemäßigten Partnern und eine freundschaftliche
Kooperation mit der westlichen Industriewelt, um in den Genuß von Kapital,
Technologie und Know-how zu kommen sowie schließlich die Beibehaltung moderater
Beziehungen zum sozialistischen Lager des Ostblocks.
Doch das größte Ziel seiner außenpolitischen Anstrengungen der letzten Jahre galt letztendlich seiner Präsidentschaft der OUA im Jahre 1984. In diesem Jahr sollte ihr
Gipfeltreffen in Conakry tagen. Gemäß einer internen Regelung wurde meist der
Gastgeber zum Präsidenten gewählt, und Sékou Touré wußte die Mehrheit schon auf
seiner Seite. Doch am 25. März 1984 fand seine Herrschaft ein jähes Ende. Sékou
Touré, Held und Tyrann, starb in einer Spezialklinik in Cleveland/Ohio an den
Folgen einer Herzattacke.
3.1.3 Die Wende: Potentiale und Grenzen eines subiten
Liberalismus
Die II. Republik
Nach dem Tode Sékou Tourés versuchten der Premierminister Béavogui,
langjähriger Weggefährte und politische rechte Hand des verschiedenen Despoten,
und Tourés Halbbruder Ismael Touré, ehrgeiziger Vertreter aus dem Familienclan,
die Nachfolge der Staatsführung unter sich aufzuteilen und übernahmen die
Regierungsgeschäfte.
Doch am 3. April 1984 wurde über Radio Conakry durch das "militärische
Komitee zum nationalen Wiederaufbau" (Comité Militaire de Redressement National
CMRN) unter der Präsidentschaft des General Lansana Conté die II. Republik
ausgerufen. Ein weiterer Militär, Colonel Diarra Traoré, wurde
Ministerpräsident. Die Armee, immer der Vorbereitung eines Staatsstreiches
verdächtigt und daher stets von einer Spezialabteilung der PDG überwacht, hatte
die Gunst der Stunde genutzt und ohne jegliche Gewaltanwendung die Führung des
Landes übernommen(42).
Eine zur Hälfte aus Zivilisten bestehende Regierung wurde eingesetzt, alle
existierenden Ministerien übernommen. Erste außenpolitische Aktivitäten lagen in
Besuchsreisen des Ministerpräsidenten in alle westafrikanischen Länder, um die
Beziehungen mit Guineas Nachbarn aufrechtzuerhalten und zu festigen. Auch mit
Frankreich wurde verstärkt Kontakt aufgenommen, um ihm die weitere
Kooperationsbereitschaft zu signalisieren und den Fluß der Hilfsleistungen, vor
allem im Bildungswesen, nicht abreißen zu lassen.
Unter dem Jubel des Großteils der Bevölkerung wurde die PDG und ihre Organe
aufgelöst und die Strafverfolgung ihrer verbrecherischen Aktivitäten
zugesichert. Der Überwachungsstaat existierte nicht mehr. Die Öffnung der
Zellentore des Todeslagers "Camp Boiro" in Conakry sollte symbolisch für das
Ende der Gewaltherrschaft sein und eine neue Ära des Friedens und der Freiheit
einleiten(43).
Unter dem Appel an die Exilguineer, in ihr Heimatland zurückzukehren, wurden die
Grenzen weit geöffnet.
Die neue Regierung war nun vor das schwere Problem des Wiederaufbaus einer desolaten guineischen Wirtschaft gestellt. Unerfahrenheit mit ökonomischen und politischen Fragestellungen, aber auch Eigeninteressen der Mitglieder des CMRN verhinderten zunächst die Erarbeitung klarer Konzepte für Lösungswege aus der Krise. Doch der allgemeine Trend ging in Richtung Liberalisierung der Marktwirtschaft durch den Abbau
der
Staatskontrolle, die Auflösung des staatlichen Handelsmonopols, eine notwendige
Währungsreform sowie die Förderung der Privatwirtschaft durch
Investitionsanreize. Dazu wurde im Dezember 1984 die Rückgabe aller vom
Touré-Regime konfiszierten Grundstücke und Eigentümer angekündigt. Um den
dringend erforderlichen Personalabbau in der Verwaltung voranzutreiben, folgte
im April 1985 das Versprechen, Staatsbedienstete, die freiwillig vorzeitig aus
dem Dienst ausschieden, beim Aufbau eines Privatunternehmens zu unterstützen. Im
Bildungssektor wurden private Schulen wieder erlaubt. Die nationalen Sprachen
traten zugunsten des als Amtssprache anerkannten Französisch zurück. Die
berufliche Ausbildung wurde entpolitisiert und mehr an der Praxis orientiert.
Der 18. Dezember 1984 brachte eine nach den ersten Erfahrungen notwendige
Regierungsumstrukturierung mit sich. Der Posten des Premierministers wurde
abgeschafft, Colonel Traoré bekam das Bildungsressort zugewiesen.
Am 4. Juli 1985 unternahm dieser mit Unterstützung der Polizei einen
Putschversuch, während Präsident Conté einem ECOWAS-Gipfeltreffen in Togo
beiwohnte. Unter Besetzung der nationalen Radiostation wurde die Auflösung des
CMRN verkündet. Doch kurze Zeit später gewannen loyale Regierungstruppen die
Kontrolle zurück und der Putsch scheiterte, noch ehe der Präsident 2 Tage später
in sein Land zurückkehrte. Er nutzte die Situation aus und ließ neben den am
Putschversuch Beteiligten zahlreiche Regimegegner verhaften.
Kurze Zeit später lösten Gerüchte über die Exekutierung der Urheber des Putschversuches, Mißhandlungen anderer politischer Gefangener sowie unmenschliche Bedingungen im Zivilgefängnis von Conakry innenpolitische Unruhen aus. War es auf internationaler Ebene die Befürchtung, die frisch gewonnene Versicherung zur Einhaltung der Menschenrechte würde unterlaufen, so spielten auf nationaler Ebene ethnische Konflikte eine große Rolle. Da der Präsident Conté dem Stamm der Soussou angehörte, eine Volksgruppe, die während der Herrschaft Sékou Tourés unter Benachteiligungen und Repressionen, vor allem in der Armee, zu leiden hatte, erwartete man nun Racheakte zur Befriedigung der Ressentiments. Die Spannungen verschärften sich, als am 6. Mai 1987 Todesurteile für 58 politische Gefangene verkündet wurden. In einer offiziellen Pressemitteilung wurde zudem bekannt, daß Diarra Traoré mit einigen anderen politischen Häftlingen schon vor ihrer Verurteilung in der Haft verstorben seien. Eine Entspannung der Situation trat erst zum Jahresende ein, als per Regierungsdekret 65 politische Gefangene freigelassen
wurden, unter ihnen Sékou Tourés Witwe mit ihrem Sohn.
In seiner Position gefestigt, setzte Conté nun die radikalen ökonomischen
Strukturreformen durch, die der Internationale Währungsfonds und die Weltbank
als Bedingungen für die Zusage ihrer Wirtschafts- und Finanzhilfe forderten.
Seit Oktober 1985 unterlag der guineische Syli einer stufenweise Abwertung von
insgesamt 93%, bis er im Januar 1986 durch die Wiedereinführung des guineischen
Franc aus dem Verkehr gezogen wurde. Der öffentliche Dienst wurde von den ersten
schweren Reformen mit bedeutenden Personalreduzierungen erfaßt. Einige
Privatisierungsversuche von Staatsunternehmen fanden statt. Im Dezember 1985
erfolgte außerdem eine bedeutende Umbildung im Ministerrat: zum ersten Mal seit
Beginn der II. Republik saß eine Mehrzahl von Zivilisten im Kabinett. Kurze Zeit
später, im April 1986, wurden unter französischer Beratung in Conakry allgemeine
Wahlen zum Bezirksrat abgehalten, die als erster Schritt auf dem Wege zu
demokratischen Verhältnissen angesehen wurden.
Frankreich spielte bald wieder eine aktive Rolle als Entwicklungshilfepartner
und auch Investor. Die Privatisierung der Staatsunternehmen wurde gefördert,
zahlreiche französische Lehr- und Beratungskräfte kamen ins Land. Einen ersten
Höhepunkt der Beziehungen bildete der Besuch des französischen Staatschefs
François Mitterands im November 1986 in Conakry. Aber auch andere westliche
Staaten wie die USA, Kanada, Japan und die Bundesrepublik Deutschland standen
technischer und finanzieller Hilfe positiv gegenüber. Am 18. und 19. März 1987
schließlich fand unter dem Vorsitz der Weltbank die erste Geberkonferenz für
Guinea in Paris statt. Das Ergebnis war die Zusage von insgesamt 670 Mill. US$
für öffentliche Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur im Rahmen eines
vorgelegten nationalen Wiederaufbauprogramms für den Zeitraum von 1987 bis 1991.
Die Beziehungen zum Ostblock wurden kontinuierlich fortgeführt und durch ein
Kulturabkommen mit Kuba Anfang 1987 sowie die Einsetzung einer hochrangigen
guineisch-sowjetischen Entwicklungskommission im Mai desselben Jahres vertieft.
Auch die militärische Zusammenarbeit blieb durch die Auslieferung zweier
sowjetischer Patrouillenboote für die guineische Marine weiterhin ein
Schwerpunkt. Auf regionaler Ebene setzte Conté seine Bemühungen um politische
Integration durch Treffen mit den Präsidenten Malis, Sierra Leones,
Guinea-Bissaus und Senegals fort.
Doch die gleichbleibend hohe Inflation, die Kürzungen und Stellenstreichungen in der öffentlichen Verwaltung sowie die schleppende Durchführung und ungenügenden Ergebnisse der Wirtschaftsreformen führten zu Unmut im guineischen Volk, das seine Unzufriedenheit zu Jahresbeginn 1988 mit heftigen Demonstrationen in Conakry zum Ausdruck brachte. Gleichzeitigen Unruhen in der Armee begegnete Conté mit einer kleinen Regierungsumbildung, bei der zwei der Opposition verdächtigte Militärs auf die Ministerposten zur Verwaltung von Mittel- und Oberguinea abgeschoben und somit isoliert wurden(44).
Präsident Conté versuchte dann, die allgemeine Unzufriedenheit am 30. Juni
1989 durch eine umfassende Kabinettsumbildung zu beseitigen. Diese
Umstrukturierung versprach insofern Erfolg, als daß die Rückkehr zweier
international erfahrener Diplomaten nach Conakry erfolgte: Ibrahima Sylla, der
zuvor als Botschafter bei der EG in Brüssel eingesetzt war, wurde das
Ministerium für Planung und internationale Zusammenarbeit anvertraut, während
Major Mohamed Lamine Traoré, ehemals Botschafter bei der UNO, zum Minister für
Bodenschätze und Umwelt benannt wurde. An der übermäßigen Beteiligung von
Militärs im Kabinett änderte sich jedoch nichts.
Die Kritik über die Verschleppung wichtiger Reformen und die unwillige
Haltung der Militärregierung, den Übergang zu einem demokratischen
Mehrparteiensystem einzuleiten, rief bald eine einheitliche Oppositionsfront auf
den Plan: die Versammlung des guineischen Volkes (Rassemblement du Peuple
Guinéen RPG) unter der Führung Alpha Condés, eines exilierten Radikalreformers,
der von Paris aus operierte(45).
Die französische Presse hinter sich wissend, versuchte die RPG durch die
Initiierung und Unterstützung von Demonstrationen radikaler Studentengruppen,
Protestmärschen der Staatsbediensteten sowie Aktionen der guineischen
Menschenrechtsliga die Regierung Contés zu destabilisieren.
Die Hauptvorwürfe der Opposition richteten sich gegen die rapide ansteigenden
Preise gegenüber nur langsam wachsenden Löhnen und gegen die willkürliche
Machtausübung der Regierung, die in zunehmendem Maße Regimegegner verhaftete und
folterte(46).
Unter dem Druck der Öffentlichkeit und der internationalen Gebergemeinschaft
legte sich Präsident Conté schließlich am 1.10.89, am 31. Jahrestag der
Unabhängigkeit, auf einen Fünfjahresplan zur Einführung eines
Mehrparteiensystems mit einer demokratisch gewählten Zivilregierung fest. Dazu
sollte das CMRN durch eine Übergangskomitee ersetzt werden, das die Aufgabe
hätte, das Land in die pluralistische Demokratie zu überführen. Den Beginn
machte man am 18. Oktober mit der Bildung einer aus Vertretern von politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Ebenen bestehenden Kommission, die bis zum Ende
des Jahres 1990 den Vorschlag zu einer neuen Verfassung zur Verabschiedung
vorlegen sollte. Exekutive, Legislative und Jurisdiktion sollten streng getrennt
werden. Die weitere Entwicklung sah ein Zweiparteiensystem und die Bildung eines
Einkammernparlamentes vor. In allgemeinen freien Wahlen würde ein neuer
Präsident für ein nur einmalig zu wiederholendes Mandat von 5 Jahren gewählt
werden.
Spannungen auf internationaler Ebene bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte in
Guinea begegnete Präsident Conté am Anfang des Jahres 1990 mit einer Generalamnestie aller politischen Gefangenen sowie der Ankündigung der Rückgabe konfiszierten Eigentums.
Am 1. März 1990 erfolgte abermals eine Kabinettsumbildung, bei der der Bildungsminister und der Sozial- und Arbeitsminister kurzerhand die Ressorts tauschten. Dieser Wechsel sollte der Bildung neue Impulse geben und der anhaltenden Krise in diesem Sektor entgegentreten: ein allgemeiner Lehrerstreik, der sich gegen die unzureichende Bezahlung und widrigen Arbeitsbedingungen richtete, konnte durch die Zusicherung einer Lohnerhöhung beigelegt werden. Im November 1990 wurde die Universität in Conakry als Antwort auf einen Vorlesungsboykott der Studenten geschlossen, die für eine Reformierung des Ausbildungsförderungssystems, eine qualitative und quantitative Verbesserung des Lehrkörpers und eine angemessenere Lehrmittelausstattung eintraten. Blutige Auseinandersetzungen der Studenten mit der Polizei begleiteten die Demonstrationen. Obwohl die Regierung die Wiedereröffnung der Universität und die Wiederaufnahme des Lehralltags anordnete, setzten sich die Unruhen bis zum Jahresende fort.
Gegen alle Forderungen der Opposition, das politische Reformprogramm zu beschleu-nigen, beharrte die Regierung auf einen graduellen Übergang zum Zweiparteiensystem. Der von der Kommission ausgearbeitete Verfassungsvorschlag wurde von der Bevölkerung in einem nationalen Referendum am 23. Dezember 1990 mit überwältigender Mehrheit angenommen(47). Die Regierung zog daraufhin am 21. Februar mit der Auflösung des Militärkomitees und der Bildung eines neuen Übergangskomitees des nationalen Wiederaufbaus (Comité Transitoire de Redressement National CTRN) die Konsequenzen. Unter der Führung Contés stellte das CTRN ein 12 Mitglieder zählendes Exekutivkomitee dar, dem 5 siebenköpfige Kommissionen unterstanden (Rechtsangelegenheiten; Verteidigung und Sicherheit; Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt; kulturelle und soziale Angelegenheiten; Kommunikation).
Gemäß der neuen Verfassung durften Mitglieder des CTRN keine Ministerposten
bese-tzen. Doch obwohl sich Präsident Conté einige bedeutende Minister aus der
Kabinetts-riege in das CTRN holte, behielten die Militärs dennoch die
strategisch wichtigsten Ministerposten wie die Außenpolitik, die wirtschaftliche
und finanzielle Kontrolle, Post und Telekommunikation, Transport und öffentliche
Arbeiten und schließlich die Justiz(48).
Dies bedeutete gleichzeitig, daß er auf die Loyalität der Armee angewiesen war.
Währenddessen flammten die Unruhen im Bildungssektor erneut auf. Am 1. Mai 1991
kam es zum Streik des gesamten akademischen Personals, dem sich bald darauf
weitere Bereiche der öffentlichen Verwaltung anschlossen. Gefordert wurde eine
deutliche Erhöhung der Gehälter, um die Steigerung der Lebenskosten zu
kompensieren. Die Regierung versuchte einzulenken und sagte einer Verdopplung
der Gehälter aller Staatsbediensteten und Maßnahmen zur Verbesserung der
Sozialleistungen zu. Gleichzeitig wurde die Halbierung der Gehälter von
Ministern und Mitgliedern des CTRN bekanntgegeben. Doch die guineische
Arbeitergewerkschaft (Confédération des Travailleurs de Guinée CTG), angestiftet
durch den Mut und die Beharrlichkeit der Lehrerschaft, bezeichnete diese
Maßnahmen als ungenügend und rief zu einem Generalstreik auf, der die Hauptstadt
lahmlegte.
Die Verwaltung und die Banken waren geschlossen, der öffentliche Verkehr
Conakrys blockiert. Nach mehreren Gesprächen, in denen Präsident Conté um Ruhe,
Toleranz und die Einhaltung des sozialen Friedens bat, konnte der Streik nach 48
Stunden beendet werden. Die Protestbewegung der Studenten indessen wurde
fortgeführt. Die Wogen schlugen hoch, als das Fahrzeug des Bildungsministers
angezündet und verbrannt, mehrere Verwaltungsgebäude der Regierung angegriffen
wurden. Diese reagierte am 9. Mai 1991 mit der einstweiligen Schließung der
Universität und hielt den Campus bis Mitte Juni militärisch besetzt. Dann wurde
sie wieder geöffnet und das akademische Jahr konnte mit einer Verlängerung ohne
weitere Zwischenfälle beendet werden.
Indessen führte die RPG unter Alpha Condé eine Gruppe von Oppositionsparteien
an(49),
die vehement für die Bildung einer Nationalversammlung eintraten, um die
politischen Reformen zu beschleunigen, in möglichst kurzer Zeit das Militär aus
der Politik zu verbannen und zu demokratischen Verhältnissen im Rahmen eines
Mehrparteiensystems zu kommen.
Mehr als 25 Jahre lang hatte das guineische Volk keine Möglichkeit, sich außerhalb der Ideologie und der Gewaltherrschaft der I. Republik Sékou Tourés politisch zu betätigen. Doch jetzt, insbesondere nach der Annahme einer neuen Verfassung (Loi Fondamentale), wurde der lang unterdrückte politische Handlungsgeist des Volkes aktiv. Aufkommender Unmut richtete sich vor allem gegen die unnötige Länge der Übergangsperiode hin zur Zivilregierung, die 5 Jahre betragen sollte.
Unter dem Druck der Opposition und der Öffentlichkeit ging Präsident Conté Anfang Oktober 1991 mit dem Vorschlag der Öffnung der politischen Debatte für alle sich formierenden Parteien und der Kürzung der Übergangszeit in die Offensive. Das Parteienverbot wurde aufgehoben. Das im Grundgesetz verankerte Zweiparteiensystem wurde
zugunsten eines integralen Mehrparteiensystems modifiziert. Neu gebildete
Parteien sollten bestimmte Zulassungskriterien wie ein Parteiprogramm, eine
Parteistruktur, eine Mindestanzahl von Mitgliedern und nationale Zielsetzungen
erfüllen, um vom 3. April 1992(50)
an offiziell zugelassen zu werden. Allgemeine freie Wahlen sollten dann schon am
Ende desselben Jahres durchgeführt werden.
Schon nach kurzer Zeit hatten sich mehrere Dutzend Parteien und politische
Gruppen gebildet, doch am Ende stellten sich 22 Parteien vor, von denen 17 den
Kriterien der Zulassung entsprachen und offiziell zugelassen wurden. Doch nach
einer weiteren Periode der politischen Konsolidierung verdoppelte sich diese
Zahl etwa bis zur Jahresmitte 1992. Eine der ersten und wichtigsten
Oppositionsparteien, die zugelassen wurden, war die RPG Alpha Condés, der seine
offizielle Rückkehr in sein Heimatland als Parteiführer im Juni 1992 feierte.
Am 23. Dezember 1991 trat gemäß dem ein Jahr zuvor verwirklichten Referendum
die neue Verfassung (Loi fondamentale) für eine Präsidialrepublik mit
Gewaltenteilung in Kraft. Letzterem Grundsatz folgend, verließ Präsident Conté
das CTRN, dessen Mitgliederzahl sich auf 15 verringerte. Indes blieb diese
Episode des mit der Verfassung eingeleiteten Demokratisierungstheaters wie auch
das am 3. April verabschiedete Gesetz zum Mehrparteiensystem und das später
gewählte Parlament nur eine Fassade, hinter der sich der Präsident die
Vollmachten sicherte, die faktisch ein Fortbestehen der Diktatur bedeuteten:
gleichzeitig Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber der
Streitkräfte ernennt er alle Regierungsmitglieder und kann in Krisensituationen
den Ausnahmezustand verhängen. Auf der Grundlage der Verfassung wurden am 24.
Dezember 1991 17 Rahmengesetze verabschiedet, die den Weg für politische
Freiheit und die Organisation einer neuen demokratischen Gesellschaft bereiten
sollten. So wurden u.a. die Bildung und Zulassung politischer Parteien
(Mehrparteiengesetz, s.o.), die Pressefreiheit, das Wahlgesetz, die
Unabhängigkeit der Justiz, der Aufbau des Justizapparates, die Zusammensetzung
der Nationalversammlung sowie die Festlegung der Wahlbezirke neu geregelt.
. Dennoch dauerte es noch einige Monate, bis politische Parteienaktivitäten
auch in der Praxis anerkannt und nicht mehr gestört oder unterdrückt wurden.
Eine treibende Kraft im Kampf um weitere politische Freiheiten war das Mitte
November 1991 von 30 der 33 bis dahin entstandenen Parteien gegründete Nationale
Demokratieforum (Forum Démocratique National FDN). Es forderte u.a. die
sofortige Einberufung einer Nationalkonferenz zur Abhaltung von freien und
gerechten Wahlen. Es war dies im Vorfeld der Wahlen der erste Zusammenschluß von
Parteien, die zwar keine einheitliche Politik besaßen, jedoch gemeinsam gegen
die bestehende Regierung Front beziehen wollten. Im späteren Verlauf des
Wahlkampfes zeigte sich jedoch keine dieser Allianzen in der Lage, einen
gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen, zu groß waren die
Unterschiede in den politischen Inhalten und in der Ethnizität.
Am 6. Februar 1992 kam es noch einmal zu einer tief einschneidenden Regierungsumbildung: die Zahl der Minister wurde von 24 auf 16 reduziert. 7 von 11 Militärmini-
stern mußten gehen, alle aus der politischen Diaspora der Sékou Touré-Ära stammenden Minister ebenfalls. Auch die Ministerposten in den 4 Naturräumen Guineas sowie die fünf Staatssekretariate für Tourismus, Energie, Fischereiwesen, Dezentralisierung und Schulausbildung wurden aufgelöst. Gouverneure ohne Kabinettsrang, die direkt dem Innenminister unterstanden, repräsentierten fortan die Regierung in den Naturräumen. Die Ministerien selbst erfuhren eine interne Umstrukturierung, um den Erfordernissen der neuen Lage besser gewachsen zu sein. So wurde beispielsweise aus dem früheren Ministerium für Planung und internationale Zusammenarbeit das Planungs- und Finanzministerium, um die Planung realistischer an den Haushalt zu binden. Gleichzeitig wurde aus dem früheren Ministerium für Industrie, Handel und Handwerk das Ministerium für Industrie und kleine und mittelständische Betriebe, um der ökonomischen Entwicklungsorientierung, die in verstärktem Maße auf die Etablierung einer Unternehmerschicht ausgerichtet war, einen staatlichen Partner zu geben.
Als Begründung für diese Kabinettsumbildung wurden Finanzprobleme im
Staatshaushalt angegeben, die nicht zuletzt unter dem Druck der internationalen
Gebergemeinschaft einer raschen Behebung bedurften. Conté nutzte diesen Anlaß,
um jene Militärs, deren Loyalität er sich aufgrund ihrer antiliberalen
Einstellungen nicht mehr sicher war, ihrer Ministerämter zu entheben und ihre
Macht zu beschränken. Dies war die logische Konsequenz einer kurz zuvor
erfolgten Verjüngungskur in der Armee, bei der etwa 200 ältere Offiziere in den
vorzeitigen Ruhestand geschickt wurden. Die nachrückende junge Offiziersgarde,
allesamt in den USA, in der ehemaligen Tschechoslowakei und in Frankreich
ausgebildet, garantierte ihm Loyalität und sicherte ihm Schutz vor reaktionären
Kräften aus der Armee zu.
Das Jahr 1992 war durch zahlreiche politische und soziale Unruhen
gekennzeichnet. Jeder versuchte, die Tiefe des neugewonnenen politischen
Spielraumes auszuloten und seine Interessen so weit wie möglich durchzusetzen.
Mehr und mehr formierten sich Oppositionskoalitionen, die auch in ihren
politischen Zielen übereinstimmten. Der politische Bildungsprozeß hatte
begonnen, und die Bevölkerung beteiligte sich immer mehr am politischen
Geschehen. Der für das Jahresende vorgesehene Termin für die ersten freien
Wahlen mußte jedoch aus finanziellen und organisatorischen Gründen auf ein
unbestimmtes Datum im darauffolgenden Jahr verschoben werden. Die Ende Mai
begonnene Zählung zur Erfassung der Wähler und Aufstellung von Wählerlisten kam
nur schleppend voran.
Eine neu verabschiedete Bodengesetzgebung ermöglichte nunmehr allen öffentlichen wie privaten Organisationen und Individuen, auch ausländischen Investoren, Grundeigentum und die darauf stehenden Gebäude zu erwerben. Von der nationalen und internationalen Geschäftswelt als Garantie gegen illegale Landbesetzung und Sequestration zunächst begrüßt, bleiben dennoch Zweifel an der Respektierung und konsequenten Anwendung des Gesetzes bestehen, da die Korruption in der öffentlichen Verwaltung wie auch in den Reihen der Justiz immer noch ein unkalkulierbares Manipulationsrisiko darstellt. Zu Beginn des Jahres 1993 waren 42 politische Parteien offiziell registriert, angemeldet und zugelassen. Durch die Aufsplitterung in zahlreiche Kleinbündnisse konnte sich keine einheitliche politische Kraft mehr gegen die bestehende Regierung formieren. Immer deutlicher zeichnete sich hierbei der Zusammenschluß ethnisch übereinstimmender Parteien ab, was die Parteienfront in wenige große Lager aufspaltete.
Die
Situation im Ausbildungssektor blieb weiterhin krisenhaft. Nachdem sich die
Studentenunruhen zu Jahresbeginn allmählich gelegt hatten, machten nun die
Lehrer mobil, um gegen ihre unzumutbaren Arbeits- und Gehaltsbedingungen zu
demonstrieren. Ende April 1993 riefen die beiden jungen Lehrergewerkschaften(51)
zum landesweiten Streik auf. Ihre Forderungen beinhalteten u.a. die Vorgabe
klarer Richtlinien und Perspektiven für die berufliche Karriere, eine Anhebung
der Gehälter sowie verbesserte Sozialleistungen.
Im Zuge des von sozialen und ethnischen Differenzen gezeichneten Wahlkampfes
führten Demonstrationsmärsche und Kundgebungen der Oppositionsparteien, vor
allem in der Hauptstadt, oftmals zu heftigen Konfrontationen vor allem mit
Anhängern der regierungstreuen Einheits- und Fortschrittspartei (Parti de
l'Unité et du Progrès PUP). Die schwerste dieser Eskalationen, ein Protestmarsch
Ende September in Conakry, hatte die traurige Bilanz von 43 Toten und mehreren
Hundert Verletzten aufzuweisen (EIU CR 4/93, S. 11). Die Regierung erließ
daraufhin ein Verbot jeglicher Demonstrationen bis zur Wahl, dessen Termin
endgültig auf den 19. Dezember 1993 festgelegt wurde.
Im Vorfeld der Wahlen wurde immer deutlicher, daß die Regierung des
Präsidenten Conté bereit war, seine Wiederwahl auch durch Manipulation,
Repression oder das Gegeneinanderausspielen ethnischer Differenzen zu erzwingen.
Die zur Überwachung der Wahl aufgestellte unabhängige Wahlkommission (Comité
National d'Election CNE)(52)
distanzierte sich daraufhin vom technischen Durchführungskomitee der Wahl mit
den Worten, die Wahlvorbereitungen liefen undurchsichtig und eine
Transparenzgarantie sei nicht mehr gegeben (EIU CR 1/94, S. 14).
Die Repräsentanten der internationalen Gebergemeinschaft, von der guineischen
Regierung um Beistand für die Finanzierung, Organisation und Durchführung der
Wahl gebeten, zogen ihre Unterstützung schon früher zurück. Spanische und
französische Wahlbeobachter verließen Conakry Anfang Dezember, da nach ihrer
Ansicht die beobachteten Bedingungen eine freie und offene Wahl nicht mehr
zuließen (EBENDA). Die internationale Juristenkommission sagte ihre Bereitschaft
zur Unterstützung der Regierung bei der Wahldurchführung ebenfalls ab, da die
Voraussetzungen für eine gerechte Wahl bei weitem nicht erfüllt würden (Le Monde
v. 18.12.93). Im journalistischen Umfeld mehrten sich die Fälle, in denen
Auslandskorrespondenten an der Berichterstattung über die politischen
Entwicklungen in Guinea gehindert wurden, Drangsalierungen und Bedrohungen über
sich ergehen lassen mußten (EIU CR 4/93, S. 11/12).
Nach der ersten freien Mehrparteien-Präsidentschaftswahl in der Geschichte Guineas am 19. Dezember 1993 erhielt der alte und neue Regierungschef Lansana Conté knapp die absolute Mehrheit. Die Ergebnisse im einzelnen:
1. Lansana Conté, Parti de l'Unité et du Progrès PUP: 51%,
2. Alpha Condé, Rassemblement du Peuple Guinéen RPG: 21%,
3. Mamadou Bah, Union pour la Nouvelle République UNR: 13%,
4. Siradiou Diallo, Parti du Renouveau et du Progrès PRP: 12%,
5. Facinet Touré, Union Nationale pour la Prospérité de Guinée UPG: 14%.
Nach offiziellen Angaben lag die Wahlbeteiligung der etwa 3,2 Mill.
Wahlberechtigten bei 78,5% (EIU CR 1/94, S. 15).
Heftig angefochten wurde die Wahl und ihr Ergebnis von den
Oppositionsparteien, die noch kurz vor dem Urnengang zu einem allgemeinen
Wahlboykott aufriefen, dem sich jedoch nur eine bedeutungslose Minderheit
anschloß. Sie beschuldigten Präsident Conté und die Regierung, die Volkszählung
zur Erstellung der Wählerlisten zugunsten des Militärmachthabers manipuliert und
die Wahlzettel nicht im vom Wahlgesetz vorgeschriebenen Zeitraum verteilt zu
haben. Die Hauptkritik richtete sich jedoch gegen die Tatsache, daß die 2 Mill.
im Ausland lebenden Guineer, die als regierungsfeindlich gelten, nicht
berücksichtigt wurden und keinerlei Wahlunterlagen erhielten. So konnten sich
letztendlich nur 25.000 der vor allem in den westafrikanischen Nachbarstaaten
Guinea-Bissau, Mali, Mauretanien, Senegal und Sierra Leone lebenden Guineer
außerhalb ihres Landes an der Wahl beteiligen (EIU CR 1/94, S. 15).(53)
Das Wahlverhalten unterstrich einmal mehr die latente Ethnizität im
guineischen Volk. Die Guineer wählten den Kandidaten ihrer Volksgruppe und
bestätigten damit die ethnische Aufteilung des Landes in 4 Räume: Niederguinea,
das Land der Soussou, wählte zusammen mit dem Regierungssitz Conakry ihren
Kandidaten und Landsmann Lansana Conté. Mittelguinea, Lebensraum der Peulh, die
etwa 30% der guineischen Bevölkerung stellen, ließ seine Stimmen seinen
Kandidaten Mamadou Bah und Siradiou Diallo, beides Peulh, zu gleichen Teilen
zukommen. Die Malinké Oberguineas stellten ebenfalls zwei Kandidaten, standen
jedoch fast geschlossen hinter dem aussichtsreichsten Oppositionsführer Alpha
Condé. Allein in Waldguinea fand der aufgestellte Kandidat Jean-Marie Doré
keinen Rückhalt in der in diesem Raum besonders inhomogenen Bevölkerung (mehr
als 4 verschiedene Volksgruppen), so daß Lansana Conté die Stimmen von 5 der 7
Präfekturen dieses Naturraums für sich verbuchen konnte. So hatte der amtierende
und wiedergewählte Präsident Guineas den Vorteil, der einzige Kandidat seiner
Ethnie zu sein und gegen keine einheitliche Front, sondern eine Vielzahl
uneiniger Oppositionsführer antreten zu müssen, auf seiner Seite und konnte die
Wahl für sich entscheiden.
Am 29. Januar 1994 legte Präsident Conté seinen Amtseid vor den Staatschefs von Gambia, Sierra Leone, Liberia und Guinea-Bissau sowie Vertretern der OAU und 15 politischen Parteien ab(54).Unter dem Hinweis, nun den Sprung von einer Übergangsregierung zu
einer ersten Demokratieform geschafft zu haben, wurde die III. Republik
ausgerufen. Der Schein trügt, denn wie schon so oft in zahlreichen anderen
afrikanischen Ländern auch hat es ebenso in Guinea ein Militärdespot geschafft,
sich mit demokratischen Attributen auszustatten, um die Welt von seinen
freiheitlich-demokratischen Absichten zu überzeugen. Denn auch nach den Wahlen
wurde die Opposition weiter in ihrer Arbeit behindert, war die Meinungs- und
Pressefreiheit nur scheinbar frei und blieb hinter den Kulissen dem Willen und
der Willkür der Regierung ausgeliefert, blieben schwere Vorwürfe über
Menschenrechtsverletzungen durch Militär, Polizei und Ordnungskräfte bestehen.
Und dennoch war diese Präsidentschaftswahl ein Meilenstein in der politischen Geschichte Guineas. Sicherlich waren weder die guineische Bevölkerung aufgrund des immer noch schwer auf ihr lastenden Echos der politischen Doktrin der I. Republik, noch die Regierungsmannschaft der II. Republik einschließlich des Präsidenten, noch die stetig in der Entwicklung begriffenen politische Parteienlandschaft reif, um auch nur annähernd zu demokratischen Ergebnissen zu kommen. Auch die internationale Beobachterseite gab sich oft teilweise überzogenen Hoffnungen und Illusionen hin. Allein die Tatsache der Durchführung der Wahlen indes zeigten das Einschlagen eines Weges auf, der sich nur unter Mißachtung aller international anerkannter politischen Regeln, Werte und Normen wieder umkehren läßt. Es ist davon auszugehen, daß Guinea aufgrund seiner starken Geberabhängigkeit diesen Weg weiterverfolgen wird, wobei die Geschwindigkeit, das Maß und die Qualität der Entwicklung akzeptabler freiheitlich-demokratischer Verhältnisse von zahlreichen internen und externen Faktoren abhängt(55).
Die für Ende 1994 geplanten Parlamentswahlen wurden erwartungsgemäß auf das
Frühjahr des nächsten Jahres verschoben. Die Partei des Präsidenten hoffte mit
diesem Aufschub darauf, die in diesem Zeitraum zu erwartende Verbesserung der
wirtschaftlichen Entwicklung wahlpolitisch für sich ausnutzen zu können. Der
überwiegende Teil der Oppositionsparteien erklärte sich ebenfalls bereitwillig
damit einverstanden, waren sie doch selbst noch im macht- und parteipolitischen
Aufbau begriffen. Doch auch diese Zeit reichte für die Opposition nicht aus,
sich gegen die Regierungspartei zu formieren und einen entsprechenden Wahlkampf
zu betreiben. Im Gegenteil, auf ihrem ersten Parteikongreß der RPG
(Rassemblement du Peuple Guinéen) kam es nach innerparteilichen
Auseinandersetzungen zu einer Abspaltung führender Parteimitglieder, einen
erheblichen Mitgliederanteil mitnehmend, um eine eigene Partei zu gründen.
Am 11. Juni 1995, 15 Monate nach der Präsidentschaftswahl, fanden die
Parlamentswahlen statt. Das Einkammernparlament (Assemblée Nationale) verfügt
über 114 Sitze, 3 für jeden der 38 Wahlkreise, wovon 5 allein in Conakry liegen.
Von etwa 3 Mill. Wahlberechtigten gingen nur ca. 62% an die Urnen. Das Ergebnis
spiegelte noch deutlicher die machtpolitischen Verhältnisse der
Präsidentschaftswahlen wieder. Während die Präsident Conté unterstützende Partei
PUP 71 Sitze erhielt (62%), kamen die RPG auf 19 Sitze (17%), die UNR und PRP
auf jeweils 9 Sitze (8%)(56).
Die etwa 100 geladenen ausländischen Wahlbeobachter beurteilten die Wahl als
weitestgehend frei und in der Auszählung korrekt (EIU CR 3/95, S. 9).
Die endgültige Einrichtung des Parlamentes verlief dagegen nicht
spannungsfrei. Die Opposition, die sich kurz nach der Wahl zu einer 12 Parteien
umfassenden Koalition, der "Coordination de l'Opposition Démocratique (CODEM)",
zusammengeschlossen hatte, rief zum Boykott der Eröffnungssitzung des
Parlamentes am 30. August 1995 auf. Doch die Uneinigkeit in dieser
provisorischen Oppositionsfront sowie die Befürchtung, sich durch den Vorwurf
mangelnder Konstruktivität ins politische Abseits zu manövrieren, ließen den
Boykott platzen. Und so konnte Präsident Conté schließlich planmäßig das
politische Mandat des CTRN (Comité Transitoire de Redressement National) auf das
neue Parlament übertragen. Erwartungsgemäß fiel die Wahl des
Parlamentspräsidenten auf einen Kandidaten der stärksten Partei PUP.
Doch trotz aller Bemühungen der Regierung, dem Anspruch einer sich in Richtung Demokratie bewegenden Staatsform gerecht zu werden, bleibt sie eine militärische, weiterhin behaftet mit den dafür charakteristischen Attributen wie Willkür, Gewalt und Unterdrückung. Nach einem für den Demokratisierungsprozeß wichtigen Jahr 1995 zeigte sich dies besonders deutlich an einer zunächst eigentlich redlich erscheinenden Demonstration von Militärs Anfang Februar 1996 gegen ungerecht niedrigen Sold, die in eine regelrechte
Meuterei und später sogar in einen Putschversuch eskalierte(57). Der Coup scheiterte letzt-
endlich am Fehlen einer einheitlichen und entschlossenen Führung in den
Reihen der Militärs.(58)
Selbst ein Offizier, der nur selten seine zentrale Militärbasis "Camp Samory
Touré" im Herzen von Conakry verläßt, ging Präsident Conté auf die Forderungen
der Meuterer ein(59).
Das schnelle Einlenken und die erschöpfenden Zugeständnisse der Regierung deuten
ein Maß der Erpreßbarkeit unter dem Druck der Militärs an, der bedenklich ist.
Die aus der eskalierten Gewalt des Augenblicks gleichzeitig entstandene kopf-
und führungslose Willkür sorgt für zusätzliche Unsicherheit. Unter der Macht und
dem Aktionswillen der Militärs wird die sich im Zentrum befindende Bevölkerung
rasch zum ausgelieferten Beobachter degradiert. Auch die nachfolgend
angekündigte und auch durchgeführte gründliche Untersuchung der Vorfälle und
gerechte Ahndung der Vergehen lassen nicht darüber hinwegtäuschen, daß die
dominierende Präsenz der Militärs ein weiterhin existierendes latentes
realpolitisches Risiko in sich birgt.
Schließlich war es doch die internationale Gebergemeinschaft, allen voran der
internationale Währungsfonds und die Weltbank, die für den Beginn einer neuen
Ära politischer Aufklärung und Entwicklung sorgten. Ende 1995 nämlich war das
von den beiden Bretton Woods-Institutionen in Guinea geführte Programm zur
strukturellen Anpassung nach nunmehr fast 10 schweren Jahren dem Scheitern nahe.
Neben erheblichen Verzögerungen in der Umsetzung fest vereinbarter Reformen ließ
ein durch eine weiterhin wenig effiziente Einnahmenpolitik und ungerechtfertigt
hohe Ausgaben gekennzeichnetes Haushaltsdefizit die finanziellen Unterstützungen
von IWF und WB nur noch als "Löcherstopfen" erscheinen(60).
Unzufrieden ob dieser Reformunwilligkeit setzte der IWF seine Finanzhilfe aus(61).
Präsident Conté reagierte auf diese bedrohliche Situation überraschend mit der Einrichtung des Amtes eines Premierministers, nominierte für diesen Posten den vergleichsweise unbekannten Sidya Touré(62), unterstellte ihm direkt das Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und Planung und wechselte in einer umfassenden Regierungsumbildung 17 seiner 25
Minister
aus(63).
Dem Premierminister stellte er zwei bevollmächtigte Vertreter für die Ressorts
Wirtschaft, Finanzen und Planung sowie Haushalt und öffentliche
Verwaltungsreform zur Seite.
Gewappnet mit größtenteils ausgewiesenen Technokraten nahm die neue
Regierungsmannschaft die rigorose Sanierung des Staatshaushaltes sofort in
Angriff. Hauptziele waren die Erhöhung der Einnahmen, vor allem im Bereich der
Steuermobilisierung und der Bekämpfung vermeidbarer Verluste durch Korruption
und Mißmanagement, sowie eine drastische Reduzierung der Staatsausgaben. Dazu
wurde zunächst das Zoll- und Steuersystem den Erfordernissen angepaßt: Nach
einem sofortigen Wechsel des obersten Direktors der Zollbehörde wurde diese der
direkten Kontrolle der Schweizer Firma Société Générale de Surveillance SGS
unterstellt(64).
Der Freiraum für die Gewährung von Zoll- und Steuerbefreiungen wurde erheblich
eingeschränkt. Die Landesgrenzen wurden zunächst für Importe geschlossen, neues
Personal und striktere Anweisungen sorgten später für eine erfolgreichere
Bekämpfung des Schmuggels und Erhöhung der Zolleinnahmen. Auch die strenge
Anwendung der am 1. Juli 1996 eingeführten Mehrwertsteuer von 18% trug zu einer
beachtlichen Einnahmensverbesserung im Staatshaushalt bei.
Noch signifikanter waren die Maßnahmen zur Reduzierung der Staatsausgaben:
eine genaue Überprüfung des Beamtenapparates führte dazu, daß eine beträchtliche
Zahl von sog. "Phantombeamten(65)"
von den Gehaltslisten eliminiert werden konnte. Darüber hinaus sollte das Ziel,
eine 30%ige Kürzung des Haushaltes vorzunehmen, hauptsächlich durch eine
Reduzierung der bis zu 50% des Haushalts einnehmenden Personalausgaben erreicht
werden. Dies sollte über eine Rationalisierung der Personalstruktur erfolgen.
Dazu wurde die Mehrzahl der Staatsbediensteten in ihrer Qualifikation und
Kompetenz überprüft. Nach Auswertung dieser Tests kam es zur Realisierung eines
mehrstufigen Abbauplans, der das Beamtenkontingent beträchtlich schrumpfen ließ
und die Personalausgaben entlastete.
Mit diesem Paket von Reformen zur Verbesserung der Haushaltsführung, teilweise schon umgesetzt und mit Erfolgen belegt, überzeugte der Premierminister schließlich den IWF und die Weltbank von der Notwendigkeit, Guinea mit weiteren Krediten zu unterstützen.
Verhandlungen mit dem Pariser Club führten darüber hinaus zu einem
Schuldenerlaß von 125 Mill. US$ (EIU CR 2/97, S. 3).
Im Gegenteil, aufgrund der gezeigten makroökonomischen Leistungsverbesserung,
vor allem in den Bereichen Steuereinzug in nichtbergbaulichen Sektoren,
allgemeine Währungs- und Haushaltsdisziplin sowie der konsequenten Verbesserung
der infrastrukturellen Rahmenbedingungen (Strom, Wasser, Kommunikation,
Straßenbau) bekräftigte die bi- und multilaterale Gebergemeinschaft ihren
Willen, Guinea gerade jetzt, da sich das Land erstmals eine gute
Ausgangsposition verschafft hat, um sich aus Armut und Unterentwicklung zu
befreien, weiterhin zu unterstützen. Dazu fand nach mehr als zehnjähriger Pause
Mitte des Jahres 1998 erstmals wieder ein von der Weltbank organisiertes
internationales Gebertreffen höchsten Ranges statt, der "Groupe Consultatif"(66).
Dort konnte Guinea Hilfszusagen in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. US$ für die
kommenden drei Jahre verbuchen, erwartete Schuldenerleichterungen von 770 Mill.
US$ eingeschlossen.
Auch auf der außenpolitischen Bühne hat sich Guinea zu einem Hort der
einfachen, aber stabilitätsbewußten Integration entwickelt. Zunächst hat das
Land allen Befürchtungen zum trotz den Einflüssen der benachbarten Bürgerkriege
im südlichen Liberia und Sierra Leone, den Unruhen in der nördlich angrenzenden
Casamance des Senegal und den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im
nordwestlichen Guinea-Bissau standgehalten, im Rahmen der ECOMOG aktiv an der
Beilegung der Konflikte beigetragen und sogar schwere Flüchtlingslasten auf sich
genommen. Gleichzeitig schaffte es Präsident Conté langsam aber sicher, sowohl
die von Sékou Touré geschädigten Beziehungen zu einigen Nachbarländern
wiederherzustellen, als auch bereits bestehende zu konsolidieren und die
Zusammenarbeit zu verbessern.
So empfing er Ende Oktober 1997 zum ersten Mal nach langen Jahren politischer
Mißstimmung und Opposition den ivorischen Staatspräsidenten in Conakry und
setzte damit ein Zeichen für eine deutliche Annäherung beider Länder und
zukünftige Zusammenarbeit in der regionalen Außenpolitik, der Wirtschaft und des
Handels. Zudem weckte die strukturelle Reformierung und allgemeine Öffnung des
Bergbausektors darüber hinaus das Interesse zahlreicher neuer internationaler
Investoren und Investorengruppen aus Südafrika, der Ukraine, Australien, dem
Iran, Kanada und Deutschland(67).
Dies entspricht der außenpolitischen Priorität Guineas, die wirtschaftliche
Entwicklung des Landes. Im Vordergrund steht die marktwirtschaftliche
Orientierung zur Förderung ausländischer Investitionen. Europäische Länder,
Japan und die Vereinigten Staaten sowie islamische Partner genießen Vorrang,
wenngleich auch noch aus der Sékou Touré-Ära stammende Freundschaften mit der VR
China, Nordkorea, Kuba und der GUS gepflegt werden(68).
Das innenpolitische Leben dieser Zeitwar von den Bemühungen der Parteien um politisches Profil sowie Erweiterung und Konsolidierung ihres Wirkungsgrades gekennzeichnet. Doch trotz Oppositionszusammenschluss blieben sich die Parteien hauptsächlich
aufgrund politischer Dissenzen und regionalen Disparitäten, gepaart mit immer
wieder aufflackernden latenten Ethnizitätsproblemen uneins. Lediglich die beiden
aus dem Fouta Djallon stammenden Parteien UNR (Union pour la Nouvelle
République) und PRP (Parti du Renouveau et du Progrès) koalierten zur neuen UPR
(Union pour le Progrès et le Renouveau).
Präsident Lansana Conté indes stellte schon lange vor Wahlkampfbeginn alle
Weichen für seine Wiederwahl Ende 1998 zu einer weiteren Amtsperiode von 5
Jahren. Mit der Neu- und Umbenennung zahlreicher Provinzgouverneure und
Präfekten plazierte er schon im Sommer 1998 treue Gefolgsleute im Landesinneren,
vor allem in den die Oppositionshochburgen Labé (Mittelguinea) und Kankan
(Oberguinea) umgebenden Präfekturen. Als Antwort auf die Frage der Opposition
nach einer unabhängigen Wahlkommission ließ er einen "Hohen Rat für
Wahlangelegenheiten" (Haut Conseil aux Affaires Electorales HCAE) einrichten.
Finanziert aus dem Wahlhaushalt aller Parteien sollte dieses sich aus allen zur
Wahl zugelassenen Parteien zusammensetzende Organ(69)
die Organisation der Wahlen unterstützen und ihren ordnungsgemäßen Ablauf
beobachten und sichern. Weiterhin sorgte er für einen national wie international
anerkannten transparenten Verlauf des Prozesses gegen die Putschisten vom
Februar 1996 (s.o.)
Andererseits zeigte die guineische Regierung im Vorfeld der Wahlen in der
Demonstration ihres Machtanspruchs oftmals Ungeschick und wenig Sensibilität. So
ließ die Stadtplanungs- und Wohnungsbaubehörde unter späterer Berufung auf einen
seit 1991 verabschiedeten Stadtentwicklungsplan eines der bevölkerungsreichsten
Viertel im äußeren Gürtel Conakrys zwangsmäßig räumen und danach demolieren und
planieren. Etwa 100.000 Menschen mußten ihre Wohnungen und Häuser verlassen und
der Zerstörung ihres Eigentums zusehen. Große Teile der überwiegend aus Peulh
bestehenden Viertelbevölkerung waren gezwungen, auf ihre Dörfer in den Fouta
Djallon zurückzukehren. Die politische Gegnerschaft brandmarkte die Aktion als
eine wahltaktische Aggression der Regierung gegen die Peulh-Opposition in der
Hauptstadt. Auch die juristisch fragwürdige zeitweilige Verhaftung von drei
Parlamentsabgeordneten der Opposition, darunter des Sprechers der
Oppositionsfraktion CODEM (Coordination de l'Opposition Démocratique (CODEM),
s.o.) unter dem Vorwurf der Volksverhetzung schürte Zweifel an der
Unabhängigkeit der guineischen Justiz.
Das letzte Quartal des Jahres 1998 stand ganz im Zeichen des Wahlkampfes um die Präsidentschaft. Erst am 15. Oktober legte der amtierende Präsident Lansana Conté den endgültigen Wahltermin verfassungskonform 60 Tage vorher auf den 14. Dezember fest. Die Regierungspartei wie die Opposition designierten ihre Präsidentschaftskandidaten, um mit ihnen in einem 30-tägigen Wahlkampf um die Gunst der guineischen Wähler im ganzen Land zu werben. Zur Aufstellung eines Kandidaten mußte eine Partei eine Kaution von 25 Mill. FG hinterlegen (ca. 35.000 DM), die nur bei einem Wahlerfolg von mindestens 5% aller Stimmen wieder einlösbar war. Die Wahlkampfkosten wurden pro Kandidat auf etwa 3,75 Mrd. FG geschätzt (ca. 5 Mill. DM).
Die Wahl selbst verlief diszipliniert und weitgehend problemlos. Die Wahllokale wurden
von mehr als 50 nationalen und internationalen Wahlbeobachtern im ganzen Land kontrolliert(70). Diese bescheinigten der guineischen Regierung die bis auf einige Unregelmäßigkeiten hinsichtlich des Wahlgeheimnisses und vereinzelten Fällen von Wahlbeeinflussung ordnungsgemäße Durchführung der Wahl. Die Hauptkritik der Opposition konzentrierte sich auf eine durch Desinformation gesteuerte Reduzierung der Wahlberechtigten in oppositionellen Wahlgebieten(71), Unklarheiten bei der Übermittlung der Ergebnisse von den Wahllokalen zur präfektoralen Zentralsammelstelle sowie fehlende Transparenz bei der Auswertung der Ergebnisse im Innenministerium. Das Wahlergebnis der zweiten Präsidentschaftswahlen der II. Republik Guineas stellte sich wie folgt dar:
1. Lansana Conté, Parti de l'Unité et du Progrès PUP: 56,12%,
2. Mamadou Bah, Union pour le Renouveau et le Progrès UPR: 24,63%,
3. Alpha Condé, Rassemblement du Peuple Guinéen RPG: 16,58%,
4. Jean-Marie Doré, Union pour le Progrès en Guinée UPG: 1,72%,
5. Jean-Pascal Tolno, Parti du Peuple de la Guinée PPG: 0,95%.
Der Wahlkampf und die Wahl, ihre Organisation und Durchführung sind als
Indikator für den Stand des Demokratisierungsprozesses in Guinea heranzuziehen.
Gemessen an der geringen Erfahrung der erst vor wenigen Jahren gegründeten
Parteien in der politischen Arbeit und Diskussion und angesichts der
vorherrschenden infrastrukturellen Probleme in Logistik und Kommunikation kann
der Organisationsgrad der Parteienlandschaft sowie das Bewußtsein der Parteien
als bemerkenswert eingestuft werden. Obwohl die politische Abgrenzung der
Parteien gleichzeitig eine ethnische geblieben ist, hat sich zwischen den Wahlen
von 1993 und 1998 eine Toleranz und Gewaltlosigkeit übende politische Kultur
manifestiert, was schließlich im letzten Wahlkampf und während der Wahl zu einem
deutlichen Abbau der ethnisch motivierten Konfrontationen führte.
Das politische Bewußtsein der Parteien spiegelt sich bislang jedoch noch zu
wenig in der Zivilgesellschaft Guineas wieder. Eine intensive politische
Diskussion ist in einem Land mit mehr als zwei Drittel Analphabeten und einem
schwer zugänglichen Landesinneren kaum möglich. Die Inhalte der Wahlprogramme
der Parteien sind sich denn auch in einem Land, in dem nahezu jeder Bereich
einen immensen Entwicklungsbedarf aufweist, natürlicherweise sehr ähnlich. Trotz
der Bemühungen aller Parteien, das Wählerpotential des Hinterlandes zu
mobilisieren, führen alle politischen Stränge letztendlich in die Hauptstadt
zurück. Diese wird in allen politischen Instanzen und Institutionen sowie in der
öffentlichen Diskussion von der Regierungspartei beherrscht.
Auch die Medienfreiheit ist bis auf die schreibende Presse noch arg begrenzt, da Rundfunk und Fernsehen in staatlicher Hand sind. Zusammen mit einer noch unsoliden Justiz sind damit wichtige Grundvoraussetzungen für eine tragfähige Rechtsstaatlichkeit als basisdemokratische Werte noch nicht gegeben. Dennoch wird das Wahlergebnis von 1998 von den internationalen Partnern Guineas insgesamt begrüßt, sichert es doch gemessen an alternativen Szenarios ein hohes Maß an innerer Stabilität für die nahe Zukunft.
3.2 Unerschöpfliche Ressourcen und ihre konditionalisierte
Inwertsetzung
Der Ressourcenreichtum Guineas erstreckt sich von bedeutenden mineralischen
Rohstofflagern über landwirtschaftliche und hydroelektrische
Produktionspotentiale bis hin zu den Humanressourcen selbst. Allerdings ließ es
die in der 26-jährigen Diktatur Sékou Tourés geführte Wirtschaftspolitik nicht
zu, die zahlreichen und vielfältigen Rohstoffpotentiale des Landes voll
auszuschöpfen. Im Gegenteil, bis ans Ende der I. Republik wurde die konsequente
Nutzung dieser Potentiale derart behindert, daß das Land bis heute, eine Dekade
nach dem Tode des Despoten, trotz demokratisch und marktwirtschaftlich
orientierter Reformen und trotz bedeutender internationaler Entwicklungshilfe
darunter zu leiden hat.
Wurde die Ökonomie Guineas zu Beginn seiner Unabhängigkeit weitestgehend von
der landwirtschaftlichen Produktion getragen, die etwa 76% der damaligen
Exporterlöse ausmachte (CLAPP 1992, S. 47), so waren es Mitte der 70er Jahre die
Bauxitminen, die die Exportgewinne eintrugen. Heute ist Guinea mit ca. 16 Mio
t/a zweitgrößter Bauxitproduzent der Welt (DEVEY 1997, S. 199ff) und besitzt
nahezu zwei Drittel der Weltreserven an abbauwürdigem Bauxit, etwa 20 Mrd t.
Nach der Bauxitförderung und der Tonerdeproduktion konnte man den letzten
Schritt in der Kette der Aluminiumherstellung nicht vollziehen, da hierzu bisher
die nötigen Mengen an Primärenergie fehlten.
Ein entsprechendes Projekt für einen mächtigen Staudamm am Fluß Konkouré nahe
des Ortes Souapiti wurde schon in den 40er Jahren von den Franzosen ins Auge
gefaßt, seine Realisierung scheiterte jedoch an der späteren Unabhängigkeit des
Landes. Im Jahre 1982 fertigte man diesbezüglich noch einmal eine umfassende
Studie an, doch die Höhe der zu leistenden Investitionen würden den Endpreis des
Aluminiums letztendlich über jede Konkurrenzfähigkeit hinaus zu sehr ansteigen
lassen. Neben der instabilen politischen Lage in den 80er Jahren schreckte vor
allem die verwahrloste Infrastruktur potentielle Investoren ab(72).
Dasselbe Problem stellt sich bei der Förderung der übrigen 3 Träger der guineischen Bergbauindustrie: Eisenerz, Gold und Diamanten. Das Nimba-Massiv, das sich Guinea mit Liberia und der Elfenbeinküste teilt, beherbergt etwa 6% der vermuteten Weltreserven an hochwertigem Eisenerz (mehr als 66,7% Eisengehalt) (EIU CP 97/98, S. 20). Da Guinea über keine Transportmöglichkeit vom südlichen Waldguinea zum Hafen von Conakry verfügt, bliebe derzeit nur der Schienenweg auf der Seite Liberias, der von der auf liberianischem Boden schon ausgebeuteten Mine direkt an die westatlantische Küste führt. Doch der Bürgerkrieg in Liberia machte bisher jegliche Hoffnung auf die Öffnung der Mine zunichte. Mittlerweile ist dort die Transportinfrastruktur derart
zerstört, daß auch hier hohe Investitionskosten anfallen würden. Ein ähnlich
hohen Finanzierungsaufwand würde ein Abtransport durch die Elfenbeinküste und
ein Export über den ivorischen Hafen San Pedro bedeuten. Zudem steht jedem
Export durch fremdes Territorium natürlich das nationale Interesse Guineas im
Wege, den Abtransport seiner Bodenschätze auf seinem eigenen Gebiet
sicherzustellen und zu kontrollieren.
Die Goldwäscherei in Guinea geht bis in das Mittelalter zurück. Besonders die
Vorkommen im nordöstlichen Teil des Nigerbeckens um Siguiri (Oberguinea) zogen
über Jahrhunderte hinweg Goldsucher und Abenteurer an. Erst im Jahre 1988 begann
eine gemischtwirtschaftliche Minengesellschaft mit der industriellen
Goldproduktion in diesem Raum. Diamantvorkommen sind in Guinea seit 1932
bekannt. Die Lagerstätten konzentrieren sich auf den südguineischen Raum, wo das
seltene Vulkangestein Kimberlit z.T. hochwertige Diamanten führt. Der
industrielle Diamantabbau begann 1984 mit einer Anfangsproduktion von 40.000
Karat. Umfangreiche Prospektionen ließen auf weitere abbauwürdige Gold- und
Diamantvorkommen schließen. Daraufhin folgte zu Beginn der 90er Jahre die
Gründung mehrerer gemischtwirtschaftlicher Minengesellschaften, die ihre
Produktion etwa Mitte der 90er Jahre aufgenommen haben.
Der
Landwirtschaftssektor war und ist neben den Bergbautätigkeiten der größte
Hoffnungsträger für die wirtschaftliche Entwicklung in Guinea. Das Potential ist
so immens, daß sowohl eine Autarkie in der Versorgung des Landes mit
Nahrungsmitteln, als auch eine exportorientierte Produktion erreichbar
erscheinen (CLAPP 1992, S. 48). Doch unter der restriktiven zentralistischen
Agrarpolitik der I. Republik, die mit Kollektivenbildung, Marktsteuerung und
Preisdiktat dem unabhängigen Kleinbauerntum jegliche wirtschaftliche Grundlage
nahm, mußte die landwirtschaftliche Produktionsstruktur zur reinen
Subsistenzwirtschaft verkommen. Bis heute hat sich der Agrarsektor weder
physisch noch psychisch von dieser Mißwirtschaft erholt und tut sich schwer, die
von der Regierung vorgeschlagenen Reformen anzunehmen und umzusetzen. So
stagniert der Anteil der Landwirtschaft am BIP seit 1989 bei knapp 17%(73)
(EIU CP 1996/97, S. 17). Bei verbesserter Infrastruktur und weiterem
finanziellen und technischen Input wird jedoch ein erheblicher
Produktionszuwachs in den Produktbereichen Kaffee, Reis, Baumwolle und
tropischen Exportfrüchten erwartet.
Eine Vielzahl der großen westafrikanischen Flüsse entspringen den Bergregionen Guineas, wie der Niger, Bafing (Senegal), Gambia, Koliba (auch Rio Corubal, Guinea-Bissau) und Kolenté (auch Great Scarcie, Sierra Leone). Deshalb wird Guinea oftmals als das "château d'eau", das Wasserreservoir Westafrikas bezeichnet. Da das Land keine anderen primären Energieträger besitzt, ist es auf die Nutzung des hydroelektrischen Potentials angewiesen. Zur Zeit existieren 4 kleinere hydroelektrischen Anlagen, die nur einen Bruchteil, nämlich 1% des tatsächlichen Potentials ausschöpfen, das auf etwa 26.000 Gigawatt/a geschätzt wird (WB 1990a Bd. II, S. 64). Hinzu kommt, daß diese Anlagen zu 30% ein Alter von
mehr als 40 Jahren aufweisen und der überwiegende Teil sich in sehr
schlechtem Zustand befindet.
Zahlreiche Studien, die nach dem Fall der I. Republik und der darauffolgenden
Öffnung des Landes vorgenommen werden konnten, belegen die außerordentlichen
Möglichkeiten, einerseits durch große Anlagen ausreichend Energie für die
Industrie zur Verfügung zu stellen, andererseits durch zahlreiche Kleinanlagen
die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung zufriedenzustellen. Doch die
Realisierung der meisten Projekte scheitert zum Teil an der nicht vorhandenen
oder in schlechtem Zustand befindlichen primären (Energietransport) und
sekundären (Energieverteilung) Infrastruktur, die die Investitionen ins
Unermeßliche treiben würden.
Was die menschliche Komponente im Rahmen der Ressourcennutzung angeht, so
besaß Guinea zu Beginn der Unabhängigkeit ebenfalls beste Voraussetzungen, um
eine moderne Ökonomie aufzubauen: 60% der arbeitenden Bevölkerung waren in der
exportorientierten Landwirtschaft tätig, in der große Ananas-, Baumwoll- und
Kaffeeplantagen existierten. Die Gewerkschaftsbewegung war in vollem Gang und
deutete auf eine demokratisch-liberale Gestaltung der Arbeitswelt hin. Eine
nicht unbedeutende Schicht von Händlern und Unternehmern hatte sich etabliert.
Die Grundstrukturen im Ausbildungssektor waren gelegt.
Doch die über ein Vierteljahrhundert andauernde Gewaltherrschaft Sékou Tourés unterband jegliche privatwirtschaftliche Initiative, minimierte Anstrengungen zum Ausbau eines Sozialnetzes und des Bildungssektors, übte politisches Diktat aus und forderte somit die Abwanderung von etwa 2 Mio Guineer heraus (MT Nr. 2275, 1989, S. 1631). Heute steht das Land trotz eines BIP von 590 US$ pro Kopf (MT Nr. 2698, 1997, S. 1629; EG Nr. 7, 1998, S. 12) aufgrund der niedrigsten Werte der Indikatoren des Human Development Index HDI (PNUD RDH 1998, S. 126) in der Tabelle der menschlichen Entwicklung mit an letzter Stelle(74).
4 ALLGEMEINE GEOGRAPHISCHE ANALYSE
4.1 Naturräumliche Gliederung
Das Land Guinea gliedert sich in vier Naturräume, die sich aufgrund ihrer
unterschiedlichen physisch-geographischen Ausstattung deutlich voneinander
abgrenzen:
1. Niederguinea (La
Basse Guinée): Die Küstenregion Guineas umfaßt ein Gebiet von etwa
36000 km2. Sie besitzt eine 300 km lange Küste und reicht in der
Breite ca. 150 km in das östliche Landesinnere. Die typische Riasküste ist von
zahlreichen, weit in das Innere des Küstensaums züngelnden Ästuaren großer
Flüsse zerfurcht: im Norden die Ästuare Rio Compony des Flusses Cogon, Rio Nunez
des Tinguilinka, Rio Pongo des Fatala; im Süden die weiten Mündungen der Flüsse
Konkouré, Forécariah und Mellakoré. Unzählige Mäander und sekundäre Flußarme
führten zur Bildung vieler kleinen Inseln. Eine Tide von mehr als 5 m läßt sie
oft in den Meeresfluten verschwinden und das Salzwasser dringt weit in die bis
zu 30 km breiten Ästuare ein (s. Karte 3: Niederguinea)..
Das Kap Verga und die Halbinsel Kaloum, Überreste alter, widerstandsfähiger
magmatischer Gesteinsformationen, durchbrechen die Küstenlinie und ragen wie
Zungen in den Atlantik. Zum Landesinneren hin schließt sich eine etwa 50 - 70 km
breite Sedimentebene an, die im Osten langsam ansteigt und in die Ausläufer des
Fouta Djallon-Bergmassivs mit zahlreichen Tafelbergstrukturen übergeht. Die
höchsten Erhebungen sind das Massiv von Benna (1124 m), der Mt. Kakoulima (1011
m) und der Mt. Gangan (1117 m).
Der Küstensaum wird von dichten Mangrovensümpfen und -wäldern beherrscht. Der schier undurchdringliche Bestand der beiden hauptsächlich vorkommenden Arten, der stel-zenartigen roten Mangrove (Rizophora racemosa, Kinsi in Soussou) und der kurzen, verkümmert wirkenden weißen Mangrove (Avicennia nitida, Wofiri in Soussou) beherbergt eine Vielfalt von Sumpftieren und seltenen Vogelarten. Die weiten Küstenebenen sind die Heimat der großen Palmenwälder, die mit nach Osten zunehmender Reliefhöhe in Galeriewälder übergehen. Diese sind an vielen Stellen schon zu einer Waldsavanne degradiert.
2. Mittelguinea (La Moyenne Guinée): Der mittelguineische Raum wird vom Fouta Djallon beherrscht, einem aus zahlreichen zusammenhän-genden Bergmassiven mit tiefen Tälern und weiten Hochplateaus bestehenden Bergland. Bei einer Durchschnittshöhe von etwa 750 m hat es seine höchsten Erhebungen im Mt. Loura (1538 m) und im Mt. Diaguissa (1425 m) (s. Karte 4: Mittelguinea).
Das Bergland des Fouta Djallon umfaßt über 63000 km2. Die häufigste morphologische Erscheinungsform sind Gesteinsstufenplateaus, die oft durch tiefe Täler zerschnitten sind. Die hier in reger Interaktion stehenden physischen Einflußfaktoren wie die reichhaltige Hydrographie, die klimatisch bedingten, hohen Verwitterungskräfte und die geologischen Voraussetzungen führten zu einer morphologischen Dreiteilung:
1. der westliche oder abendländische Fouta:
Er weist eine Anzahl relativ niedriger, von den zahlreichen Abflüssen des Zentralmassivs voneinander getrennten und teilweise zerfurchten Plateaus und Ebenen zwischen 500 und 1000 m Höhe auf. Sich allmählich nach Niederguinea hin abneigend, reichen einige seiner südwestlichen Ausläufer bis weit in die Küstenebene hinein.
2. der zentrale Fouta:
Er wird dominiert von unzähligen Hochplateaus mit einer durchschnittlichen Höhe von ca. 1200 m, deren weite Ebenen zumeist von einer mächtigen, nährstoffarmen lateritischen Verwitterungsschicht bedeckt sind.
3. der westliche oder orientale Fouta:
Dieses homogene, sich weit in den Osten erstreckende Plateau mit einer
Durchschnittshöhe von 800 - 1000 m wird nur im südlichen Teil durch den Bafing
und seine zahlreichen Nebenflüsse zerschnitten.
Als größtes
Wasserreservoir Westafrikas bezeichnet, beherbergt der Fouta Djallon die Quellen
zahlreicher bedeutender westafrikanischer Flüsse, die zum größten Teil zur
guineischen Atlantikküste (Konkouré, Cogon, Fatala) und in die nördlichen
Nachbarländer abfließen (Koliba - Guinea-Bissau, Gambia - Senegal, Bafing -
Mali). Die ursprüngliche Waldvegetation ist in weiten Teilen dieses Naturraumes
einer Savannenbedeckung gewichen, die sich je nach Niederschlagsmenge,
Bodenqualität und anthropogenem Einfluß (extensive Viehwirtschaft) in einer
Trocken-, Feucht- und Waldsavanne differenziert. In einigen geschützten Tälern
und an den Berghängen ist ein typischer Mischwald anzutreffen, in dem der
guineischen Néré-Baum(75)
als hauptsächliche Baumart vorzufinden ist. Galeriewälder säumen die Ufer der
zahlreichen Flüsse.
3. Oberguinea (La Haute Guinée): Dieser Naturraum umfaßt im
wesentlichen das gesamte obere Nigerbecken (ca 97000 km2). Eingerahmt
von den Mandingobergen im Norden, den Ausläufern des Fouta Djallon im Westen
sowie den Vorposten des guineischen Rückens im Süden, werden seine weiten Ebenen
vom Niger und seinen fächerartig einlaufenden Zuflüssen, dem Tinkisso, Mafou,
Niandan, Milo, Fié und Sankarani gespeist (s. Karte 5: Oberguinea).
Unterbrochen wird die homogene, von Nordosten nach Südwesten leicht ansteigende, im Mittel etwa 450 m hohe Beckenlandschaft nur von einigen kleinen Bergmassiven, strah-
lenförmigen Ausläufern des Fouta Djallon Mittelguineas und des nördlichen Berglandes Waldguineas. Die Massive von Banko (1028 m), Balayan (1025 m) und Oursa (1036 m) im Westen, sowie die Berge Tamankaya (859 m) und Koumbankourou (804 m) in der zentralen Ebene und schließlich die Ausläufer des Simandou-Massivs (1439 m) und der Tourou-Kette (1296 m) im Süden bestehen überwiegend aus alten magmatischen und metamorphen Gesteinsformationen, die bisher erfolgreich der Verwitterung widerstanden. Die Hauptschlagader dieses Naturraums, der Niger, weist in seinen alluvialen Sedimenten eine differenzierte Terrassenbildung auf. Es lassen sich 3 Terrassen unterscheiden:
1. Die Niederterrasse:
Durch jahreszeitliche Wasserspiegelschwankungen zahlreichen Überschwemmungen ausgesetzt, bilden diese feinen und hellen Alluvionen die besten Böden für ganzjährige Naßkulturen (überwiegend Reis) aus.
2. Die mittlere Terrasse:
Mit etwa 4 m über der Niederterrasse vor den Wasserspiegelschwankungen des Niger sicher, stellt diese Terrasse den bevorzugten Siedlungsraum der Feldbauern dar.
3. Die Hochterrasse:
Die aus alluvialen Altablagerungen des Niger entstandenen Kiesböden, teilweise durchsetzt mit Bändern tiefverwitterten Lateritbodens, dient den Bauern zu Anbau weniger anspruchsvoller Kornfrüchte und Gewächse wie Mais, Fonio, Sorghum und Baumwolle.
Der
überwiegende Teil Oberguineas wird von einer Baum- und Buschsavanne eingenommen,
dessen Hauptbe-standteil das übermannsgroße Elefan-tengras ist. Kleine Inseln
von Galeriewäldern finden sich nur an den Flanken der die flache
Beckenlandschaft durchbrechenden Erhebungen, an Quellhorizonten und entlang der
Flußufer. Im zentralen und nördlichen Teil des Beckens finden der Karité-Baum,
aus dessen nußartigen Früchten Öl gepreßt wird, und der Baobab weite
Verbreitung.
4. Waldguinea (Guinée Forestière): Der südlichste Naturraum des Landes mit einer fläche von ca. 50000 km2 wird vom guineischen Rücken beherrscht, in dessen bewegtem morphologischen Erscheinungsbild sich steil aufragende Bergmassive mit tief eingeschnittenen Tälern und Schluchten ablösen. Die mächtigsten dieser durch tektonische Bewegungen emporgehobenen Granit- und Gneisformationen sind das Nimba-Massiv (1752 m), das mehr als 100 km lange, Nord-Süd verlaufende Simandou-Massiv (1656 m), das Ziama-Massiv (1346 m) sowie die Berge von Kourandou (1236 m), Tétini (1257 m) und Béro (1210 m) (s. Karte 6: Waldguinea).
Die berühmteste von ihnen, das Nimba-Massiv, erstreckt sich von Nordosten
nach Südwesten über etwa 40 km Länge und 12 km Breite bis über die Grenzen zu
Liberia und zur Elfenbeinküste. Dem trockenen Wüstenwind (Harmattan) ausgesetzt,
bildeten seine Nordflanken eine dichte Savannenvegeta-tion aus. Auf den südlichen
Hängen dagegen hat sich der immergrüne Regenwald aufgrund der feuchttropischen
Klimabedingungen eines seiner letztes Refugien in Guinea erhalten. Die anderen
befinden sich an geschützten Flanken des Massivs von Ziama und des Berges von
Béro sowie in der Region Diécké südlich von N'Zérékoré. Die Waldbedeckung, die
etwa 27% der Gesamtfläche Waldguineas ausmacht, nimmt von Süden nach Norden hin
allmählich ab und geht schließlich in die Baum- und Buschsavanne Oberguineas
über.
4.2 Geologischer Bauplan - der Reichtum Guineas an mineralischen
Rohstoffen
Die Geologie Guineas weist eine relativ einfache Struktur auf, bestehend aus
Teilen eines präkambrischen Schildes, der überwiegend aus kristallinen Gesteinen
zusammengesetzt ist, und einer nur noch im Westen und Nordwesten (Niederguinea
und der westliche Teil Mittelguineas) vorhandenen paläozoischen Sedimentdecke.
Der präkambrische Sockel, der somit auf etwa zwei Dritteln der Landfläche
zutagetritt, besteht aus Intrusivgesteinen (Granite und Dolerite) und
metamorphen Gesteinen (Schiefer, Glimmerschiefer, Quarzite und Gneise). Die
sedimentäre Deckschicht präsentiert sich in Form von Sandsteinen, Konglomeraten
und Schiefern aus dem Kambrium bis Devon sowie quartären alluvialen Ablagerungen
am oberen Niger und im gesamten Küstenverlauf (s. Karte 7: Die Geologie
Guineas).
Niederguinea besitzt eine klassische Riasküste mit
weiträumigen, tiefen Ästuaren, in denen die Gezeiten bis zu 30 km und mehr ins
Landesinnere wirksam sind. Der im Durchschnitt etwa 15 km breite Küstensaum
setzt sich im wesentlichen aus spätquartären marinenSedimenten zusammen, nur
wenige Meter über dem Meeresspiegel stehend. Es schließt sich eine den
präkambrischen Sockel bedeckende Sedimentebene an. Sie wurde im Süden bei
Forécariah, durch einen tektonischen Hebungsvorgang im Tertiär verstärkt der
Erosion ausgesetzt, abgetragen, wodurch die in diesem Bereich aus metamorphen
und magmatischen Gesteinen bestehende Sockelformation freigelegt wurde. Durch
tektonische Sockelrandbewegungen verursachte Metamorphosevorgänge brachten in
diesem Raum ebenfalls die Rokell-Schieferformation am oberen Lauf des Kolenté
und den Gneis von Moréah hervor.
Zum Landesinneren hin geht das Flachrelief im Norden teils allmählich, im Süden oftmals abrupt und vornehmlich entlang der dort zahlreich auftretenden, südsüdöstlich-nordnordwestlich verlaufenden Verwerfungen über typische Tafelbergstrukturen in ein weiträumiges, etwa 600-700 m hohes Plateau über. Es wird als Glacis des Fouta Djallon-Hauptmassivs bezeichnet.
Zwei aus Intrusivgesteinen bestehende Zungen durchbrechen im Kap Verga und in der Halbinsel Kaloum die sedimentäre Deckschicht und ragen, tiefen Verwerfungslinien folgend, in das Meer. Ihre Herkunft wird dem Zeitraum der Doleritintrusionen im Zentralmassiv des Fouta Djallon zugeordnet. Beim Kap Verga handelt es sich um einen aus dem Glacis kommenden Arm silurischer Schiefer, der einer in den Atlantik laufenden tektonischen Bruchlinie folgt. In ihm drangen doleritische Intrusionskörper nach oben und wurden von der Erosion freigelegt.
Die Intrusion der Halbinsel Kaloum wird von einem mächtigen, an ihrer
nordöstlichen Spitze stehenden Gabbrokörper beherrscht, dem Mt. Kakoulima (1011
m). Es schließt sich der langgezogene, aus dunklen, tief verwitterten Duniten
bestehende Hauptkörper der Halbinsel an. Die südwestliche Spitze bilden das der
Halbinsel gegenüberliegende Archipel der Loos-Inseln, die sich aus Foyaiten
(nephelitische Syenite) zusammensetzen.
Wie diese beiden Strukturen ist auch das gesamte geologische und morphologische Erscheinungsbild Niederguineas von einer Schar tektonischer Verwerfungslinien geprägt, die sich vor allem auf den Süden dieses Raumes konzentrieren. Ihre Hauptachsen verlaufen im Küstenbereich in Richtung SW-NO, im Landesinneren und Süden hauptsächlich in Richtung NNW-SSO.
Niederguinea besitzt bedeutende Bauxitvorkommen, die derzeit in den Minen von Débélé (Kindia), Fria und Sangarédi abgebaut werden. Weniger bedeutende Titanlagerstätten befinden sich am Kap Verga und an der Küste in Grenznähe zu Sierra Leone. Der Naturraum beherbergt weiterhin Eisen-, Chrom- und Manganlagerstätten, deren Abbau-würdigkeit jedoch noch nicht im einzelnen geprüft worden ist.
Der Fouta Djallon Mittelguineas ist Teil des an seinen
Rändern teilweise emporgehobenen afrikanischen Kontinentsockels. Nach einer
tektonischen Einsenkung im Kambrium kam es in den darauffolgenden Zeitaltern zur
Ablagerung mächtiger Sedimentschichten. Eine spätere tertiäre Hebung war
schließlich für die heutige Hochlandmorphologie verantwortlich. Zahlreiche
Verwerfungen, hauptsächlich in Richtung NNO-SSW und NNW-SSO verlaufend, zeugen
heute von dieser tektonischen Aktivität.
Der westliche Teil des Fouta besteht im wesentlichen aus Sandsteinsedimenten
und Konglomeraten oberkambrischer (Serie Faléa) und ordovizischer (Serie Pita)
Herkunft, silurische Schieferformationen (Folge von Télimélé) und sich zum
niederguineischen Raum hin abneigenden devonischen Sandsteinen mit mehreren 100
m Mächtigkeit. Die Struktur der Sandsteinformationen ist vielfältig und zeigt
ein weites Spektrum von feinkristallinen und kaum zementierten bis hin zu
äußerst kompakten, quarzitischen Formen.
Verantwortlich für
diese Metamorphoseerscheinungen sind Doleritintrusionen, grobkörnige basaltische
Gesteine, die, vermutlich aus dem Perm stammend, unregelmäßig über dem
nördlichen und als kompakter Körper im Raum Dalaba im südlichen Fouta Djallon in
Erscheinung treten. Der sehr eisenhaltige Dolerit, der als Ergußgestein nahezu
überall in tektonischen Brüchen, Verwerfungen und Hohlräumen aller Art Bänke
gebildet hat, ist auf den Plateaus des Fouta Djallon, auf denen er an der
Oberfläche erschienen ist, für die Bildung einer einheitlichen, größtenteils
wasserundurchlässigen Deckschicht verantwortlich, die die dort ansässigen Peulh
als "bowal" (pl. "bowé") bezeichnen(76).
Eine weitere Besonderheit Mittelguineas stellt der mächtige, aus Glimmerschiefern bestehende Körper aus dem oberen Präkambrium dar (ca. 600 Mill. Jahre), der an der Verwerfung von Gaoual entlang des Flusses Koliba emporgehoben wurde. Zahlreiche Brüche und Verwerfungen zumeist tertiärer Herkunft waren es auch, die dem Fouta Djallon mehr das Aussehen eines Mosaiks von Plateaus, einzelnen Gebirgsblöcken, Schluchten und Tälern,
Horsten und Gräben gegeben haben denn das eines homogenen
Mittelgebirgskörpers.
Die größten Bauxitreserven des Landes, die auf insgesamt etwa 20 Mrd. t
geschätzt werden (BM 1990a Bd. II, S. 37) liegen im Zentralmassiv des Fouta
Djallon und seinen Randzonen. Das größte Vorkommen wurde bei Gaoual
prospektiert, andere bedeutende Lagerstätten befinden sich bei Bantignel (Pita),
Dabola und Tougué. Im Norden des Landes wurden bei Lébékéré außerdem bedeutende
Kalksteinvorkommen entdeckt, in der Nähe von Balaki vermutet man eine
Uranlagerstätte. Östlich von Télimélé, auf Höhe des Konkouré, weiß man um
weniger bedeutende Diamant- und Manganvorkommen.
Ohne jegliches Deckgebirge offenbart das Nigerbecken
Oberguineas den präkambrischen Sockel als Teil der alten
westafrikanischen Kontinentalscholle. Er besteht im Nordosten überwiegend aus
oberpräkambrischen Glimmerschiefern (Birrimien), während den südlichen und
westlichen Teil dieses Naturraumes hauptsächlich syntektonische Granite
einnehmen, vereinzelt durchbrochen von Gneis- und Quarzitkörpern aus dem
mittleren Präkambrium.
Im Süden grenzt der beginnende guineische Rücken die weiten Ebenen des
Nigerbeckens ab. Einzig in der Region zwischen Kankan und Kouroussa durchbrechen
die von NW nach SO streichenden Höhen von Niandan-Banié (Tamankaya: 859 m,
Koumbankourou: 804 m), ein aus widerstandsfähigen Glimmerschiefern bestehender,
langgezogener Körper, seine Monotonie. Auch eine tektonische Beanspruchung fand
nur in den nördlichen und südlichen Randzonen der Ebene statt. Die
Verwerfungslinien folgen der dominierenden NW-SO-Richtung. Auf die
Glimmerschiefer des präkambrischen Sockels lagerte der Niger seine quartären
Alluvialsedimente ab. Oberguinea verfügt im Raum um Siguiri, bei Doko an der
Grenze zu Mali, bei Kouroussa und im Norden bei Banora über bedeutende
Goldvorkommen.
Charakteristisch für das Erscheinungsbild Waldguineas ist
der guineische Rücken. Er besitzt jedoch nicht die Form eines einheitlichen
Rückens, sondern bietet eine Vielzahl an geologischen und morphologischen
Strukturen. Eine großräumige tektonische Hebung brachte den hauptsächlich aus
mit Dolerit- und Quarzitintrusionen durchsetzten Gneiskörper auf eine
durchschnittliche Höhe von 800-1000 m. Zahlreiche Verwerfungen im Zentrum und an
den Rändern des Rückens gaben ihm seinen halbmondförmigen geologischen Verlauf,
der teilweise konträr zu seinem allgemeinen morphologischen Verlauf von NW nach
SO steht: von Südwesten kommend schwenkt er bald in eine Nord-Südrichtung ein,
um dann auf der Höhe von Beyla eine nordnordwestliche Verlaufsrichtung
einzuschlagen.
Im Zuge dieser regen tektonischen Aktivitäten brach der Rücken in mehrere sich vom Umland absetzende Bergketten und -massive auf. Das Zentrum des Rückens wird von dem aus widerstandsfähigen Quarzitintrusionen bestehenden Simandou-Massiv beherrscht (Pic de Fon, 1656 m). Es wird auf beiden Seiten von mehreren kleinen, überwiegend aus Doleritkörpern bestehenden Massiven flankiert. In südwestlicher Richtung gliedert sich der Rücken in 3 Zonen: zwischen Macenta und Sérédou erhebt sich die aus Graniten bestehende Ziama-Bergkette (1346 m). Sie bildet die westliche Grenze zu der zentralen, 500-600 m hoch gelegenen Ebene von N'Zérékoré. Schließlich endet der Rücken mit dem nordöstlich-südwestlich verlaufenden Nimba-Massiv (1752 m), das auf dem Länderdreieck Guinea-Liberia-Elfenbeinküste liegt, jedoch zu 7/10 auf guineischer Seite.
Zu den bedeutendsten Vorkommen Waldguineas sind zum einen die zahlreichen
Diamantvorkommen im Dreieck Macenta-Kérouané-Kissidougou zu zählen, die sich in
ihrem Wirtgestein, dem hier vorkommenden Kimberlit, gebildet haben. Zum anderen
beherbergt das Nimba-Massiv eine der an hochwertigem Eisenerz (bis zu 60%
magnetithaltig) reichsten Lagerstätten der Welt. Weniger bedeutende
Eisenerzvorkommen sind noch in den Quarziten und Gneisen des nördlichen
Simandou-Massivs bis hinauf in die oberguineische Nigerebene eingelagert.
Erwähnenswert sind weiterhin kleine Graphit- und Manganvorkommen, die sich
ebenfalls um das Nimba-Massiv gruppieren.
4.3 Klima, Boden und Gewässer - bestimmende Faktoren eines
interaktiven Wechselgefüges
Das Klima
Im Muster großräumlicher Klimaklassifikationen wurde Guinea zunächst von
PENCK (1910), ausschließlich das Verhältnis von Niederschlag und Verdunstung
betrachtend, in eine den südöstlichen Teil Waldguineas erfassende vollhumide
Zone und eine den übrigen Raum abdeckende semihumide Zone aufgeteilt. ALISSOWs
Klassifikation (1950) ist genetischer Art und bezeichnet die Eigenschaften und
das Verhalten der Luftmassen als Resultat der allgemeinen Zirkulation der
Atmosphäre. Er unterteilte den guineischen Raum in den südlichen
Äquatorialgürtel und den nördlichen, ca. 80% des Landes erfassenden
subäquatorialen Gürtel. Diese Einteilung deckte sich mit der Klassifikation von
FLOHN (1950), der zwischen einer inneren und äußeren Tropenzone unterschied.
Lediglich KÖPPEN und GEIGER (1954), die Schwellenwerte von Temperatur und
Niederschlägen als Indikatoren verwendeten, klassifizierten das in Guinea
vorherrschende Klima in 3 Zonen. Demnach ist der südliche Küstenbereich aufgrund
seiner hohen Lufttemperaturen und reichlichen Niederschläge als Urwaldklima mit
einer Regenzeit zu bezeichnen (Köppenscher Klimatyp Am). Der größte Teil Nieder-
und Mittelguineas sowie das gesamte Waldguinea liegt im Einzugsbereich eines
Savannenklimas (Köppenscher Klimatyp Aw) mit einer ausgeprägten Trockenzeit in
den Wintermonaten und einer ergiebigen Regenzeit. Der Norden Oberguineas und die
östlichen Ausläufer des Fouta Djallon Mittelguineas werden von einem heißen
Steppenklima erfaßt (Köppenscher Klimatyp Bsh) (s. Karte 8: Guinea im System der
Klimaklassifikation).
PAFFEN und TROLL (1964) differenzierten das Klima nach seinen Auswirkungen
auf die Vegetation. Ihre Klassifikation deckt sich ungefähr mit jener von KÖPPEN
und GEIGER und unterscheidet in Süd-Nord-Abfolge zwischen einer Tropenzone mit
immergrünen tropischen Regenwäldern und halblaubabwerfenden Übergangswäldern,
den tropisch-sommerhumiden Feuchtklimaten mit regengrünen Feuchtwäldern und
feuchten Grassavannen, den wechselfeuchten Tropenklimaten mit regengrünen
Trockenwäldern und Trockensavannen sowie den tropischen Trockenklimaten mit
tropischen Dorn-Sukkulentenwäldern und -savannen.
Der südwestliche Küstenstreifen Niederguineas kann trotz einer drei- bis viermonatigen
Trockenzeit(77)
in den Monaten Dezember bis März bei hohen Lufttemperaturen von ständig mehr als
23C tropische Feuchtwälder halten, da das trockenzeitliche Regendefizit mit
2500-3000 mm Niederschlag in den übrigen Monaten ausgeglichen wird. Das
Savannenklima im übrigen Guinea ist facettenreich und folgt im wesentlichen der
naturräumlichen Einteilung mit ausgeprägten Regionalklimaten (s. Karte 9:
Regionalklimate in Guinea).
Der subguineische Klimabereich (KZ1), der in seiner Ausdehnung mit den
Grenzen Niederguineas übereinstimmt, ist geprägt durch subäquatoriale,
monsunklimatische Elemente mit einem subtropischen Rhythmus, in dem eine
sechsmonatige Regenzeit von einer viermonatigen Trockenzeit abgelöst wird. Die
dem Fouta Djallon vorgelagerte Position als Niederschlagsempfänger lassen die
jährlichen Mengen häufig auf mehr als 3000 mm ansteigen. Das exponierte Conakry
und die ihm vorgelagerten Loos-Inseln erhalten gar 4.300 mm und mehr. Ihren
Höhepunkt erreichen die Regenfälle im Monat August, in dem schon ein Maximum von
300 mm Tagesniederschlag beobachtet wurden (SURET-CANALE 1970, S. 44) (s. Karte
10: Jahresniederschlag).
Der Monsuncharakter und der Atlantikeinfluß lassen die Luftfeuchtigkeit, auch
in den trockenen Monaten von November bis April, nie unter 63% sinken. Dies ist
die Zeit des Harmattan, jenes heißen und trockenen, aus dem Inneren des
nördlichen afrikanischen Kontinents kommenden Windes, der jedoch wiederum durch
die Barriere des Fouta Djallon nicht seine übliche austrocknende Wirkung
entfalten kann. Die ständig hohe Luftfeuchtigkeit und die flachen Reliefformen
halten die Jahresdurchschnittstemperaturen konstant zwischen 25 und 27C (s.
Karte 11: Die mittlere Jahrestemperatur).
Das Zentralmassiv
des Fouta Djallon mit seinen südlichen und östlichen Ausläufern besitzt ein
eigenes, nach ihm benanntes Regionalklima (KZ2). Die Trockenzeit reduziert sich
auf vier Monate, wobei die Regenfälle aufgrund des bewegten Reliefs in manchen
Gegenden oft verfrüht oder verspätet einsetzen können. Als hochaufragende
Barriere wird das Massiv in den trockenen Monaten Dezember bis April stark vom
Harmattan attackiert, dessen trockene Wüstenluftmassen die Luftfeuchtigkeit
leicht unter die 40%-Marke drücken können. Teilweise wird die Wirkung des
Harmattan wiederum durch in dieser Region häufig vorkommende stellenweise
Wolken- und Nebelbildung abgeschwächt.
Überhaupt weist der Fouta Djallon durch seine Reliefvielfalt auf seinen unzähligen einzelstehenden oder miteinander verbundenen Hochplateaus sowie in seinen schmalen Schluchten und weiten Tälern zahlreiche Mikroklimate auf. Die Höhenlage und die südwestliche, den tropischen Monsunen die Stirn bietende Orientierung sorgen für Niederschläge von 1725 mm und Temperaturen von 22C im Jahresmittel.
Wie auch im nördlichen Bereich Niederguineas tritt das Temperaturmaximum vor
dem Einsetzen der Regenzeit ein, da die starke Bewölkung während der Regenfälle
die Sonneneinstrahlung bzw. die Erwärmung beeinträchtigt. Die
Temperaturjahresamplitude besitzt mit durchschnittlich 10C einen hohen Wert und
kann örtlich sogar auf 13C ansteigen. In den Bergen des Zentralmassivs treten
auf der Linie Mali-Labé-Pita-Dalaba auch die absoluten Temperaturminima des
Landes auf, das Erreichen der Frostgrenze ist nicht selten.
Der oberguineische
Raum steht unter dem Einfluß eines heißen Savannenklimas mit ausgeprägten
saisonalen Kontrasten (KZ3). Die von Juni bis Oktober einsetzende Regenzeit
bringt etwa 1500 mm Niederschlag im Jahresmittel. Mit zunehmender Entfernung vom
Äquator nehmen die Niederschlagsmengen ab, und die Trockenzeiten treten
deutlicher und länger hervor. Besonders im oberen Nigerbecken verlängert sich
die Trockenperiode auf 8 Monate. Während dieser Zeit trocknet der Harmattan die
Ebene regelrecht aus und bedeckt sie mit dichtem, feinem Staubnebel. Am Ende der
trockenen Saison mißt man in diesen Regionen mit über 40C die höchsten
Temperaturen und mit weniger als 39% im Jahresmittel die niedrigste Luftfeuchte
des Landes (s. Karte 12: Relative Luftfeuchtigkeit). Die Temperatur zeigt
aufgrund des ruhigeren Reliefs eine kleinere Jahresamplitude als im Fouta
Djallon, dennoch treten ein Maximum am Ende der Trockenzeit und ein Minimum zum
Zeitpunkt der stärksten Regenfälle deutlich hervor.
Das vierte
Regionalklima erfaßt den waldguineischen Raum (KZ4) und wird ebenfalls nach ihm
benannt (KAWALEC 1977, S. 29). Als nahezu vollhumides Klima äquatorialer
Ausprägung weist es im Jahresmittel mehr Niederschlag als die Küstenregion
Niederguineas auf (mit Ausnahme des südwestlichen Teils), besitzt ebenfalls eine
kurze Trockenperiode, die sich allerdings auf 2 Monate verkürzt. Die
Niederschlagsmenge, vom Breitengrad und vom bewegten Relief dieses Naturraums
abhängig, variiert zwischen 1600 und 2800 mm. Die Niederschlagskurve gibt in der
Regel zwei Maxima an, eines im Juni/Juli, das andere im September (Kissidougou,
Beyla) (s. Karte 13: Temperaturen und Niederschläge ausgewählter
Klimastationen).
An den zahlreichen Höhenzügen des guineischen Rückens kommt es, insbesondere auf den südwestlichen Angriffsflächen der tropischen Monsune, zu teilweise starker Wolkenbildung. Hier verliert der Harmattan völlig seine Wirkung, und die Luftfeuchtigkeit erreicht Spitzenwerte von 98,5% im jährlichen Mittel (N'Zérékoré). Die Jahresamplitude der Temperatur ist sehr gemäßigt und liegt zwischen 3 und 5C. Die durchschnittliche Jahrestemperatur von etwa 25C verzeichnet ein deutliches Minimum während der Jahresmitte, wenn die stärksten Regenfälle einsetzen.
Die Böden
Es herrschen im wesentlichen drei Bodentypen vor, die bis auf die
Küstenregion und das Nigerschwemmland überall im Lande zu finden sind: die
Lithosole, Ferralsole und Ferrisole(78).
Während der nordöstliche Teil des Fouta Djallon und das Gebiet um Koundara in
seinem Nordwesten überwiegend nackten Fels zeigen, der teilweise mit einem
kargen, wenig fruchtbaren Felsboden besetzt ist, werden seine westlichen
Ausläufer und der südöstliche Teil von einer schwach entwickelten, überwiegend
eisenhaltigen Bodenschicht, einem Lithosol, bedeckt. Wie im nordöstlichen
Nigerbecken und im zentralen Teil des guineischen Rückens befindet sich diese
Schicht noch in einem Frühstadium der Pedogenese und ist bis auf eine
fortschreitende Lateritisierung wenig differenziert.
In weiten Teilen des Zentralmassivs des Fouta Djallon sowie auf seinen
südöstlichen Ausläufern bis hin zum guineischen Rücken Waldguineas ist das
Phänomen der Lateritisierung aufgrund der aggressiven Verwitterungsbedingungen
weit vorangeschritten(79).
Vor allem die in diesen Regionen zahlreich eingelagerten Doleritvorkommen mit
ihrem hohen Eisengehalt sind dafür verantwortlich. Bei ständig wechselnden
Feucht- und Trockenperioden und für diese Breiten hohe Temperaturamplituden
schreitet die Verwitterung schnell voran. Dank der als Bindemittel fungierenden
Eisenoxide, die zudem die Rotfärbung dieser Böden beisteuern, bilden sich die
charakteristischen, harten Lateritkrusten, die "bowé", die viele der
Hochplateaus im Fouta Djallon wie eine Haube abdecken (s. a. Kap. 4.1.2).
Die "bowé" bestehen aus kieselstein- bis fußballgroßen Eisenoxidkonkretionen, die als kompakte Decke eine nahezu wasserundurchlässige Schicht bilden können. Dies ist oftmals der Fall, wenn sich die Lateritkruste nicht auf der Bodenoberfläche, sondern unterhalb dieser etwa auf der Höhe des Grundwasserspiegels gebildet hat, später jedoch durch Erosion freigelegt wurde(80). In vielen Tälern und Niederungen des Fouta Djallon wie auch des guineischen Rückens konnten sich indessen fruchtbare Böden bilden. Diese Böden, die sich aus den akkumulierten Erosions- und Denudationsprodukten der sie einrahmenden Berg- und Hangstrukturen entwickelt haben, beherbergten zu früheren Zeiten einen durch Infiltrationen und Hangquellen genährten Wald, der ein bestimmtes Mikroklima regulierte. Da sie günstige Voraussetzungen für die Reisproduktion und einen intensiven Gemüseanbau boten, mußte der Wald allmählich den sich immer schneller ausbreitenden landwirtschaftlichen Nutzflächen weichen. Dies führte zu einer noch heute anhaltenden Degradation auch dieser Böden, da auf ihnen dort, wo sie nahezu vegetationsfrei und durch eine landwirtschaftliche Nutzung übermäßig strapaziert worden sind, ebenfalls die Krustenbildung einsetzt(81).
Die Ferralsole präsentieren in Guinea je nach dem Verhältnis ihrer Fe- und
Al-Oxidanteile das ganze Spektrum ihrer Erscheinungsformen, von der
gelbbeigegefärbten Varietät mit überwiegend Al-Oxiden bis zur rotgefärbten
Varietät mit mehrheitlichem Fe-Oxidanteil. Sie finden im gesamten Zentralmassiv
des Fouta Djallon, in einer etwa 50-70 km breiten Pufferzone zwischen der Küste
und dem Fouta Djallon sowie einer südwestlichen Region, das sich von den
Ausläufern des Fouta Djallon bei Faranah bis zum guineischen Rücken bei Yomou
erstreckt, weite Verbreitung. Obwohl in diesen Oxisolen die Lateritisierung
ebenfalls ihren Höchststand erreicht hat, sind diese Böden aufgrund des hohen
Niederschlagsregimes in diesen Regionen wesentlich mächtiger und fruchtbarer als
die Lithosole (s. Karte 14: Die Böden Guineas).
Während in Niederguinea, auf dem Zentralmassiv des Fouta Djallon und im südwestlichen Gürtel der gelbbeigefarbene, an Al-Oxiden reichhaltige Typ überwiegt, stößt man in den südlichen Teilen des Fouta im Raum Kindia und Mamou sowie in einigen Senken seines Zentralmassivs auf den rötlichen, eisenhaltigeren Typ. Gerade im Fouta Djallon bildeten die Ferralsole je nach topographischer Lage, Beschaffenheit des Ausgangsgesteins und klimatischen Bedingungen zahlreiche regional unterschiedliche Varietäten aus, die im Pular, der Sprache der dort lebenden Peulh, ihre eigenen Namen besitzen:
(Erarbeitet nach: PNUD 1992a, Bd. Mittelguinea, S. 43/44; eigene
Untersuchungen).
Der schmale, den westlichen Ausläufern des Fouta Djallon vorgelagerte Streifen bietet aufgrund des flachen Reliefs und der hohen jährlichen Niederschlagssummen gute Voraussetzungen für eine intensive agrarwirtschaftliche Nutzung. Der den westlichen Teil Waldguineas erfassende Ferralsol wird durch ein niederschlagreiches Klima mit hohen Temperaturen begünstigt, welches zur Ausbildung von mächtigen Bodenhorizonten führte. Selbst nach der Vernichtung großer Teile der bis in die 30er Jahre relativ geschlossenen Walddecke durch die bis heute praktizierte Methode der Brandrodung konnte in der darauffolgenden Zeit durch die weitestgehende Einhaltung von traditionellen Anbaumethoden, die ausgedehnte Brachzeiten und eine schonende Bodenbehandlung vorsahen, die Widerstandsfähigkeit des Bodens, sogar auf Hängen mit bis zu 25% Neigung (SURET-CANALE 1970, S. 74) größtenteils erhalten werden. Erst in jüngster Zeit werden vor al-
lem die Hangböden durch zu kurze Brachzeiten einer verstärkten Denudations-
und Erosionsgefahr ausgeliefert. Doch in den Niederungen sorgt die Ausbildung
von hydromorphen Böden, von torfreichen bis hin zu tonreichen und
tonig-schlammigen Varietäten, für gutes Anbauland. Hier werden der größte Teil
des guineischen Reis', aber auch Maniok, Mais, Erdnüsse und Bananen produziert.
Eine Besonderheit stellen kleine Regionen von Vertisolen dar, entrophe
Braunböden, die in den Räumen un Kissidougou und Macenta herum fleckenartig
angeordnet sind. Sie bilden eine ausreichende Humusdecke und besitzen einen
hohen Anteil an quellfähigen Tonmineralen. In trockenen Zeiten treten starke
Schrumpfrisse und -spalten auf, in der Regenzeit dagegen sorgen
Quelldruck-Bewegungsvorgänge für eine regelmäßige Hydroturbation. Diese ständige
Durchmischung des Bodens sorgte u.a. für das Fortbestehen eines der letzten
Refugien eines wertvollen, artenreichen Regenwaldes an den Flanken der
Ziama-Bergkette, südöstlich von Macenta.
Die dritte bedeutende Bodengruppe, die Ferrisole, sind ferralitische, den
Ferralsolen nahestehende Latosole, die den kristallinen Sockel des größten Teils
Oberguineas und den Osten Waldguineas bedecken. Ist die Bodenqualität dieses
zusammenhängenden Gebietes in seinem südlichen Teil durch einen höheren
Tongehalt (Si-Anteil) und hydromorphe Verhältnisse gut, so nimmt sie mit
Verringerung des Tonanteils und zunehmend ariden Bedingungen nach Norden hin ab.
Die fruchtbarsten Böden bildeten sich auf den alluvialen Terrassen des Nigers
und seiner größten Zuflüsse, des Sankarani und Milo(82).
Die erste Terrasse, die Überschwemmungsebene, besteht aus feinen, weißlichen
Alluvialablagerungen, die einen tiefen, lockeren Boden ausgebildet haben. Ihre
Breite ist unterschiedlich und von den Bewegungen des Flusses abhängig. Der hohe
Wasserspiegel des Nigers erlaubt einen Bewässerungsanbau auch während der
Trockenzeit. Reis ist hier die bevorzugte Anbaupflanze.
Etwa 4 m darüber erstreckt sich die mittlere Terrasse, die sich aus
grobkörnigen Ablagerungen zusammensetzt. Ihre Böden gehören der Klasse der
eisenhaltigen Tropenböden an. Ihre Güte hängt von der Mächtigkeit der
Humusschicht sowie ihres Gehalts an Kalzium, Phosphor und Magnesium ab. Aufgrund
der anspruchsvollen Bearbeitung der ersten Terrasse wurde dieser Boden oftmals
bevorzugt kultiviert, was an manchen Stellen allmählich zu Verarmungs- und
Verödungserscheinungen führte. Auf dieser Terrasse gedeihen Hirse, Mais.
Erdnüsse, Fonio und Tabak. Die obere Terrasse schließlich setzt sich aus kies-
und schotterartigen Böden mit vereinzelt auftretenden Lateritbändern zusammen.
Entlang der Atlantikküste hat sich auf den fluvio-marinen Alluvialablagerungen ein sehr fruchtbarer, tonreicher Boden entwickelt, der jedoch aufgrund des hohen Salzgehaltes und der Drainageprobleme in der Regenzeit schwierig zu bearbeiten ist. Dennoch bietet er für den Reis-, Gemüse- und Fruchtanbau günstige Voraussetzungen. Auf den darüberliegen-
den sandigen Terrassen dominieren der Maniok- und Erdnußanbau sowie
Obstplantagen.
Die Hydrographie
Guinea wird zurecht als "Chateau d'eau", als Wasserreservoir Westafrikas
bezeichnet, entspringen ihm doch die Mehrzahl der großen westafrikanischen
Flüsse wie der Niger, Senegal und Gambia. Als Hauptquellgebiete treten der Fouta
Djallon und der guineische Rücken hervor. Im Fouta Djallon läuft die Linie der
Wasserscheide von Norden nach Süden entlang den höchsten Erhebungen des
Zentralmassivs, während die südliche Wasserscheide der morphologischen
West-Ost-Ausrichtung des guineischen Rückens folgt (s. Karte 15: Hydrographie).
In ihrem Verlauf
bilden die Flüsse unterschiedliche Profile aus, die im wesentlichen vom Relief
und von der Oberflächenbeschaffenheit der Gebiete abhängt, durch die sie
fließen. Der dem Zentralmassiv des Fouta Djallon entspringende Kokoulo, der auf
der Höhe von Sangaréah in den Konkouré mündet, ist ein Beispiel für den
wechselhaften Flußbettverlauf: auf einer Gesamtlänge von ca. 182 Flußkilometern
weist er einen Höhenunterschied von etwa 900 m auf, was ein Durchschnittsgefälle
von ca. 50/00 ergibt. Eine der Zonen stärksten Gefälles
ist zweifelsfrei sein Niedergang aus dem Zentralmassiv in die weite Ebene von
Sangaréah, die nach Westen hin von den Ausläufern des Massivs begrenzt wird. Auf
diesem Teilstück (50 km Länge) erreicht der Fluß ein Durchschnittsgefälle von
ca. 120/00. Dadurch ist die Fließgeschwindigkeit erhöht,
was wiederum einen Anstieg der fluviatilen Erosionsprozesse zur Folge hat. Bei
Pita beispielsweise hat sich der Kokoulo unter Überwindung einer etwa 88 m hohen
Stufe einen schluchtartigen Weg durch den ordovizischen Sandstein gebahnt
(Kinkon-Wasserfall).
Auf der Ebene angekommen, fängt der Fluß aufgrund des geringen Gefälles an zu
mäandrieren. Doch obwohl sich der Lauf beruhigt hat, kommt es aufgrund einer
immer noch relativ hohen Fließgeschwindigkeit, die eine Sedimentation bisweilen
verhindert, dort nicht zur Ausbildung von fruchtbaren Terrassen. Daher bleibt
diese Ebene im Vergleich zu der hohen durchschnittlichen Bevölkerungsdichte im
Fouta Djallon relativ unterbesiedelt. Im Unterlauf des Konkouré schließlich war
das durch die angewachsene Fließkraft und -geschwindigkeit gestiegene
Erosionspotential verantwortlich für den in weiten Teilen des Verlaufs als
canyonartig zu bezeichnenden Charakter seines Flußbettes. Dies ist ein typischer
Verlauf der auf der westlichen Seite des Fouta Djallon entspringenden Flüsse.
Der Niger dagegen weist in seinem Quellgebiet das höchste Gefälle auf. Der übrige, nahezu gefällelose Verlauf durch die weiten Ebenen seines Beckens erlaubten ihm ausgeprägte Mäanderbildungen, die jedoch mit dem Zulauf zahlreicher Nebenflüsse und der damit ansteigenden Wassermengen allmählich nachlassen. Die Terrassenbildung am Niger, aber auch am Niandan, Milo und Sankarani brachte fruchtbare, für den Reisanbau geeignete Ebenen hervor. Ihre Nutzung wird jedoch durch die saisonal unterschiedliche Wasserfüh-
rung beeinträchtigt und erweist sich insbesondere auf den Niederterrassen als
schwierig. Dies gilt aufgrund der teilweise recht krassen Gegensätze der
Niederschlagsleistungen in den Feucht- und Trockenperioden für das gesamte
guineische Gewässernetz. Dadurch wird auch die Nutzung der potentiellen
hydroelektrischen Energie an bestimmte Bedingungen geknüpft.
4.4 Die guineische Bevölkerung
Die Datenlage zur zahlenmäßigen Erfassung der guineischen Bevölkerung ist durch eine 1996 durchgeführte Volkszählung sicher und vollständig (Recensement Général de la Population et de l'Habitat RGPH de 1996). Zum Zeitpunkt der Endredaktion der vorliegenden Arbeit lagen lediglich die per Regierungserlaß veröffentlichten vorläufigen Ergebnisse über die in Guinea ansässige Bevölkerung einschließlich Ausländer und Flüchtlinge vor. Die im Ausland lebenden Guineer wurden nicht erfaßt. Weitergehende Informationen über die Altersstruktur der Bevölkerung, die Haushaltsgrößen und ihre Zusammensetzung, das Ehe- und Heiratsverhalten, die Migration und andere bevölkerungsgeographisch relevante Indikatoren gehen allerdings aus den Ergebnissen dieser Volkszählung nicht hervor(83). Sie basieren im wesentlichen auf
1. der 1983 durchgeführte Volkszählung (Recensement Général de la Population et de l'Habitat RGPH) (RG 1986);
2. den Ergebnissen einer 10%igen Stichprobenzählung, durchgeführt in den Jahren 1992 und 1993, zur Erstellung der Wählerlisten für die bevorstehenden Wahlen (RG 1993a);
3. einer 1992 durchgeführten Untersuchung zur Bestimmung demographischer Indikatoren und Ermittlung des Gesundheitszustandes der guineischen Bevölkerung (RG 1994b);
4. sowie den Ergebnissen mehrerer, im Rahmen der von der Weltbank und den Vereinten Nationen initiierten Rahmenprogrammen zur strukturellen Anpassung und wirtschaftlichen Förderprogrammen durchgeführten demographischen Erhebungen aus den Jahren 1990, 1991 und 1992 (RG 1991d, RG 1992e, PNUD 1992a, PNUD 1992b).
Die guineische Bevölkerung befindet sich im noch andauernden Zenit einer Bevölkerungsexplosion. Seit 1970 sind das natürliche Bevölkerungswachstum und die Lebenserwartung stetig angestiegen, die Sterberate dagegen gesunken. Die Bevölkerungsschere wird sich in den nächsten Jahren noch weiter öffnen, da die Geburtenziffer mit 51 Lebendgeborenen je 1000 Einwohner seit Jahrzehnten unvermindert hoch ist, während die Sterbeziffer in den letzten zwanzig Jahren um knapp 18% gesunken ist. Gleichzeitig liegt der Gesamtindex der Fruchtbarkeit(84) mit 6,5 permanent über dem Durchschnitt der Länder mit niedrigem Einkommen. Auch die Nettoreproduktionsrate(85)
ist einem steten Anstieg unterworfen (StLB 1994, S. 29, WB PFP 1998, S. 28).
Tabelle 1: Demographische Basisindikatoren 1970 - 1995.
1970-75 | 1975-80 | 1880-85 | 1985-90 | 1990-95 | |
Lebendgeborene (je 1000 Einw.) | 51,6 | 51,6 | 51,3 | 51 | 51 |
Gestorbene (je 1000 Einw.) | 26,8 | 25,4 | 23,8 | 22 | 20 |
Natürl. Bevölkerungswachstum (%) | 2,48 | 2,62 | 2,75 | 2,82 | 2,9 |
Gestorbene im 1. Lebensjahr
(je 1000 Lebendgeborene) |
177 | 167 | 157 | 145 | 136 |
Lebenserwartung bei Geburt (Jahre) | |||||
Männer | 36,8 | 38,3 | 40 | 42 | 43,5 |
Frauen | 37,8 | 39,3 | 41 | 43 | 44 |
Nettoreproduktionsrate (je Frau) | 1,97 | 2,03 | 2,11 | 2,19 | 2,19 |
(Quelle: StLB 1994, S. 29, WB 1994b, S. 244, PNUD RDH 1996, S. 150ff, WB
1997b, S. ii)
4.4.1 Verteilung und Dichte - Konzentrations- und Dispersionsmuster
als Indikator für Gunst- und Ungunsträume
Die Volkszählung von 1996 ergab eine Gesamtbevölkerung von 7.164.893
Einwohnern (RG 1997a, S. 2). Sie verteilt sich ungleichmäßig über die etwa
246.000 km2 umfassende Landesfläche: Mittelguinea ist mit 23% am
dichtesten bevölkert, während der flächenreichste (Oberguinea) und der
flächenärmste Naturraum (Niederguinea, ohne Conakry) jeweils etwa 20% der
Einwohner beherbergen. Waldguinea hat seinen Bevölkerungsanteil aufgrund des
sich nunmehr über mehrere Jahre haltenden hohen Flüchtlingskontingent aus
Liberia und Sierra Leone auf 21,7% erhöht. Die restlichen 15,3% drängen sich auf
engstem Raum in der Hauptstadt und ihren Peripheriesiedlungen zusammen (Tab. 2)
(s. Karte 16: Bevölkerungsverteilung).
In Niederguinea ist eine starke Konzentration der Einwohner
auf einen schmalen, etwa 80 km ins Landesinnere reichenden Küstenstreifen
(ausgenommen Conakry) mit den Zentren Kamsar, Boké, Boffa, Dubreka, Coyah und
Forécariah zu verzeichnen. Weitere bedeutende Agglomerationen sind das
Handelszentrum Kindia, der Bergbauort Fria und das Viehwirtschaftszentrum
Télimélé.
Mittelguinea beherbergt den größten Teil seiner Bevölkerung im Zentralmassiv des Fouta Djallon mit den Hauptagglomerationen Dalaba, Pita, Labé und Timbi-Madina. Der südliche Ausläufer des Fouta Djallon wird von dem Verkehrsknotenpunkt zwischen dem Nord-Süd und West-Ost Handel, der Stadt Mamou, beherrscht. Die nördlichen Ebenen sind nur schwach besiedelt. In diesen viehreichsten Gebieten Guineas konzentriert sich die Bevölkerung auf die beiden Viehhandelszentren Koundara und Gaoual.
Tabelle 2: Bevölkerungsverteilung in Guinea (1996).
Conakry | Niederguinea | Mittelguinea | Oberguinea | Waldguinea | Gesamt | |
Männer | 581130 | 712583 | 753864 | 693966 | 754677 | 3496220 |
Frauen | 512945 | 753353 | 892095 | 710140 | 800140 | 3668673 |
Gesamt | 1094075 | 1465936 | 1645959 | 1404106 | 1554817 | 7164893 |
Männer (%) | 16,6 | 20,4 | 21,6 | 19,8 | 21,6 | 100,0 |
Frauen (%) | 14,0 | 20,5 | 24,4 | 19,3 | 21,8 | 100,0 |
Gesamt | 15,3 | 20,4 | 23,0 | 19,6 | 21,7 | 100,0 |
(Quelle: RG 1997a, S. 4).
Mit einem Flächenanteil von 38% ist Oberguinea der größte
der Naturräume, jedoch nur mit weniger als einem Fünftel der Landesbevölkerung
der am schwächsten besiedelte. Die Bevölkerungsverteilung weist eine starke
Konzentration der Bevölkerung auf einige wenige Zentren auf. Die weite
Nigerebene wird von dem Handels- und Wirtschaftszentrum Kankan dominiert. Auch
die sekundären Zentren befinden sich an den wichtigsten Handels- und
Verkehrswegen, wie z.B. Kouroussa (Niger, früher Eisenbahn), Dabola (West-Ost
Verkehr, Schnittstelle vom Fouta Djallon in die Nigerebene) und Faranah
(Knotenpunkt für den aus dem Westen kommenden Verkehr nach Süden und umgekehrt).
Die Goldvorkommen in den Feldern um Siguiri am Unterlauf des Niger sowie der
Diamantreichtum von Kérouané nahe der Grenze zu Waldguinea sorgten ebenfalls für
eine starke Verdichtung der Bevölkerung in diesen beiden Städten.
Waldguinea dagegen ist eher durch eine dispersive Verteilung
seiner Bevölkerung gekennzeichnet. Zwar zeichnen sich einzelne Ballungszentren
wie N'zérékoré, Kissidougou, Macenta, Guéckédou und Beyla deutlich ab, doch ist
die ländliche Ursprungsbevölkerung gleichmäßig verteilt. Der noch vor den
Bürgerkriegen in Liberia und Sierra Leone bevölkerungsschwächste Naturraum nimmt
aufgrund der hohen Anzahl der seit mehreren Jahren dort seßhaften Flüchtlinge
nunmehr den zweiten Rang hinter Mittelguinea ein.
Die Konzentration der Bevölkerung im Zentralmassiv des Fouta Djallon ist
überwiegend historisch-kulturell durch die dortige Einwanderung und Besiedlung
durch die Peulh zu erklären, während die extremen Dichtewerte an den Ufern des
Niger und seiner Zuflüsse die Wasserverfügbarkeit und damit die Durchführung des
Naßanbaus und der Bewässerungswirtschaft als Grund hat.
Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte in Guinea beträgt 29 E/km2
(s. Karte 17: Bevölkerungsdichte). Auch hier treten zwischen den einzelnen
Naturräumen deutliche Unterschiede auf:
Tabelle 3: Einwohnerdichte Guineas mit relevanten Kennzahlen (1991).
Conakry | Niederguinea | Mittelguinea | Oberguinea | Waldguinea | Gesamt | |
Einwohner | 1094075 | 1465936 | 1645959 | 1404106 | 1554817 | 7164893 |
Fläche (km2) | 100 | 43100 | 55000 | 101000 | 46700 | 245900 |
Fläche (%) | 0,04 | 17,96 | 22,0 | 41,0 | 19,0 | 100,0 |
Dichte (E/km2) | 10940 | 34 | 30 | 14 | 33 | 29 |
Arealitätsziffer (km2/1000E) in ha | 0,01 | 2,9 | 3,3 | 7,2 | 3,0 | 3,4 |
(Erarbeitet nach: RG 1991d, Anhang 1; PNUD 1992a, Hauptbericht S. 8 u. 9,
StLB 1994, S. 32, RG 1997a, S. 4)
Oberguinea tritt deutlich als Naturraum mit der geringsten Bevölkerungsdichte hervor. Die Arealitätsziffer drückt aus, daß jedem Einwohner Oberguineas im Mittel eine Fläche von etwa 7,2 ha zur Verfügung stünde, doppelt soviel wie in den anderen Naturräumen. Ein Blick auf die Bevölkerungsverteilung und -dichte, auf die Raumeinteilung in Unterpräfekturen als Meßeinheit reduziert, zeigt einen hohen Wert an Zentralität dort, wo
Den höchsten
Zentralitätsgrad weist die Hauptstadt Conakry auf. Sie muß in hohem Maße vom
Umland mit Nahrungsmitteln versorgt werden, andersherum wickelt Conakry zu mehr
als 90% den Im- und Export von Indu-strie- und Konsumgütern sowie
Dienstleistungen ab. Das explosive Bevölkerungswachstum von etwa 2,9% (1990 -
1995) (WB 1997b, S. ii), eine stetige Landflucht sowie die durch die
naturgeographischen Gegebenheiten begrenzten Möglichkeiten zur flächenhaften
Ausdehnung lassen die Bevölkerungsdichte in Conakry beständig wachsen.
Schätzungen gehen davon aus, daß die Hauptstadt im Jahre 2010 etwa 2,8 Mill.
Einwohner auf einer Fläche von ca. 200 km2 beherbergen und die Dichte
somit auf 14.000 E/km2 ansteigen wird (RG 1993a, S. 5).
Die vor allem aus der Karte 16 (Bevölkerungsverteilung) hervorgehenden Konzentrations- und Dispersionsmuster zeichnen deutlich die Konturen von Gunst- und Ungunsträumen für den wirtschaftenden Menschen. So profitieren die den Ausläufern des Fouta Djallon-Massivs vorgelagerten Küstenniederungen vom feuchttropischen Klima (s. Karten 10 - 13)
und den dort ausgeprägten hydromorphen Böden (s. Karte 14), was zu einer
Konzentration einer im Reis- und Früchteanbau wirtschaftenden Bevölkerung (s.
Karte 22) vor allem in den Präfekturen Boké, Boffa, Dubréka, Coyah und
Forécariah führte (s. Karte 3). Die Siedlungsräume zwischen den Tafelbergen am
Südwestrand des Fouta Djallon-Massivs, gekennzeichnet durch die Agglomerationen
Kindia und Télimélé, schöpfen ihren Zentralitätswert aus ihrer Lage als Sammel-
und Umschlagplatz für den Güterhandel mit dem östlichen und nördlichen
Hinterland (s. a. Karten 24 u. 30).
Die Gunsträume für
den wirtschaftenden Menschen im mittelguineischen Raum sind deutlich erkennbar
die Höhen des Fouta Djallon-Massivs, auf denen aufgrund der günstigen
klimatischen Voraussetzungen Frucht- und Gemüseanbau betrieben wird.
Verkehrsgeographisch sind Mamou und Labé die Hauptumschlagplätze für den
Güterverkehr in das weitere östliche Hinterland und den Norden bis in den
Senegal (s. Karten 25 u. 30). Weitere Gunsträume mit ausgeprägten
Ballungszentren sind die Täler und Niederungen an den westlichen und östlichen
Rändern des Massivs, die mit einer erhöhten Bonität der Hang- und Talböden gute
agrarwirtschaftliche Produktionsvoraussetzungen wie z.B. für den Reisanbau
bieten. Die Präfektur Koundara im Nordwesten Mittelguineas, ein sowohl von den
klimatischen Verhältnissen (Niederschlag < 1300 mm/a, Jahresisotherme 27°C)
als auch von den pedogenetischen Voraussetzungen (undifferenziert,
lateritisierte Felsböden) eher siedlungsungünstiger Raum, hat sich indes auf die
extensive Viehwirtschaft spezialisiert und zum viehreichsten Teil des Landes
herausgebildet (s.a. Kap. 6.1.1.2).
Der oberguineische
Raum ist bis auf die östlichen Ausläufer des Fouta Djallon-Massivs ein aufgrund
seiner Aridität siedlungsungünstiger Raum. Lediglich der Niger mit seinem
Nebenfluß Milo bietet agrarwirtschaftliche Produktionsgunst (Mais, Reis, Hirse,
Baumwolle, Fischerei) und Verkehrs- und Transportmöglichkeiten für den Handel
mit dem Nachbarland Mali (s. Karten 5, 22, 26 u. 30). Die Gold führenden
Alluvione des Niger und seines Zuflusses Tinkisso sowie der Flüsse Sankarani und
Bakoy sind es denn auch, die in den nördlichen, zunehmend siedlungsfeindlichen
Gegenden für Agglomerationen von Minengesellschaften, Goldsuchern mit ihren
Familien sowie der Handels- und Versorgungsperipherie sorgten.
Waldguinea weist eine nahezu ebenso große Bevölkerungsdichte wie Niederguinea auf (33 E/km2), die aufgrund der relativ hohen physischen Homogenität des Raumes und dem damit verbundenen Gleichgewicht der Gunst- und Ungunstvoraussetzungen jedoch eher einem Dispersionsmuster folgt (Karte 16). Die ferralitischen Verwitterungsböden und einige Braunböden im Südwesten sowie einige günstige Höhenlagen auf dem nahezu ganz Waldguinea durchziehenden guineischen Rücken (s. Kap. 4.2) bilden die Rahmenbedingungen für eine erhöhte Agrarproduktion von Kaffee, Kakao, Tabak, Tee und auch Reis
(s. Karte 22), womit der südliche Raum etwas deutlichere
Siedlungskonzentrationen aufweist. Die Entwicklungsgunst Waldguineas zeigt sich
auch im Bereich Handel, da dieser Naturraum die Nachbarländer Sierra Leone,
Liberia und die Elfenbeinküste miteinander verbindet, Hauptumschlagsplätze sind
N'Zérékoré und Guéckédou.
4.4.2 Die Bevölkerungsstruktur
4.4.2.1 Sexualproportion und Altersstruktur
Die Sexualproportion der guineischen Bevölkerung hat einen allgemeinen
Frauenüberschuß zu verzeichnen. Der Anteil von Frauen an der Gesamtbevölkerung
liegt bei 51,2% (Tabelle 4); auf 100 Frauen kommen nur 96 Männer. Dennoch weist
die Sexualproportion in den einzelnen Naturräumen erhebliche Unterschiede auf:
Tabelle 4: Sexualproportion 1996 (in %).
Conakry | Niederguinea | Mittelguinea | Oberguinea | Waldguinea | Gesamt | |
Männer | 53,2 | 48,6 | 45,8 | 49,4 | 48,5 | 48,8 |
Frauen | 46,8 | 51,4 | 54,2 | 50,6 | 50,5 | 51,2 |
(Quelle: RG 1997a, S. 2)
In Conakry überwiegt die männliche Bevölkerung mit 53,2%. Eine Situation, die
sich durch starke Migrationsströme männlicher Bevölkerungsteile aus allen
Naturräumen Guineas hin zur Hauptstadt, dem politisch-ökonomischen Zentrum,
erklärt. Besonders die junge männliche Bevölkerung der Peulh aus Mittelguinea,
die mit der Tradition der ihnen unattraktiv gewordenen Viehwirtschaft brechen
und ihr Glück meist als Händler, Kleinhändler und Arbeiter in den großen Städten
suchen, verlassen ihre Heimat zuhauf und strömen in die Hauptstadt ein. Aus
diesem Grunde herrscht im Fouta Djallon der größte Frauenüberschuß Guineas (über
54%). In Oberguinea hat der dem Trend gegenläufige hohe Männeranteil seine
Ursache in den Gold- und Diamantfeldern dieses Naturraums, die überwiegend die
männlichen Bevölkerungsteile anziehen.
Der Altersaufbau der guineischen Bevölkerung zeigt den für Entwicklungsländer
typisch hohen Anteil an jungen Einwohnern. Bei einem Durchschnittsalter von 22
Jahren sind etwa 47% der Bevölkerung weniger als 15 Jahre alt (WB PFP 1998, S.
28). Das zur Charakterisierung der Altersverteilung aussagekräftigere
Medianalter, das die Bevölkerung in zwei gleich große Teile trennt, liegt bei
etwa 16 Jahren.
Eine beständig hohe Fertilität und Mortalität, bei gleichzeitig tendenziell
sinkender Säuglings- und Kindersterblichkeit sowie einer Verringerung der
Mortalität bei den gebärfähigen Frauen (bei gleichbleibender Fertilität) sind
für hohe Geburtenüberschüsse und ein rasches Anwachsen einer sich verjüngenden
Bevölkerung (Ausschwingen der Pyramidenseiten) verantwortlich.
Grafik 2: Alterspyramide der guineischen Bevölkerung (1995).
(Quelle: StLB 1994, S. 30; RG 1997a, S. 5ff)
Die Alterspyramide der guineischen Bevölkerung zeigt eine die starke
Jungbevölkerung repräsentierende Basis und leicht konkav geschwungener Seiten.
Das Ungleichgewicht zwischen den Anteilen der männlichen und weiblichen
Bevölkerungsteile läßt sich in drei Abschnitte gliedern: Bis zum Alter von 19
Jahren überwiegt der männliche Bevölkerungsanteil; zwischen 20 und 54 Jahren
sind Frauen zahlenmäßig stärker, und ab 55 Jahren wiederum die Männer.
Tabelle 5: Altersstruktur 1991 (in %).
Altersgruppen | Conakry | Niederguinea | Mittelguinea | Oberguinea | Waldguinea | Gesamt |
0 - 14 J. | 41,7 | 45,8 | 48,1 | 43,2 | 43,3 | 44,4 |
15 - 64 J. | 55,9 | 49,9 | 46,5 | 52 | 52,8 | 51,4 |
> 65 J. | 2,4 | 4,3 | 5,4 | 4,8 | 3,9 | 4,2 |
(Quelle: RG 1991e, S. 19 u. Anhang 1C, S. 6)
In Mittelguinea beträgt der Anteil der Bevölkerung im Alter zwischen 15 und
64 Jahren nur 46,5% gegenüber 51,4% im Landesdurchschnitt. Eine deutliche
Abwanderung von männlichen Bevölkerungsteilen ist hier besonders in den
Altersstufen von 20 bis 49 Jahren zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu zieht der
Handels- und Wirtschaftsmagnet Conakry knapp 56% der Bevölkerung in der
Altersgruppe von 15-64 Jahren an (Tabelle 4). Die ältere Bevölkerung (über 65
Jahre), dessen Anteil an der Gesamtbevölkerung nur 4,2% beträgt, lebt
überwiegend auf dem Lande. In Conakry fällt ihr Anteil sogar auf 2,4% ab. Etwa
60% dieser Altersgruppe ist männlich (RG 1991e, S. 19).
4.4.2.2 Haushaltsverteilung, ihre Größe und Zusammensetzung
Die Haushaltsverteilung
1996 betrug
die Gesamtzahl der guineischen Haushalte 1080988. Sie verteilen sich
unterschiedlich auf die Naturräume und die Hauptstadt: Niederguinea (20,8%),
Mittelguinea (26,3%), Oberguinea (15,6%), Waldguinea (22,3%) und schließlich
Conakry (15%) (RG 1997a, S. 4). Etwa 71,6% der Haushalte werden auf dem Lande
geführt. 34 % aller ländlichen Haushalte wiederum verteilen sich auf
Mittelguinea, während sich in Conakry 52,7% aller städtischen Haushalte
konzentrieren (RG 1991e, S. 20, RG 1997a, S. 15).
Untergliedert in verschiedene sozioökonomische Gruppen werden 48% aller
Haushalte von unabhängigen Subsistenzbauern geführt. Es folgen die
Exporterzeugnisse produzierenden Landwirte mit 14,9% und die Gruppe der
berufliche inaktiven und arbeitslosen Haushaltsführer mit 13% (RG 1991e, S. 20).
Die Haushaltsgröße
Die durchschnittliche Größe eines guineischen Haushaltes beträgt 6,5 Personen, variiert jedoch zwischen den einzelnen Naturräumen und der Hauptstadt beträchtlich. In Oberguinea beispielsweise gehören einem Haushalt im statistischen Mittel etwa 7,7 Personen an, in Mittelguinea nur 5,4. Die soziale Organisation der oberguineischen Großfamilien des Volkes der Malinké behauptet sich hier gegen alle äußeren Einflüsse, während in Mittelguinea das Familiengefüge durch die schon erwähnten massiven Abwanderungen gestört und die Haus-
halte in ihrer Personenstärke vermindert werden. Der Gesamtüberblick über die
Verteilung der Haushaltsgrößen zeigt, daß die am häufigsten vorkommende
Haushaltsform der 5-Personen-Haushalt ist, gefolgt vom 4-, 3- und
6-Personen-Haushalt. Diese Haushaltsformen machen zusammen etwa 51% aller
Haushalte aus. Mit zunehmender Größe verringert sich der prozentuale Anteil der
Haushalte. Dennoch weisen 18% aller guineischen Haushalte 10 Personen und mehr
auf. Die Haushaltsgröße variiert darüber hinaus mit der Zugehörigkeit der
Haushaltsführung zu verschiedenen sozioökonomischen Gruppen. Im Vergleich mit
der Grafik über die Verteilung der Haushalte nach sozioökonomischen Gruppen
besitzen die selbständigen Viehzüchter, die nur einen Anteil von knapp 1% an den
Gesamthaushalten haben, mit etwa 12 Personen die größten Haushalte. Die
Selbständigen des formellen Sektors, mit 0,2% am geringsten an Guineas
Haushalten beteiligt, folgen mit einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 9,3
Personen.
Eine weitere Unterscheidungsform der Haushaltsgrößen ist die
Familientypisierung. Etwa jeder zweite guineische Haushalt besteht aus einer
Kernfamilie (Eltern und Kinder). Dieser Haushaltstyp dominiert zu 54,3% den
ländlichen Raum, in der Stadt ist er zu 39,5% vertreten (RG 1991e, S. 22). Die
zweite Haushaltskategorie ist die um zusätzliche Verwandte unterschiedlichen
Grades erweiterte Familie auf (15,9% aller Haushalte). Dieser Typ kommt wiederum
mehr in der Stadt (29,6%) als auf dem Lande (11%) vor (EBENDA). Die übrigen
Haushalte bestehen aus unvollständigen und um zusätzliche, oft nur sehr entfernt
oder gar nicht zur Familie zugehörige Personen erweitert.
Die Familiengröße nimmt im allgemeinen mit wachsendem Einkommen bzw. mit
einer Erhöhung der Zahl berufstätiger Mitglieder zu. Haushalte, die sich auf
ausreichende finanzielle Ressourcen einiger ein regelmäßiges Einkommen
erzielender Mitglieder stützen können, sind leichter in der Lage, zusätzliche,
entferntere Familienmitglieder aufzunehmen. Auch der Anteil polygamisch lebender
Familien ist in dieser Haushaltskategorie höher. Oftmals wird die
Tragfähigkeitsgrenze jedoch durch weitere, nicht zur eigentlichen Familie
zugehörige Personen derart strapaziert, daß der Schritt zur Überlastung und
damit zum wirtschaftlichen Zusammenbruch klein ist.
4.4.2.3 Religion, Ehe und Heiratsverhalten
Die guineische Verfassung garantiert Religionsfreiheit. Über 80% der guineischen Bevölkerung sind sinnitische Moslems. Sie praktizieren ihre Religion in selbständigen Gemeinden unter der Betreuung der staatlichen "Ligue islamique". Jede größere Stadt besitzt eine Moschee mit mindestens einem Minarett. Die wichtigste ist die 1983 erbaute große Moschee ("la Grande Mosquée") in Conakry, die bis zu 13000 Menschen fassen kann. 5-10% der Bevölkerung sind Christen, die überwiegend in Niederguinea und Waldguinea leben. Der überwiegende Teil davon sind Katholiken, die von einem Erzbistum in Conakry geführt werden. Eine in den achtziger Jahren am äußeren Ende der Halbinsel Kaloum erbaute Kathedrale schmückt das Antlitz Conakrys. Ein geringer Anteil von Animisten findet sich
hauptsächlich im waldguineischen Raum.
Der Islam in Guinea hat seine Wurzeln im Mali-Reich (s. Kap. 5.1), wo er seit
dem Jahre 1050 von den Manding-Völkern, den Vorfahren der hauptsächlich
Oberguinea bevölkernden Malinké eingeführt wurde. Im 17. Jh. überprägten die in
den Fouta Djallon einwandernden Peulh den Islam mit einer reineren und
intellektuelleren Form, die sich in den nächsten beiden Jahrhunderten zu einer
Theokratie entwickelte. Vom Kolonialismus zerschlagen, fand der Islam während
der I. Republik nur zu einer durch Gesetze und gesellschaftliche Verordnungen
entkräfteten Form zurück. Seit Beginn der II. Republik erstarkten die religiösen
Kräfte wieder derart, daß der Islam im täglichen Leben der guineischen
Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt. Allerdings wird vor allem in den
städtischen Gebieten und innerhalb der Jugend und den jüngeren
Bevölkerungsteilen der Tidjanismus, eine liberale Art
des islamischen Glaubens, meist nur in seiner äußeren Form der täglichen Gebete,
der Fastenzeit, der Wahl arabischer Namen und der Verweigerung von Alkohol und
Schweinefleisch gewahrt.
Die Ausübung religiöser Traditionen, Zeremonien und Riten hat im
gesellschaftlichen Leben der guineischen Bevölkerung eine herausragende Rolle
inne, die zuweilen erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation von
Familien haben kann. Der gesellschaftliche Zwang läßt aus individuellen
Ereignissen wie die Kindestaufe aber auch aus religiösen Feiertagen oftmals
einen umfangreichen Pflichtakt werden, der die Wirtschaftskraft einer Familie
oft übersteigt und mitunter zu langfristigen Verschuldungen führt(86).
Die Ehe stellt in Guinea einen der höchsten Werte in der Gesellschaft dar. Der eheliche Bund ist die Grundvoraussetzung für einen anerkannten gesellschaftlichen Status. Die traditionellen Rollen von Mann und Frau sind dabei eindeutig festgelegt. Die Frau hat sich der Reproduktionsrolle zu fügen und ist für die Erziehung und Gesundheit der Kinder sowie für den Haushalt verantwortlich. Der Mann stellt das Oberhaupt
der Familie dar und muß für den Unterhalt sorgen. Die patrilineare Struktur
der guineischen Gesellschaft spiegelt sich auch im Heiratsverhalten wieder.
Während das Durchschnittsalter der Frau bei der Heirat bei 17 Jahren liegt(87),
verheiraten sich die Männer erst mit durchschnittlich 28 Jahren (UNICEF 1990, S.
139).
Im Alter von 35 Jahren sind nahezu alle Frauen verheiratet, während 25% der
Männer in diesem Alter noch ledig sind (RG 1992d, S. 38). Gleichzeitig steigt
die Zahl der Verwitwungen bei den Frauen ab diesem Alter deutlich an. Dies hat
zwei Gründe. Einerseits ist die Lebenserwartung bei den Männern niedriger als
bei den Frauen. Dieses Risiko wird durch die Tatsache, daß Männer bei der Heirat
durchschnittlich um ein Jahrzehnt älter sind als die Frauen, weiter akzentuiert.
Zum anderen leben die Männer häufig in Polygamie mit bis zu vier Ehefrauen.
Stirbt einer der Ehefrauen, ist der Mann noch kein Witwer, solange er noch
andere Frauen hat (EBENDA, S. 40).
Etwa 94,4% aller guineischen Männer im heiratsfähigen Alter sind im Ehestand,
bei den Frauen sind es sogar 96,7%. Der Rest bleibt aus verschiedenen
religiösen, sozialen und ökonomischen Gründen für immer ledig. Besonders in
Waldguinea, wo der Einfluß des Islam weniger stark ist, finden sich in einigen
animistischen Glaubensformen strenge Zölibatsregeln für Teile der männlichen
Bevölkerung, die den Anteil der Ledigen auf über 10% steigen lassen. Die
Scheidungsrate indes ist sehr gering und liegt im Landesdurchschnitt bei etwa 1%
(RG 1992d, S. 42).
4.4.2.4 Ethnische Gruppen und interethnische Beziehungen
Die Geschichte der Menschen in Guinea ist geprägt vom Multiethnizismus,
dessen Struktur sich im Verlauf der Siedlungsperioden der verschiedenen Völker
immer mehr an dienaturräumliche Differenzierung anglich. Nieder-, Mittel- und
Oberguinea werden jeweils von den drei größten Volksstämmen und ihren
Unterstämmen dominiert (s. Karte 18: Die guineischen Völker und ihr Lebensraum).
So ist der Küstenraum (Niederguinea) das Reich der Soussou. Als seßhafte Bauern
und Fischer hatten sie als erste Kontakt zu Europäern und entwickelten über
Jahrhunderte hinweg wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen zur nördlichen
Welt.
Das gewaltige Bergmassiv des Fouta Djallon (Mittelguinea) wurde zum Refugium
der Peulh. Als introvertiertes, sehr ernst ihren Traditionen folgendes Volk von
inzwischen weitgehend seßhaften Viehzüchtern leben sie in enger Beziehung mit
ihren ethnischen Brüdern aus den benachbarten Ländern Senegal und Mali, grenzen
sich aber ansonsten gegen andere Volksgruppen ab.
Die weiten Ebenen des Nigers und seiner Zuflüsse sind der Lebensraum der
Malinké, einem Mandingue-Volk. Ihr Dasein ist geprägt vom Rhythmus der
Jahreszeiten und der damit verbundenen Wasserzyklen: Die Regenzeit (Juli bis
Oktober) ist die Zeit der Erneuerung, der Beginn des Anbauzyklus und der Arbeit
auf den Feldern. Die Trockenzeit dagegen (Dezember bis Juni) ist die Zeit der
großen Reisen, der Kontakte, des Handels ohne Grenzen.
In Waldguinea dagegen haben sich im wesentlichen 3 Volksgruppen an die dort
unwirtliche Natur angepaßt und leben mit ihr in Einklang. Die den Nordwesten
Waldguineas besiedelnden Kissi konzentrieren sich auf die Städte Kissidougou und
Guéckédou und beherrschen den Grenzbereich zu Sierra Leone und Liberia. Die Toma
und Guerzé sind Bauernvölker, die, zusammen mit einigen kleineren Stämmen, im
Süden des Naturraums leben. Es sind vor allem die waldguineischen Völker, die
einen Großteil der vor dem liberianischen Bürgerkrieg geflüchteten Menschen
aufgenommen haben.
Einige der Völker sind unter mehreren Namen bekannt. So werden beispielsweise die im Fouta Djallon lebenden Peulh als
- Foulani (Englisch),
- Fulbé (Sing. Pullo, Eigenname),
- Foulah, Poular (Umgangssprache) bezeichnet.
Neben einigen markanten physiognomischen Merkmalen im körperlichen
Erscheinungsbild wie die Körpergröße und -gestalt ist es vor allem die Sprache,
die die einzelnen Volksgruppen voneinander unterscheidet. In den meisten Fällen
hat jede Volksgruppe ihre eigene Sprache, dessen Name ihrem eigenen gleicht. In
Waldguinea leben zahlreiche ethnische Gruppen und kleinere Stämme mit
gemeinsamen Traditionen und kulturellen Lebensweisen, doch ihre Sprachen haben
keinerlei Ähnlichkeit miteinander. Andererseits wird der Fouta Djallon neben den
Peulh noch von weiteren, kleineren Stämmen mit sehr unterschiedlichen
kulturellen Riten und Merkmalen besiedelt, doch ihre Sprache ist gleich.
Die Völker im einzelnen:
Niederguinea
Die Soussou: Ihre Sprache ist fast nicht zu
unterscheiden von jener der Dialonké Mittelguineas. Dies läßt die Vermutung zu,
daß die Soussou und die Dialonké einst derselben den Fouta Djallon bevölkernden
Gruppe angehörten, dann aber durch die Peulh-Eroberer an die Küste gedrängt
wurden. Die Soussou sind überwiegend Bauern und Händler, besitzen aber derzeit
eine kleine Vorherrschaft, da der Präsident der Republik und große Teile seiner
Ministerriege dieser Ethnie angehören. Sie beherrschen den Handel zwischen der
Küste und dem Hinterland, insbesondere auf den bedeutenden Handelswegen von der
Hauptstadt bis an die Grenzen des Fouta Djallon. Im Laufe ihrer Siedlungszeit
haben die Soussou zahlreiche kleinere Volksstämme entlang der Küste assimiliert.
Der Angleichungsprozeß erfolgte durch eine allmähliche Veränderung der
bestehenden traditionellen und sozialen Lebensweisen und Ordnungsstrukturen der
Stämme. So mußte sich die ehemals matrilineare Sozialstruktur der Landouma der
patrilinearen Ordnung der Soussou unterwerfen, und das Landbesitzsystem der
nördlich von Kamsar und Boké lebenden Nalou wurde jenem der Soussou angepaßt.
Die Baga: Diese größte der Minderheitengruppen in
Niederguinea lebt verstreut entlang der gesamten Küste zwischen Conakry und der
Mündung des Rio Nunez. Ihre Herkunft ist weitgehend unbekannt, doch Volksweisen
besagen, daß sie einst aus dem westlichen Teil des Fouta Djallon erst durch die
Dialonké, dann durch die Peulh vertrieben worden sind. Die meist als Reisbauern
lebenden Baga sind stark assimilationsgefährdet durch die Soussou-Kultur.
Die Nalou: Die Nalou leben im nördlichen Teil
Niederguineas in den Mündungsgebieten des Rio Nunez und des Kogon sowie auf den
Tristao-Inseln Guinea-Bissaus. Wie die Baga hatten sie ihren Ursprung einst im
Fouta Djallon. Als Handwerker haben sie sich besonders in der Schmiedekunst
einen Namen gemacht. Einige Vertreter dieser Berufsgattung sind im Fouta Djallon
verblieben und werden heute als Ahnen der heutigen Schmiedekaste der
Peulh-Gesellschaft angesehen.
Die Landouma, Tyapi und Mikhiforé: Die Landouma
sind eng verwandt mit den Baga und sprechen einen Dialekt derselben Sprache. Sie
leben allerdings nicht an der Küste, sondern im Landesinneren entlang den
Flüssen Rio Nunez und Fatala. Ihr Zentrum ist die Stadt Boké.
Einige Dorfgemeinden in der Region um Gaoual gehören zum Stamm der Tyapi.
Selbst nennen sie sich Cocoli und gehören zu den am wenigsten erforschten
Gruppen Guineas. Sie sprechen die Sprache der Landouma und betrachten sich als
ihnen zugehörig. Portugiesische Forschungsreisende erwähnten einst, daß diese
Gruppe schon seit dem 15. Jahrhundert in der Region Guinea-Bissau existierte
(NELSON et al. 1975, S. 65). Nach ihrer eigenen Tradition stammen sie ebenfalls
aus dem Fouta.
In der Region zwischen den Landouma und den Baga leben die Mikhiforé. Ihre Sprache ist eine Abart der Mandé- (Maninka) Sprache, wie sie von den Malinké Oberguineas gesprochen wird.
MITTELGUINEA
Die Peulh: Sie gehören zu einer in ganz Westafrika
vom Senegal bis zum Tschad verbreiteten Ethnie. Ihre Sprache, das Poular, wird
von ca. 7 Mio. Menschen gesprochen. Mehr als 80% der guineischen Peulh leben im
Fouta Djallon Mittelguineas. Die wichtigsten Agglomerationszentren sind Pita,
Labé, Dalaba und Mamou. Außerhalb der guineischen Grenzen leben die Peulh vor
allem im Bergland des Fouta Toro (Senegal), in der Region von Macina (Mali) und
im Hochland von Adamaoua (Nigeria, Kamerun). Jede dieser Gruppen spricht einen
eigenständigen, jedoch untereinander verständlichen Dialekt. Eine arabische
Schriftvorlage diente zur Entwicklung einer eigenen, überwiegend religiösen
Literatur,. So wurde der Koran Wort für Wort ins Poular des Fouta Djallon
übersetzt.
Ihr Ursprung ist bis
heute nicht ganz geklärt, jedoch wanderten ihre nomadischen Vorfahren aus dem
Gebiet nördlich des Senegal ein. Die Peulh besiedelten den Fouta Djallon etwa im
Laufe des 16. Jahrhunderts und lebten mit den wenigen Bauern und Jägern der
Soussou und Dialonké zusammen. Als Viehzüchter entwickelten sie bald eine
symbiotische Beziehung zu den beiden Völkern, die zum Vorteil beider Seiten war:
die Peulh lieferten Milch- und Fleischprodukte im Austausch gegen die
landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Bauern. Umgekehrt hüteten die Peulh auch
die Tiere der Bauern. Dafür erhielten sie Zugang zu ihren Feldern und durften
ihre Herden nach der jährlichen Ernte dort weiden lassen. Dies wiederum sorgte
für eine gute Düngung des Bodens. Langsam begannen die Peulh in diesem Gebiet
als Viehzüchter und auch teilweise selbst als Bauern seßhaft zu werden.
Im 18. Jahrhundert entbrannte im benachbarten Fouta Toro des Senegal ein
heiliger islamischer Krieg. Zahlreiche Menschen flüchteten in den Fouta Djallon,
der eine ungeahnte Einwanderungswelle erfuhr. Unter dem steigenden
Bevölkerungsdruck kam es zu Konfrontationen mit den anderen Völkern. Nach einer
langen Zeit von Bündnissen, Querelen und Auseinandersetzungen brachten die Peulh
den Fouta Djallon schließlich völlig unter ihre Kontrolle. Viele der ehemaligen
Bewohner, die den Fouta nicht rechtzeitig verließen, wurden versklavt. In diese
Zeit fällt auch die allgemeine Konvertierung des Fouta zum Islam.
Obwohl die meisten Peulh sich als Moslems bezeichnen, unterscheiden sich viele in der Ausübung ihrer religiösen Praktiken recht wenig von ihren nicht-moslemischen Nachbarn. Nach einer islamischen Legende stammen die Peulh von vier Söhnen des Omar ibn Assi ab. Er war der erste, der den Islam in die Macina-Region brachte, dem heutigen Mali. Jeder Sohn wird als der Begründer einer der 4 großen Stämme der Peulh betrachtet: die Dialloubé, die Ourebé, die Ndayébé und die Férobé. Historisch prominente Familiennamen wie Diallo, Bah, Baldé, Barry, Ndiaye und Sow sind noch geläufig, jedoch ohne Bedeutung (NELSON et al. 1975, S. 67).
Im Laufe der Siedlungsperiode im 16./17. Jahrhundert und der Etablierung des
Islams als Volksglaube entwickelte sich eine soziale Hierarchie im Volke der
Peulh mit einem erblichen Adel an der Spitze und einem ebenso erblichen
Sklaventum am Ende. Noch heute, nach mehr als 2 Jahrhunderten, sind Spuren der
traditionellen, über Generationen überlieferten Abhängigkeitsstrukturen zu
finden. Das Bewußtsein einer Feudalvergangenheit mit ihren Klassen und Kasten
ist manchmal bis jetzt noch ein Hindernis für die tatsächliche politische und
soziale Integration der Peulh, Dialonké, Malinké und anderen Bewohnern des Fouta
Djallon (NELSON et al. 1975, S. 67).
Die Dialonké: Die Dialonké (auch Djallonké,
Dyalonki, Jallonké) besiedelten einst den südlichen und zentralen Teil des Fouta
Djallon, dem sie ihren Namen gaben. Während des heiligen islamischen Krieges,
der um 1727 begann, wurden die meisten von ihnen von den Peulh versklavt. Die,
die den Islam akzeptierten, blieben frei und erhielten ihr Land und ihren
Besitz. Viele von ihnen wichen nach dem Kriege in den Süden aus, um sich am Fuße
des Fouta-Massivs niederzulassen. Andere flohen in den Osten, um mit den Malinké
in Oberguinea zu leben. Ihre Hauptaktivität ist der Gemüseanbau, doch auch
Viehzucht und Handel werden betrieben. Bekannt ist ihre Eisenschmiedekunst,
Töpferei und Gesangskunst.
Die Diakhanké: Die Diakhanké leben in einer Enklave
nahe der Stadt Gaoual. Ihre Vorfahren kamen im späten 17. Jahrhundert aus Mali
und gehörten wahrscheinlich zu den Soninké, jenem Volk, das den Hauptteil der
Bevölkerung des Königreiches von Ghana stellte. Als hoch gelehrte und tief
religiöse Menschen wurden sie von den Peulh respektiert, ihre Gelehrtendienste
waren hoch geschätzt.
Ihre religiöse Sklavenhaltergesellschaft zerbrach jedoch, als die
französische Kolonialregierung 1905 mit einem allgemeinen Sklavenverbot die
Sklaven, die auf ihren Feldern arbeiteten, befreite. Fortan waren die Diakhanké
gezwungen, selbst ihre Felder zu bestellen und konnten dem Studium und der Lehre
des Korans, ihrer bis dahin wichtigsten Einnahmequelle, weniger Zeit widmen.
Die Tenda: Das Volk der Tenda umfaßt die
Unterstämme der Coniagui, Bassari, Badyaranké, Boeni und Mayo. Kulturelle
Merkmale, die sowohl bei den Peulh als auch bei den Malinké Oberguineas
wiederzufinden sind, deuten darauf hin, daß sie zu den Ursprungsbewohnern des
Fouta Djallon gehören. Sie waren ursprünglich über weite Teile Mittelguineas
verstreut, jedoch im Laufe der Zeit von den Peulh und anderen Völkern und
Stämmen immer weiter in die nordwestlichen Ebenen des Fouta Djallon
zurückgedrängt, wo sie heute leben.
OBERGUINEA
Die Malinké: Das Volk der Malinké ist das dritte der großen Manding- (Mandingue) Völker(88), dessen Vorfahren einst im großen Königreich von Mali vereint waren, das sich im Lande Mandé oder Mandin am oberen Niger zwischen Bamako und Siguiri befand.
Der überwiegende Teil der Malinké lebt in Oberguinea. Er konzentriert sich
auf die drei Hauptregionen Kankan, Siguiri und Kouroussa. Alte, aus der Zeit des
Malireiches stammende Klan-Namen wie Keita, Camara, Traoré und Kourouma sind
immer noch vorherrschend. Die Malinké blicken auf eine lange Tradition als
Händler zurück. Ihrer Anpassungsfähigkeit und starken sozialen Struktur
verdanken sie ihre hegemoniale Stellung in der Nigerebene. Schwächere ethnische
Gruppen, die in ihrem Umfeld leben, laufen Gefahr, assimiliert zu werden.
Gefährdet ist vor allem das nördliche Waldguinea, wo die Sprache der Malinké
schon in vielen Teilen die Verkehrssprache geworden ist.
Die Ouassoulounké: Dieses Volk lebt östlich von
Kankan an beiden Seiten der Grenze zu Mali. Obwohl sie kulturell und
linguistisch mit den Malinké zu vergleichen sind, sehen sie sich als separate
Gruppe an. Die Ouassoulonké (auch Wasulunka) stammen von den Peulh ab, die von
Samory Touré, dem letzten großen Herrscher der Malinké, Ende des letzten
Jahrhunderts erobert wurden. Nach dem Niedergang Tourés bauten die Ouassoulonké
zur Jahrhundertwende ein kleines Fürstentum auf und bewahrten sich bis jetzt
ihre Eigenständigkeit. Doch noch heute sind immer noch peulhstämmige Namen wie
Diallo, Sidibé und Sangaré geläufig.
WALDGUINEA
Die Kissi: Im 17. Jahrhundert wurden die Kissi von
den Dialonké aus dem südöstlichen Teil des Fouta Djallon vertrieben.
Ursprünglich waren sie Foniobauern, die mit weiträumigen Entwaldungstechniken
Anbaufläche schafften. Im 18. Jahrhundert übernahmen sie von den Malinké die
Reisanbautechniken. Als in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts asiatische
Reisvarietäten aus Sierra Leone eingeführt wurden, gingen die Kissi vollständig
zum Reisanbau über. Sie pflanzten ihn in den sumpfigen Tälern oder entwaldeten
Hängen der Berge und Hügel an und wurden bald als Reisexperten im ganzen Land
berühmt. Die Malinké nannten sie die "Menschen der Reisfelder" (NELSON et al.
1975, S. 70).
Die jüngere Generation der Kissi zeigt einen hohen Grad an Mobilität. Auf der
Suche nach Ausbildung und Beschäftigung zieht sie in die Stadt, auf Plantagen
und in Unternehmen. Doch die jungen Menschen bleiben stets sehr eng mit ihrem
Heimatdorf verbunden und kehren immer wieder zurück. Kulturell und linguistisch
sind sie mit den Mmani Niederguineas verwandt, sind jedoch zunehmend dem starken
Einfluß der Malinké ausgesetzt.
Die Toma: Die Toma, die sich selbst häufig Loma
nennen, waren wahrscheinlich zusammen mit den Kono und Manon die ersten Bewohner
Waldguineas. Sie leben heute hauptsächlich im Bezirk Macenta und in Liberia, wo
sie als Basi oder Buzi bekannt sind.
Die Guerzé: Die Guerzé (auch Nguerzé, Ngere) leben
im südlichen Waldguinea in der Präfektur N'zérékoré und jenseits der Grenze in
Liberia, wo man sie unter dem Namen Kpelle (Pele) kennt. Ihre Hauptaktivitäten
liegen im Anbau von Kaffee, Kakao, Reis, Kautschuk und Wurzelgemüsen sowie im
Sammeln und Jagen.
Interethnische Beziehungen
Die Jahre vor der Unabhängigkeit waren durch Kämpfe und Rivalitäten zwischen politischen Gruppen gekennzeichnet, die hauptsächlich auf ethnische und regionale Zusammenhalte basierten. Während der Kolonialzeit stärkte die französische Verwaltung ihre Position, indem sie die ethnischen Spannungen ausnutzte und beispielsweise die Opposition
zwischen den Peulh-Herrschern und den Dialonké-Sklaven schürte oder die
Konkurrenz zwischen den Nalou und den Landouma förderte. Auch die bewußte
Bevorteilung einiger Stämme veränderte das Gleichgewicht der Völker und
verstärkte ethnische Separationsprozesse.
Im Jahre 1947 schließlich begann mit der Gründung des guineischen Arms der
ADR/RDA (siehe Kap. 3.1.2), der nationale Einheitsprozeß, bis Sékou Touré das
Mosaik der guineischen Völker 1958 mit der Erklärung der Unabhängigkeit vollends
unter sich vereinen konnte. Seitdem versuchte die Regierung dann, alle
politischen und sozialen Implikationen, die von ethnischen Konflikten
herrührten, zu unterbinden. Die Aussage Sékou Tourés, es gäbe nur noch Guineer,
die sich nur in ihrem revolutionären Eifer unterscheiden könnten, faßte langsam
Fuß. Dennoch existieren bis heute ethnische Spannungen, dessen starke Wurzeln im
Boden der Geschichte von Eroberung, Bedrohung, Unterwerfung und Ausbeutung
zwischen den Völkern nicht gekappt werden konnten. Nicht alle Coniagui, Bassari
und Badyaranké haben beispielsweise vergessen, daß ihre Vorfahren während des
19. Jahrhunderts durch die Peulh von ihrem Land vertrieben wurden und Tribut an
sie entrichten mußten.
Andererseits führten bestimmte ökonomische Entwicklungen zu einer teilweisen
Verminderung der ethnischen Barrieren. Die Eröffnung der Minen und ihr Ausbau
sowie die Bananenplantagen in Niederguinea (Mitte 1930) zogen viele Menschen
unterschiedlicher Herkunft an, die fortan auf engstem Raum zusammenlebten. Nach
dem 2. Weltkrieg stiegen die Peulh vom Fouta Djallon in die Nigerebene hinab, um
unter den Malinké als Viehzüchter, Schlachter und Schneider ihren
Lebensunterhalt zu verdienen. Ebenso strömten sie nach Niederguinea, um als
Kurzwarenverkäufer, fliegende Händler und Hausangestellte zu arbeiten.
Im Laufe der Zeit überwanden oft die Interessen einer entstandenen
Bourgeoisie aus Lehrern, Ärzten, Verwaltungsangestellten und Unternehmern die
ethnischen Bindungen. Der Grundsatz der PDG über die Gleichheit aller Rassen
sprach zuerst die Intellektuellen dieser Gruppe an. Diese Politik war besonders
in Niederguinea erfolgreich, da hier die marktwirtschaftlichen Gesetze Fuß
gefaßt hatten und traditionelle Gesellschaften weniger dominant waren als in
Mittel- und Oberguinea. Die Malinké-Bauern Oberguineas traten der PDG 1954 bei.
In den Folgejahren kamen die Kissi, Toma, Guerzé, Manon und Kono Waldguineas
dazu, als die PDG nämlich begann, jene ihrer Stammesführer zu diskreditieren,
die während der Kolonialzeit mit der französischen Verwaltung zu ihren eigenen
Gunsten und zuungunsten des Volkes kollaboriert hatten. Die Peulh kamen erst
1957 dazu.
Nach der Unabhängigkeit war die Integration aller ethnischer Gruppen
erklärtes Ziel der Regierung. Allen wurden gleiche Chancen im politischen,
ökonomischen und sozialen Leben versprochen. Auf dem Papier entstand eine
nationale Einheitspolitik, die keine Rücksicht auf ethnische Abhängigkeiten und
Tendenzen mehr nehmen wollte.
Die Realität sah jedoch anders aus. Mehr als 80% der Guineer lebten auf dem Lande. Ihre Isolation behinderte jegliche Versuche zur Vertiefung der ethnischen Verbrüderung. Die Zeit der ökonomischen Stagnation trieb darüber hinaus die Mehrheit der Bauern von der exportorientierten Produktion zurück zur Subsistenzwirtschaft, ihre sozialen Bindungen wieder auf ihre lokale Gemeinschaft beschränkend. Für den armen Bauern war seine Fami-
lie und sein Stamm die Hauptgarantie gegen den ökonomischen Zusammenbruch.
Dieser Zustand dauert bis heute an.
Die urbane Bevölkerung sucht ebenfalls Schutz in Kreisen gleicher ethnischer
Zugehörigkeit. In den großen Städten wie Conakry und Kindia haben sich ganze
Stadtviertel gebildet, in denen Menschen einer bestimmten Volksgruppe leben. So
wird in Conakry das Viertel Dixinn-Ecole von den Peulh beherrscht; im direkt
angrenzenden Viertel Dixinn-Port dominieren die Soussou. Auch charakteristische
Selbsteinschätzungen führen zu deutlichen Abgrenzungsmerkmalen, die nicht selten
zur Konfliktentwicklung beitragen:
Ethnie | Einschätzung |
Peulh | aristokratischer als andere |
Soussou | besser erzogen als andere |
Malinké | besitzen einen besseren Geschäftssinn als andere und sind deshalb wohlhabender |
Stämme der Waldregion | arbeiten härter als andere |
Ein anderer Faktor, der gegen einen überethnischen nationalen
Einheitsgedanken arbeitet, ergibt sich aus den ethnischen Zugehörigkeiten und
kulturellen Verbindungen der guineischen Völker zu anderen Völkern über die
Landesgrenzen hinaus:
Ethnie | Überregionale Verbindung |
Coniagui und Bassari | Senegal/Guinea-Bissau |
Kouranko und Kissi | Sierra Leone |
Guerzé und Toma | Liberia |
Peulh | Mali/Senegal |
Malinké | Mali/Senegal/Côte d'Ivoire |
Obgleich einerseits das kulturelle Bewußtsein der Völker nicht verlorengehen
darf, bleibt ein Übermaß an ethnischer Loyalität bis hin zu einem radikalen
Ethnizismus ein latentes und ernstzunehmendes Risiko für die nationale Einheit
Guineas.
4.4.3 Interregionale und intraregionale Migration
Obwohl die migrationsbezogene Datenlage in Guinea problematisch ist, lassen
sich grundsätzliche inter- und intraregionale Migrationstendenzen bestimmen und
teilweise quantifizieren. Als interregionale Migrationen werden
Wanderungsbewegungen bezeichnet, die in den meisten Fällen mindestens zwischen
den Präfekturen geschehen. Die intraregionale Migration umfaßt die intraruralen
(Wanderungen im ländlichen Siedlungsraum, hier auch über die Präfekturgrenzen
hinaus), die rural-urbanen (Landflucht) und die interurbanen
Bevölkerungsbewegungen (Wanderungen zwischen Städten gleicher oder ungleicher
Zentralitätsstufe).
INTERREGIONALE MIGRATION
Etwa 15% der Bevölkerung Guineas leben ständig außerhalb der Präfektur, in der sie geboren sind. Die größten Wanderungsbewegungen hat Niederguinea zu verzeichnen. 28%
der Bevölkerung dieses Naturraumes sind nicht in seinen
Präfekturen geboren, und mit mehr als 18% ist die durchschnittliche
Abwanderungsrate höher als in den anderen Naturräumen. Dennoch ist Niederguinea
mit einer positiven Wanderungsbilanz von nahezu 10% der bedeutendste
Zuwanderungsraum des Landes. Die wichtigsten Agglomerationszentren sind die
Hauptstadt Conakry, das Handelszentrum Kindia und der bergbauindustrielle
Standort Fria (s. Karte 19: Migration).
Mittel- und Oberguinea weisen dagegen eine negative Wanderungsbilanz auf. Der
in fast allen Präfekturen zu beobachtende allgemeine Abwanderungstrend fällt
besonders deutlich in den an den Hauptverkehrsadern des Landes gelegenen
Präfekturen auf (Dalaba, Labé, Mamou, Dabola, Kankan, Kouroussa)(Tabelle 6).
Präfekturen mit Wirtschaftsfunktionen und -strukturen von landesweiter Bedeutung
wie Koundara (Viehwirtschaft), Kérouané und Mandiana (Gold und Diamanten) haben
Wanderungsgewinne zu verzeichnen.
In Waldguinea fällt der Wande-rungssaldo minimal aus. Zu- und Abwanderungen
halten sich mit je 12% die Waage. Die interpräfektoralen Migrationsbewegungen
(s. Karte 19, weiße Pfeile) weisen in den meisten Fällen eine kurze
Wanderungsdistanz auf. Lediglich die nördlichste Präfektur Waldguineas,
Kérouané, besitzt aufgrund seiner Gold- und Diamantvorkommen eine über die
durchschnittliche Wanderungsentfernung hinausgehende Anziehungskraft.
Mittelguinea hat kaum interpräfektorale Wanderungen zu verzeichnen. Aufgrund der starken Verarmung der Böden und dem damit verbundenen Rückgang agrarwirtschaftlicher Aktivitäten äußern sie sich zumeist als Fortzüge.
INTRAREGIONALE MIGRATION
Die Landflucht in Guinea hat seit langen bedeutende Ausmaße angenommen. Etwa
70% aller Wanderungsbewegungen führen aus den ländlichen Gebieten in die urbanen
Zentren (RG 1992d, S. 131ff). Conakry stellt dabei das Immigrationszentrum für
67,5% der gesamten rural-urbanen Wanderungsbewegungen dar. Schon 1983 betrug der
Anteil der Landeshauptstadt von aus anderen Präfekturen stammenden Zuwanderern
49% (EBENDA). Diese kommen zum überwiegenden Teil aus den ländlichen Regionen
der niederguineischen Nachbarpräfekturen, doch auch die mittelguineischen
Abwanderungsgebiete um die Städte Labé und Pita sowie die handels- und
verkehrstechnisch affinen Präfekturen Kissidougou und Kankan zollen dem Magnet
Conakry mit erheblichen Fortzügen Tribut.
Saisonal bedingte Arbeitermigrationen, hauptsächlich in Mittel- und
Oberguinea vorkommend, werden durch verschiedene religiöse, traditionelle und
sozioökonomische Einflußfaktoren gesteuert. Die Abwanderungen aus den ländlichen
Regionen des agrarwirtschaftlich degradierten und mit unzureichenden
Beschäftigungsmöglichkeiten ausgestatteten Fouta Djallon in die größeren Städte
sind in erster Linie auf sozioökonomische Gründe zurückzuführen. Nicht selten
jedoch finden regelmäßige Remigrationen statt, die ihre Ursache im
Traditionsbewußtsein oder dem religiösen und familien- oder stammes-spezifischen
Zugehörigkeitsgefühl zur Ursprungsregion haben.
Der überwiegende Teil der Schürfer auf den Gold- und Diamantfeldern Siguiris
und Kérouanés (Oberguinea) sind saisonal arbeitende Bauern. In den Brachzeiten
des landwirtschaftlichen Anbaukalenders wandern sie für einen oder mehrere
Monate von ihren Dörfern in die Bergbauzonen ab, um mit der Gold- und
Diamantschürferei ihren Lebensunterhalt für den größten Teil des Jahres zu
erwirtschaften.
Eine interurbane Migration findet oftmals zwischen den sich auf den
nationalen Haupthandelsachsen befindlichen Marktstädten mit gleicher
Zentralitätsstufe wie Labé, Mamou, Kindia, Kankan und N'Zérékoré und den
Verkehrsknotenpunkten und Absatzmärkten untergeordneter Zentralitätsstufe wie
Pita, Dalaba, Dabola, Kissidougou und Macenta statt.
4.4.4 Eine Bevölkerungsprognose
Nach den Schätzungen der Vereinten Nationen und der Weltbank wird die
Wachstumsrate der guineische Bevölkerung bis zur Jahrtausendwende ihren höchsten
Wert von 2,9 - 3,0% erreicht haben, um daraufhin bis zum Jahre 2025 auf ein
Durchschnittsniveau von etwa 2,4 - 2,5% abzusinken.
Guineas Bevölkerung wächst schnell, ohne daß das Land weder im wirtschaftlichen Bereich (Schaffung von Arbeitsplätzen und Rahmenbedingungen für Investitionen in Produktion, Handel und Dienstleistung), noch auf dem sozialen Sektor (Gesundheits- und Bildungswesen) und im infrastrukturellen Aufbau (Verkehr, Transport, Wohnungsbau, Energieversorgung, Wasserver- und entsorgung, Kommunikation) den Ansprüchen des Wachstums entsprechen kann. Auf dem Gesundheitssektor und im Bildungsbereich kann in weiten Teilen des Landes noch nicht einmal eine angemessene Basisversorgung gewährleistet werden.
Anstrengungen, das Bevölkerungswachstum zu verringern, beschränken
sich derzeit auf Aufklärungskampagnen und Versuche, den Menschen die
Familienplanung nahezubringen. Noch immer werden die verschiedenartigen
Aktionsfelder und Ziele von Regierung und Entwicklungshilfeorganisationen im
Rahmen der angewandten wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen
Entwicklungsstrategien nicht ausreichend und konsequent genug auf die
Problematik des Bevölkerungswachstums abgestimmt. Nur ein kohärentes und
interaktives Vorgehen kann verhindern, daß Fortschritte in der Armutsbekämpfung,
der Familienplanung und im Bildungswesen durch Arbeitsmarktstagnation,
Ressourcenschädigung und -vernichtung sowie ökonomische Destabilisierung
gefährdet oder neutralisiert werden.
Das Ergebnis der jüngsten Volkszählung von 1996 (RG 1997a), die eine
Wachstumsrate von 2,9% seit der Erhebung von 1983 (RG 1992d) indiziert, läßt
hingegen hoffen, daß der Höhepunkt des Wachstums erreicht ist. Dies wird auch
dadurch bekräftigt, daß im selben Zeitraum die Geburtenziffer leicht sank,
während gleichzeitig eine ebenfalls rückläufige Sterbeziffer, eine Verminderung
der Säuglingssterblichkeit und eine Erhöhung der Lebenserwartung die
Wachstumsrate dennoch nicht über die 3%-Grenze trieben. Dennoch wird die
Wachstumsrate noch mindestens ein Jahrzehnt empfindlich hoch sein, was wiederum
eine beständige Mindestwachstumsrate der guineischen Volkswirtschaft
voraussetzt, um überhaupt eine Basis für eine stabile Weiterentwicklung des
Landes zu besitzen.
4.5 Die Verwaltungsstruktur - Resultate und Effekte von Reform und
Dezentralisierung
Lange Zeit war die Verwaltungsstruktur des Landes kongruent zu seiner naturräumlichen Gliederung. Die vier Verwaltungsräume Nieder-, Mittel-, Ober- und Waldguinea wurden bis Ende 1991 durch je einen delegierten Minister repräsentiert, zumeist ein hoher Militär aus dem damaligen CMRN. Ab 1992 wurden aus diesen Verwaltungsräumen Gouvernorate, denen dann jeweils ein Gouverneur vorstand, der nunmehr keinen Kabinettsrang mehr
hatte. Mitte 1994 kam es dann zu einer Neuordnung der Verwaltungsstruktur,
die sich nunmehr in 7 Gouvernorate mit 33 Präfekturen unterteilt. Die Hauptstadt
Conakry, das achte Gouvernorat, besitzt mit einer Unterteilung in 5
Stadtgemeinden einen Sonderstatus.
Die Neuaufteilung verringerte die Verwaltungsfläche erheblich und
vereinfachte somit die territoriale Verwaltung. Auf der anderen Seite bewirkte
sie eine deutliche Entpolitisierung der auf der Ethnienverteilung beruhenden
politischen Parteienlandschaft. So wurde beispielsweise das verwaltungstechnisch
ehemals einheitliche Mittelguinea (Fouta Djallon) in die Gouvernorate Labé und
Mamou unterteilt. Niederguinea und Waldguinea erfuhren ebenfalls eine ähnliche
Unterteilung. Lediglich der bevölkerungsärmste Naturraum Oberguinea behielt
nahezu seine vormaligen Verwaltungsgrenzen bei.
Erste Pläne zu dieser Neuordnung existierten schon seit 1986, als ein
Ministerium für die Verwaltungsreform und den öffentlichen Dienst ins Leben
gerufen wurde, um die damaligen Reformen im Zuge der ersten Phase der
strukturellen Anpassung institutionell zu leiten. Nach ihrer Umsetzung kam es
daraufhin im Zuge der Regierungsumbildung von 1996 zur Schaffung eines
Ministeriums für territoriale Verwaltung und Dezentralisierung. In einer
erneuten Regierungsumbildung am Ende des Jahres 1997 wurde die Dezentralisierung
dann schließlich an das Innenministerium angegliedert, die territoriale
Verwaltung ging in der Dezentralisierung auf.
Die II. Republik begann ab 1988 mit dem Dezentralisierungsprozeß. In einer
zweistufigen Entwicklung wurden bis 1991 303 "Gebietskörperschaften für
ländliche Entwicklung" (Communautés rurales de développement CRD) auf der Ebene
der Unterpräfekturen geschaffen. Die Verwaltungssitze der 33 Präfekturen
erhielten den Status städtischer Gemeinden (Communautés urbaines), während
Conakry mit 5 städtischen Kommunen einen Sonderstatus erhielt. Im selben Jahr
fanden erstmals Kommunalwahlen statt. Die Wahl der Gemeinderäte erfolgte anhand
von Direktwahllisten, während über die Zusammensetzung der Räte der CRD die
Vorsteher der ländlichen Distrikte entschieden, die ihrerseits von der
Bevölkerung bestimmt wurden. 1995 wurden erneut Kommunalwahlen durchgeführt, die
diesmal jedoch eine stärkere Politisierung zeigten.
Die Dezentralisierung gilt auf formaler Ebene als abgeschlossen. Die
Verwaltungsstrukturen wie auch die notwendigen Rechtsgrundlagen sind vorhanden.
Die dezentralen staatlichen Strukturen entsprechen den ländlichen und
städtischen Bürgerstrukturen, ein Dialog findet über die präfektoralen
Entwicklungskommittees statt (Comité préféctoral de développement), das sich aus
Mitgliedern beider Seiten zusammensetzt. Basierend auf diesen Strukturen fördern
zahlreiche bi- und multilaterale Geber sowie einige internationale NRO den
Dezentralisierungsprozeß.
In der Realität dagegen funktionieren nur sehr wenige Gebietskörperschaften zufriedenstellend, da sich die gewählten Vertreter ihrer Aufgaben, die sie erfüllen sollen, oft nicht bewußt genug sind, zuwenig Erfahrung besitzen und lokalpolitischen und traditionellen Einflüssen ausgesetzt sind, die die Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse erschweren. Die wichtigsten Probleme der Dezentralisierung sind:
Fortgeschrittenes Alter und hoher Analphabetenanteil bei den gewählten Vertretern;
Fehlendes Verständnis bzw. politische Entscheidungsmotivation/Opportunismus für Dezentralisierungsbelange auf Ebene der Präfekten und Unterpräfekten;
Mangelndes Sendungs- und Verantwortungsbewußtsein und partizipatorisches Verständnis der gewählten Vertreter für die öffentlichen Angelegenheiten;
Geringe bzw. fehlende finanzielle Autonomie der Gebietskörperschaften, da anteilige Steuereinnahmen nicht wieder zurückfließen, weil sie in der Zentralverwaltung oder auf der Präfekturebene hängenbleiben. Damit bestehen kaum Möglichkeiten, für eine abgemessene Ausstattung, Betrieb, Transport, Kommunikation, geschweige denn Investitionen aufzukommen;
Fehlende Kompetenz und Transparenz in der dezentralen Steuermobilisierung;
Unzureichende Qualifikationen in allen dezentralen Verwaltungsstrukturen in den Bereichen Kommunikation, Organisations- und Verwaltungsabläufe sowie in der städtischen und ländlichen Entwicklungsplanung;
Historisch begründete, gesellschaftlich verwurzelte und traditionell
verankerte Denkweisen, die eine zügige und effiziente Umsetzung der
Dezentralisierung behindern.
Im Rahmen des sich nach den ersten konstitutionellen Parlaments- und
Präsidentschaftswahlen 1993 allmählich entwickelnden Demokratisierungsprozesses
nimmt das Dezentralisierungsbewußtsein bei Staat und Bürger parallel dazu
prozeßfördernd zu. Auf lokaler Ebene überfrachten jedoch vielfach traditionelle
und ethnienspezifische Einflüsse den Schritt zur Entwicklung einer
Gemeinwohlethik und zum eigenverantwortlichen Entscheidungsbewußtsein des
einzelnen Bürgers. Formal zwar gut durchstrukturiert, erzielt die
Dezentralisierung daher vor allem in der ländlichen Bevölkerung (70% der
Gesamtbevölkerung) noch nicht die Herausbildung der notwendigen
Eigenverantwortung, zum Ingangsetzen dezentraler sozioökonomischer
Entwicklungsprozesse mit dem Effekt der Armutsminderung beizutragen.
Im Fahrwasser der Demokratisierungsbewegungen wird der
Dezentralisierungsprozeß ebenfalls mehr und mehr durchgreifen und zu einem
verstärkten eigenverantwortlichen Entwicklungsbewußtsein auf der Ebene der
ländlichen Gebietskörperschaften und städtischen Gemeinden führen. Verschiedene
Geber werden in den nächsten Jahren diese Entwicklung nicht nur in gesonderten
Programmen unterstützen, sondern auch im Rahmen der zahlreichen ländlichen
Entwicklungsprogramme verstärkt darauf eingehen. Die teilweise noch auftretende
Inkohärenz im aktuellen Gesetzesrahmen wird in naher Zukunft ebenfalls abgebaut
werden.
Größtes Problem bleibt der Mangel an Information, Aufklärung und Schulung der gewählten Vertreter der etwa 1400 Distrikte der 303 ländlichen Gebietskörperschaften sowie deren Grundversorgung mit Richtlinien, Kommunikations- und Organisationsabläufen, aber auch materiellen Basisgütern wie Arbeitsräume, Transport- und Kommunikationsmittel etc. Geberaktivitäten können nur einen geringen Teil des Gesamtbedarfs auffangen. Die eigenverantwortliche Mobilisierung von steuerlichen und gesellschaftlichen Ressourcen zur Verwendung auf die Planung und Durchführung von Kommunalinvestitionen sowie deren Kontrolle wird daher in Zukunft von großer Bedeutung sein.
5 Wirtschaftsgeographische strukturen und entwicklungen - formierung
des staats- und wirtschaftsraumes
5.1 Die Abgrenzung und Konsolidierung des guineischen
Wirtschaftsraumes in vorkoloniale Zeit
Erste wirtschaftliche Bedeutung erlangte der guineische Raum mit der
Konsolidierung und Expansion des Ghana-Imperiums, das von den Berbern im 3.
Jahrhundert n.Chr. errichtet worden war (VOSS 1968, S. 32). Seine
wirtschaftliche Macht beruhte zum einen auf der Kontrolle des Transsaharahandels
mit Gold und Sklaven, für die es im Austausch Salz, Gewürze und andere Waren
erhielt, zum anderen auf den Goldminen von Bambouk (Region zwischen den Flüssen
Falémé und Senegal im heutigen Mali) und Bouré (Goldfeld am Fluß Bakoy, nördlich
von Siguiri). Am Ende des 8. Jahrhunderts n.Chr. übernahmen die Soninké(89)
die Herrschaft und schufen ein außerordentlich gut organisiertes und militärisch
gefürchtetes Reich.
Im Jahre 1076 unterwarfen die vom Reichtum des Goldes angelockten
Almoraviden, eine militante Berbersekte, das Reich der Soninké, doch ihre
Herrschaft währte nur kurz. Schon im Jahre 1087 wurde das Reich von den
wiedererstarkten Soninké zurückerobert. Die politische Instabilität während der
Zeit der Machtwechsel hatte jedoch zur Abspaltung einzelner Vasallenstaaten
geführt. Unter ihnen befand sich auch der südlich des Reiches gelegene
Soussou-Staat Kaniaga, dessen Herrscher Soumanguru Kanté (1200-1235) im Jahre
1203 das Reich unter Einnahme der Hauptstadt Ghana(90)
unterwerfen konnte.
Ein kleiner Malinké-Teilstaat wuchs indes am oberen Niger, der
wirtschaftsstrategisch wichtigen Kontrollposition für den Transsaharahandel,
stetig heran und schickte sich an, im Jahre 1235 unter seinem Führer Soundjata
Keita (1230-1255) das Ghana-Reich zu erobern und das Mandé-Königreich von Mali
zu gründen. Dieses Reich, das sowohl in seiner Ausdehnung, als auch in seiner
staatlichen Struktur eines der bemerkenswertesten der Völker Schwarzafrikas
gewesen war(91),
erreichte den Höhepunkt seiner Macht unter dem Herrscher Mansa Moussa, der von
1312 bis 1335 regierte.
In dieser Zeit reichten die westlichen Grenzen des Reiches bis an den
Atlantik und bedeckten einen Großteil des Gebietes der heutigen Republik Guinea
(s. Karte 20: Frühe westafrikanische Königreiche). Der Transsaharahandel wurde
von der bisherigen Nord-Süd-Route auf die Timbouktou-Kairo-Verbindung umgelenkt,
um sich den ägyptischen Handel zu erschließen. Zu den Goldvorkommen von Bambouk
und Bouré kamen noch die Goldminen von Galam (am unteren Falémé) und die
Kupferminen der Stadt Takkeda im Aïr hinzu, die zusammen die Grundlage des
malischen Reichtums bildeten.
Im Zuge fortschreitender Abspaltungstendenzen der Vasallenstaaten lehnten sich die Songhai, ein am mittleren Niger lebender Staat, immer wieder gegen ihre Herren auf, bis
sie schließlich um 1450 die Stadt Niani, die mutmaßliche Hauptstadt des
damaligen Mali-Reiches (LEWIN 1984, S. 30), plünderten und zerstörten. Um 1520
war das Reich der Songhai bis zur Errichtung Französisch-Westafrikas das größte
vereinigte Staatengebilde westlich des Sudans.
Im 16. Jahrhundert begann der Zerfall des durch ständige Grenz- und
Expansionskriege sowie Erbfolgefehden geschwächten Reiches. Der Kontakt mit den
ersten europäischen Händlern verlegte den Gold- und Sklavenhandel schnell an die
Atlantikküste (s. Karte 21: Handels- und Produktionsstrukturen in vorkolonialer
Zeit). Das davon berührte Marokko griff daraufhin das Reich an, und im Jahre
1591 fiel das Reich Songhai den maurischen Truppen Marokkos in die Hände. Doch
selbst die maurische Kontrolle konnte den Prozeß der politischen Desintegration
nicht aufhalten.
Von diesem Zeitpunkt an konnte sich keine überregionale staatsbildende
politische und wirtschaftliche Macht mehr bilden. Ein Bündel von Volksgruppen
ließen sich schließlich im guineischen Raum nieder und lebten in mehr oder
weniger friedlichen Koexistenz(92).
Die wichtigsten dieser Volksgruppen, die Malinké, die Peulh und die Soussou,
bildeten in ihren scharf voneinander abgegrenzten Lebensräumen bald
Gesellschaften mit staatsähnlicher Struktur. Während sich die Malinké am oberen
Nigerbecken niederließen und somit die Goldminen nördlich von Siguiri und den
nach Nordosten ausgerichteten Transsaharahandel beherrschten, kontrollierten die
Soussou die Küstenregion. Indes erreichten große Migrationsströme der Peulh im
17. Jahrhundert den Fouta Djallon, der mit seinem fruchtbaren Gras- und
Weideland dem bis dahin nomadisierenden Volk ideale Siedlungsvoraussetzungen
bot. Sie flohen vermutlich vor Krieg und Anarchie aus dem Reich Massima südlich
von Timbouktou (VOSS 1968, S. 37), und lebten zunächst mit den Dialonké, der
Stammbevölkerung des Fouta, friedlich zusammen.
Mitgereiste islamische Gelehrte konvertierten die Peulh bis 1725 zu strengen
Gläubigen, und schon bald wurde der "Djihad", der heilige Krieg zur Bekehrung
und Niederwerfung von Ungläubigen ausgerufen. Unter dem militärischen Führer
Ibrahima Sori erlangten die Peulh schließlich 1770 die vollständige Herrschaft
über den Fouta Djallon und die umgebenden Gebiete. Er selbst nahm den Titel des
"Almamy" (= al Imam) an(93).
Timbo wurde die Hauptstadt des Peulh-Staates.
Die theokratische Staatsform dieses Reiches(94) basierte auf islamischen Regeln und ethischen Prinzipien, die gewährleisteten, daß sein Recht und seine Ordnung auf relativ effektive Art und Weise zur Anwendung kamen. Die Gesellschaft zeichnete sich durch ein hohes Maß an Arbeitsteilung, soziale Differenzierung und funktionierende staatliche Organisationsformen aus (VEIT 1978, S. 76). Ihre ökonomische Basis lag in der traditionell
vorherrschenden Viehwirtschaft, dem Ackerbau und dem Handwerk(95).
Die Überwachung des Fernhandels sowie ein Besteuerungssystem waren wichtige
Kontrollfunktionen, während die in fast regelmäßigen Abständen organisierten
Kriegszüge hauptsächlich zur Erbeutung von Sklaven, weniger zu Expansionszwecken
durchgeführt wurden (HILLEBRAND/WEIMER 1988, S. 27). Eine besondere Bedeutung
kam der Provinz Labé zu, dessen gleichnamige Hauptstadt sich zu dem wichtigsten
ökonomischen Zentrum entwickelte. Nicht nur, daß sie einen Ausgangspunkt für den
westlichen Teil des Transsaharahandels darstellte (hauptsächlich mit Marokko),
die Stadt war zudem ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für den Handel mit den
Gebieten des heutigen Senegal und Guinea-Bissau. Die Macht des Peulh-Staates
reichte aus, um die Volksgruppen der Soussou und Baga an der Atlantikküste zu
halten, und um auf östlicher Seite mit dem Malinké-Staat in einem gegenseitigen
Respektverhältnis zu leben(96).
5.2 Wirtschaftspolitische Ziele während der Kolonialepoche
5.2.1 Die Zeit der kolonialen Penetration
Aus wirtschaftsgeographischer Sicht findet in Guinea die Einteilung von AMIN
(1972, S. 505) der Geschichte der kolonialen Penetration Schwarzafrikas in vier
Phasen seine Anwendung:
1. Ausgehend von einer prämerkantilen Phase, die mit der Errichtung
portugiesischer Handelsstationen an der guineischen Küste Mitte des 14.
Jahrhunderts begann und bis zum 16. Jahrhundert währte, hatten die
traditionellen Handelsstrukturen, wie der Transsaharahandel, noch eine größere
Bedeutung für die Wirtschaft des guineischen Raumes als die europäischen
Handelsniederlassungen.
2. In der darauffolgenden merkantilen Phase (1600 - 1800) fand eine deutliche
Verlagerung der ökonomischen Entwicklungsdeterminanten statt. Infolge der
beginnenden Überlagerung, Ausnutzung und Zerstörung der traditionellen
Handelsstrukturen und der Auswirkungen des transatlantischen Sklavenhandels
durch die an Einfluß gewinnenden Europäer büßte der guineische Raum allmählich
seine Autonomie ein und wurde zum Spielball europäischer Interessen (VEIT 1978,
S. 79).
3. Das 19. Jahrhundert stand ganz im Zeichen der Entwicklung und Konsolidierung einer von den europäischen Handelshäusern(97) bestimmten Handelswirtschaft, die den guineischen Raum als Lieferant von Rohstoffen und Agrarprodukten nutzte.
4. Die Gründung der Kolonie Französisch-Guinea im Jahre 1891 vollendete
schließlich den Prozeß der Integration in das internationale Wirtschaftssystem
(EBENDA) als Rohstoffergänzungsraum für das Mutterland. Der Übergang beschränkte
sich zunächst auf das Küstengebiet, doch die, wenn nötig auch militärische,
Erschließung des Hinterlandes, durch die Kolonialverträge "legalisiert",
erfolgte nun sehr rasch.
Die ersten europäischen Handelsniederlassungen zu Beginn des 15. Jahrhunderts
trieben zunächst Handel mit Gold, Gewürzen, Waren und einheimischen Produkten
mit den Küstenvölkern. Ab dem 16. Jahrhundert begannen die Franzosen und Briten,
Sklaven für ihre westindischen Plantagen zu deportieren. Der Sklavenhandel
entwickelte sich mehr und mehr zur dominierenden Handelsform und beeinträchtigte
sowohl die traditionellen Nord-Süd-Handelsverbindungen als auch die allgemeine
Produktionskraftentwicklung des Raumes infolge der Arbeitskraftverluste im
Hinterland (EBENDA, S. 80). Obwohl die europäischen Großmächte unter britischer
Führung den Sklavenhandel per Dekret im Jahre 1815 offiziell verdammten, wurde
er noch das ganze 19. Jahrhundert hindurch fortgesetzt.
Am Anfang der Erschließung des guineischen Hinterlandes standen zahlreiche
Reisen französischer Forscher (Mollien 1818, Caillié 1827, Hecquart 1850,
Lambert 1860, Zweifel und Moustier 1879). Nachdem sich Frankreich 1891 mit der
formellen Gründung der Kolonie Französisch-Guinea gegen portugiesische,
britische und auch deutsche Interessen durchgesetzt hatte, begann die
militärische Eroberung des Hinterlandes.
5.2.2 Die Entwicklung Guineas zum Rohstoffergänzungsraum unter der
französischen Kolonialherrschaft
Die Kolonie Französisch-Guinea wurde in die Föderation französischer Westafrikagebiete (Afrique Occidentale Française AOF) eingegliedert (siehe Kap. 3.1.1). Die im Laufe des 19. Jahrhunderts begonnene Plantagenwirtschaft (Kaffee, Tee, Früchte) wurde weiter ausgebaut. Die ab 1870 eingeführte, für den Export bestimmte Sammelwirtschaft von Kautschuk führte bald zu einer Verdrängung traditioneller Anbaukulturen. Die dadurch hervorgerufene Minderung der Selbstversorgungakapazität verstärkte die Krisenanfälligkeit der immer mehr auf Mono- bzw. Exportkulturen ausgerichteten Ökonomie der Kolonie.
Die Exportproduktion Fran-zösisch-Guineas stieg bis 1913 auf das Dreifache des Wertes seit der Gründung der Kolonie an (s. Tab. 8). Grund für diese Entwicklung war zum einen die Einführung der Kopfsteuer, die die Bauern zum Anbau von Handelsfrüchten zwang, den sog. crash crops (HILLEBRANDT/WEI-MER 1988, S. 29), zum anderen die Ansiedlung europäischer Pflanzer, die der Produktion kapitalistische, die tradi-
tionellen Strukturen überformende Prinzipien zugrundelegten.
Die koloniale Exporthandelswirtschaft zerstörte nicht die traditionellen
Wirtschafts- und Sozialstrukturen, sondern modifizierte sie unter Beibehaltung
altbewährter innerer Funktionsmechanismen (HILLEBRANDT/WEIMER 1988, S. 29) zu
ausschließlich produktionsorientierten Erfüllungsorganen um, die den
Importbedürfnissen und Absatzstrategien des französischen Mutterlandes
entsprachen. Das Monopol des Fernhandels allerdings, im westafrikanischen Raum
von einer bestimmten Markthändlerschicht, den "Dioulas" gehalten, wurde
vollständig verdrängt. Seine Strukturen fielen größtenteils in die Hände von
Syrern und Libanesen, die fortan als Vertreter der Handelsgesellschaften als
Zwischen- und Endverkäufer den Markt beherrschten (SURET-CANALE 1970, S. 94).
Die Einführung der Geldwirtschaft führte zu weiteren einschneidenden
Veränderungen innerhalb der guineischen Gesellschaft(98).
Die Abschaffung der Möglichkeit, die ständig steigende Kopfsteuer in Naturalien
zu entrichten, vollendete die Integration jedes einzelnen Bürgers in den
kolonialen Wirtschaftskreislauf. Neben der Kopfsteuer blieben die Abgaben
innnerhalb der erhaltenen traditionellen Herrschafts- und Marktstrukturen
bestehen und stellten eine zusätzliche Belastung für die Bevölkerung dar(99).
Herrschte in der präkolonialen Phase ein bewährter
landwirtschaftlicher, von traditionellen Hierarchien gelenkter Kollektivismus,
der die Versorgung der Bevölkerung sicherte, in weiten Teilen Guineas vor, so
wurde dieser bald durch die koloniale Abgabenpolitik verändert. Mit zunehmenden
Abgabenforderungen und schwindender traditioneller Bande wurde dieser
Kollektivismus in eine ausschließliche materielle Bezugsquelle für die
Exportwirtschaft der Kolonialverwaltung transformiert. Um sich weiterhin
versorgen zu können, war die Bevölkerung gezwungen, auf die Form der reinen
Subsistenzwirtschaft zurückzugreifen.
Um die Jahrhundertwende existierten 54 Handelshäuser in Guinea. Da noch etwa zwei Drittel ihrer Handelsbewegungen über den Hafen in Freetown abgewickelt wurden, entschloß sich die französische Kolonialregierung, den Hafen von Conakry konkurrenzfähig auszubauen und mit einer Eisenbahnverbindung von Conakry nach Kankan sein Hinterland anzuschließen(100). Durch entsprechende Zollmaßnahmen verlor Freetown seine Vormachtstellung als Zwischenhandelsstation. Die Konzentration der Handelsaktivitäten
auf Conakry hatte außerdem das Verschwinden der Handelshäuser an den
Mündungen der großen Flüsse zur Folge. Und schließlich wurde Oberguinea, lange
Zeit durch die Nähe zu Bamako (Mali) sudanesisch orientiert, durch den
Bahnanschluß ebenfalls an das Handelsnetz von Conakry angeschlossen.
Nach und nach verschwanden die ausländischen Unternehmen und wurden durch französische ersetzt. Die Handelshäuser begannen, sich vom Image des universellen Warenexports und -imports zu lösen und sich auf die gewinnträchtigsten Produkte zu spezialisieren (Import: Stoffe, Reis, Zucker, Eisenwaren, Baumaterial, Maschinen und Motoren etc; Export: Gold, Bananen, Kaffee, Holz).
Die
Handelswirtschaft der Kolonialherren entwickelte sich in vielen Fällen zu einer
Raubwirtschaft mit katastrophalen Folgen. Der steigende Bedarf an Kautschuk
veranlaßte Frankreich, seine Produktion in Guinea verstärkt voranzutreiben.
Guineas Latex-Kautschuk wurde in sehr extensiver Weise aus Lianen gewonnen, die
mühsam per Hand gesammelt werden mußten. Dennoch stieg die Produktion von 830 t
im Jahre 1890 auf 1500 t um die Jahrhundertwende an, um einen Höchststand von
1810 t im Jahre 1909 zu erreichen. 1898 betrug der Kautschukanteil des gesamten
guineischen Exportwertes etwa 80% (SURET-CANALE 1970, S. 101).
Ab 1910 begann dann der Aufstieg des aus Südostasien kommenden Hévéa-
Kautschuks, dessen Plantagen billiger und ertragreicher waren und in besserer
Qualität produzierten. Der folgende Preisverfall des Kautschuks stürzte die
Kolonie Französisch-Guinea in den Jahren 1913/14 in eine tiefe Krise. Durch die
Spezialisierung auf die Kautschukproduktion wurde der landwirtschaftliche Anbau
stark vernachlässigt. Nach dem Versiegen dieser Einkommensquelle konnten die
guineischen Einwohner die Steuern nur noch mit dem Verkauf von Eigentum oder
durch Naturalien entrichtet werden. Einer landesweiten Hungersnot brach über die
Bevölkerung herein.
Verschärfend kam ab 1914 eine Abgabenerhöhung hinzu, mit der Frankreich seine
im Krieg stehenden Soldaten besser zu versorgen gedachte. Zudem sorgten Versuche
zur Einführung neuer, jedoch, wie sich bald herausstellte, völlig ungeeigneter
Anbaukulturen seitens der Kolonialverwaltung für eine Verschwendung besten
Ackerlandes und führten somit zu einer Limitierung der für die Bevölkerung zur
Verfügung stehenden Anbaufläche für Subsistenzkulturen.
Eine zweite Krise stellte sich mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 ein,
deren Auswirkungen Frankreich und seine Kolonien erst eineinhalb Jahre später zu
spüren bekamen. Die Preise für Importgüter stiegen, die Steuern wurden mit aller
Härte eingetrieben. Abermals mußte das guineische Volk seinen Besitz und seine
Nahrungsmittelreserven mobilisieren, um sie entrichten zu können. Abermals kam
es zu einer Hungersnot.
Es folgten Jahre der Erholung und des langsamen Wiederaufbaus. Einige
Handelshäuser experimentierten mit neuen Anbauarten und -techniken wie spezielle
Pflanzen zur Herstellung von Parfümen, die Produktion von Orangensaftkonzentrat
und die Einführung von qualitativ hochwertigem Kaffee ("Arabica"). Doch nur die
qualitätsärmere, jedoch widerstandsfähigere Kaffeevarietät "Robusta" konnte sich
in Waldguinea halten und erzielte bald einige zum Optimismus Anlaß gebende
Produktionsergebnisse (1940: 956 t) (SURET-CANALE 1970, S. 104). Die
Goldproduktion erreichte 1936 als Produkt mit dem größten Exportwert einen
Höhepunkt.
Der 2. Weltkrieg traf Französisch-Guinea so hart wie alle Kolonien Frankreichs. Die Forderung nach größtmöglicher Unterstützung des Mutterlandes in Kriegszeiten bedeutete wie schon im 1. Weltkrieg der verstärkte Abzug von Mensch und Material. Nach der Niederla-
ge Frankreichs im Juni 1940 war die Afrique Occidentale Française (AOF) auf
sich allein gestellt. Noch einmal wurden die Abgabenforderungen erhöht,
hauptsächlich, um die Versorgung der urbanen Zentren der AOF, insbesondere des
Verwaltungssitzes Dakar, zu sichern. Nach 2 Weltkriegen und einer konsequenten
kolonialen Handels- und Raubwirtschaft war das Land ausgemergelt.
Die Nachkriegszeit war geprägt von den Bemühungen Frankreichs,
wirtschaftliche Aufbauarbeit zu leisten, um die Kolonie so gewinnbringend wie
möglich verwalten zu können. Dazu wurde ein Investitionsfonds für die
wirtschaftliche und soziale Entwicklung (Fonds d'Investissements pour le
Développement Economique et Social FIDES) ins Leben gerufen, der in Guinea ab
1951 Kredite u.a. für Infrastrukturmaßnahmen, den Schul- und Krankenhausbau
sowie die Erweiterung von Produktionskapazitäten in der Landwirtschaft und im
Bergbau vergab(101).
Privatwirtschaftliche Vorhaben wurden besonders gefördert, was dazu führte, daß
fast ausschließlich europäische (überwiegend französische) Firmen die
Investitionshilfen einstrichen, das Land ausbeuteten und die Gewinne abführten.
Es handelte sich dabei zum größten Teil um Kurzzeitinvestitionen, die keinerlei
langfristigen positiven Einfluß auf die ökonomische Entwicklung des Landes
besaßen. Von einer Aufbauarbeit konnte deshalb nur bedingt die Rede sein, denn
die Kreditvergabe erfolgte letzt-endlich mehr den Interessen der Unternehmen als
den Notwendigkeiten des Landes.
Dennoch wurde in der Zeit von 1947 - 57 der Ausbau der Infrastruktur intensiv vorangetrieben. Die Investitionsquelle FIDES verwandte mehr als die Hälfte seiner Mittel zur Schaffung einer die Handels- und Exportpolitik unterstützenden Transport- und Kommunikationsinfrastruktur:
Schiffahrt: Der Hafen von Conakry wurde erheblich ausgebaut, um die geplanten Exportkapazitäten im Bergbau aufnehmen zu können.
Flugverkehr: Neben einer ersten regelmäßigen, 1945 eingerichteten Flugverbindung Dakar - Conakry wurde 1952/53 ein innerguineisches Flugnetz aufgebaut, das die Verwaltungszentren Labé, Kankan (Verbindung zu Bamako), Kissidougou und N'Zérékoré mit Conakry verband.
Schienenverkehr: Obwohl die Züge und die technische Ausrüstung einer Wartung und Instandhaltung unterlagen sowie der Wechsel vom Dampf- zum Dieselantrieb erfolgte, fiel die Eisenbahnverbindung Conakry-Kankan dem degradierten Zustand der Schienen zum Opfer und mußte 1958 eingestellt werden.
Straßenverkehr: Der Ausbau des Straßennetzes nahm einen großen Teil der Investitionen in Anspruch. Nach dem sich abzeichnenden Niedergang der Eisenbahn war es die einzige Möglichkeit, den Gütertransport im Binnenland zu sichern.
Der Ausbau der Plantagenwirtschaft war Ausdruck der kapitalistischen
Produktionsweisen und Verdrängung traditioneller Anbauformen. Bananen stellten
ein bevorzugtes Produkt für das Mutterlandes dar; die Bananenproduktion auf
Großplantagen wurde mit Krediten, technischen Mitteln, Dünger und der
Organisation von Lagerung und Transport(102)
nahezu hemmungslos gefördert. Französisch-Guinea avancierte binnen kurzem zum
Hauptbananenproduzenten der AOF und lieferte 1934 etwa 90% ihrer
Gesamtproduktion(103)
(SURET-CANALE 1970, S. 115).
Dennoch
hatte der Bananenanbau kaum stimulierende Effekte auf die gesamtwirtschaftliche
Entwicklung Guineas, da sich der überwiegende Teil der Anbauflächen
Niederguineas in den Händen europäischer oder libanesischer Plantagenbesitzer
befand, die ihren Gewinn in die Heimatländer transferierten. Nachdem die
Bananenproduktion im Jahre 1955 einen Höchststand von nahezu 100000 t erreicht
hatte, ging sie infolge einer die Bananenblätter angreifenden Pilzepidemie(104)
und eines gleichzeitigen Befalls von Würmern(105),
die die Wurzeln der Stauden zerstörten, in den Jahren 1956-58 drastisch zurück(106).
Die Entwicklung im Bergbausektor verlief eher schleppend. Obwohl die
Goldvorkommen von Bouré am oberen Nigerbecken schon lange vor der
Kolonialisierung bekannt waren, wurde das Gold weiterhin in Handarbeit
geschürft. Seitdem man 1913 Diamantvorkommen in Liberia entdeckt hatte, wurden
weitere Vorkommen in Waldguinea vermutet. Doch erst 1936 erhielt die SOGUINEX
(Société Guinéenne de Recherches et d'Exploitation Minière) als erste
Minengesellschaft Diamantschürfrechte im Gebiet von Banankoro südöstlich von
Kérouané.
Professioneller ging man nach dem 2. Weltkrieg bei der Erschließung der Eisenerz- und Bauxitvorkommen ans Werk. Das Eisenerzlager auf der Halbinsel Kaloum, seit 1902 bekannt, besaß ein Volumen von ca. 200 Mill. t an Erz mit mehr als 52% Eisengehalt. Der Abbau begann 1952. Die Bauxitlager auf den Loos-Inseln Kassa und Tamara vor Conakry waren seit 1920 prospektiert. Ab 1937 begann die Minengesellschaft "Bauxites du Midi"
mit den
Vorbereitungsarbeiten, wurde jedoch durch den 2. Weltkrieg unterbrochen. Erst
1952 erfolgte dann der endgültige Abbau dieses rund 10 Mill. t umfassenden
Vorkommens(107).
Erheblich umfangreichere und hochwertigere Bauxitlagerstätten wurden 1942 in
Débélé bei Kindia und 1954 in Fria entdeckt. Da jedoch zu diesem Zeitpunkt weder
eine entsprechende Transportinfrastruktur existierte, noch die Verfügbarkeit von
Energie gewährleistet war, wurde ihre Erschließung zunächst zurückgestellt.
Lediglich die Ausbeutung des Fria-Vorkommens, das etwa 150 Mill. t Bauxit mit
einem Aluminiumgehalt von 42% umfaßte, stand zur Stunde der Unabhängigkeit kurz
vor der Realisierung. Seit 1955 plante man dort den Bau einer
Verarbeitungsanlage zur Umwandlung von Bauxit in Alumina(108)
(Tonerde, Grundstoff für die Aluminiumherstellung), das auf dem Schienenwege zum
Hafen von Conakry und von dort exportiert werden sollte. 1956 waren die Studien
für die Produktionseinheit fertiggestellt und die Fria-Bergbaugesellschaft
gegründet. 1957 wurden die Studien für den Bau der Eisenbahnverbindung
Fria-Conakry und der Verladeanlagen im Hafen der Hauptstadt abgeschlossen, und
im Juni 1958 wurde mit der Konstruktion der Fabrik begonnen.
Bei der Konzeption und Arbeitsweise der Bergbaugesellschaften wurden die
Prinzipien der Handelswirtschaft im Grunde genommen in größeren und
bedeutenderen Ausmaßen fortgeführt. Ohne Einbindung in die nationale Ökonomie
waren sie zur Erfüllung der Interessen der Muttergesellschaft oder des
französischen Mutterlandes ausgelegt. Trug die Handelswirtschaft durch ihr über
das ganze Land verstreutes Operationsnetz noch zu einem Mindestmaß an
Partizipation der Bevölkerung bei, so waren die Bergbaugesellschaften als
ausländische Wirtschaftsenklaven anzusehen, die mit Hilfe einer eigenständigen
Infrastruktur, eingeführter Ausrüstung und fremdnationalen Fachkräften preiswert
Rohstoffe abbauten, teilweise transformierten und vollständig exportierten und
somit wenig zur eigentlichen ökonomischen Entwicklung des Landes beitrugen(109).
Als Ergebnis einer zügellosen kolonialen Handels- und Raubwirtschaft ergab sich für Guineas Volkswirtschaft am Vorabend der Unabhängigkeit folgendes Bild:
1. Die Überforderung der landwirtschaftlichen Produktion während der beiden Weltkriege sowie die drastische Abgabenpolitik sowohl der Kolonialverwaltung, als auch der traditionellen Herrschaftsstrukturen (Chefferien) führten zu einer fortgeschrittenen Verarmung der ländlichen Bevölkerung (80% der Gesamtbevölkerung).
2. Damit einhergehend setzte eine stetig anwachsende Landflucht in die ökonomischen Agglomerationszentren ein. Besonders die Stadtbevölkerung Conakrys wuchs überproportional.
3. Ein Grund dafür lag sicherlich im Auflösungsprozeß der traditionellen Autoritätsstrukturen. Ihr Zusammenbruch bedeutete das Ende eines jahrhundertelang währenden Systems der Kollektivwirtschaft auf dem Lande, das dem Bauern Sicherheit und sozio-ökonomische Integration gewährleistete.
4. Damit setzte gleichzeitig der Bildungsprozeß einer Schicht von
afrikanischen klein- und mittelständischen Händlern und Unternehmern ein. Nach
der Abkehr von der Kollektivwirtschaft und Großfamilienwerten ging der Trend hin
zur Bildung von Privateigentum.
5.3 Der politische Wirtschaftsdirigismus der I. Republik 1958 - 1984:
Dokumentation eines Niedergangs
Am 28. September 1958 wies die guineische Regierung mit einer überwältigenden
Mehrheit in der Bevölkerung den Vorschlag Frankreichs zurück, der "Communauté
Française" beizutreten, selbstverständlich unter den von Frankreich diktierten
Bedingungen. Dies bedeutete gleichzeitig die sofortige und totale Unabhängigkeit
Guineas von Frankreich in allen Belangen. Die französische Kolonialverwaltung
brach unvermittelt jegliche Verbindung mit Guinea ab und verließ das Land, das
sich quasi über Nacht führungslos in seinen Verwaltungen und Unternehmen
wiederfand.
Dieses Vakuum galt es so schnell wie möglich zu füllen, sowohl auf
politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene. Dabei wies die Ausgangslage
durchaus positive Merkmale auf: Abgesehen von einigen wenigen Kaffee-, Ananas-
und Bananenplantagen blieb die Landwirtschaft von flächenintensiven und
auszehrenden Monokulturen weitgehend verschont und barg weiterhin ein immenses
Potential, das es auszuschöpfen galt. Desgleichen stand der Bergbausektor mit
der Prospektion mehrerer großer Bauxitvorkommen erst am Beginn seiner
Entwicklung. Nicht zuletzt sollten schließlich die zahlreichen Möglichkeiten,
hydroelektrische Energie zu produzieren, als Voraussetzung und Katalysator für
den Industrialisierungsprozeß dienen.
Demgegenüber standen jedoch Herausforderungen, deren Art und Umfang einen raschen Aufbau der guineischen Ökonomie in Frage stellten:
1. Es galt zunächst, die Produktivkräfte, vor allem in der Landwirtschaft, zu sensibilisieren, zu organisieren und zu motivieren. Der in Lethargie und Subsistenzwirtschaft verfallene landwirtschaftliche Produktionssektor mußte wachgerüttelt werden und neue Perspektiven, Strukturen und Anreize erhalten. Die Umsetzung seines Potentials in ein infrastrukturell organisiertes Produktionsnetz stellte nicht zuletzt eine wesentliche Voraussetzung für den geplanten Industrialisierungsprozeß dar.
2. Dazu sollten die Relikte der kolonialistischen Wirtschaftspolitik zugunsten einer neuorientierten guineischen Volkswirtschaft sowohl materiell als auch aus dem Bewußtsein der Bevölkerung ausgelöscht werden.
3. Die Zielsetzung der Neugestaltung der Volkswirtschaft lag in der Lockerung ihrer Weltmarktabhängigkeit. Zwar war man sich bewußt, daß der Bergbausektor in seiner als optimistisch zu prognostizierenden Entwicklung das Land stets an den Weltmarkt binden würde, doch erkannte man, daß eine Erweiterung des Exportspektrums durch
Agrarerzeugnisse und Industrieprodukte für eine Verminderung einer produktbezogenen Exportabhängigkeit notwendig war.
4. Eine weitere Folge des Bruchs mit Frankreich war die Führungs- und Orientierungslosigkeit der guineischen Verwaltung nach dem abrupten Abzug der französischen Beamten. Dem nationalen Wirtschaftsaufbau mußte eine effiziente, zielorientierte Planung und Durchführungskontrolle zugrundeliegen. Doch zur Errichtung eines kompetenten Planungsapparates und ökonomischen Lenkungs-, Unterstützungs- und Förderungseinrichtungen fehlte es vor allem an qualifiziertem Personal. Die französische Kolonialmacht sah keine Notwendigkeit in einer Ausbildung von guineischen Fachkräften im Planungs-, Verwaltungs- und auch Produktionsbereich, da ihre Wirtschaftsphilosophie auf eine von ihr kontrollierte und zugunsten des Mutterlandes ausgerichtete Exportwirtschaft hinauslief.
5. Noch ein Erbe der französischen Kolonialismus war ein Haushaltsdefizit von
ca. 2,8 Mrd. FCFA, das durch kurzfristige Kredite aus den Ostblockstaaten
ausgeglichen werden konnte (s. Tab. 13). Dazu gesellte sich eine durch die
politische Unsicherheit verursachte Kapitalflucht ausländischer Firmen in Höhe
von geschätzten 3,2 Mrd. FCFA (StLB 1967, S. 35).
Diese Ausgangslage vor Augen, entwickelte Sékou Touré seine Vorstellungen von einer unabhängigen Wirtschaftspolitik, basierend auf den revolutionären Parteiprinzipien. Dies bedeutete nichts anderes, als dass die wirtschaftspolitischen Ziele die Grundlage für die allgemeine nationale Unabhängigkeit bilden mußten(110). Somit wurde postuliert, daß die ökonomische Marschrichtung mit der Realisierung der politischen Ideologie von Unabhängigkeit und Sozialismus(111) eine untrennbare Einheit darstellte, was sich in den wirtschaftlichen Entwicklungszielen der ersten Zeit wiederspiegelte:
1. Eliminierung aller kolonialen Strukturen und Verbindungen aus der guineischen Wirtschaftswelt, insbesondere im Bank- und Handelssektor.
2. Begründung einer durch den Staat kontrollierten und dirigierten Wirtschaftspolitik zur Modernisierung und Industrialisierung der guineischen Volkswirtschaft. Neben dem gemischtwirtschaftlichen Sektor mußte sich auch der privatwirtschaftliche Sektor im Sinne einer Konzentration der Kräfte auf die rasche Erlangung der ökonomischen Autonomie der Staatslenkung unterwerfen.
3. Einführung einer nationalen Währung.
4. Konzentrierte Bindung von Entwicklungszusammenarbeit und internationalen
Fördermitteln in den Bereichen Handel und Finanzen. Die Hilfe ist sowohl aus dem
kapitalistischen als auch dem kommunistischen Lager willkommen, solange sie
nicht die inneren Angelegenheiten Guineas berühren und an politische Bedingungen
geknüpft sind (SURET-CANALE 1970, S. 179).
Des weiteren sollte mit dem Streben nach einer kollektiven Produktionsphilosophie, der
der privatwirtschaftlichen Tätigkeit den Boden unter den Füßen entziehen
sollte, das Aufkommen eines guineischen Kapitalismus verhindert werden. Ein
wichtiges Resultat dieser Politik sollte die Anhäufung nationalen Kapitals sein,
um eigene Investitionsmittel zur Verfügung zu haben und sich von der
ausländischen Wirtschafts- und Finanzhilfe allmählich zu befreien (VOSS 1968, S.
148). Diese Entwicklungsprinzipien sollten in wirtschaftlichen Rahmenplänen ihre
Verwirklichung finden. Der erste Dreijahresplan wurde nach einer
Vorbereitungszeit von über einem Jahr(112)
im April 1960 auf einer nationalen Wirtschaftskonferenz in Kankan verabschiedet.
Der Dreijahresplan (Juli 1960 - Juni 1963)
Dieser erste Plan folgte streng dem Leitmotiv der "ökonomischen
Dekolonialisierung" (AMEILLON 1964, S. 106/107) und der Errichtung eines
sozialistischen Wirtschaftssystems. Er war geprägt von einer
Nationalisierungsdoktrin, die die Macht des ausländischen Kapitals brechen und
den Einfluß des öffentlichen Sektors konsolidieren und ausdehnen sollte. Für den
landwirtschaftlichen Produktionssektor war eine grundlegende Reorganisierung auf
Genossenschaftsbasis vorgesehen. Außen- und Binnenhandel sowie die
Produktionseinheiten der Industrie wurden verstaatlicht.
Tabelle 10: Geplante Produktionsziffern und Investitionen im Rahmen des
Dreijahresplans (1960-1963) nach Wirtschaftsbereichen.
Istproduktion 1959 | Sollproduktion 1963 | Geplant | Investitionen |
Wirtschaftsbereich | % der Gesamt-produktion | Mrd. FCFA | % der Gesamt-produktion | Mrd. FG | (1959 = 100) | Mrd. FG | % |
Landwirtschaft, Fischerei | 56 | 22 | 46,2 | 32,9 | 150 | 10110 | 26 |
Industrie | 0,8 | 0,3 | 3,4 | 2,4 | 800 | 8280 | 21,1 |
Handwerk, Baugewerbe, Bergbau | 19,3 | 7,6 | 22,6 | 16,1(1) | 212 | 3738 | 9,7 |
Handel, Transport, Dienstleistungen | 23,9 | 9,4 | 27,8 | 19,8 | 210 | 16664 | 42,8 |
Gesamt | 100 | 39,3 | 100 | 19,8 | 181 | 38942(2) | 100 |
(1) Ohne FRIA.
(2) Einschließlich eines Reservefonds von 0,15 Mrd. FG (= 0,4% der
geplanten Investitionen).
(Quelle: StLB 1967, S. 36; AMIN 1971, S. 44ff).
Die während des Planzeitraumes tatsächlich geleistete ausländische
Finanzhilfe überstieg die veranschlagte Höhe sogar um mehr als 50%. Doch zum
einen war ein beachtlicher Teil der Mehrleistungen zu Konsumzwecken bestimmt(113)
(StLB 1967, S. 37), zum anderen
stiegen die Durchführungskosten der Projekte unverhältnismäßig an und
erreichten am 30. Juni 1963 43 Mrd. FG statt der vorgesehenen 39 (VOSS 1968, S.
156).
Tabelle 11: Leistungen der ausländischen Entwicklungshilfe für den
Dreijahresplan 1960-63.
Geberland | Gesamtbetrag | Laufzeit | Zinssatz |
Mill. FG | % | Jahre | % pro Jahr | |
Sowjetunion | 18543 | 40,5 | 12 | 2,5 |
Ghana | 6910 | 15,2 | 10 | 2,5 |
VR China | 6128 | 13,8 | 20 | - |
BR Deutschland | 3988 | 8,7 | - | - |
Tschechoslowakei | 2570 | 5,6 | 5 | 2,5 |
USA | 2434 | 5,3 | n.bek. | 4 |
Jugoslawien | 1976 | 4,3 | 5 - 8 | 3 |
Polen | 988 | 2,2 | 5 | 2,5 |
Sowjetische Besatzungszone | 633 | 1,4 | 5 | 2,5 |
Ungarn | 618 | 1,4 | 4 | 2,5 |
Marokko | 500 | 1,1 | - | - |
Bulgarien | 494 | 1,1 | - | - |
(Quelle: StLB 1967, S. 37)
Die grundlegende Voraussetzung für die Realisierung des Plans bildete
zunächst die am 1. März 1960 durchgeführte Währungsreform, die den Ausstieg aus
der Franc-Zone bedeutete und den FCFA durch den neuen guineischen Franc 1:1
ersetzte. Damit sollte einerseits die andauernde Kapitalflucht unterbunden
werden, andererseits ein größerer wirtschaftspolitischer Handelsspielraum
gewonnen werden (StLB 1967, S. 35). Ausgehend von den ökonomischen Eckdaten von
1959 wurden für die einzelnen Wirtschaftsbereiche Planziele zur
Produktionssteigerung gesetzt. Diese fielen am höchsten im Industriesektor, am
geringsten im primären Sektor aus.
Der Löwenanteil der Investitionen war indes für den tertiären Sektor bestimmt, wobei die öffentliche Verwaltung mit 17,3% der Gesamtinvestitionen zu Buche schlug. Die geplanten Investitionen sollten zu einem Gesamtproduktionszuwachs bis zu 80% bis 1963 führen, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von etwa 15% entsprach. Die finanziellen Quellen für die Investitionen sollten zunächst die Einnahmen der Staatsbetriebe in Höhe von 6-7 Mrd. FG sowie die Arbeitsleistung der Bevölkerung (investissements humains) darstellen. Für die Deckung des fehlenden Betrages von rund 30 Mrd. FG ging man von ausländischer Wirtschafts- und Finanzhilfe aus, wobei das Interesse der Ostblockstaaten an Guinea gewissenhaft geschürt wurde(114).
Die Durchführung
Der Realisierungsversuch dieses ehrgeizigen Planes legte die
Unzulänglichkeiten in den Vorgaben, die Widersprüche in den Planungsberechnungen
und die Unerreichbarkeit der illusorischen Zielvorstellungen offen zutage.
Während der gesamten Durchführungszeit konnte sich weder ein effizienter
Planungsapparat entwickeln(115),
noch standen den provisorischen Planungsstrukturen elementare Begleitinstrumente
des Rechnungswesens, der Marktforschung und der Statistik in qualitativ und
quantitativ ausreichendem Maße zur Seite.
Schon von Beginn an wurde der Prestigesektor Industrie dem Agrarsektor
bevorzugt. Als Folge der Vernachlässigung der agrarwirtschaftlichen
Entwicklung(116),
die zum einen die Selbstversorgung des Landes sichern und somit den
kostspieligen Lebensmittelimport verringern helfen sollte, zum anderen als
Rohstofflieferant für die agro-industriellen Projekte dienen sollte, konnte die
Subsistenzmentalität nicht zugunsten eines Aufbaus moderner staatlicher, auf den
Anbau von Exportkulturen und Grundnahrungsmitteln für den Inlandsbedarf
spezialisierter Genossenschaftsstrukturen beseitigt werden. Es stellten sich
Probleme in der Nahrungsmittelversorgung ein, die vor allem die städtische
Bevölkerung betrafen. Diese litt schnell an realen Einkommenssenkungen,
hervorgerufen durch den folgenden Anstieg der Nahrungsmittelimporte und -preise.
Schwarzmarkt, Korruption und Schmuggel verschärften sich (VEIT 1978, S, 289).
Ein Haupthindernis bei der effizienten Umsetzung der Investitionen wurde in
der mangelhaften Infrastruktur, insbesondere den unzureichenden
Transportmöglichkeiten erkannt. Schnell veränderte sich das geplante
Investitionsgefüge zugunsten des Infrastrukturausbaus und zog 54,7% der
Investitionen an sich (VOSS 1968, S. 156), natürlich zulasten anderer Sektoren
wie das Sozialwesen und die Produktion.
Schließlich konnten die Staatsbetriebe aufgrund ihrer geringen
Kapazitätsnutzung sowie der unausgereiften Organisation des
Staatshandelssystems, in dem sich eine schleppende Bürokratie,
Verantwortungslosigkeit und Korruption verbreitete, nicht den geplanten
Investitionsbeitrag leisten(117)
und siechten in Unproduktivität dahin. Anstatt den Investitionspool zu
verstärken, mußten darüber hinaus erhebliche Mittel aus dem Staatshaushalt
aufgebracht werden, um sie mit Subventionen oder den Import von Rohstoffen zu
stützen.
Eine weitere bedeutende Verlustquelle stellte die Unfähigkeit der Geber- und Nehmerseite
dar, das Aufnahmevermögen der guineischen Volkswirtschaft an Sachkapital
richtig einzuschätzen. Ganz besonders die Sowjetunion, die in diesen ersten
Jahren des Aufbaus als wichtigster Entwicklungspartner und Geldgeber auftrat,
überschätzte die Absorptionskapazität Guineas für Neuinvestitionen derart, daß
ein erheblicher Teil neugelieferter Ausrüstung und Güter ungenutzt
verlorengingen. Hinzu kamen noch zahlreiche Logistikprobleme, die offenbarten,
daß die Wartungs- und Versorgungskette für Maschinen und Ausrüstung wenig
durchdacht und löchrig war. Dies behinderte wiederum die Realisierung der
Projekte, was die Einhaltung des Planes immer unmöglicher machte.
Das Ergebnis
Der ehrgeizige Plan krankte von Anfang an an einer völlig unzureichenden
Planung, basierend auf ungenauen Vorgaben und Vorstellungen, was sich in den
Resultaten widerspiegelte. Von den formulierten Planzielen ausgehend wurde der
Plan zu 80% erfüllt. Seine wirksame Umsetzung in der Realität scheiterte jedoch
an der Investitionsverteilung, was zu einer ungünstigen und
entwicklungshemmenden Verschiebung der Projektrealisierungen in den einzelnen
Sektoren führte. So wurden anstatt der geplanten 52,5% der Investitionen
tatsächlich nahezu 72% auf nichtproduktive Sektoren verwandt (VOSS 1968, S. 156,
VEIT 1978, S. 286). Die geplante Entwicklungsproportionalität zwischen
Produktion, Verwaltung und Infrastruktur wich einer Unausgewogenheit, die statt
der aus dem produzierenden Sektor erwarteten Kapitaleinnahmen nur zusätzliche
Belastungen für die Staatskasse bedeutete.
Glücklicherweise konnte ein erheblicher Teil der so hervorgerufenen
Finanzlöcher mit den vom Ausland gestellten Mitteln gestopft werden, doch das
Ergebnis des Plans beschrieb schon den Beginn einer die guineische
Wirtschaftsentwicklung in den folgenden Jahren weiterverfolgende Tendenz:
Planungs- und Durchführungsschwächen verschiedener Art führten zu Defiziten, die
durch auswärtige Hilfe ausgeglichen werden mußten. Dies bedeutete Abhängigkeit,
die auf lange Sicht nur durch eine offensive Haltung (Öffnung des Marktes,
Investitionsförderung), begleitet von rigorosen Einschränkungen unproduktiver
Ausgaben, hätte beseitigt werden können. Beides fand nicht statt.
Im Rahmen der Planungsmängel seien an dieser Stelle gravierende
Unzulänglichkeiten in den Bereichen Projektkoordination und -durchführung sowie
Logistik besonders hervorgehoben, weil dadurch erhebliche Mittel und
Möglichkeiten verschwendet wurden. Noch erschwert durch die fehlende
Infrastruktur fanden zahlreiche Projekte schon direkt nach ihrem Beginn ihr
Ende, ohne jemals das Produktionsstadium erreicht zu haben. Andere wiederum
konnten nur nach langen Verzögerungen begonnen werden, auch ihr Erfolg war in
der Zwischenzeit durch Materialschwund geschmälert(118).
Die guineische Regierung zog ob der Tatsache, einen ersten Wirtschaftsplan in Unabhän-gigkeit durchgeführt zu haben sowie der absoluten Menge an Mittel, die dafür bereit-gestellt werden konnten, eine erwartet positive Bilanz. Für sie war der Bruch mit der Ver-gangenheit damit endgültig vollzogen, da sich nun neben der formalen politischen Unab-hängigkeit auch die ökonomische Freiheit eingestellt hatte, die in der Währungsreform, der
Eliminierung kolonialistischer Handelsstrukturen, der Verstaatlichung der
Wirtschaft und der Bodenreform(119)
ihren Ausdruck fand.
Die Probleme bei der Realisierung dieses ersten Wirtschaftsplanes waren symptomatisch für die Durchführung der nachfolgenden Pläne und ihre Resultate:
Siebenjahresplan : 1964 - 1971
Fünfjahresplan : 1973 - 1978
Fünfjahresplan : 1981 - 1985
Auch im darauffolgenden Siebenjahresplan fielen die für die
landwirtschaftliche Entwicklung geplanten Investitionen geringer aus als
ursprünglich angesetzt, während die Verwaltung deutlich zulegte. Auffallend ist,
daß sich gegenüber dem ersten Plan nun eine deutliche Diskrepanz zwischen
Planung und Realisierung von Investitionen im infrastrukturellen Bereich
(Transport, Verkehr, Fernmeldewesen) einstellte. Diese Tendenz zur
Vernachlässigung des für die wirtschaftliche Entwicklung eminent wichtigen
Aufbaus der Infrastruktur setzte sich auch in den weiteren Plänen fort und war
letztendlich mitverantwortlich für die Unfähigkeit, die Produktivität und den
Export zu steigern.
Grafik 6: Investitionen im Siebenjahresplan 1964 - 1971.
LWS: Landwirtschaft
IND: Industrie
BERG: Bergbau
E: Energie
INFRA: Infrastruktur
ERZ: Erziehung
GES: Gesundheit
WOH: Wohnen
VERW: Verwaltung
(Erstellt nach: AMIN 1971, S. 122)
Allen Plänen waren folgende Mängel gemeinsam:
1. Sie wurden ohne realistischen makroökonomischen Bezug aufgestellt und
hatten keine klar definierte und logisch durchdachte sektorielle Strategie zur
Basis(120).
Die Folge war fast immer eine Fehleinschätzung der Rahmenbedingungen und
Eigenkapazitäten.
2. Der Finanzierung der Pläne lag ein unrealistisches Kalkulationsgerüst zugrunde, das sich gänzlich auf die Hypothese stützte, daß fehlende Investitionsbeträge und auftreten-
de Defizite ausschließlich durch Fremdkapital gedeckt werden würden. Im
letzten Fünfjahresplan 1981-1985 beliefen sich die nicht gedeckten
Investitionsplanungen gar auf 75% des Gesamtvolumens, bekanntgegeben 1981,
praktisch im ersten Jahr des Plans (TOURE 1981, S. 85/86).
3. Viele der geplanten Projekte waren während der Durchführung wechselhaften
Bedingungen und zahlreichen Neuorientierungen ausgesetzt. Diese Unstetigkeit und
Instabilität hatte ihre Wurzeln in der stets unzureichenden
Kapitalverfügbarkeit, der mangelhaften Planung und Realisierungseinstellung, die
durch Korruption und teilweise geradezu anarchistischen Verhaltensweisen in der
Verwaltung schwer belastet war, sowie der unzureichenden Infrastruktur.
4. Ein großes Manko in der Planung war das Zugrundelegen einer integrierten,
in sich abgeschlossenen ökonomischen Entwicklungsstrategie, die die zahlreichen
geplanten Aktivitäten in den verschiedenen Sektoren koordinieren und als ständig
zu begleitendes Leitinstrument den inneren Zusammenhang sichern sollte.
5. Dazu hätte es besserer Kontroll- und Korrekturkapazitäten bedurft, womit
Fehlentwicklungen und Abweichungen frühzeitig festzustellen gewesen wären und
die Setzung neuer Prioritäten unter veränderten Bedingungen noch den
größtmöglichen Nutzen hätte bringen können(121).
6. Schließlich durchzog die Realisierung der Projekte eine permanente, durch
die unzulängliche Infrastruktur, aber auch vor allem aufgrund der
unkoordinierten, nicht in einer Gesamtstrategie eingebetteten Einzelplanung
bedingte Logistikschwäche. Sie führte dazu, daß man sich nicht an einen Zeitplan
der Inbetriebnahme von Produktionsstätten halten konnte. Infolgedessen waren
Beginn und Höhe der voraussichtlichen Produktion ungewiß. Dies bedeutete jedoch
ein Spiel mit vielen Variablen, das eine gesamtökonomische Planung, vor allem im
Hinblick auf die Einbeziehung potentieller Überschüsse aus dieser Produktion zur
Finanzierung weiterer Vorhaben, nahezu unmöglich machte. Wurde sie dennoch
durchgeführt, waren die auf teilweise unrealistischen Annahmen beruhenden
Zielvorstellungen von vorneherein in Frage gestellt.
Die Analyse der Geschehnisse um den ersten Wirtschaftsplan ist deshalb von
großer Bedeutung, weil beim Versuch seiner Umsetzung grundlegende Probleme
aufgeworfen wurden, die die ökonomische Entwicklung Guineas bis heute nachhaltig
beeinflussen. Die Problembekämpfung, die durchaus ihren guten Willen zeigte,
jedoch durch ablenkende innen- und außenpolitische Querelen und den damit
verbundenen Nachlässigkeiten und Uneinsichtigkeiten geschwächt wurde, führte zu
gravierenden Fehleinschätzungen, die im späteren Verlauf der
Wirtschaftsentwicklung die Probleme noch verschärften und oftmals zu einer
Radikalisierung der angewandten Maßnahmen führte.
Die Versorgung und Mobilisierung der Kräfte in einem weiten Land wie Guinea mit etwa 5 Mill. Einwohnern (1970) und einer Fläche von ca. 246.000 km2 war eine schwierige und
komplexe Herausforderung für die junge, enthusiastische Regierung. Durch die
einseitige Konzentration auf Conakry als zentraler Versorgungs- und
Umschlagplatz für den Im- und Export wurde das Gefälle zu den peripheren Räumen
strukturschwacher und produktionsarmer Substanz immer größer. Zentrale
Handelsverbindungen wie die nördliche Achse in Richtung Dakar, die einen
Großteil des Fouta Djallon erfaßte, die südliche Gabel zu Sierra Leone, Liberia
und der Elfenbeinküste, ganz Waldguinea betreffend, sowie der traditionelle
Handelsstrang zwischen Oberguinea und Mali (Bamako) blieben vorherrschend. Doch
mit der Einführung einer nicht konvertiblen Landeswährung blieb die
Durchlässigkeit der Grenzen, die kaum gesichert werden konnten, der Ursprung für
die Ohnmacht des Staates, sein Außenhandelsmonopol zur Steuerung und Kontrolle
der nationalen Ökonomie durchzusetzen (SURET-CANALE 1970, S. 190ff).
Einen weiteren Hemmfaktor stellte die Größe und das realistische Potential
des Binnenmarktes dar. Seine tatsächliche Absorptionskapazität war nie genau
berechnet worden, womit die Rentabilität neuer, umfangreicher Industrieanlagen
stets fraglich war. Überschüsse konnten aufgrund bestehender infrastruktureller
Probleme selten gewinnbringend in die besser und preiswerter versorgten
Nachbarländer abgesetzt werden(122).
Noch einmal unterstrichen sei an dieser Stelle der schwierige Schritt von
totaler administrativer, sozioökonomischer und materieller Abhängigkeit von
Frankreich während der Kolonialepoche in die abrupte politische und
wirtschaftliche Selbständigkeit. Ein Großteil der für die wirtschaftliche
Entwicklung notwendigen Maßnahmen, wie beispielweise die Schaffung annehmbarer
Rahmenbedingungen für Investitionsvorhaben, egal, ob privater oder staatlicher
Natur, waren von vornherein zum Scheitern verurteilt, da es überall am
notwendigen Fachpersonal fehlte. Ein Handicap, das im Verlaufe der weiteren
ökonomischen Entwicklung immer gravierender wurde, denn eine Deckung des Bedarfs
an qualifiziertem Fachpersonal konnte zu keiner Zeit erreicht werden. Die
vorherrschende Inkompetenz öffnete Korruption und Willkür die Pforten.
Zu dem schwerwiegendsten, von Anfang an nicht richtig durchdachten und mit nötigem Verständnis, Weitsicht und Durchsetzungskraft in Angriff genommenen Problemen gehörte nach wie vor die Neuorganisation der Landwirtschaft in einen die Versorgung des Landes sichernden Produktionssektor. Aus Mangel an Zeit und Konzepten wurde der ländlichen Struktur, die unlängst ein Verdrängen ihres traditionellen, auf Regionalismus und Ethnizität begrenzten Kollektivismus (SURET-CANALE 1970, S. 194ff) zugunsten der kolonialistischen Raubwirtschaft hinnehmen mußte, ein neues Produktionsschema sozialistisch-genossenschaftlicher Art oktroiert. Die Genossenschaften, Aus- und Fort-bildungszentren, Produktionsbrigaden und Kooperativen(123) stießen in der ländlichen Be-
völkerung zunächst auf Mißtrauen und Ablehnung, und fanden keinen richtigen
Halt. Der Mangel an Vertrauen verschärfte sich, als die staatlichen
Kollektivinstitutionen sich als repressive Abgabenzentren zur persönlichen
Bereicherung der Funktionäre entpuppten (VEIT 1978, S. 288).
Die Unzufriedenheit der Bauern wuchs in dem Maße, in dem die Disparitäten
zwischen den landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen, die zugunsten der rapide
anwachsenden Stadtbevölkerung, insbesondere Conakry, künstlich niedergehalten
wurden, und den allgemeinen Lebenshaltungskosten immer größer wurden. Von den
ehedem zu geringen Investitionen im Agrarsektor konnte sich die ländliche
Bevölkerung ebenfalls keine Besserung der Situation erhoffen. Die Folge war eine
Rückkehr zur Subsistenzwirtschaft und ein Anstieg der Schmuggelaktivitäten an
den Grenzen zu den Nachbarstaaten.
Die Suche nach einer effektiven Steuerung des Binnen- und Außenhandels war
schwierig und opferreich. Die am 24. Januar 1959 mit der Gründung des
Staatskontors zur Durchführung und Überwachung des Außenhandels (Comptoir
Guinéen du Commerce Extérieur CGCE) begonnene erste Handelsreform fand ihren
Abschluß in dem im April 1960 ins Leben gerufenen Pendant zur Übernahme des
Binnenhandels (Comptoir Guinéen du Commerce Intérieur CGCI)(124).
Die hauptsächlich durch Verwaltungsinkompetenz, Überwachungsprobleme und
Veruntreuung äußerst verlustreich arbeitenden Kontore mußten als Mißerfolge
verbucht und schon am 1. September 1960 aufgelöst werden. Ihre Umwandlung und
Dezentralisierung in branchenorientierte Staatshandelsgesellschaften konnten die
Persistenz der schon in der Kontorführung deutlich gewordenen Charakterschwächen
nicht beseitigen.
Als die Versorgungslage des Landes immer prekärer wurde, gab die Regierung ab
Oktober 1963 den Weg für die privatwirtschaftliche Initiative wieder frei. Doch
die wiedererlangten Freiheiten hatten zunächst gegenteilige Wirkung und trieben
die Schmuggelei und Schwarzmarkttätigkeiten auf Rekordhöhen (SURET-CANALE 1970,
S. 203). Um der Lage wieder Herr zu werden, griff Sékou Touré schon 1 Jahr
später mit der Durchsetzung eines Rahmengesetzes, dem "Loi Cadre" ein, das zum
einen das Staatsmonopol im Außen- und Binnenhandel wiederherstellte(125),
zum anderen eine strikte Strafverfolgung von Amtsmißbrauch und
Wirtschaftskriminalität ankündigte.
5.3.1 Die monetäre Isolierung durch eine unabhängige Währung
Nachdem Guinea im März 1960 die westafrikanische Währungsunion (Franc-Zone) verlassen hatte, wurde der Franc CFA gleichgewichtig durch den Guineischen Franc ersetzt, womit gleichzeitig ein Ende der Orientierung an einer internationalen Währungsordnung signalisiert wurde. Die neue Währung war weder durch Gold noch durch Devisen gedeckt. Ihre Nichtkonvertierbarkeit bedeutete eine starke monetäre Isolierung Guineas, eine zunehmende Entwertung des guineischen Franc stellte sich ein. Einer 1969 international eingeleiteten Franc - Abwertung schloß sich Guinea nicht an, was zum Verlust der
Parität zum Franc CFA und eines dramatischen Kaufkraftverlustes führte.
Die galoppierende Inflation konnte dann mit der am 2. Oktober 1972
durchgeführten Syli- und Cauri-Währung(126)
im Austausch 10 GF = 1 GS (Guineischer Syli) abgefangen werden. Mit dieser
Währungsreform wurde die guineische Zentralbank (Banque Centrale de la
République de Guinée BCRG) dem Präsidialamt der Republik direkt unterstellt
(StLB 1973, S. 13). Die oberste Staatsbank übte sowohl die Devisenkontrolle als
auch die Kreditkontrolle in Form von Genehmigungen aus, die die seit 1962
eingeführten staatlichen Geschäftsbanken bei Kreditvergaben von ihr einholen
mußten(127).
Tabelle 12: Situation von Währung und Krediten während der I. Republik (in
Mrd. GS).
1960 | 1965 | 1970 | 1975 | 1980(1) | |
Fremdkontensituation netto: | 0,5 | -0,8 | -1,9 | -1,1 | -6,7 |
Haben | 1,2 | 0,3 | 0,4 | 0,9 | 1,9 |
Schulden | 0,7 | 1,1 | 2,3 | 2 | 8,6 |
Inlandnettokredit: | 1 | 5,3 | 9,9 | 12,8 | 21,8 |
Regierung | 0,4 | 1,3 | 4 | 0,9 | 6,1 |
Öffentliche Unternehmen | 0,6 | 3,8 | 5,3 | 10,8 | 14,5 |
Privater Sektor | 0 | 0,2 | 0,6 | 1,1 | 1,2 |
Geldmenge: | 1,4 | 3,8 | 7,4 | 11,1 | 13 |
Umlaufmenge | 0,9 | 1,3 | 3,2 | 3,7 | 3,3 |
Anlagen der öffentl. Unternehmen | 0,2 | 1 | 1,5 | 2,9 | 4,7 |
Anlagen des privaten Sektors | 0,3 | 1,2 | 2,1 | 2,7 | -(2) |
Festanlagen | - | 0,2 | 0,2 | 0,5 | 0,6 |
Importanlagen | - | 0,1 | 0,4 | 1,3 | 4,4 |
Zum Vergleich: | |||||
BIP | 11,9 | 12,8 | 16,8 | 24,2 | 32,9 |
Nettoauslandsguthaben (%/BIP) | 4,2 | -6,3 | -11,3 | -4,5 | -20,4 |
Nettoinlandskredit (%/BIP) | 8,7 | 41,4 | 58,9 | 52,9 | 66,3 |
Geldmenge | 11,8 | 29,7 | 44 | 45,9 | 39,5 |
(1) Die Daten zu den Geldmittelangaben beziehen sich auf den 31.
Dezember des jeweiligen Jahres, mit Ausnahme von 1986, in dem die Daten am 6.
Januar gesammelt wurden.
(2) Die Anlagen des privaten Sektors von 1980 sind in den Anlagen
der öffentlichen Unternehmen eingeschlossen.
(Quelle: WB 1990a Bd. I, S. 8)
Zwischen den Jahren 1960 und 1975 wuchs die Menge des Geldes im Durchschnitt
jährlich um etwa 17% , und stieg von 12% auf 46% des BIP gegenüber 20 - 25% in
den anderen westafrikanischen Ländern. Das dem öffentlichen Dienst drohende
Inflationsrisiko konnte dank einer rigorosen Preis- und Gehälterkontrolle lange
Zeit in Grenzen gehalten werden. Doch das unproportionale Anwachsen der
Geldmenge sorgte für einen Inflationsdruck, unter dem die Überbewertung des
Geldes gigantische Ausmaße annahm. Am Ende des Jahres 1985 lag der offizielle
Wechselkurs für den Syli bei 23 SG (Syli Guinéen) für 1 US$, gleichzeitig mußte
man auf dem Parallelmarkt 400 SG pro US$ bezahlen (WB 1990a Bd. I, S. 8).
Der Nettoinlandskredit stieg im Zeitraum von 1960 bis 1980 jährlich um etwa
16,5% an, was seinen Anteil am BIP von weniger als 10% im Jahre 1960 auf mehr
als 40% im Jahre 1970 und 66% im Jahre 1980 ansteigen ließ. Im Laufe der 70er
Jahre nahm der öffentliche Dienst nahezu 95% des gesamten Nettokredites für sich
in Anspruch.
Steigende Erträge aus dem Bergbausektor vereinfachten in den Jahren 1976-79
die Anwendung einer deflationären Geldpolitik, die nun Vorsicht walten ließ und
versuchte, die Geldmenge allgemein zu reduzieren. So konnte schließlich der
Anteil der Geldmenge am BIP bis 1980 auf 40% reduziert werden. Indessen jedoch
war durch diese Kontrollmaßnahmen, die u.a. eine Limitierung der monatlichen
Abhebungen von den privaten Bankkonten vorsahen, das Heranwachsen eines starken
Mißtrauens seitens des privatwirtschaftlichen Sektors gegen das Geld- und
Bankensystem zu verzeichnen.
Die sich zu Beginn der 80er Jahre einstellende Bauxitkrise verminderte die
Steuereinnahmen aus dem Bergbausektor. Als Reaktion darauf mußten verstärkt
Mittel aus dem übrigen Staatshaushalt zur Behebung der Defizite im öffentlichen
Dienst verwendet werden. Gleichzeitig wurde die Geldmittelproduktion erneut
gesteigert und erreichte bald wieder 50% des BIP (WB 1990a Bd. I, S. 9) Dies
führte zu einer Wiederbelebung des Inflationsdrucks, was extreme Auswirkungen
auf den Wechselkurs hatte.
Die Maßnahmen der Geldpolitik hatten aufgrund ihrer Konzeption keinen
Rückhalt in der Wirtschaft, denn nur die Unternehmen des öffentlichen Dienstes,
selbst wenn sie die Mehrheit darstellten, benutzten den guineischen Syli; die
gemischtwirtschaftlichen Unternehmen fuhren weiterhin fort, Devisenkonten im
Ausland zu benutzen, und kappten soweit wie möglich die Verbindung zur
guineischen Währung. So agierte ein Großteil und noch dazu der am besten
funktionierende Teil der guineischen Wirtschaft außerhalb des nationalen
Währungssystems, indem in Devisen oder Immobiliengütern angelegt wurde.
5.3.2 Die Entwicklung der ausländischen Konten
Die nach der Unabhängigkeit angewandten wirtschaftlichen Praktiken hatten die Struktur der Auslandskonten Guineas drastisch verändert. Die Landwirtschaftsexporte, die zur Zeit der Unabhängigkeit etwa 70% aller Exporte ausmachten, fielen auf abrupte Art und Weise ab, und stellten im Jahre 1965 nur noch etwa 30% aller Ausfuhren dar. Die allgemein stagnierende Situation der Exporte wurde erst in den Jahren 1973 und 1974 dank des rapiden Wachstums der Mineralexporte aus dem Bergbausektor aufgehoben. So nahm im Zeitraum von 1975 bis 1984 der Export von mineralischen Rohstoffen denn auch 90 - 95% des Gesamtexportes der guineischen Wirtschaft ein.
Trotz des quasi Verschwindens von landwirtschaftlichen Exporten und den gesteigerten Einfuhren von Nahrungsmitteln, erlangte die Handelsbilanz Guineas im Jahre 1974 ein positives Vorzeichen, basierend auf der Ausbeute der neuen Bauxitminen, die die Einkünfte aus offiziellen Exporten in die Höhe schnellen ließen. Von Beginn der Unabhängigkeit an nahm die Nachfrage nach Importprodukten aufgrund der progressiven Überbewer-tung des Wechselkurses ständig zu. Um dem aus Mangel an Devisen resultierenden Druck zu begegnen, ging das Land eine Reihe von Kompensationsabkommen mit östlichen Ländern ein, die als ein Beitrag zum Ausgleich von bilateralem Austausch angesehen wurden.
Tabelle 14: Guineas Zahlungsbilanz 1964-1985 (in Mio. US$).
Bilanz/Jahr | 1964/65 | 1969/70 | 1974/75 | 1980 | 1985 |
Leistungsbilanz: | |||||
Exporte (Fob)(1) | 51,9 | 54,3 | 191,8 | 495,5 | 505,5 |
Importe (Caf)(2) | 64,4 | 78,2 | 221,3 | 395,4 | 399,6 |
Saldo | -12,5 | -23,9 | -29,5 | 100,1 | 105,9 |
Dienstlstg. und Transfers der Regierung | -10,1 | -28,4 | -19,7 | -10,5 | -160,8 |
Dienstlstg. und Transfers d. priv. Sektors | n.bek. | n.bek. | -34,3 | -105,4 | n.bek. |
Saldo der Leistungsbilanz | -22,6 | -52,3 | -83,6 | 615,8 | -54,9 |
Kapitalbilanz: | |||||
Mittel- und langfristige Kapitalverkäufe,
öffentlicher Sektor |
21,9 | 52,7 | 39,4 | 13,2 | -31 |
Mittel- und langfristige Kapitalverkäufe,
privater Sektor |
2 | 2,8 | 14,8 | 0 | -17 |
Saldo der Kapitalbilanz | 23,9 | 55,5 | 54,2 | 13,2 | -48 |
Fehler, Unterlassungen und
ungeklärte Beträge |
2,8 | -24,3 | -14,8 | -84,3 | -8 |
Saldo der Zahlungsbilanz | -1,5 | -21,1 | -44,2 | 86,9 | -110,9 |
Ausländische Schuldenlast (Jahresende) | 15 | 314,1 | 761,8 | 1023,2 | 1311 |
Zum Vergleich: | |||||
Exporte (in % des BIP) | 10 | 8 | 16,1 | 28,6 | 23,9 |
Importe (in % des BIP) | 12,4 | 11,5 | 18,6 | 22,8 | 18,9 |
Handelsbilanz (in % des BIP) | -2,4 | -3,5 | -2,5 | 5,8 | 5 |
Saldo der Leistungsbilanz (in % des BIP) | -4,4 | -7,7 | -7 | -0,9 | -2,6 |
Saldo der Zahlungsbilanz (in % des BIP) | -0,3 | -4,9 | -2,5 | -4,9 | -4,6 |
Schuldenlast (in % des BIP) | 22,2 | 46,2 | 64 | 59 | 61,9 |
(1) Frei an Bord (Franco à bord)
(2) Kosten, Versicherung und Fracht inbegriffen (Cout, assurance,
fret inclus)
(Quelle: WB 1990a Bd. I, S. 10)
Da jedoch diese Kompensationsverträge im allgemei nen zugunsten des
jeweiligen östlichen Handelspartners ausgelegt waren, verwandelten sich die
substantiellen Defizite auf den Kompensationskonten in mittel- und langfristige
Schulden.
Der Staatshaushalt blieb während der gesamten Periode von 1965 - 1985
defizitär. Dieses Defizit nahm im Laufe der Zeit immer mehr zu, je mehr die
öffentliche Schuldenlast und die Ausgaben im Privatsektor (Zinsen, Dividenden
und Fondseinlagen im Ausland), u.a. verbunden mit den Investitionen im
Bergbausektor, auf das Budget drückten. Nach 1980 überstieg es sogar deutlich
die Handelsbilanz des Landes. Unter der ersten Republik erreichten die
öffentlichen Ausgaben in den Jahren 1971 und 1972 etwa 10% des BIP.
Angesichts der nationalen unzureichenden finanziellen Ressourcen mußte der
überwiegende Teil der Investitionen mit ausländischen Anleihen finanziert
werden. Indessen erwies sich die Produktivität dieser Investitionen im Laufe der
Zeit als äußerst schwach, wodurch wesentliche Impulse für das Wachstum des
Sektors oder eine Steigerung von Exporten ausblieben, so daß diese Anleihen
schwer auf den ohnehin stetig anwachsenden Auslandsschuldenkonten lasteten.
Aufgrund der Kapitalflucht und der hohen Tilgungsrate der öffentlichen Anleihen
im Ausland erlaubten die Kapitalbewegungen keine Kompensationen des Defizits in
der Zahlungsbilanz. Von 1970 an wurde die Gesamtbilanz negativ, hauptsächlich
hervorgerufen durch das Schuldenwachstum im Ausland.
Die Abhängigkeit Guineas von ausländischen Geldquellen, um den Bedarf an
geplanten Finanzierungen zu befriedigen, ließ die Schuldenlast von einem 25%igen
Anteil am BIP im Jahre 1965 auf einen 62%igen Anteil während der Zeit von 1975 -
1985 ansteigen. Der Privatschuldenanteil beschränkte sich indes nur auf
notwendige Finanzierungen im Bergbausektor.
5.3.3 Sackgasse Planwirtschaft - Verfall der ökonomischen
Basiselemente
Obwohl die von der ersten Republik geführte Wirtschaftspolitik zu einer
Modifizierung und in gewisser Weise auch Modernisierung der traditionellen
Produktionsweisen geführt hat, so war sie jedoch völlig unfähig, auf die
Anforderungen im Bereich von Industrialisierung, beständigem Wirtschaftswachstum
oder der Sozialentwicklung Antwort zu geben. Schätzungen der Weltbank zufolge
nahm das BIP von 1960 bis 1974 mit 2,4% im Durchschnitt weniger zu, als das
mittlere Bevölkerungswachstum von 2,8%. Dies bedeutete eine Verminderung des BIP
von insgesamt 4% pro Einwohner Guineas für obengenannten Zeitraum (WB 1990a Bd.
I, S. 2).
Zwischen 1975 und 1980 sorgten die Gründungen der großen Bauxitgesellschaften
in Kamsar und Débélé (Kindia)(128)
für ein jährliches Wachstum von 3,5%. Von 1981-85, als die neuen Minen ihre
vollen Produktionskapazitäten erreicht hatten, sich aber in den übrigen Sektoren
die rezessive Tendenz verstärkte, fiel das Wachstum des BIP schließlich auf 1,4%
pro Jahr zurück (ASotS 1993, S. 413).
Die Vielgestaltigkeit der Naturräume Guineas erlaubte es, eine variationsreiche landwirtschaftliche Produktion zu entfalten, die etwa drei Viertel der Bevölkerung des Landes
versorgte und 1960 etwa die Hälfte des BIP ausmachte. Die Plantagen,
insbesondere Ananas, Bananen, Palmen und Kaffee, stellten zu Beginn der I.
Republik einen großen Anteil am Exporteinkommen des Landes.
Der Niedergang der Landwirtschaft begann mit der Vernachlässigung der
rentablen agrarischen Exportproduktion in den 60er Jahren. Mit der Verlagerung
des Investitions- und Entwicklungsschwerpunktes auf den Bergbau und die
Industrialisierung während der 70er Jahre verlor die Landwirtschaft vollends den
Rückhalt in der staatlichen Wirtschaftspolitik. Eine Rückbesinnung auf die
ungenutzten landwirtschaftlichen Potentiale, die mit Hilfe einer nationalen
Kraftanstrengung, des "investissement humain(129)",
wieder inwertgesetzt werden sollten, konnte sie nicht mehr retten.
Tabelle 15: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) während der I. Republik (in Mrd.
Syli zum jeweils aktuellen Wert).
BIP/Jahr | 1960 | 1965 | 1970 | 1975 | 1980 | 1985 |
BIP zu Marktpreisen: | 11,9 | 12,8 | 16,8 | 24,2 | 32,9 | 51,5 |
Primärer Sektor | 6,4 | 7,3 | 8,3 | 11,7 | 13,4 | 20,6 |
Sekundärer Sektor | 3 | 3,2 | 4 | 4,3 | 7,3 | 11,2 |
Tertiärer Sektor | 2,5 | 2,9 | 4,5 | 8,2 | 12,1 | 14,8 |
Indirekte Steuern ohne Subventionen | 0 | 0,8 | 1,3 | 1,7 | 4,3 | n.bek. |
BIP zu Faktorkosten | 11,9 | 12 | 15,5 | 22,5 | 28,6 | 51,5 |
BIP pro Kopf (Syli) | 3840 | 3660 | 5000 | 5260 | 6210 | 8460 |
Primärer Sektor (in % des BIP) | 53,8 | 52,3 | 49,4 | 48,3 | 40,7 | 40 |
Sekundärer Sektor | 25,2 | 25 | 23,8 | 27,8 | 22,2 | 21,7 |
davon Bergbau | 7,6 | 9,4 | 8,9 | 7,4 | 14 | 13,4 |
Tertiärer Sektor | 21 | 22,7 | 26,8 | 33,9 | 36,8 | 38,4 |
davon Verwaltung | 8,4 | 13,3 | 16,7 | 9,5 | 13,1 | n.bek. |
Z. Vergl.: (in Syli, Basiswert 1980 (1)) | ||||||
BIP zu Marktpreisen (Mrd. Syli) | 19,7 | 19,7 | 22,9 | 28 | 32,9 | 35,5 |
BIP pro Kopf | 6350 | 5630 | 5580 | 6090 | 6210 | 5830 |
(1) 1 Syli = 0,096 DM
(Erarbeitet nach: WB 1990a Bd. I, S. 3)
Obgleich die Exporte in die osteuropäischen Länder, mit denen Guinea in immer größerem Maße enge Handelsverträge abschloß, dem Land eine teilweise Kompensierung der Verluste auf den internationalen Märkten mit harter Währung ermöglicht hätten, hatte diese Entwicklung der Handelsstrukturen im landwirtschaftlichen Produktionssektor eine deutliche Verminderung der Chancen zum Neuzugang zu Märkten mit westlichen bzw.
strengeren Qualitätsnormen zur Folge. Außerdem konnte das Produktionswachstum
der landwirtschaftlichen Versorgungsgüter mit dem Rhythmus des
Bevölkerungswachstums nicht schritthalten.
Die unerbittliche Regression nach der Unabhängigkeit Guineas waren im
wesentlichen den überaus ungünstigen ökonomischen Rahmenbedingungen
zuzuschreiben, die aus einem beträchtlich überbewerteten Wechselkurs, einem
durch die Verwaltung festgelegten Preisrückgang in der Produktion, einem
Mißbrauch der Handelsquoten, den Hindernissen für den Privathandel, der gegen
uneinsichtige Staatsmonopole zu kämpfen hatte, und den ungeheuren Subventionen
an die staatlichen Unternehmen resultierten. Kleine Bauern, die die große
Mehrheit des ländlichen produzierenden Gewerbes darstellten, waren gezwungen,
autark zu leben, und versuchten, wenn es irgend möglich war, heimlich ihre
Erzeugnisse in die Nachbarländer zu exportieren. Der Rückgang der nationalen
Produktion hatte einen raschen Anstieg von Nahrungsmittelimporten zur Folge, mit
denen ausschließlich die urbane Bevölkerung versorgt werden mußte.
Der Anteil der Bergbauindustrie am BIP blieb indessen unter 10%. Der
Bergbausektor setzte sich damals aus gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften mit
ausländischem Anteil zusammen, im wesentlichen bestehend aus 3
Bauxitgesellschaften sowie je einer Gold- und Diamantengesellschaft(130).
Darüber hinaus lockten die teilweise noch unerforschten Gold- und
Diamantvorkommen in Ober- und Waldguinea Tausende von Menschen an, die ihr Glück
im handwerklichen Schürfen versuchten.
Tabelle 16: Anteil der Bauxit/Aluminaausfuhr am Gesamtexport 1982-85 (in %).
1982 | 1983 | 1984 | 1985 | |
Bauxit/Aluminaanteil an Gesamtexport (%) | 96,5 | 98,1 | 98,5 | 96,4 |
(Quelle: HILLEBRANDT/WEIMER 1988, S. 38)
Am Ende der 70er Jahre erfuhren die Bauxitexporte einen rapiden Anstieg und
die Produktion erreichte gegenüber 10,6 Mio t im Jahre 1975 einen Höchststand
von 13 Mio t im Jahre 1980, was einen Anstieg des guineischen Anteils an der
Weltproduktion von 15% auf 17% zur Folge hatte (WB 1990a Bd I, S. 4). So
übernahm der Bergbau in diesen Jahren gegenüber dem Landwirtschaftssektor die
Rolle des zentralen Stützpfeilers der Wirtschaft ein. In der Zeit von 1980 -
1985 kamen im Durchschnitt etwa 30% der Steuereinnahmen und mehr als 95% aller
Exportgewinne aus dem Bergbausektor, obwohl sich sein Anteil am BIP Guineas nur
auf 15% belief und er nur 7000 Beschäftigte aufwies (EBENDA, S. 5).
Diese Zahlen sind ein Beweis für das Ungleichgewicht in der guineischen Ökonomie und die Rolle, die der Bergbausektor in dieser Situation spielt. Tatsächlich war er wohl indirekt erheblich mehr an der Finanzierung von Arbeitsplätzen in der Verwaltung und an Einfuhren von Konsumgütern beteiligt, als an der Steigerung der nationalen Produktions
kapazität und an der Schaffung von Arbeitsplätzen im privaten Sektor
allgemein. Die Minen funktionierten als Enklaven und waren weder willens noch in
der Lage, fruchtbare und produktive Verbindungen mit der übrigen Wirtschaft
einzugehen.
Zu Beginn der 60er Jahre setzte sich die industrielle Basis Guineas aus
einigen wenigen ausländischen Firmen zusammen, die sich noch vor der
Unabhängigkeit im Lande niedergelassen hatten. Die industrielle Produktion
machte weniger als 5% des BIP aus. Im Rahmen des ersten Entwicklungsplanes der
ersten Republik wurde ein ambitiöses Regierungsprogramm ins Leben gerufen,
welches die Gründung von 20 staatseigenen Firmen vorsah. Mit Ausnahme der
Herstellung von Ananaskonserven, Öl aus verschiedenen Basisstoffen und Chinin
war die Produktion der übrigen Unternehmen für den nationalen Markt bestimmt,
der aufgrund der geringen Kaufkraft wenig entwickelt war und sich zudem noch
meist mit der Monopolstellung dieser Unternehmen zufriedengeben mußte. Die
Staatsunternehmen im industriellen Sektor wurden folglich schnell mit den
Problemen ungenutzter Überkapazitäten aufgrund von Rohstoff- und
Ersatzteilmangel sowie fehlendem qualifiziertem Führungs- und Wartungspersonal
konfrontiert.
Mit der Zeit wurden alle noch im privaten Sektor verbleibenden Unternehmen
nationalisiert, und die Aktivitäten des öffentlichen Sektors erfaßten bald
ebenso den Dienstleistungsbereich und die Kommerzialisierung von Konsumgütern.
1984 verfügte Guinea über etwa 130 Handels- und Industrieunternehmen, die
insgesamt ungefähr 100.000 Personen beschäftigten (WB 1990a Bd. I, S. 5). In der
Zwischenzeit jedoch war aufgrund der Unfähigkeit dieser Unternehmen, die
Nachfrage zu befriedigen, der informelle Sektor zur wichtigsten Quelle in der
Versorgung mit Konsumgütern geworden.
Die rudimentäre Infrastruktur, die Guinea im Augenblick der Unabhängigkeit
geerbt hatte, bestand aus einem wenig entwickelten Straßennetz, einer zu Beginn
des Jahrhunderts erbauten Eisenbahnlinie zwischen Conakry und Kankan(131),
sowie zwei kommerziellen Häfen, in Conakry und Benty(132)
gelegen. Mangelnde Wartung und Instandhaltung hatten schnell eine Degradierung
der Infrastruktur zur Folge, wodurch die Verbindung zwischen Conakry und dem
Hinterland weiter geschwächt wurde. Die Wasser- und Elektrizitätsversorgung
funktionierte zwar in den meisten urbanen Zentren, aber ihre Anlagen,
Einrichtungen und Ausrüstungen waren mehr und mehr veraltet und wurden nicht
erneuert. Die Nutzungsgebühren wurden selten angeglichen und die Ausgleichsrate
von Rechnungen blieb hoffnungslos niedrig. Der öffentliche Dienst litt unter
erheblichen Führungsproblemen, resultierend aus einer inkompetenten und
korrupten Direktion. Die großen Bergbaugesellschaften kapselten sich von diesen
desolaten Zuständen ab, indem sie sich ihr eigenes Transportsystem aufbauten und
dessen Unterhaltung selbst durchführten und überwachten.
Eines der Hauptziele der ersten Republik war die Verbesserung des Sozialsystems. In diesem Bestreben wurde jedem Bürger der Zugang zu einer kostenlosen Ausbildung verschafft. Zwischen 1955 und Anfang 1980 stieg die Zahl der Schüler von 45.000 auf ca. 400.000 an. In der mittleren Schulausbildung sowie in der technischen Berufsausbildung kletterte die Einschulungsquote in dieser Zeit von 30.000 auf 115.000 Schüler (WB
1990a Bd. I, S. 5). Die Zahlen verschleierten jedoch die Mittelmäßigkeit des
Bildungssystems, das unter einem Mangel an qualifiziertem Personal und einer
extremen Politisierung litt. Das System räumte der theoretischen Ausbildung -
die noch dazu eine minderwertige Qualität besaß - zuviel Raum ein, auf Kosten
der praktischen Ausbildung. Das Ergebnis war, daß die diplomierten
Ausbildungsabgänger keinerlei nützliche Kompetenz als Basis vorweisen konnten,
wodurch es für sie immer schwieriger wurde, einen Arbeitsplatz zu finden. Damit
war das Land einem permanenten Mangel an wirklich qualifiziertem Technik- und
Verwaltungspersonal ausgesetzt.
Darüber hinaus hatten die Universitätsabgänger die Garantie erhalten, daß sie
am Ende ihres erfolgreich abgeschlossenen Studiums einen Arbeitsplatz
zugesichert bekämen. Infolge der quasi Nichtexistenz eines
privatwirtschaftlichen Sektors, der die Berufsanfänger hätte auffangen können,
wurde der Staat durch dieses Versprechen gezwungen, ständig Einstellungen
vorzunehmen. Infolgedessen wuchs am Ende der 70er Jahre die Einstellungsrate für
den Staatsdienst jährlich um 7-10%.
Von 1965 - 1979 wurden die Beamtengehälter eingefroren. Erst im Juli 1980 kam
es zu einer Anhebung der Gehaltszahlungen von ca. 16%. Während dieser Zeit
versuchte die Regierung, die langsame Entwertung der Gehälter durch eine strikte
Preiskontrolle und Limitierung des Konsumgüter- und Dienstleistungsangebots
aufzufangen. Doch anstatt den Kaufkraftverlust zu lindern, führten eine
verfehlte Geldpolitik sowie Produktionsboykotts der Bauern zu einer Verknappung
von Nahrungsmitteln und Gebrauchsgütern, die seit Beginn der 70er Jahre eh einer
strengen Rationierung unterworfen waren. Die unmittelbare Folge war die
Entstehung und schnelle Ausweitung eines Parallel-Marktes sowie die Verbreitung
der Korruption als gesellschaftlich/ökonomische Notwendigkeit.
5.3.4 Die öffentlichen Finanzen - Verschuldung, Subventionen und
unkontrolliertes Haushaltswachstum
Die Steuereinnahmen, die aus dem Bergbausektor kamen, sowie der Transfer
zwischen den staatlichen Unternehmen und der Regierungskasse stellten die
wichtigsten Quellen der Staatseinnahmen dar. Von einem unbedeutenden Prozentsatz
von 1966 stiegen die Steuereinnahmen, die aus den drei Bergbauunternehmen kamen,
auf 33% des Gesamtsteuervolumens im Jahre 1984 an. Dies ist sicherlich nicht
vollständig dem Rückgang des privatwirtschaftlichen Sektors außerhalb des
Bergbaugeschehens zuzuschreiben, sondern vielmehr dem absoluten Wachstum der
Einnahmen aus dem Bergbausektor anzurechnen. Der Anteil des Gewinntransfers der
Staatsunternehmen an den Steuereinnahmen, der 1966 noch 25% ausmachte, ging 1980
auf 15% zurück, eine direkte Folge von Überkapazitäten und gravierender
Rentabilitätsverminderung.
Tabelle 17: Staatshaushalt der I. Republik von 1964-68 (in Mrd. FG).
Haushalt/Jahr | 1964 | 1965 | 1966 | 1967 | 1968 |
Ordentlicher Haushalt(1) | 11,7 | 22,6 | 25 | 29,6 | 32,1 |
Davon: Personalausgaben | 4,9 | 11,1 | 9,5 | 10,3 | 11,2 |
Sachausgaben(2) | 1,8 | 0,9 | 3,9 | 4,7 | 4 |
Subventionen | 1,9 | 0,5 | 0,7 | 0,1 | 0,1 |
(1) Ohne Regional- und Entwicklungshaushalte, Haushaltsjahr: 1.
Oktober des vorhergehenden bis 30. September des angegebenen Jahres.
(2) Einschließlich Instandhaltung.
(Erarbeitet nach: StLKB 1969, S. 21; StLKB 1973, S. 26; StLKB 1975, S. 22)
Der Transfer der Überschüsse geschah größtenteils zugunsten der staatlichen Handelsmonopolgesellschaft IMPORTEX, die durch das Privileg, Zugang zu überbewerteten Devisen zu haben, durch hohe Margen auf den Importen sowie geringe Unterhaltungs-, Instandsetzungs- und Erneuerungsausgaben erhebliche nominale Profite erzielen konnte(133). Während der ganzen Regierungszeit der I. Republik wurde der Bedarf an Importprodukten im Rahmen eines allgemeinen Jahresimportprogramms der IMPORTEX formuliert, obwohl die für die Realisierung von Investitionsplänen und öffentlichen Unter-
nehmen benötigten Einfuhren direkt durch den Staat oder die betroffenen
Unternehmen getätigt wurden.
Es ist anzunehmen, daß zwischen 1966 und 1980 die Staatsausgaben in einem
Rhythmus von mehr als 10% gegenüber den Einnahmen zugenommen haben (WB 1990a Bd.
I, S. 7). Trotz ihres extrem niedrigen Niveaus nahmen die Gehälter der
Staatsbediensteten aufgrund ihrer Masse 30 - 50% der Gesamtausgaben ein.
Der Staatshaushalt wuchs in der Aufbau- und Konsolidierungsphase der I.
Republik rapide an und hatte 1968 schon das Dreifache des Haushalts von 1964
erreicht. Die Haupteinnahmequellen stellten die Einkommens- und Vermögenssteuern
sowie die Außenhandelssteuern (Einfuhrzölle) dar. Neben den Personal- und
Sachausgaben nahm der Schuldendienst einen immer bedeutenderen Rang in der
Ausgabenstruktur ein, da die externe Verschuldung gerade in den von
Investitionen im Bergbau geprägten 70er Jahren erheblich zunahm.
Grafik 7: Äußere Verschuldung Guineas 1965-84 (in Mill. US$).
1984 betrugen die öffentlichen Auslandsschulden etwa 1,66 Mrd. US$. 62% davon
entfielen auf bilaterale Kredite, während 26% von multilateralen
Finanzierungsinstituten gestellt wurden. Unter den bilateralen Kreditgebern
hatte die Sowjetunion mit ca. 43% den größten Anteil. Es folgten China mit 21%,
die USA mit 9% und Saudi-Arabien mit 8% (StLB 1987, S. 56).
Mitte der 70er Jahre konsolidierte sich der Haushalt, da sich zu dieser Zeit die wirtschaftliche Lage aufgrund der Aktivitäten der Bauxitgesellschaften stabilisiert hatte. In dieser Phase konnten sogar Überschüsse erwirtschaftet werden, die in den darauffolgenden Haushalt flossen. Die Bauxitkrise zu Beginn der 80er Jahre forderte eine drastische Erhöhung des Haushaltes, dessen Bilanz deutlich negativ wurde.
Tabelle 18: Staatshaushalt der I. Republik von 1976-84 (in Mrd. Syli(1)).
Jahr(2) | 1976 | 1977 | 1978 | 1979 | 1980 | 1981 | 1982 | 1983 | 1984 |
Einnahmen | 10,7 | 9,2 | 10,1 | 9,7 | 9,7 | 12,7 | 17,8 | 10,2 | 11 |
Ausgaben | 9,7 | 7,9 | 7,5 | 14,8 | 10,8 | 15,1 | 23,3 | 15,3 | 13,3 |
Saldo | 1 | 1,3 | 2,6 | -5,1 | -1,1 | -2,4 | -5,5 | -5,1 | -2,3 |
Ausgaben: | |||||||||
Personalausgaben | 2 | 2,2 | 2,4 | 2,8 | 3,4 | 3,9 | 4,3 | 4,6 | 5 |
Sachausgaben | 0,9 | 0,8 | 1,1 | 1,8 | 2,3 | 1,8 | 4,6 | 0,8 | 1,8 |
Subventionen | 0,2 | 0 | 0,1 | 0,3 | 0,4 | 1,4 | 6,5 | 6,5 | 3,9 |
(1) Bis 30.09.1972 Franc Guinéen (FG), danach Syli Guinéen (SG).
(2) 1976 12-Monatshaushalt ohne Terminangabe, Teil des durch Umstellung auf das Kalenderjahr über 15 Monate laufenden Haushalts (10/75-12/76), ab 1977 Kalenderjahre.
(Erarbeitet nach: StLKB 1983; StLKB 1985; StLB 1987 ).
Den größten Anteil an den Steuereinnahmen hatten nach wie vor die
Außenhandelsabgaben mit durchschnittlich 55%(134)
Sie setzten sich zu 56% aus der Mineralexportsteuer und zu 43% aus
Einfuhrsteuern zusammen. Es wird geschätzt, daß das Staatsbudget in der Zeit von
1976 - 1981 eine Schuldenlast von 11,6 Milliarden Sylis(135)
akkumuliert hatte, was einen jährlichen Durchschnitt von 8% des BIP bedeutete.
Dieses Defizit war hauptsächlich dem Ungleichgewicht zwischen dem
Nettotransferniveau zugunsten der staatlichen Unternehmen und dem progressiven
Anstieg der Staatsführungskosten zuzuschreiben. Gerade in den letzten Jahren der
I. Republik nahmen die Subventionsleistungen für die maroden Staatsbetriebe
bedenkliche Dimensionen an, deren Finanzierung überwiegend durch Anleihen im
Ausland und eine erhöhte Geldmittelproduktion gesichert werden mußte.
5.3.5 Schlußbilanz eines gescheiterten
Wirtschaftszentralismus
Die wesentlichen Charakteristika der in der I. Republik geführten Wirtschaftspolitik waren:
1. die Kollektivierung und Zentralisierung industrieller und landwirtschaftlicher Produktionskapazitäten, ein Staatsmonopol im Handel und in der Güterverteilung;
2. die Interventionspolitik und die Kontrolle durch den Staat bzw. die Partei zu jeder Zeit und in jedem Bereich;
3. der Mangel an Unterstützung für die Entwicklung des privatwirtschaftlichen Sektors, seine Diskriminierung und schließlich seine Unterdrückung;
4. Die Preiskontrolle und Subventionspolitik mit ihren zerstörerischen Auswirkungen auf die Beziehung zwischen städtischen Agglomerationen und ländlichem Raum;
5. und die protegierte Monopolstellung der staatlichen Betriebe und Unternehmen.
Die Wirtschaft:
Die guineische Wirtschaft war in ihrer Funktionsweise in einen den Staat, seine Unternehmen und die Bergbaugesellschaften umfassenden offiziellen Teil sowie einen in-
offiziellen Teil, den informellen Sektor, untergliedert. Der offizielle Teil steuerte nur etwa ein Viertel des BIP bei und beschäftigte rund 90 - 100.000 Personen in der Verwaltung und in den Staatsbetrieben (BAH, S. 1990, S. 2). Es gab insgesamt 178 staatliche Unternehmen, die das Monopol in allen Produktionssektoren(136) sowie im Dienstleistungs-, Banken- und Versicherungsbereich besaßen. Die übrigen drei Viertel des BIP wurden vom informellen Sektor erwirtschaftet. Er befriedigte 80% der urbanen und nahezu 100% der ländlichen Nachfrage an Gütern und Dienstleistungen.
Der Banksektor:
Es waren 6 Staatsbanken für die Aktivitäten in den verschiedenen Wirtschaftssektoren gegründet worden, die als Dependance der guineischen Zentralbank arbeiteten. Infolge der stetigen Verringerung ausländischer Anlagen und ihres permanenten Liquiditätsmangels waren die Banken von einer ständigen Zahlungsunfähigkeit bedroht. Die Währung war mit einem offiziellen Wechselkurs von 25 GS für 1 US$ gegen 300 GS für 1 US$ auf dem Parallel-Markt hoffnungslos überbewertet.
Die öffentlichen Finanzen:
Gegen die permanente Verminderung der Staatseinnahmen standen wachsende
Subventionsleistungen für die Unternehmen und Betriebe der öffentlichen Hand,
die zudem durch Unproduktivität, Überkapazitäten und schlechtes Management die
Einnahmen im Zoll- und Steuerbereich zusätzlich schmälerten. Die öffentlichen
Investitionen erwiesen sich als ungenügend, zu zentralisiert verwaltet und zu
unausgewogen auf die verschiedenen Wirtschaftszweige verteilt.
Das Modell der zentralisierten Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft
war zum Scheitern verurteilt, da weder angemessene Verwaltungskapazitäten, noch
das nötige Führungspersonal zur Verfügung standen, um eine zentrale
Planwirtschaft in die Wirklichkeit umzusetzen. Das Versagen der guineischen
Wirtschaftspolitik war begleitet von schweren Menschenrechtsverletzungen, von
der Nötigung und Unterwerfung der Bevölkerung durch ein Terrorregime, in dem
jede Diskussion und Privatinitiative untersagt war. Zahlreiche guineische
Bürger, deren Kompetenzen dem Land hätten nützlich für seine Entwicklung sein
können, flüchteten außer Landes oder wurden ins Gefängnis geworfen und
verschwanden. Das fast gänzliche Untersagen von Aktivitäten im
privatwirtschaftlichen Sektor trug zur Veruntreuung und Vergeudung öffentlicher
Mittel bei, und führte zur Förderung von Korruption und der Herausbildung einer
Verhaltensweise zur alleinigen Sicherung des persönlichen Vorteils.
Im Augenblick der Unabhängigkeit war Guinea ein armes Land, das dennoch ein bedeutendes Produktionspotential besaß, in dem die landwirtschaftlichen Produzenten noch relativ wirkungsvoll in die Volkswirtschaft integriert waren. Die guineische Wirtschaft der 80er Jahre hingegen war äußerst fragmentiert ausgebildet und sein Potential immer noch in großem Maße ungenutzt. Ein quasi autarker Landwirtschaftssektor lebte mit einer urbanen Bevölkerung einher, die fast ausschließlich von den Erträgen des Bergbausektors abhing, und dessen Aktivitäten sich hauptsächlich auf die Entwicklung des Parallel-Marktes oder eines völlig unproduktiven öffentlichen Sektors konzentrierten(137).
Tabelle 19: Ausgewählte Wirtschaftsindikatoren für Guinea 1984.
Grunddaten | ||
Fläche (km2) | 246000 | |
Bevölkerung | 5924000 | |
Bevölkerungswachstum (%) | 2,8 | |
BIP pro Kopf (US$) | 3000 | |
Wachstum des BIP pro Kopf (%, 1980 - 1985) | -0,8 | |
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (1) | ||
BIP (Wachstum in %) | 1,6 | |
Davon. Landwirtschaft | 1,7 | |
Industrie | 1,6 | |
Handel und Dienstleistungen | 1,4 | |
Landwirtschaft (in % des BIP) | 41,2 | |
Industrie (in % des BIP) | 13,1 | |
Handel und Dienstleistungen (in % des BIP) | 32,4 | |
Öffentliche Finanzen | ||
Einnahmen (in % des BIP) | 21,5 | |
Ausgaben | 21,9 | |
Zahlungsbilanz (in Mill. US$) | ||
Warenverkehr (fob): Import | 438 | |
Export | 532 | |
Saldo der Handelsbilanz | 94 | |
Saldo der Dienstleistungsbilanz und private Übertragungen | -171 | |
Saldo der staatlichen Übertragungen | 19 | |
Saldo der Leistungsbilanz | -58 | |
Fremdinvestitionen | 34 | |
Mittel- und langfristige Kredite | -30 | |
Kurzfristige Kredite | -12 | |
Ungeklärte Beträge | -12 | |
Gesamtzahlungsbilanz | -78 | |
Beschäftigte(2) | (in 1000) | (in %) |
Landwirtschaft | 2022 | 82 |
Industrie und Bergbau | 271 | 10,98 |
Handel und Dienstleistungen | 173 | 7,02 |
Gesamt | 2466 | 100 |
Produktivität der Beschäftigten (pro Kopf) | (in US$) | (in %) |
Landwirtschaft | 351 | 51,85 |
Industrie und Bergbau | 1343 | 198,38 |
Handel und Dienstleistungen | 3445 | 508,86 |
Gesamt/Durchschnitt | 677 | 100 |
Produktion | (in Mill. US$) | (in %) |
Landwirtschaft | 710 | 42,38 |
Industrie und Bergbau | 383 | 22,86 |
Handel und Dienstleistungen | 582 | 34,75 |
Gesamt | 1675 | 100 |
(1) Jährliche Wachstumsrate zu konstanten Preisen von 1982.
(2) 1985.
(3) Ausgleich durch Um- und Weiterverschuldung.
(Erarbeitet nach: WB 1986a, S. 33ff.; StLB 1989, S. 76)
Die Bauxitexporte erlaubten in einem gewissen Rahmen die Konsumfinanzierung, doch kaum etwas von den Exporteinkommen wurde für rentable Investitionen eingesetzt, folg-
lich stagnierte die restliche Wirtschaft. Indessen zwangen die wachsende
Unproduktivität der öffentlichen Hand und der Rückgang der Steuereinnahmen und
Deviseneinkünfte aus dem Bergbausektor das Land zur Verbrauchseinschränkung.
Eine tiefgreifende Staats- und Wirtschaftsreform erwies sich als
unabdingbar.
5.4 Willensstarker Aufbruch mit schwerer Erblast: die II.
Republik
Geführt vom Gefühl des Aufatmens und der Befreiung der Gewaltherrschaft Sékou
Tourés, von einem überschwenglichen Optimismus und Unternehmergeist sowie von
der Aussicht auf eine kommende Liberalisierung der Märkte und der
internationalen Öffnung wurden umfangreiche Anleihen getätigt, um die
stagnierende volkswirtschaftliche Entwicklung endlich vorantreiben zu können.
Dies geschah zunächst ohne entsprechende Planung und Vorbereitung, so daß die
Rentabilität der Investitionen fraglich blieb.
Infolge des Mißmanagements, der mangelnden Wartung und Instandhaltung sowie
der ungenügenden Rohstoffzufuhr befand sich der Großteil der Produktionsanlagen
außer Funktion. Noch tätige Betriebe, nur einen Bruchteil ihrer Kapazität
nutzend, versuchten ihre Verluste dadurch auszugleichen, daß sie einen
erheblichen Teil ihrer Produkte auf dem Parallel-Markt zu dem dort herrschenden
Kurs verkauften(138).
Längst war offensichtlich, daß die für die Unternehmen zur Rohstoffeinfuhr
benötigte Devisenmenge bei weitem diejenige übertraf, die nötig gewesen wäre, um
die von diesen Unternehmen produzierten Güter direkt zu importieren. Diese
negative Bilanz ergab sich aus der Tatsache, daß nur ein geringer Teil der
zugeteilten Devisen von den Unternehmen tatsächlich auf den Rohstoffimport
verwandt wurde und nur ein Teil der Produktion auf dem Markt erschien. Große
Mengen der Produktion wurden von den Angestellten als Ausgleich für die geringen
Löhne einbehalten.
Die als nahezu anarchistisch zu bezeichnende Situation im Finanzsektor,
charakterisiert durch Liquiditätsausfall der Banken, wachsende Verschuldung und
galoppierender Inflation, zwang die Regierung zu radikalen Wirtschafts-, Finanz-
und Verwaltungsreformen, die mit Hilfe des IWF und der internationalen
Entwicklungshilfe ausgearbeitet und vollzogen werden sollte. Nach Gesprächen mit
Vertretern aus den einzelnen Wirtschaftssektoren(139)
erstellte die neue Regierung unter Mithilfe der Vereinten Nationen ein erstes,
vorläufiges Programm für den nationalen Wiederaufbau(140).
Dieser Vorläufer, der neben einer makroökonomischen und sektoralen
Bestandsaufnahme und Analyse eine erste Entwicklungsstrategie und ein
Investitionsprogramm enthielt, bildete die Grundlage für das nachfolgende
Programm zur Reformierung von Staat und Wirtschaft.
5.4.1 Die Basis: Einleitung grundlegender Wirtschafts- und
Finanzreformen
Am Ende des Jahres 1985 stellte die Regierung sein in enger Zusammenarbeit mit dem IWF, der Weltbank und der internationalen Entwicklungshilfe erarbeitetes, endgültiges
Wirtschafts- und Finanzreformprogramm(141)
vor. Das Hauptziel dieses Programms lag in der grundlegenden Restrukturierung
der guineischen Ökonomie durch die Aufhebung der staatlichen Wirtschaftslenkung
zugunsten einer Wiederbelebung des privatwirtschaftlichen Sektors sowie in der
Reorganisation des staatlichen Verwaltungsapparates.
Mit der Einführung einer liberalen Politik sollten die lange Zeit
unterdrückten und ungenutzten Kräfte des Landes mobilisiert werden, damit die
Produktivkräfte des Landes wieder voll entfaltet werden können. Dazu sollte ein
progressiver Ausgleich der Wirtschaftssektoren im Hinblick auf Investitionen und
Produktion zugunsten der Landwirtschaft und des Fischereiwesens erfolgen. In
einer ersten Etappe sollte das Land zum Selbstversorgungsstatus zurückfinden, um
dann in einer zweiten Etappe der Mehrproduktion landwirtschaftliche Erzeugnisse
exportieren zu können und somit unabhängiger von den schwankungsanfälligen
Bauxitexporten zu werden. Eine besondere Bedeutung sollte der verstärkten
Integration in die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft beigemessen werden.
Das Reformprogramm war in drei aufeinander aufbauende Phasen gegliedert, die
im Rahmen des Modells der strukturellen Anpassung des IWF und der Weltbank
durchgeführt werden sollten(142).
Die ersten beiden Phasen (1986-88 und 1989-91), die die Basisreformen in
Wirtschaft und Verwaltung einleiteten, erhielten die Unterstützung der
internationalen Gebergemeinschaft, dessen Rückgrat zwei
Strukturanpassungskredite der Weltbank (1986: 42 Mill. US$ und 1988: 65 Mill.
US$) und eine Strukturanpassungshilfe des IWF (1987: 36,6 Mill. US$) bildeten
(WB 1986a, S. 1; WB 1988a, S. 1). In der dritten Phase (1991-94), durch den IWF
mit einer zusätzlichen Strukturanpassungshilfe von 79,9 Mill. US$ finanziert
(EIU CR 1/92, S. 18), sollten dann die Reformergebnisse konsolidiert, die
Wirtschafts- und Finanzpolitik weiter stabilisiert werden.
Andere bi- und multilaterale Entwicklungshilfepartner waren vorwiegend an der
Finanzierung der die Reformen unterstützenden und begleitenden
Entwicklungsprogramme in den einzelnen Wirtschafts- und Sozialsektoren
beteiligt. Im ersten Abschnitt des Reformprogramms (1985-88) war eine
Schocktherapie für die guineische Wirtschaft vorgesehen, die durch radikale
Maßnahmen zur massiven Entwertung der Landeswährung, zur Preis- und
Handelsliberalisierung, zur Privatisierung der staatlichen Unternehmen sowie zur
Verkleinerung und Effizienzsteigerung des Verwaltungsapparates vollzogen werden
sollte.
5.4.2 Phase I (1985 - 1988): Liberalisierung und
Verwaltungsreform
Die Geldentwertung
Am Ende des Jahres 1985 begann die guineische Regierung, in den Banken Schalter für den täglichen Devisenumtausch mit dem um 1500% abgewerteten Syli einzurichten. Am 28. Januar 1986 lag dann der offizielle Wechselkurs nur noch um 16% unter dem des Pa-
rallel-Marktes (WB 1990a, S. 13). Ein System der wöchentlichen Devisenversteigerungen durch die Zentralbank zu einem von ihr zuvor festgelegten Kurs hatte sich inzwischen bewährt. Um den Devisenmarkt kontrollieren zu können, mußten Privatunternehmer ihre Devisennachfrage gegenüber der Zentralbank durch eine Beschreibung der zu importierenden Güter nach Typ, Menge und Wert rechtfertigen(143).
Nach dieser ersten Entwertung gab der guineische Franc, der mittlerweile den Syli im Verhältnis 1:1 ersetzt hatte, gegenüber dem US$ im selben Jahr um 18%, 1987 um weitere 11% nach. Die Zentralbank setzte sich nun zum Ziel, die Marge zwischen dem offiziellen Wechselkurs und dem des Parallel-Marktes nicht die 10%-Marke überschreiten zu lassen, was im großen und ganzen gelang(144).
Der Devisenverkauf der Zentralbank stieg im Zeitraum von 1986 bis 1988 um
durchschnittlich 60% im Jahr. Der Deviseneinkauf, der im Jahre 1986 ca. 14% des
Verkaufsvolumens betrug, versiebenfachte sich bis 1989 und erreichte nunmehr 39%
des Verkaufs. Die negative Bilanz des Devisenan- und -verkaufs der Zentralbank
wurde hauptsächlich mit den Steuereinnahmen aus dem Bergbausektor und den
internationalen Finanzhilfen zur Regulierung der Zahlungsbilanz ausgeglichen.
Tabelle 20: Devisenhaushalt Guineas 1987 - 1989 (in Mill. US$).
Jahr | 1987 | 1988 | 1989 | ||||||
Haushaltsmodus | N(1) | A(2) | S(3) | N | A | S | N | A | S |
Öffentlicher Dienst | 304 | 270,6 | -33,3 | 375,7 | 257,2 | -119 | 403,7 | 276 | -127,7 |
Direktimporte d. Reg. | 56,6 | 0 | -56,6 | 56,2 | 0 | -56,2 | 55,9 | 0 | -55,9 |
Staatl. Unternehmen | 57,9 | 80,3 | 22,4 | 47,5 | 83,4 | 35,9 | 45,6 | 76 | 30,4 |
Staatsschulden | 189 | 0 | -189 | 272 | 0 | -272 | 302,2 | 0 | -302,2 |
Steuern Bergbausektor | 0 | 177,5 | 177,5 | 0 | 151,8 | 151,8 | 0 | 185,3 | 185,3 |
Andere Einnahmen | 0 | 12,8 | 12,8 | 0 | 22 | 22 | 0 | 14,7 | 14,7 |
Privatwirtschaftl. Sektor | n.bek. | n.bek. | -47,2 | n.bek. | n.bek. | -78,5 | n.bek. | n.bek. | -90,3 |
Devisenversteigerung | 133 | 35,8 | -97 | 221,9 | 63,3 | -159 | 229,1 | 89,1 | -140 |
Sonstige | n.bek. | n.bek. | 49,8 | n.bek. | n.bek. | 80,1 | n.bek. | n.bek. | 49,7 |
Zahlungsbilanzausgleichshilfe | 0 | 67,9 | 67,9 | 0 | 54,9 | 54,9 | 0 | 94,1 | 94,1 |
Veränderung der Auslandsreserve(4) | 0 | 0 | -43,2 | 0 | 0 | 22,4 | 0 | 0 | -39,7 |
Akkumulation der ausländischen Rückstände | 0 | 0 | 24 | 0 | 0 | 76 | 0 | 0 | 16,2 |
Umschuldung | 0 | 0 | 31,8 | 0 | 0 | 43,7 | 0 | 0 | 147,4 |
(1) Nachfrage.
(2) Angebot.
(3) Saldo.
(4) - = Akkumulation. (Quelle: WB 1990a Bd. I, S. 16)
Obwohl die Freigabe des Devisenmarktes große Summen für den Warenimport
mobilisierte(145),
und damit wesentlich zu einer ersten Stimulierung der privatwirtschaftlichen
Aktivitäten beigetragen hatte, blieben privater und öffentlicher Sektor
weiterhin defizitär (Tab. 20). Die Beständigkeit des neuen Devisensystems war
sehr stark abhängig von der äußeren Unterstützung zum Ausgleich der
Zahlungsbilanz, der Verschuldungslage sowie der allgemeinen Situation des
staatlichen Devisenhandels(146).
Als im Laufe des Jahres 1988 feststand, daß die Zahlungsbilanz der
Devisennachfrage nicht standhalten konnte, glich die Zentralbank den
Devisenmangel eher aus ihren Reserven aus, als daß sie noch einmal eine
Entwertung riskierte. Dies bedeutete letztendlich eine reale Aufwertung des
guineischen Franc gegenüber dem US$(147).
Nichtsdestoweniger wog die negative Bilanz des Devisenhaushaltes immer schwerer
auf den Gesamthaushalt und betrug 1988 etwa 10% des BIP (WB 1990a Bd. I, S. 17).
Die Währungs- und Bankenreform
Nachdem die strengen Restriktionen, die unter dem alten Regime auf den staatlichen Banken lasteten, nunmehr aufgehoben waren, nahm das Volumen der Transaktionen
merklich zu. Gleichzeitig führte jedoch die zunächst konzeptlose
Übergangszeit oftmals zu zweifelhaften und unseriösen Praktiken in den Banken,
da die Furcht vor schweren Sanktionen abnahm. Mit dem Beginn des Reformprogramms
wurden die Staatsbanken geschlossen und deren Liquidierung eingeleitet. Die
privaten Konten wurden zunächst eingefroren und dann allmählich abgebaut, um das
Inflationsrisiko so gering wie möglich zu halten. Die Konten der öffentliche
Hand wurden aufgelöst. Die Regierung entschloß sich, die Staatsbetriebe fortan
mit Direktinvestitionen zu unterstützen(148).
Indessen begann mit der Auflösung der Staatsbanken gleichzeitig der Aufbau
eines privaten Banksektors(149).
Im März 1985 wurde ein neues Bankengesetz verabschiedet (WB 1990a Bd. I, S. 16).
Im September darauf erhielt die Zentralbank in einem weiteren Gesetzesbeschluß
das Recht zur Geldmittelproduktion und -ausgabe zurück, das sie 5 Jahre zuvor
verloren hatte. Doch sahen diese Gesetze weder einen Mechanismus zur Kontrolle
der Banken vor, noch legten sie Vorsichtsmaßregeln im Geld- und Kreditverkehr
fest, die die Banken hätten respektieren müssen.
Die Verhandlungen der guineischen Regierung mit dem französischen Banksektor schritten fruchtbar voran, und schon ab August 1985 öffneten, gestützt von bedeutenden französischen Mutterbanken, 3 Handels- und Geschäftsbanken ihre Filialen in Conakry(150). Dieser wichtige Schritt zur Verwirklichung der Reformen wurde nur durch erhebliche Steuerbefreiungen zugunsten der Banken möglich. Indessen stellte die Tatsache, daß der Staat Aktionär von 2 Banken wurde, einen Unsicherheitsfaktor dar, der das Risiko einer staatlichen Einflußnahme erhöhte(151).
Die im Januar 1986 durchgeführte Währungsreform stellte einerseits einen symbolischen Akt dar, der das Vertrauen in das Finanzsystem wiederherstellen sollte, andererseits konnte damit die sich im Umlauf befindende Geldmasse genau bestimmt werden. Mit der Wiedereinführung des guineischen Franc (FG) wurden die während der I. Republik durchgeführten 4 Währungsreformen die durch ihre entwertende Wirkung als ein Zeichen der Verarmung des guineischen Volkes gedeutet wurden, praktisch annuliert. Mit der Schaffung des neuen Bankensystems auf privatwirtschaftlicher Basis und unter liberaler und moderater Führung der Zentralbank konnten drei für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes vorrangige Ziele erreicht werden: die Mobilisierung nationaler finanzieller Ressourcen, die Etablierung eines Kreditflusses für den privatwirtschaftlichen Sektor sowie die Wiederherstellung des Vertrauens der guineischen Öffentlichkeit in das Bankensystem.
Die Liberalisierung des Handels
Zu Beginn der II. Republik blieb die guineische Handelspolitik zunächst überaus protektionistisch. In der Regel lagen die Schutzzölle bei über 100%, doch die Spannbreite reichte von 0 - 1000%. Die Schutzwirkung dieser Zölle für die nationale Produktionsstruktur war aus mehreren Gründen fragwürdig:
1. Selbst wenn die Zölle zunächst einen effektiven Schutz geboten hatten, so wurde ihre Wirksamkeit durch die hohe Überbewertung des Syli aufgehoben.
2. Der größte Teil der nationalen Produktion, der in Konkurrenz zu den fremdländischen Importen stand, kam aus dem öffentlichen Sektor, in dem diese Schutzmaßnahmen offensichtlich wenig Einfluß auf Investitionsentscheidungen hatten.
3. Darüber hinaus unterlagen die für den privatwirtschaftlichen Sektor
außerhalb des Bergbaus bestimmten Importe strengen Limitierungen, was Schmuggel,
Korruption und Betrug auf der Zollebene favorisierte(152).
Vor allem die fehlende Abstimmung zwischen der Zollpolitik und der
Entwicklungsstrategie für die nationale Wirtschaft wirkte sich
entwicklungshemmend aus: für bestimmte Produktionszweige erwiesen sich die
Schutzzölle als zu hohe Barrieren für eine fruchtbare Entwicklung, für andere
wiederum waren sie zu gering, um gegen das Importangebot zu bestehen(153).
Am 15. Januar 1986 erfolgte schließlich eine umfassende Zollreform. Ein
Grundzoll von 10% für alle Importe wurde erhoben, begleitet von weiteren 5% für
einige grundlegende Konsumgüter und landwirtschaftliche Produkte sowie 20-30%
für Luxusgüter.
Diese vorsichtigen Maßnahmen hatten zunächst eine Testfunktion und dienten im
Rahmen einer Integrationsstrategie aller wichtigen Wirtschaftselemente in die
neue liberale Orientierung für eine genaue Situationsanalyse im Zollsektor.
Schließlich war die Reaktion der nationalen Ökonomie auf die Währungsentwertung
und die Reformen im Geld- und Bankensystem nur bedingt vorauszusehen. Des
weiteren spielte die Rücksichtnahme auf die begrenzte Effizienz und Disziplin im
Zolldienst eine Rolle, denn ein Basiszoll von mehr als 10% hätte sowohl eine
Verminderung der Zolleinnahmen als auch eine Beflügelung von
Schmuggeltätigkeiten und Korruption riskiert.
Die Abschaffung der Preiskontrolle.
Zusammen mit ihren Monopolen über den Warentransport, ihre Lagerung und Verladung gab die guineische Regierung ihre Politik der strikten Preiskontrolle 1986 auf. Dieser Reformschritt hatte zunächst keine bedeutende Wirkung bezüglich der ökonomischen Entwicklung, da der größte Teil des Handels und Warenaustausches über die Kanäle des Parallel-Marktes lief, der sich nach den jeweiligen Marktpreisen richtete. Nichtsdestoweniger war diesem Schritt hin zur Legitimierung des privatwirtschaftlichen Handels eine enorme Bedeutung beizumessen. Vor allem im Agrarsektor erhoffte man sich eine Wiederbelebung der Produktion für den Markt, die ganz besonders unter den oktroierten offiziellen Niedrigpreisen gelitten hatte.
Dennoch behielt sich die Regierung die Preikontrolle in einigen wichtigen Bereichen vor, wie z.B. für das Grundnahrungsmittel Reis. Ebenso blieben die festgesetzten Preise der größten Staatsunternehmen für den Vertrieb und die Verteilung von Mineralölprodukten, Elektrizität und Wasser sowie für den urbanen Transport deutlich unter dem realen Ko-
stenniveau. Dies beeinträchtigte die Wettbewerbsbedingungen und belastete
weiterhin den Staatshaushalt.
Die Privatisierung und Restrukturierung der staatlichen Unternehmen.
Ein Teilziel der Reformen beinhaltete die Privatisierung bzw. Auflösung aller
staatlichen Unternehmen aus dem Produktionssektor(154).
Die verbleibenden Unternehmen im Dienstleistungssektor sollten zur Steigerung
ihrer Effizienz einer grundlegenden Restrukturierung unterzogen werden.
Gleichzeitig wurden Maßnahmen zur Verbesserung der diese Unternehmen
überwachenden staatlichen Organe in institutioneller und rechtlicher Hinsicht
eingeleitet. Der Schwerpunkt lag in der Verbesserung der Autonomie jener
Unternehmen unter der besonderen Berücksichtigung einer Stärkung ihres
Bewußtseins für Verantwortlichkeiten. Dazu erfolgte eine Aufwertung der Rolle
ihrer Verwaltungsräte sowie die Einführung einer effektiven Leistungskontrolle.
Innerhalb von 2 Jahren wurden mehr als 80% der vorgesehenen Privatisierungen
und Liquidationen vorgenommen. Von den zu Beginn der Reformen existierenden 131
staatlichen Unternehmen (WB 1990a Bd. I, S. 22) wurden 25 überwiegend aus dem
Industriebereich stammende Betriebe privatisiert, 68 im Handel tätige
Unternehmen aufgelöst. Gemäß Regierungsplänen sollten weitere 20 privatisiert
oder aufgelöst werden. Von den restlichen 18 Unternehmen, die unter der
Kontrolle des Staates bleiben sollten, würden nur 8 unter ihnen noch zu 100% ihm
gehören.
Trotz der beeindruckenden Geschwindigkeit, mit der die erste Phase der
Privatisierungen vorangetrieben wurde, zogen abenteuerliche Konditionen für
gewisse Investoren, der generelle Mangel an Transparenz bezüglich zahlreicher
Privatisierungsvereinbarungen sowie die schleppende Wiederinbetriebnahme der
Unternehmen nach dem Privatisierungsakt schwere Kritik auf sich. Viele der
privatisierten Unternehmen profitierten von erheblichen Steuerbefreiungen. In
einigen Fällen wurde ihnen sogar ein Monopolrecht zugestanden, was dem
Investitionsgesetz deutlich entgegenstand. Neben den Folgen dieser
Sonderbedingungen stellte auch die finanzielle Durchführung des
Privatisierungsprogramms die erhofften wirtschaftlichen Impulse in Frage. Denn
allzuoft wurden die Verkaufsbeträge über lange Zeiträume, oft über Jahre hinweg,
ohne jede Zinslast gestundet. Ausrüstungen und umfangreiche Lagerbestände wurden
dem Investor oft zu einem symbolischen Preis überlassen.
Die Verwaltungsreform
Die neue Rolle des Staates erforderte eine tiefgreifende Reorganisation der
öffentlichen Verwaltung. Es mußte eine inner- und intraministerielle
Umverteilung der Verwaltungsfunktionen erfolgen, und eine deutliche Verbesserung
der Personalführung mußte ebenso realisiert werden wie ein Programm zur
Verminderung und Restrukturierung des Personalkörpers. Die aus der Zeit der I.
Republik stammende Garantie auf einen Arbeitsplatz im Staatsdienst für
Universitätsabgänger wurde 1985 aufgehoben, Einstellungen wurden zunächst
blockiert(155).
Das eigens für die Durchführung der Verwaltungsreform geschaffene Generalkommissari-
at (Commissariat Général à la Réforme Administrative CGRA)(156)
begann zunächst mit einer Angestelltenzählung im öffentlichen Dienst(157).
Die Zählung, durchgeführt zwischen Dezember 1985 und Mai 1986, ergab eine Zahl
von etwa 90.000 Staatsbediensteten (ohne Militär), wovon 72.000 in der
Verwaltung und 18.000 in den Staatsbetrieben beschäftigt waren (WB 1990a Bd. I,
S. 23).
Die Verringerung der Beamtenzahl, begleitet von Restrukturierungsmaßnahmen,
sollte primär zunächst die Effizienz der Verwaltungsstruktur verbessern, als die
Personalausgaben reduzieren(158).
Hierzu wurden für alle Ministerien gleichermaßen neue interne
Verwaltungsstrukturen entworfen, die, sich auf die Realität der vorhandenen
Kapazitäten beschränkend, den neugeordneten und reformzielorientierten
Herausforderungen mit bedeutend weniger Personal begegnen mußten.
In einer ersten Etappe wurde das Personal durch die ausnahmslose Durchsetzung
des Ruhestandsalters von 55 Jahren sowie der Vorruhestandsregelung für Beamte
mit über 30-jähriger Dienstzeit reduziert(159).
Die zweite Etappe sah mehrere Tests zur Überprüfung der allgemeinen Eignung und
Leistungsfähigkeit in allen Ministerien sowie der bereichsspezifischen
Qualifikationen auf der Ebene jedes einzelnen Ministeriums vor. Beamte, die die
Tests nicht bestanden, wurden entlassen.
Nach langwierigen Verzögerungen durch politischen Widerstand einerseits, aber
auch durch die ständige Umgestaltung der Ministerien und die damit verbundenen
Diskussionen um die Festlegung der zu prüfenden fachlichen Kompetenzen
andererseits, waren Ende 1988 25.000 Beamte getestet worden. 53% bestanden die
Tests und behielten ihre Posten. 21% fielen durch und wurden stufenweise
entlassen. Die restlichen 26%, die ebenfalls nicht bestanden hatten, erhielten
den Status der besonderen Verfügbarkeit und bekamen nach entsprechender
Weiterbildung die Möglichkeit zur Wiedereingliederung.
Ein bedeutender Teil des Beamtenapparates, die paramilitärischen Korps (Zoll,
Polizei, Präsidentengarde), nahm nicht an den Tests teil. Dennoch konnte in den
Jahren 1985 bis 1988 die Zahl der Staatsbediensteten von ca. 103.000 auf 71.000
verringert werden. Davon gehörten etwa 15.000 dem Militär an, während weitere
5.000 auf zeitlich begrenzter Vertragsbasis angestellt waren und somit keinen
Beamtenstatus besaßen(160).
Um der Privatwirtschaft die Absorption der entlassenen Staatsbediensteten zu erleichtern, schuf die Regierung ein Hilfsbüro zu deren Wiedereingliederung (Bureau d'Aide à la Re-
conversion des Agents de la Fonction Publique BARAF), dessen Hauptaufgabe
darin bestand, ehemaligen Beamten finanzielle und fachliche Hilfestellung bei
Unternehmensgründungen zu geben. In der Regel konnten dabei deren Renten und
Abfindungen als Sicherheiten eingesetzt werden, um den benötigten Kredit für den
Aufbau des Unternehmens zu erhalten(161).
Ende 1988 waren 1800 Unternehmensprojekte eingereicht worden, 400 von ihnen
wurden Kredite bewilligt. Da jedoch die Unternehmer nach ihrer Existenzgründung
keinen weiteren fachlichen Beistand bekamen, löste sich ein Großteil der
Projekte schnell wieder auf, und die Kredite konnten nicht zurückgezahlt werden.
Tabelle 21: Die Personalreduzierung im Rahmen der Verwaltungsreform 1985-88.
Personalbereiche | Bergbau | Banken | Staatsbetriebe | Ministerien | Militär | Unbestimmt | Gesamt |
Personal Ende 1985 | 6517 | 4394 | 6200 | 70989 | 12700 | 2000 | 102800 |
Ruhestand | -610 | -4090 | -4700 | ||||
Vorruhestand | -380 | -6146 | -6526 | ||||
Freiwillige Abgänge | -2391 | -5985 | -1744 | -10120 | |||
Besondere Verfügbarkeit | -4245 | -4245 | |||||
Vom Beamtenstatus enthoben(1) | -5617 | -5617 | |||||
Weiterzubildendes Personal | -4061 | -4061 | |||||
Einstellungen | +1330 | +2330 | +3630 | ||||
Personal Ende 1989 | 900 | 1013 | 215 | 52033 | 15000 | 2000 | 71161 |
(1) Auf Vertragsbasis weiter angestellt.
(Quelle: WB 1990a Bd. I, S. 27)
Die Beamtengehälter, die seit Jahrzehnten stagnierten, mußten infolge der Währungsentwertung und dem starken Preisanstieg von Nahrungsmitteln (vor allem Reis) und Mineralölprodukten Mitte des Jahres 1986 um 80% auf 15.000 FG monatlich (ca. 43 US$) angehoben werden. Ab 1988 schließlich unterlagen die Beamtengehälter einer mehr oder weniger systematischen Steigerung, angepaßt an die Lebenskostenverteuerung.
Tabelle 22: Gehaltsstruktur des öffentlichen Dienstes 1986-90.
Gehalts- | Personal(2) | Mittl. | BG(3) | Mittl. PR(4) | RG(5) |
Jahr | budget(1) | Verwaltung | Militär | Gesamt | FG/a | FG/m | 1986 = 100 | FG/m(3) |
1986 | 18,2 | 90 | 13 | 103 | 178 | 15 | 100 | 15 |
1987 | 21,3 | 80 | 13 | 93 | 232 | 19 | 137 | 14 |
1988 | 44,7 | 70 | 13 | 83 | 539 | 45 | 174 | 26 |
1989 | 57,2 | 56 | 15 | 71 | 854 | 71 | 223 | 32 |
1990 | 74,9 | 56 | 15 | 71 | 1118 | 93 | 259 | 36 |
(1) In Mrd. FG.
(2) In Tausend. Die Zahlungen bezüglich des militärischen Personals sind Schätzungen.
(3) Bruttogehalt, in Tausend.
(4) Preissteigerungsrate.
(5) Realgehälter.
(Quelle: WB 1990a Bd. I, S. 28)
Die Steuerung der öffentlichen Ausgaben.
Um das Programm der öffentlichen Ausgaben, das zur Zeit der I. Republik nur
aus einer Wunschliste von Investitionen bestand, die willkürlich nach Finanzlage
und ohne jeglichen makroökonomischen Bezug bewilligt wurden, zu rationalisieren,
wurde 1986 zunächst eine Inventur der laufenden Projekte aufgestellt. Kurz
darauf stellte man sämtliche Projekte ohne Nutzen für die Entwicklung des Landes
ein. Ein Jahr darauf wurde das erste öffentliche Investitionsprogramm
vorgestellt(162),
das einen festen Zeitraum von 3 Jahren umfaßte.
Zur besseren Kontrolle der Schuldensituation wurde die Kreditaufnahmebefugnis
auf das Finanzministerium beschränkt. Gleichzeitig schuf man Datenbanken, die
die Schuldenbewegungen registrierten. Eine Umschuldungsvereinbarung mit dem Club
de Paris brachte zudem eine zeitweilige Entlastung der Schuldenfrage. Doch
dauerte es bis 1988, als ein neues Finanzgesetz vorgestellt wurde, das die
Steuerung des Staatshaushalts neu regelte(163).
Maßnahmen zur Mobilisierung ungenutzter Einnahmequellen.
Da während der Ära Sékou Tourés dem privatwirtschaftlichen Sektor gewaltsam
die Hände gebunden waren, gleichzeitig die Gesamtheit der Staatsunternehmen
verlustreich arbeitete, flossen fast ausschließlich Steuereinnahmen und Gewinne
aus dem Bergbausektor in die leeren Staatskassen. Die steuereintreibenden Organe
konnten somit nur eine kleine Rolle wahrnehmen. Zudem breitete sich infolge der
restriktiven Haltung gegenüber des privatwirtschaftlichen Sektors gerade in
ihnen korrupte und betrügerische Bereicherungspraktiken aus. Die II. Republik
erbte schließlich eine durch Desorganisation, Ausbildungsmangel, Ignoranz,
Verantwortungslosigkeit und Korruption gekennzeichneten Zoll- und
Steuerverwaltung.
Nur langsam wurden zu Reformbeginn Maßnahmen zur Straffung des Steuerwesens
getroffen. Ein undurchsichtiger Wirrwarr aus Steuer- und Zollbefreiungen und
Sondervereinbarungen, vor allem bei Regierungsimporten und Gütertransfers im
Rahmen der Privatisierungsaktivitäten sowie organisierte betrügerische
Machenschaften und Korruptionsanfälligkeit stellten die Hauptbarrieren dar(164).
Dennoch brachte die Einführung der Mineralölsteuer zwischen 1986 und 1988
Mehreinnahmen von etwa 10 Mrd. FG ein. Auch im Zollwesen konnten Fortschritte in
den Abwicklungsprozeduren und in der Statistik erzielt werden(165),
ebenso wie die Verständigung zwischen der Steuerbehörde und der Zollverwaltung
verbessert werden konnte.
Die Gesetzesreformen.
Damit der Staat seine neue Rolle in der Volkswirtschaft als Förderer der Privatinitiative erfolgreich wahrnehmen konnte, mußte die bis dahin als restriktiv gegenüber privatwirtschaftlichen Tätigkeiten anzusehende Gesetzgebung revidiert werden. Eine längst fällige
Welle von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien zur Reformierung der
Bereiche Handel (1985), Bankwesen (1985), Bergbau (1986), Investitionen (1987),
Arbeitsrecht (1988) und Finanzbuchhaltung (1989) setzte ein.
5.4.3 Phase II (1989 - 1991): Sanierung des Staatshaushaltes
Nach der Schocktherapie der ersten Phase, die mit ihren Basisreformen eine
richtungsweisende Grundlage für weitere Maßnahmen geschaffen hatte, mußten nun
Detailreformen in zahlreichen Untersektoren und Institutionen sowie weitaus
schwierigere und komplexere Mentalitätswechsel in der Verwaltung und im sich
entwickelnden privatwirtschaftlichen Sektor in Angriff genommen werden.
Fortführung der Verwaltungsreform
Die Neugestaltung einer rationalisierten Verwaltungsstruktur in den
Ministerien und der gleichzeitige Prozeß der Überprüfung und Wiedereinsetzung
des geeigneten Personals erwiesen sich aufgrund der administrativen Trägheit als
langwieriger als erwartet(166).
Nachdem eine neu eingerichtete, zentrale Datenbank für alle staatlichen
Bediensteten eingerichtet war, legten die meisten Ministerien noch interne
Personalregister an, um die Kontrolle weiter zu verbessern.
Eine Gehaltsreform im April 1989 glich Unebenheiten und Ungerechtigkeiten in
den realen Beamtengehältern mittels einer neuen, ausgewogenen
Berechnungsgrundlage aus. Vormals leichtfertig genehmigte Zuschüsse wichen
leistungs- und problemorientierten Prämien. Außerdem wurde das mittlere
Monatsgehalt um weitere 23% auf 71.000 FG angehoben (ca. 120 US$). Ziel dieser
Maßnahmen war die Effizienzsteigerung des Personals durch Anreize, bessere
Betreuung und Kontrolle sowie die Bekämpfung von Korruption, Diebstahl und
Betrug durch Stabilität und Modernisierung.
Doch gerade diese Aufgabenstellung bedeutete für die guineische Regierung ein
gefährlicher Balanceakt: Einerseits hielten laufende Ausgaben für wichtige
Investitionen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Infrastruktur sowie die
ständige Unsicherheit über die tatsächliche Höhe der Einnahmen aus dem
Bergbausektor den Staatshaushalt relativ instabil. Daher war die Regierung
gezwungen, eine eher gemäßigte und vorsichtige Verfahrensweise bezüglich der
Beamtengehälter einzuschlagen, damit sie sich nicht in die Gefahr begab, in
schlechten Zeiten Kürzungen vornehmen zu müssen, wenn in guten Zeiten zu
ausgabefreudig verfahren wurde. Andererseits konnten Gehalts- und
Prämiensteigerungen nicht mit der Erhöhung der Lebenshaltungskosten mithalten,
was die Unzufriedenheit im Beamtenkader geschürt hätte.
Die Verbesserung der öffentlichen Haushaltsführung
Kernstück der Reformen in diesem Bereich war das öffentliche Investitionsprogramm von 1989-91. Zur Unterstützung seiner Durchführung wurden in allen Ministerien zusätzliche Finanz- und Verwaltungsabteilungen eingesetzt. Das Personal des Finanzministeriums war schon vorher gründlich nachgeschult und auf eine genauere Kontrolle vorbereitet worden. Dazu wurde im Dezember 1988 ebenfalls ein neues Gesetz zur Regelung der Direktimpor-te der Regierung verabschiedet. Doch erst zu Beginn des Jahres 1990 waren alle institutio-
nellen und verfahrenstechnischen Veränderungen soweit vollzogen, daß ihr
Nutzen richtig zur Geltung kommen konnte.
Gravierende Probleme blieben in der Planung und Durchführung der
Investitionsprojekte bestehen. Obwohl sie sich zum überwiegenden Teil nach den
Prioritäten der sie finanzierenden Entwicklungshilfepartner orientierten(167),
ließ die Abstimmung der Projekte untereinander, sei es im selben
Investitionssektor oder in verschiedenen, strategisch übergreifend miteinander
verbundenen Sektoren, noch arg zu wünschen übrig. Zudem litt das Gesamtprogramm
unter zahlreichen nachteilig konzipierten Projekten, die große
Investitionsmengen nutzlos verschlangen(168).
Ein weiteres Problem stellte der bislang gescheiterte Versuch dar, das
Investitionsprogramm an die allgemeine makroökonomische Entwicklung anzupassen
und die Programmstrategie nach den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und
Perspektiven auszurichten. Dieser Planungsmangel war letztendlich verantwortlich
für die Ungewißheit und Unvorhersehbarkeit der Haushaltsentwicklung und der
finanziellen Situation am Ende des Programmzyklus'.
Weitere Mobilisierung von Staatseinkünften.
Die Erkenntnis, daß im Bereich der Eintreibung nicht verrichteter Steuern das
größte Potential zur Normalisierung des Staatshaushaltes lag, stand im krassen
Gegensatz zur Tatsache, daß ein bedeutender Teil der Bevölkerung, besonders in
der Hauptstadt Conakry, sich aus Gewohnheit nicht zur Zahlung von Steuern
verpflichtet fühlte und sich dessen entzog. Daraus entwickelte wiederum das
Finanzministerium die Praxis zur Erhebung unerlaubter Steuern in allen möglichen
Bereichen. Das neue Finanz- und Steuergesetz von 1989 zog die Steuerleistungen
an und verschärfte die Eintreibungsmaßnahmen, sorgte aber auch für die
Abschaffung der illegal erhobenen Steuern(169).
Das von Anarchie, Willkür und Korruption beherrschte Zollwesen wurde bald
durch neue Zollgesetze, besondere Dispositionen im Personalbereich(170)
und schärfere Kontrollmaßnahmen auf den richtigen Weg zurückgeführt. Neben den
Handhabungsvereinfachungen der Zollvorschriften wirkte sich besonders das neu
aufgestellte Register der Unternehmen, die in den Genuß von Zoll- und
Steuerbefreiungen kamen, effizienzsteigernd auf den Zollsektor aus.
Die 1986 erstmals erhobene Mineralölsteuer sorgte im Jahre 1989 für Einnahmen in Höhe von ca. 19 Mrd. FG, was jedoch nur zwei Drittel der möglichen Einkünfte ausmachte. Der
Grund für diesen Verlust war hauptsächlich auf die unbezahlten Rechnungen der
nationalen Fluggesellschaft Air Guinée und der staatlichen Stromgesellschaft
ENELGUI(171)
sowie den Diebstahl großer Mengen Treibstoffs aus den Depots der staatlichen
Mineralölgesellschaft ONAH zurückzuführen.
Tabelle 23: Zusammensetzung der Staatseinnahmen 1986-92 (in Mrd. FG).
Einnahmen/Jahr | 1986 | 1987 | 1988 | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 |
Laufende Einnahmen, gesamt | 101,9 | 172,7 | 200,1 | 274,8 | 354,9 | 390,7 | 478,4 |
Steuereinnahmen | 86,3 | 129,7 | 149,3 | 208 | 271,2 | 311,5 | 339,6 |
in % des BIP | 12,3 | 14 | 12,7 | 14,5 | 14,9 | 14,1 | 12,4 |
aus dem Bergbau | 75,1 | 107,3 | 111,3 | 136,3 | 176 | 179,5 | 162,7 |
Mineralölsteuer | 0 | 1,7 | 10 | 18,7 | 17 | 35,3 | 48,9 |
Einkommens- und Umsatzsteuer | 1,1 | 1,6 | 3 | 5 | 6,3 | 14,4 | 23,3 |
Importsteuer | 6,4 | 9,4 | 10,9 | 29,6 | 48,6 | 70,6 | 96 |
Andere | 3,7 | 9,7 | 14,1 | 18,4 | 23,3 | 11,8 | 8,7 |
Nichtsteuerliche Einnahmen | 2,8 | 8,2 | 14 | 12,3 | 15,4 | 11,5 | 21,5 |
Nichtrückzahlbare Kredite | 12,8 | 34,8 | 36,8 | 54,5 | 68,3 | 67,7 | 117,3 |
(Erarbeitet nach: WB 1990a Bd. I, S. 77; EIU CP 1992/93, S. 24; EIU CP 1993/94, S. 25; RG 1992a, S. 14 u. Anhang A5; IWF 1993a, Anhang 7)
Im Februar 1990 stieg die allgemeine Importsteuer von 10% auf 15% an. Die
besonderen Waren, die einer Reduzierung auf 5% unterlagen, mußten nun mit 8%
verzollt werden. Man erkannte, daß auf mittelfristige Sicht die Importsteuer ein
größeres Maß an Mehreinkünften erbrachte als die zunächst langsam
fortschreitende Produktivitätssteigerung auf nationaler Ebene. Dennoch kostete
es geraume Zeit und einige schmerzliche Erfahrungen(172),
ehe das richtige Steuermaß gefunden war, das weder einen Protektionismus
bedeutete und ein Anwachsen von Schmuggel, Betrug und Korruption zur Folge
gehabt hätte, noch das Steuerpotential ungenügend ausnutzte.
Weitere Restrukturierung und Privatisierung von Staatsbetrieben
Bei der Privatisierung der restlichen 20 Staatsunternehmen nahm die Regierung eine derart zögerliche Haltung ein, daß bis Ende 1990 erst 11 von ihnen privatisiert und keines aufgelöst werden konnte. Neben den dadurch hervorgerufenen zusätzlichen Belastungen für den Staatshaushalt hatte diese ungewisse Situation eine desorientierende und vertrauenszerstreuende Wirkung auf den privaten Investitionssektor, vor allem dem ausländischen. Für diesen blieb es auch unverständlich, warum die Regierung nicht durch Privatisierung oder Liquidierung einiger der 18 noch unter direkter Kontrolle des Staates verbleibenden Unternehmen(173) die Produktions- und Dienstleistungssektoren für Investitionen freigab.
Der nationale privatwirtschaftliche Sektor war weiterhin durch die Tatsache verunsichert, daß der Staat in über einem Drittel der bisher privatisierten Unternehmen immer noch bedeutende Aktienanteile besaß, hatten doch guineische Investoren schon längst gezeigt,
daß in über 80% der Privatisierungen die Mobilisierung guineischen Kapitals
zur mehr als symbolischen Unternehmensbeteiligung möglich war (WB 1990a Bd. I,
S. 38).
In 5 von den 18 verbleibenden Staatsbetrieben wurde ein sofortiges
Restrukturierungsprogramm in Angriff genommen, da sie eine Schlüsselstellung für
die wirtschaftliche Entwicklung des Landes einnahmen: nationale Gesellschaften
für Energieversorgung, Luftfahrt, Mineralölvertrieb, Trink- und
Brauchwasserversorgung und Post/Telekommu-nikation. Doch nur in einem dieser
Programme, in der Trinkwasserversorgung der städtischen Gebiete, konnten
zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden(174).
Die übrigen hatten kein konsequent durchdachtes und den Verhältnissen angepaßtes
Konzept zur Basis und gingen oftmals nicht über bloße Absichtsbekundungen der
Regierung hinaus.
Ein weiterer Gesetzesentwurf sollte das Verhältnis des Staates zu seinen
Unternehmen reglementieren. Dabei sollte deren Autonomie und Verantwortlichkeit
erhöht werden, der Staat sich nur auf die Unternehmenspolitik und die
Leistungskontrolle beschränken. Das Vorhaben scheiterte an der Verworrenheit des
bestehenden gesetzlichen Umfeldes, in das die Neuregelung hätte eingepaßt werden
müssen.
Weitere Geldentwertung und Verbesserung des Devisenmanagements.
Zwischen 1987 und 1989 verlor der guineische Franc gegenüber dem US$ 24,8%
und dem französischen Franc 16,9% an Wert bei einer Inflationsrate von 28,2%.
Die Differenz zwischen dem offiziellen und dem parallelen Wechselkurs pendelte
sich relativ konstant bei 6-8% ein (s. Grafik 19) (WB 1990a Bd.I, S. 40). Die
guineische Zentralbank hatte jedoch nicht alle ihr durch die Wechselkurspolitik
zur Verfügung stehenden Mittel genutzt, um das Niveau der Konkurrenzfähigkeit zu
halten und die allgemeine Nachfrage zu schüren, denn die Besorgnis um einen
durch weitere Entwertung verursachten Inflationsschub war groß. Infolgedessen
erfuhr die guineische Währung nicht das ausreichende Maß an Entwertung, das
nötig gewesen wäre, um zum Kaufkraftausgleich der Währungen zu kommen (Tab. 24).
Wirtschaftswachstum und Zahlungsbilanz.
Das Wirtschaftswachstum betrug in den ersten Reformjahren von 1987-89
durchschnittlich 4,4%, was gleichzeitig ein mittleres Einkommenswachstum pro
Kopf von 1,6% bedeutete (Tab. 25). In einer sektoriellen Betrachtung wurde im
primären Sektor ein durchschnittliches Wachstum von 2,4% erzielt, während der
sekundäre Sektor, besonders der Bergbau, ein Wachstum von ca. 6%, der tertiäre
Sektor, in dem sich eine steigende Zahl von kleinen Dienstleistungsunternehmen
etabliert und konsolidiert hatten, einen Wert von 4,5% zu verzeichnen hatten.
Tabelle 24: Schätzung des Kaufkraftausgleichs auf der Basis des Wechselkurses
1986 - 1990.
Zeitraum | Conakry | Kurs FG/US$ | Kurs FG/FF | Inflation | KA(1) | Ü(2) |
Jahr | Quartal | VPI(3) | Offiziell | Parallel | Offiziell | Parallel | Frankr. | USA | FF/US$ | FG/US$ | (%)(4) |
1986 | I | 45,2 | 350,7 | 48,7 | 92,1 | 90,7 | 7,21 | ||||
II | 52,3 | 355,7 | 389,7 | 49,8 | 92,8 | 90,5 | 7,15 | ||||
III | 57,8 | 363,7 | 426 | 53,7 | 93,4 | 91,2 | 6,78 | ||||
IV | 58,2 | 384,7 | 456,3 | 58,6 | 94 | 91,7 | 6,57 | ||||
1987 | I | 63,5 | 408,7 | 503,7 | 67,5 | 74 | 95,1 | 92,7 | 6,13 | ||
II | 72,2 | 427 | 449,3 | 71,3 | 71,3 | 95,9 | 93,9 | 6,03 | |||
III | 78 | 438,3 | 459,3 | 71,6 | 73 | 96,5 | 95 | 6,14 | 445,2 | 1,5 | |
IV | 78,2 | 440 | 494,3 | 76,5 | 81,3 | 96,9 | 95,8 | 5,75 | 442,8 | 0,6 | |
1988 | I | 83,9 | 444,3 | 489,3 | 78,3 | 84,7 | 97,4 | 96,4 | 5,67 | 472,7 | 6 |
II | 90,4 | 453,7 | 492 | 78,7 | 84 | 98,4 | 97,6 | 5,78 | 503,4 | 9,9 | |
III | 98,6 | 488 | 530,7 | 77 | 84,3 | 99,2 | 98,9 | 6,32 | 543,1 | 10,1 | |
IV | 99,1 | 515 | 572 | 85,3 | 88,7 | 99,8 | 99,9 | 6,06 | 541 | 4,8 | |
1989 | I | 111,1 | 563,3 | 616 | 89,7 | 96,7 | 100,7 | 101 | 6,07 | 600,6 | 6,2 |
II | 118,9 | 585,7 | 630 | 90 | 95,3 | 101,9 | 102,6 | 6,69 | 633,6 | 7,6 | |
III | 123,1 | 602 | 649 | 93 | 97,3 | 102,6 | 103,5 | 6,51 | 650,6 | 7,5 | |
IV | 124 | 620 | 673,7 | 100 | 106,3 | 103,4 | 104,4 | 6,17 | 649,8 | 4,6 | |
1990 | I | 129,2 | 640 | 690 | 111,7 | 117 | 104,1 | 106,3 | 5,74 | 668,2 | 4,2 |
(1) Kaufkraftausgleich.
(2) Überbewertung.
(3) Verbraucherpreisindex, Dezember 1988 = 100 (Basisgleichheit für französische und amerikanische Preisindizes).
(4) Die Überbewertung entspricht dem Unterschied in % zwischen dem
Kaufkraftausgleich und dem offiziellen Kurs (Basiskurs = Juni 1987).
(Quelle: WB 1990a Bd. I, S. 42)
Trotz dieser optimistisch anmutenden Werte waren es genauer betrachtet die
Nebensektoren wie Transport, Handel, Bankwesen, öffentlicher Dienst und die
Dienstleistungsbranche, die das stärkste Wachstum aufzuweisen hatten. Das
Wachstum kann nur von Bestand sein, wenn sich die wichtigen Stützsektoren der
Wirtschaft wie das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft ebenso
entwickeln. Gefährlicherweise wurden für ihre gezielte Wachstumsförderung keine
bedeutenden Investitionen getätigt. In der Landwirtschaft beispielsweise kam es
trotz vermehrter Investitionen nicht zu wesentlichen einer
Produktivitätssteigerung, die Anbauweisen blieben weitestgehend extensiv.
Außerdem wird der Staat, der bisher im Handels-, Dienstleistungs- und
Bausektor durch ein ausgedehntes Investitionsprogramm als Zugpferd fungiert hat,
bald zurücktreten müssen. Bis dahin sollten die Reformen entsprechende
Rahmenbedingungen zur Mobilisierung von privatwirtschaftlichen Investitionen in
diesen Bereichen geschaffen haben.
Tabelle 25: Die Verteilung des BIP nach Wirtschaftssektoren 1986 - 1989 (in
%).
Sektoren | 1986 | 1987 | 1988 | 1989 | 1987 | 1988 | 1989 |
Primärer Sektor | 29,9 | 30 | 28,5 | 28,2 | 3,5 | 0,5 | 3,1 |
Landwirtschaft | 23,1 | 23,2 | 21,9 | 21,6 | 3,5 | -0,4 | 3 |
Viehhaltung | 4,1 | 4,1 | 3,9 | 3,9 | 3 | 2,4 | 3 |
Fischerei | 0,1 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 21,6 | 31,8 | 15,6 |
Forstwirtschaft | 2,6 | 2,6 | 2,5 | 2,5 | 3 | 3,3 | 3 |
Sekundärer Sektor | 32,6 | 34,4 | 33,9 | 34,1 | 8,7 | 4,3 | 4,9 |
Bergbau | 24,4 | 27,5 | 25,1 | 24,8 | 6,2 | -3,5 | 3,1 |
Industrie | 3,5 | 3,1 | 3,4 | 3,5 | -8,7 | 16,2 | 8,3 |
Wasser, Energie | 0,7 | 0,6 | 0,8 | 0,8 | -10,9 | 34,5 | 0 |
Bauwirtschaft | 4 | 3,2 | 4,6 | 5 | -18,2 | 54,7 | 13,2 |
Tertiärer Sektor | 36,2 | 34 | 36,2 | 36 | -3,3 | 12,9 | 3,8 |
Handel | 21,1 | 19,2 | 21,5 | 21,6 | -6,6 | 18,7 | 4,7 |
Transport | 3,5 | 3,6 | 3,7 | 3,6 | 5 | 7,2 | 3,2 |
Verwaltung | 6,4 | 6 | 6 | 5,7 | -2,5 | 5,7 | -1,3 |
Andere | 5,1 | 5,2 | 5 | 5,1 | 3,7 | 3,5 | 6,6 |
Indirekte Steuern | 1,3 | 1,6 | 1,4 | 1,7 | 27,7 | -8,4 | 23,7 |
BIP | 100 | 100 | 100 | 100 | 3,1 | 5,9 | 4,3 |
(Quelle: WB 1990a Bd. I, S. 44)
Die Zahlungsbilanz von 1986-89 spiegelt ziemlich genau die reellen
Wachstumstendenzen der guineischen Wirtschaft zu dieser Zeit wieder (Tab. 26).
Obwohl die Handelsbilanz positiv blieb, waren deutliche Verluste zu verzeichnen,
vor allem in den Jahren 1987 und 1988.
Tabelle 26: Zahlungsbilanz Guineas 1986 - 1989 (in Mill. US$).
Zahlungsbilanz | 1986 | 1987 | 1988 | 1989 |
Handelsbilanz | 147,5 | 120,3 | 9,9 | 145,9 |
Ausfuhr (fob) | 655,2 | 687,1 | 650,9 | 761,5 |
Einfuhr | -507,7 | -566,8 | -641 | -615,6 |
Dienstleistungen und private Übertragungen | -249,8 | -298,5 | -314,2 | -375,3 |
Staatliche Übertragungen | 42,3 | 82,8 | 83,5 | 97,8 |
Laufender Saldo | -60,1 | -95,4 | -220,8 | -131,6 |
Kapitalbewegungen | 36,9 | 71,6 | 73,7 | 89,5 |
Saldo der Zahlungsbilanz | -52 | -10,7 | -123,1 | -36,4 |
Laufender Saldo in % des BIP | -3,1 | -4,5 | -10 | -5,5 |
Schuldendienst(1) | 14,6 | 19,4 | 23,4 | 18,2 |
(1) In % der Gesamtexporte.
(Quelle: WB 1990a Bd. I, S. 45)
Das Exportwachstum betrug für den gesamten Zeitraum nur 16%, während die Importe um 21% anstiegen. Die Exportsteigerungen beruhten zum größten Teil auf erhöhte Bau-
xitausfuhren der Minengesellschaften. Doch da die Exporte in diesem Bereich
fast ausschließlich von externen Faktoren bestimmt werden und nicht von der
ökonomischen Entwicklung Guineas beeinflußt werden können, weist die
Handelsbilanz ein hohes Maß an Instabilität auf(175).
5.4.4 Phase III (1991 - 1994): Stagnation als Rückschritt -
Wachstumsstop durch unzureichenden Aufbau und Förderung der
Privatwirtschaft
Im Rahmen einer ersten erweiterten Strukturanpassungshilfe (Facilité d'Ajustement Structurelle Renforcée FASR I, 110 Mill. US$) einigten sich der IWF/die WB und die guineische Regierung für den Zeitraum von 1991 bis 1994 auf folgende wirtschaftspolitische Hauptziele:
1. Konsolidierung der bisherigen Reformziele sowie konsequente und progressive Weiterführung der laufenden Reformen;
2. Stabilisierung eines jährlichen Wirtschaftswachstums von 5% (mind. 4% im Agrarsektor);
3. Reduzierung der Inflation bis auf 8% im Jahre 1994;
4. Verringerung der Staatsausgaben und Beschränkung des Haushaltsdefizits auf etwa 8,2% des BIP;
5. Restrukturierung und Privatisierung der "strategischen" Staatsunternehmen, darunter ENELGUI (nationale Elektrizitätsgesellschaft), Air-Guinée (staatliche Fluglinie), OBK (Office de Bauxite de Kindia), und die Post;
6. Förderung des privatwirtschaftlichen Sektors durch ein neues Immobiliengesetz, ein neues Unternehmensgesetz, die Einrichtung von weiteren Kreditlinien für die Gründung und finanzielle Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen/Industrien sowie die Bildung eines staatlichen Büros zur Förderung von Privatinvestitionen;
7. Steigerung der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion sowie eine verstärkte Inwertsetzung des Bergbausektors außerhalb der Bauxitförderung;
8. Höhere Investitionen im Bildungs-, Gesundheits- und Umweltsektor.
(nach KAMANO 1992, S. 13/14; PNUD 1994a, S. 4)
Das erste Halbjahr 1992 war gekennzeichnet durch ein unverhältnismäßig hoch
angestiegenes Haushaltsdefizit, dem darüber hinaus eine Verringerung der
Steuereinnahmen gegenüberstand. Aufgrund vermehrter Anzeichen eines latenten
Reformunwillens fror der IWF die Zuteilung der 2. Tranche (35 Mill. US$) der im
November 1991 vereinbarten erweiterten Strukturanpassungshilfe I bis zum Oktober
1992 ein. In der zweiten Jahreshälfte stellte sich eine leichte Verbesserung der
wirtschaftlichen Situation ein. Am Ende des Jahres betrug das Wachstum des BIP
etwa 3% (gegenüber für 1992 geplanten 3,8%), was eine Steigerung des BIP pro
Kopf von nur 0,2% bedeutete.
Die Abhängigkeit vom Bergbau
Die unerwartet niedrige Wachstumsrate des BIP von 2,4% (1992) und 3,0% (1993) hatte
ihre Hauptursache in den infolge gesunkener Weltmarktpreise für Aluminium
unter den Erwartungen gebliebenen Geschäftsergebnissen der
Bergbaugesellschaften. Damit wurde wieder einmal die Abhängigkeit der
guineischen Wirtschaft vom Bergbau als ihre wichtigste Einnahmequelle allzu
deutlich. Die Verringerung der Erträge aus diesem Sektor hatte ein Ansteigen des
Haushaltsdefizits von etwa 51 Mrd. FG und eine Verschlechterung der
Handelsbilanz von mehr als 133 Mill. US$ gegenüber 1991 zur Folge. Dennoch
belief sich sein Anteil an den Steuereinkünften 1992 auf etwa 45%, an den
Exporteinnahmen auf gar 82,5% (PNUD 1994a, S. 5; IWF 1993, Anh. 9).
Da auf lange Sicht nicht mit einer wesentlichen Erhöhung der Weltmarktpreise
für Aluminium zu rechnen ist, kommt der weiteren Diversifizierung der
guineischen Volkswirtschaft eine besondere Bedeutung zu. Der
landwirtschaftlichen Exportproduktion sind hierbei Grenzen hinsichtlich der
Beteiligung am internationalen Markt gesetzt, dennoch sind mit gezielt
ausgewählten Produkten, deren konsequente Entwicklung und marktorientierten
Kommerzialisierung bestimmte Marktanteile zu gewinnen.
Die Privatwirtschaft als Wachstumsmotor
Die Hoffnungen auf ein diversifiziertes Wachstum lagen indessen in der
Entwicklung der Privatwirtschaft. Doch sie schritt nur langsam voran, ständig
beeinträchtigt durch strukturelle Hindernisse wie eine teilweise
investitionsfeindliche Verwaltung und Gesetzgebung, der unzulänglichen
Infrastruktur (Elektrizität, Kommunikation, Transport), dem Mangel an einem
investitionsfördernden Umfeld, vor allem im Bereich der qualitativen
Unternehmensberatung, und schließlich die Enge des nationalen Marktes. Dennoch
war ein allgemeiner Investitionsanstieg von 12,3% gegenüber dem Vorjahr (1991)
zu verzeichnen, der jedoch sektoriell unausgewogen ausfiel: im Bergbau betrug er
21%, während in den modernen Investitionssektoren nur 7,2% erreicht wurden (PNUD
1994, S. 5).
Die guineische Regierung ist zwar einerseits stets bemüht, mit Hilfe der
internationalen Gebergemeinschaft wachstumsfördernde Rahmenbedingungen für den
privatwirtschaftlichen Sektor zu schaffen, indem makroökonomische
Steuerungsmaßnahmen der Reformen zur strukturellen Anpassung durchgeführt
werden, die direkt den Entwicklungsspielraum der Privatwirtschaft betreffen.
Doch wirkten die Aufhebung von Steuerbefreiungen, der Aufbau von Steuer-,
Finanz- und Verwaltungsstrukturen, die die privatwirtschaftlichen Aktivitäten
formalisieren sollen, sowie die Diversifizierung von Gesetzen zunächst eher
entwicklungshemmend, wenn sie nicht von einem entsprechenden Schulungs- und
Beratungsangebot zur Aufklärung und Orientierung begleitet worden sind.
Andererseits war der Staat bisher nicht in der Lage, ein erforderliches Maß
an Vertrauen auf der Basis eines ständigen Dialogs zwischen den staatlichen
Institutionen und Akteuren der Privatwirtschaft zu schaffen. Förderungsvorhaben
der Entwicklungszusammenarbeit sind zudem bis heute immer noch sehr
geberorientiert. Das Angebot der Geberseite wird dabei staatlicherseits stark
gefiltert und in entsprechend den Bedürfnissen und Orientierungen der Regierung
an den formellen Privatsektor weitergegeben. Auch die Geberseite trägt noch zu
wenig zur Etablierung eines offenen und nachfrageorientierten Dialogs bei. Die
Entwicklung formeller privatwirtschaftlicher Aktivitäten ist somit im
Anfangsstadium eines Übergangsprozesses vom Abbau der informellen Geschäftswelt
zum Aufbau tragfähiger klein- und mittelständischer Unternehmerstrukturen
steckengeblieben.
Gerade die Unterstützung der internationalen Gebergemeinschaft ist immer noch zu sehr auf die Errichtung, Schulung und Anpassung institutioneller Instrumente zur vermeintli-
chen Förderung der Privatwirtschaft durch staatliche Steuerungsmaßnahmen
gerichtet. Zu selten werden Kontakte zur Privatwirtschaft direkt hergestellt,
die oft orientierungslos der Selbstorganisation überlassen ist. Ihr Heil
wiederum im informellen Sektor suchend, hat sie dann wenig Möglichkeit, in einen
direkten Dialog mit Gebern zu treten, um überzeugend Förderungswürdigkeiten
darzulegen.
Geberseitig werden Vorhaben, die direkt den Aufbau von KMU/KMI
fördern, als sehr kosten- und betreuungsintensiv eingestuft. Dadurch wird aus
entwicklungspolitischer Sicht die Verbesserung der Selbsthilfekapazität und die
Sicherung der Nachhaltigkeit von Projekten beeinträchtigt. Als Indiz dafür wird
oft die Tatsache herangezogen, daß in solchen Projekten der Mittelaufwand für
die Technischen Zusammenarbeit den Umfang der für die Förderung eingerichtete
Kreditlinien übersteigt. Dennoch zeigt die Erfahrung, daß dies eine wirksame
Methode ist, marktwirtschaftliches Verständnis in einer sich entwickelnden
Unternehmerkultur langfristig zu erzeugen und zu festigen.
Die Unentschlossenheit und Inkonsequenz, die der Privatsektor in der konzeptionellen Projektrealität geber- und staatsseitig erfährt, sind denn auch Ausdruck einer für ihn entwicklungshemmenden Prioritätensetzung:
1. Aus innen- und sozialpolitischen Gründen erhöhte der Staat seit 1992 die Löhne und Gehälter seiner Bediensteten sowie den Einkauf von Waren und Dienstleistungen. Um den Haushalt nicht zu gefährden und den finanzpolitischen Vorgaben von IMF/WB Folge zu leisten, wurde im Bereich der Investitionsausgaben gespart, die von 1992 noch 9,9% vom BIP betrugen, 1994 jedoch auf 8,1% vom BIP zurückgingen (vgl. Tab. 65). Aufgrund der Enge des Marktes hatte die Streichung zahlreicher Investitionsprojekte für den Privatsektor erhebliche Konsequenzen. Des weiteren wirkten sich die ebenso den Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich erfassenden Einsparungen in irgendeiner Weise stets auch auf den wirtschaftenden Teil der Bevölkerung aus, die sich mindernde Staatsleistungen mit eigenen Mitteln auffangen müssen.
2. In dieser Zeit stellte die internationale Gebergemeinschaft der
guineischen Regierung zwar Mittel zur "Förderung des Privatsektors" zur
Verfügung (WB 1994e), konzipierten das Programm jedoch als Finanzhilfe zum
Ausgleich des Haushaltsdefizits und zur ausschließlichen Förderung
institutioneller Organe(176).
Natürlich ist die Förderung zum Aufbau privatwirtschaftlicher Strukturen nur
erfolgreich, wenn Mentalitäts- und Verhaltensänderungen erreicht werden, die die
Implementierung und die Einhaltung marktwirtschaftlicher Prinzipien sichern.
Zudem ist dies ein langwieriger Prozeß, der der ständigen Betreuung bedarf.
Seine Stimulierung und Steuerung darf sich aber nicht nur auf eine
Sensibilisierung und Förderung des institutionellen Rahmens beschränken, sondern
sollte mindestens zu gleichen Anteilen, wenn nicht deutlich mehr, die Zielgruppe
der potentiellen Unternehmer erreichen, also weite Teile der sich im informellen
Sektor bewegenden erwerbsfähigen Bevölkerung. So kann ein konsistenter und
konsequent unterstützter Prozeß der Formalisierung informeller Aktivitäten
stattfinden, der in seiner Breitenwirkung das Lebensniveau der Bevölkerung hebt.
Stagnation als Rückschritt
Mit 4,1% blieb die jährliche Wachstumsrate der öffentlichen Investitionen
erwartet niedrig. Aufgrund der angespannten Haushaltslage war die guineische
Regierung oft nicht in der Lage, ihren Anteil an zahlreichen Projekten, die
größtenteils mit ausländischer Hilfe finanziert werden sollten, zu leisten, so
daß es zu erheblichen Kürzungen kam.
Zum Jahresübergang 1992/93 verschlechterte sich die finanzielle Situation im guineischen
Haushalt und wich deutlich von der mit dem IWF gesetzten Zielvorgabe ab. Eine
weniger restriktiv als vorgesehene Haushalts- und Finanzpolitik führte zu einer
um 23% (IWF 1993, S. 2) und damit inflationsgefährdend ansteigenden
Geldumlaufmenge und einer erhöhten Ausgabe für Importgüter. Demgegenüber standen
erhebliche Defizite in den Einnahmen, besonders im Bereich der Mineralölsteuern
und der Veräußerung von Staatseigentum im Rahmen der Privatisierungsaktivitäten.
Nicht konsequent bekämpfter Betrug, Korruption und Diebstahl führten bei der
Mineralölsteuer 1992 zu einem relativen Verlust von etwa 18,4 Mrd. FG (EBENDA).
Der Ausgleich aller Verluste hatte einen Anstieg des Haushaltsdefizits zur
Folge, das mit 8% des BIP um 0,4% von der eigentlichen Zielsetzung abwich
(EBENDA).
Auch in den strukturellen Reformen traten Verzögerungen auf. Teile der
Verwaltungs- und Gesetzesreformen wurden nur ungenügend und mit längeren
Verspätungen umgesetzt, und die Restrukturierung bzw. weitere Privatisierung der
Staatsunternehmen schritt nur langsam voran. Eine Hauptursache dabei ist jedoch
immer noch im Mangel an qualifiziertem Durchführungspersonal zu suchen.
Ende 1994 konnten ein Großteil der wirtschafts- und entwicklungspolitischen
Ziele der guineischen Regierung für diese WB/IMF-Förderungsperiode nicht
realisiert werden. Die Unbeweglichkeit und wenig ausgeprägte Sensibilität, mit
der man auf makroökonomischer Steuerungsebene auf den lange vorauszusehenden
Sturz der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt reagierte, verhinderte eine weitere
konsequente Fortführung der bisherigen Reformen und bedeutete daher einen
Rückschritt gegenüber den Vorjahren. Gleichzeitig wurde die immer stärker
werdende Abhängigkeit Guineas von den Zuwendungen der internationalen
Gebergemeinschaft einmal mehr verdeutlicht.
5.4.5 Phase IV (1995 - 1999): Die Konsolidierung der strukturellen
Anpassung - Licht und Schatten eines trägen Prozesses
Nach mehr als 12 Reformjahren befindet sich der Kernprozeß der strukturellen
Anpassung in seiner finalen Konsolidierungsphase. Programm- und
reformbegleitende Maßnahmen beschränken sich seitens der Geber im wesentlichen
auf die Optimierung und Verfeinerung der makroökonomischen Steuerung. Die
sektorspezifische Förderung, die bisher parallel dazu durchgeführt wurde,
gewinnt jetzt mehr an Bedeutung.
Dennoch haben mannigfaltige Turbulenzen verschiedenster Art für einen oft
unzufriedenstellenden Verlauf der Reformen gesorgt und letztendlich die
Akzeptanz der Reformen sowie das Verständnis für ihre konsequente Umsetzung nur
eingeschränkt herstellen können. Verschärfend bildeten sich Geber- und
Nehmerrationalitäten, die sich polarisierten und zu Wellenbewegungen in der
Implementierung der Reformen führten. Trotz allem ist insgesamt davon
auszugehen, daß sich der Wille und die Bereitschaft zur weiteren Fortführung der
Anpassung nunmehr voll eingestellt haben, nur dauert der Prozeß länger als
erwartet. Die Durchführung der Reformen ist mehr geberabhängig denn je, das
Bewußtsein der Notwendigkeit, zu einem selbsttragenden Fortlauf dieses Prozesses
zu kommen, weiterhin wenig entwickelt.
So konnten denn auch die bis Mitte des Jahres 1996 zusammen mit der WB und dem IWF im Rahmen der zweiten erweiterten Strukturanpassungshilfe (ESAF II, s. Kasten oben) gesteckten Ziel in den Bereichen der Haushaltsausgaben und der Steuermittelerhöhung
nicht erreicht werden, was zu einer Verzögerung der Auszahlung der letzten Tranche seitens des IWF führte. Solche Reaktionen haben automatisch Signalwirkung für andere bi- und multilaterale Geldgeber, die ihrerseits finanzielle Unterstützungsleistungen dämpften, so daß sich für das Hauhaltsjahr 1996 die Bildung eines erheblichen Haushaltsdefizits abzeichnete. Eine weitere Verunsicherung für die internationalen Finanzpartner stellte der Putschversuch des Militärs vom Februar 1996 dar, der das politische und wirtschaftliche
Leben Guineas für einige Zeit destabilisierte.
Um den Haushalt bis Ende 1996 zu retten und positive Zeichen für weitere Verhandlungen mit der WB und dem IWF hinsichtlich einer dritten Strukturanpassungshilfe zu setzen, wurden strukturpolitische Sofortmaßnahmen getroffen. Die als Reaktion auf den Putschversuch vorgenommene Kabinettsumbildung nutzte man für die Einrichtung des Amtes eines Ministerpräsidenten, Herrn Sydia Touré, dem die Ministerien für Planung, Wirtschaft und Finanzen unterstellt wurden und der das Vertrauen der WB und des IWF
genoß (s. Kap. 3.1.3). Unter seiner Leitung wurden strenge Maßnahmen zur
Bekämpfung der Korruption im Zollwesen, zur Aufhebung von nicht
gerechtfertigten, umfangreichen Steuer- und Abgabenbefreiungen sowie zur
drastischen Einschränkung nicht und weniger notwendiger Importe durchgeführt.
Schließlich kam es im Zuge der daraufhin neu angesetzten Verhandlungen mit
der WB und dem IWF zur Verabschiedung einer dritten erweiterten
Strukturanpassungshilfe in Höhe von insgesamt 97 Mill. US$, auszahlbar in drei
jährlichen Tranchen von 1997 bis 1999. Diese Zusage spiegelt allzu deutlich das
geberabhängige Verhalten der Regierung wieder, die selbst die wichtigsten
politischen Entscheidungen danach richtet. Auf der anderen Seite haben die WB
und der IWF für die Glaubwürdigkeit der vergebenen Kredite und die Effizienz der
damit finanzierten Reformprozesse Sorge zu tragen. Aufgrund der gezeigten
Verhaltensweisen und Abhängigkeiten bleiben jedoch Zweifel am Erfolg der bisher
die Reformen steuernden und begleitenden Beratungsleistungen.
Dennoch sind die Ziele der im Rahmen dieser Strukturanpassungshilfe im
Zeitraum von 1997 bis 1999 durchzuführenden Reformen hoch gesteckt:
Makroökonomische Ebene
1. Jährliches reales Wachstum des BIP von 5%;
2. Begrenzung der Inflationsrate auf 5% für 1997, und 4% für 1998 und 1999;
3. Reduzierung der laufenden Außenstände auf 6% des BIP im Jahr mit dem Ziel, bis Ende 1999 auf der Gegenseite das Niveau der Reserven auf ein 3,5-faches des Importwertes für Waren und Dienstleistungen im laufenden Jahr gehoben zu haben;
4. Anhebung der Geldumlaufmenge M2 um 7 - 10%;
5. Steigerung des Investitionswertes um 1%, gemessen am BIP.
Öffentliche Finanzen
1. Erhöhung der Einnahmen auf 12% vom BIP (ohne Zuschüsse);
2. Steigerung der Einnahmen ohne Bergbau um 2,5% auf 10,5% vom BIP;
3. Verbesserung des Systems und des Managements der Steuereintreibung;
4. Rationalisierung der Haushalts- und Investitionsplanung;
5. Verstärkung der Ausgabenkontrolle;
6. Verbesserung der Ausgewogenheit und Effizienz der Ausgaben.
Verschuldung
1. Reduzierung des Schuldendienstes auf ein weniger investitionsbelastendes Niveau;
2. Verhandlungen mit Schuldners über Erlasse und Umschuldungen.
Der IWF sieht die anhaltende Schwäche der guineischen Regierung, ihre Steuerbasis auf ein tragfähiges Niveau zu bringen, als ein grundlegendes strukturelles Problem an, das sich jedoch aus zahlreichen verschiedenen Elementen zusammensetzt. Eines davon stellt sicherlich nach wie vor die ungenügende Kompetenz der Steuerverwaltung dar. Doch zum einen ist ebenso der rechtliche Rahmen für die Gewährung von Abgaben- und Steuerbefreiungen immer noch undurchsichtig. Gerade im Bereich der öffentlichen Aufträge treten Unregelmäßigkeiten in diesem Zusammenhang auf, die die für den privatwirtschaftlichen Sektor nötige Transparenz missen lassen. Dasselbe trifft für Befreiungen von der Mitte 1996 eingeführten Mehrwertsteuer zu. Auf der anderen Seite hat die nach der neuen Bodengesetzgebung erhobene Grundsteuer aufgrund des Fehlens eines umfassenden Kata-
sters noch nicht gegriffen. Die Erhebung eines solchen ist wohl eine
langwierige und schwierige Aufgabe, da alle Besitzverhältnisse geklärt werden
müssen. Dennoch wäre die Verfügbarkeit eines solchen in Verbindung mit einem
gesicherten juristischen Rahmen ein bedeutender Stimulationsfaktor für
Privatinvestitionen.
Hinsichtlich der Ausgaben ist eine klare Strukturierung der den einzelnen
Sektoren jährlich zuzuweisenden Mittel erforderlich, um ein ad-hoc-Management zu
vermeiden, das in Unausgewogenheiten, unvernünftige Verschiebungen der
Investitionsprioritäten und letztendlich Gefährdung der sektoriellen
Entwicklungsstrategien mündet. Dazu wurde ein mittelfristiger Rahmenplan
angelegt (Cadre de Dépenses à Moyen Terme CDMT), der die Ausgabenkontrolle und
-verfolgung vor allem bei intersektoriellen Investitionsausgaben verbessert.
Auch die Ausgaben der Sozialkasse (Caisse Nationale de la Sécurité Sociale CNSS)
sollen mit Hilfe einer Betriebsprüfung und der Informatisierung des
Ausgabesystems transparenter gestaltet und rationalisiert werden. Dasselbe
betrifft die Rentenkasse, in der immer noch zahlreiche
Nichtbeziehungsberechtigte registriert sind. Weitere Rationalisierungsmaßnahmen
werden die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes betreffen, deren
Gehälter zunächst eingefroren und sich zudem einer genauen Prüfung hinsichtlich
von unberechtigten Auszahlungen unterziehen werden.
Insgesamt verlief das erste Jahr des dreijährigen IWF-Programms (s.o. Kasten) zufriedenstellend, zumal bei relativ stabilen Weltmarktpreisen für die Hauptexport- und Importartikel Guineas eine ausgewogene Bilanz gehalten werden konnte und eine Stabilität versprechende politische Entwicklung in der Region die für die Landessicherheit in letzter Zeit erheblich gestiegenen Ausgaben in Grenzen hielt. Das Folgejahr 1998 bescherte dem ehrgeizigen Programm daraufhin einen durch verschiedene Faktoren verursachten kritischen Einbruch:
Ein Verfall des Aluminiumpreises auf dem Weltmarkt von 16% dezimierte die Exporteinnahmen der Aluminiumrohstoffe Bauxit und Alumina;
Das Wiederaufflammen kriegerischer Auseinandersetzungen in den Krisengebieten an Guineas Grenzen (Sierra Leone, Guinea-Bissau) forderte eine Erhöhung der Sicherheitsausgaben;
Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen Ende 1998 verhielten sich Investoren,
das produzierende Gewerbe, Handel und Dienstleistungen zögerlich, was zu einer
Abschwächung der konjunkturellen Entwicklung führte.
Darüber hinaus wurden für das letzte Quartal 1998 geplante Ausgaben ausgesetzt und auf das Haushaltsjahr 1999 übertragen, was die Situation für das dritte und entscheidende Programmjahr noch verschlimmerte. Ein zufriedenstellender Abschluß des Programms hingegen ist für Guinea deshalb so wichtig, weil das Land nur dann in neue Verhandlungen über Schuldenerlasse und Umschuldungsinitiativen sowie für weitere Anpassungskredite mit den Bretton Woods- Institutionen treten kann. Die Mittel der übrigen bi- und multilateralen Geber sind indessen vollständig für die laufenden und geplanten Entwicklungsprogramme und -projekte festgelegt, so daß eine Haushaltsausgleichsunterstützung unwahrscheinlich erscheint, der Haushalt also nicht ausgeglichen ist. Zudem weist die
guineische Haushaltsführung dafür noch erhebliche strukturelle und funktionale Defizite auf:
Die Privatisierung größerer, den Haushalt weiterhin belastender Staatsunternehmen geht kaum voran;
Der Mittelabfluß ist trotz der angespannten Finanzlage aufgrund von Verwaltungsmängeln schleppend;
Für die Stagnation der Zolleinnahmen sind u.a. auch der immer noch
vorherrschende hohe Korruptionsgrad beim guineischen Zoll sowie eine
unkoordinierte und damit ineffiziente Zusammenarbeit zwischen dem Zoll und der
schweizer SGS Société Générale de Surveillance als Mandatsträger der
Zollüberwachung verantwortlich.
Entscheidend für den Erfolg der Konsolidierung der Strukturanpassungsreformen
werden letztendlich die rigorose Durchsetzung der Reorganisation der
öffentlichen Finanzen und der Währungspolitik sein. Im Bereich der
Haushaltspolitik liegen dabei die Schwerpunkte in einer verbesserten
Ausgabenkontrolle, -verfolgung und -bewertung sowie in der weiteren
Mobilisierung von Einnahmen durch die weitere Bekämpfung der Korruption auf
allen Ebenen, aber auch die Erleichterung und Förderung von Fremdinvestitionen.
Eine solide Basis dafür sollten eine strikte Währungspolitik zur Kontrolle der
Inflation sowie eine Belebung des unterversorgten Devisenmarktes sein.
6 Wirtschaftsgeographische Sektorbetrachtungen - Analyse, Bestimmung
und Bewertung von Entwicklungspotentialen
6.1 Der primäre Sektor - Zukünftiger Wachstumspol oder schlichte
Selbstversorgungsbasis?
6.1.1 Die Landwirtschaft - Von der Subsistenzlethargie zur Überschuß-
und Exportproduktion
Der Wandel von der durch das Versagen der sozialistischen Agrarpolitik der I. Republik hervorgerufenen Rückentwicklung der landwirtschaftlichen Produktion zu einer ausgepr
ägten Subsistenzwirtschaft hin zur privatwirtschaftlich organisierten Markt- und Exportproduktion schreitet nur langsam voran. Immer noch verhindern grundlegende strukturelle Probleme wie eine unterentwickelte ländliche Infrastruktur, ein ungenügendes Transportwesen, nicht eindeutig geklärte Landbesitzverhältnisse sowie ein niedriges branchenspezifisches Bildungsniveau, aber auch der schwierige Zugang zu Know-how und Krediten langfristige und tragfähige Investitionen. Die weitere Inwertsetzung des landwirtschaftlichen Potentials Guineas hängt im wesentlichen von der Erreichung der folgenden Ziele ab:
6.1.1.1 Die agrarwirtschaftliche Gesamtsituation
Die Erblast der I. Republik
Der landwirtschaftliche Produktionssektor, zu Beginn der I. Republik mit 76% Anteil am Gesamtexport des Landes der Motor der guineischen Wirtschaft (s. Tab. 27), verlor trotz des immensen natürlichen Potentials aufgrund von Mißwirtschaft und des an Dominanz gewinnenden Bergbausektors (s. Kap. 6.2.2) an Bedeutung
und ist heute noch mit 20,4% am BIP beteiligt (RG 1998e, S. 22). Somit
rutschte Guinea von einem Exportland (s. Tab. 28) mit Selbstversorgungsstatus in
die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten ab.
Tabelle 28: Exportvolumina der wichtigsten Agrarprodukte 1960 - 1990 (in t).
Produkt/Jahr | 1960 | 1970 | 1974-80(1) | 1981-85 | 1986-88 | 1990 |
Kaffee | 16000 | 4652 | 1963 | 577 | 4966 | 13250 |
Bananen | 55000 | 20000 | 8930(2) | 0 | 0 | n.bek. |
Ananas | 5000 | 8207 | 3990 | 619 | 590(3) | 2400 |
Palmkerne | 23000 | 13025 | 11985 | 77 | 3300(4) | n.bek. |
Mango | n.bek. | n.bek. | 796 | 178(5) | 197 | 300 |
(1) im Mittel.
(2) Angabe für 1971. Der Bananenexport endete 1979.
(3) Durchschnittl. Menge für 1987-88.
(4) Durchschnittl. Menge für 1986-87.
(5) Durchschnittl. Menge für 1980-84.
(Quelle: WB 1990a, S. 24; ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 87; RG 1991a, BD. II, S.
29).
Nach Auflösung der staatlichen Kollektivbetriebe bestellten fast
ausschließlich Kleinbauern auf ihren im Durchschnitt 1-3 ha großen Farmen das
Land, die Subsistenzwirtschaft wurde wieder zur vorherrschenden
agrarwirtschaftlichen Nutzungsform. Und obwohl 33,4% der Landesfläche Guineas
landwirtschaftlich nutzbar sind, standen von dieser 1994 nur etwa 11,1%
tatsächlich unter Nutzung, was wiederum nur 3,7% der gesamten Landesfläche
ausmacht (RG 1996c, S. 7).
Wichtigstes Anbauprodukt Guineas war während der I. Republik und ist bis
heute der Reis. Entsprechend seiner Bedeutung als traditionelle Anbaukultur und
als essentielles Grundnahrungsmittel wurde ihm seit jeher das beste Anbauland
geopfert. Die Notwendigkeit der Subsistenzwirtschaft unter der I. Republik
forderte ebenfalls eine Diversifizierung des Reisanbaus in den verschiedenen
Naturräumen heraus. Zudem weist die Kultivierung mehrerer Reisvarietäten auf
sein noch ungenutztes Entwicklungspotential hin (Tab. 29).
Tabelle 29: Anbauflächen der Hauptreisarten in den Naturräumen 1986 (in ha).
Naturaum/
Reisart |
Mangroven-
reis |
Regennasser
Tal- und Sumpfreis |
Regennasser Bergreis | Gesamt | % |
Niederguinea | 65000 | 5000 | 55000 | 125000 | 25 |
Mittelguinea | - | 8500 | 76500 | 85000 | 17 |
Oberguinea | - | 78000 | 52000 | 130000 | 26 |
Waldguinea | - | 48000 | 112000 | 160000 | 32 |
Gesamt: (ha) | 65000 | 139500 | 295500 | 500000 | 100 |
(%) | 13 | 27,9 | 59,1 | 100 | 100 |
(Quelle: PHILIPPI WILHELM 1988, S. 32)
Die 20%ige Steigerung der Reisproduktion im Zeitraum vom Ende der I. Republik (1984) bis 1990 war indes weniger auf eine Intensivierung und Optimierung des Anbaus und ein
damit verbundenes Ertragswachstum zurückzuführen, sondern beruhte vielmehr
auf der Erweiterung der Anbaufläche. Diese Tatsache beschreibt ein teilweise
bis heute existierendes, grundlegendes Problem in der guineischen
Landwirtschaft, denn bei nahezu allen wichtigen Anbauarten hat sich die
Produktionstechnik, mit Ausnahme einiger separat geförderter Projekte, seit
Jahrzehnten kaum weiterentwickelt (CLAPP 1992, S. 347).
Bei dem
Versuch, die seit der Unabhängigkeit rückläufige Agrarproduktion abzufangen und
wieder zu steigern, konnten bei einigen Exportprodukten wie dem Kaffee positive
Ergebnisse erzielt werden. So fiel beispielsweise die 1968 erzielte Exportmenge
von 11.280 t Kaffee bis 1979 auf 780 t, konnte aber bis 1989 wieder auf 9.300 t
gesteigert werden und übertraf 1990 mit 13.250 t erstmals den Exportumfang zur
Zeit der Unabhängigkeit (s. Tab. 28). Da jedoch keine zuverlässigen Daten
bezüglich des Überlandexportes existieren, ist zu vermuten, daß diese
Produktionssteigerung eher ein Ergebnis verminderter Schmuggeltätigkeit
zugunsten legaler Exporte darstellt(177).
Trotz des Wachstums der Agrarexporte nahmen diese bis 1993 nur etwa 5% der Gesamtexporteinnahmen ein. Demgegenüber stand ein doppelt so hoher Wert an Nahrungsmittelimporten, die ob der durch das hohe Bevölkerungswachstum im-
mer schwieriger werdenden Versorgungslage ständig gesteigert werden mußten
(Tab. 35).
So kann man denn die Jahre nach der I. Republik bis Ende 1991 als
Orientierungsphase mit den sektorpolitischen Zielen der Wiedergewinnung der
Nahrungsmittelsicherheit und der Schaffung von Grundstrukturen für eine
Exportproduktion von Agrargütern bezeichnen.
Guineas Landwirtschaft heute
Der rurale Sektor (Landwirtschaft, Viehzucht, Fischereiwesen, Forstwirtschaft) trägt heute zu etwa 20,4% zum BIP Guineas bei, wovon 14,3% allein auf die Landwirtschaft fallen (RG 1998e, S. 21). Er beherbergt zudem immer noch 72,5% der Gesamtbevölkerung(178) (RG 1997a, S. 17). Seit 1992 erfolgt die Entwicklungssteuerung in der Landwirtschaft auf der Basis einer mit der internationalen Gebergemeinschaft abgestimmten Sektorpolitik (Lettre de Politique de Développement Agricole (LPDA), s. Kap. 6.1.1.4). Seither konnten folgende Eckwerte beobachtet werden:
Dennoch bleibt die Handelsbilanz aufgrund der hohen Nahrungsmittelimporte (Gesamtimporte an Reis, Mehl und Zucker 1997: 258100 t) mit 17,4 Mill. US$ weiterhin defizitär (RG TBEG Nr. 34 (4/97), S. 18, RG 1998e, S. 29).
Ein Blick auf die heutige Gesamtsituation der Produktion und des Exports landwirtschaft-
licher Erzeugnisse läßt bei zahlreichen Anbauarten beständige
Steigerungsraten seit Beginn der 90er Jahre erkennen. Waren im Erntejahr 1992
vor allem die günstigen Wetterverhältnisse für eine überdurchschnittliche
Produktion verantwortlich, so ist eine allmähliche Verbesserung der allgemeinen
Rahmenbedingungen für Agrarproduzenten festzustellen (s. auch Karte 23:
Rahmenstrukturen landwirtschaftlicher Handels- und Produktionsaktivitäten).
Obgleich diese noch weitgehend unzureichend sind, scheint die ländliche
Bevölkerung aus der langjährigen Lethargie der Subsistenzwirtschaft erwacht und
zeigt konstruktive agrarökonomische Aktivität mit den entsprechenden
Ergebnissen.
Tabelle 32: Landwirtschaftliche Produktionsmengen 1989 - 95 (in 1000 t).
Erzeugnis | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 |
Reis, ungeschält | 426 | 430 | 430 | 457 | 531 | 532 | 631 |
Mais | 108 | 78 | 85 | 94 | 88 | 85 | 80 |
Maniok | 358 | 402 | 458 | 481 | 485 | 550 | 601 |
Yams | 100 | 80 | 95 | 73 | 73 | 114 | 114 |
Süßkartoffeln | 104 | 81 | 99 | 107 | 130 | 143 | 143 |
Ananas | 36 | 43 | 50 | 51 | 58 | 67 | 67 |
Palmöl | 40 | 40 | 40 | 40 | 40 | 50 | 50 |
Erdnüsse (ungeschält) | 45 | 78 | 78 | 102 | 122 | 128 | 132 |
Kaffee | 24 | 30 | 30 | 29 | 29 | 30 | 30 |
Baumwollsamen | 1 | 4 | 10 | 19 | 17 | 16 | 11 |
(Quelle: StLB 1994, S. 54; RG 1995a, S. 38; EIU CP 1996/97, S. 17 u. 1997/98,
S. 30; RG 1996C, S. 15ff; RG 1996D, S. 34ff).
Die Gesamtproduktion ist seit 1990 um etwa 44% gestiegen, wobei sich jedoch
produktspezifische Tendenzen erkennen lassen: während die für die
Nahrungsmittelsicherheit wichtigen Erzeugnisse Reis, Maniok, Yams und
Süßkartoffeln hohe Wachstumsraten zu verzeichnen haben, geht die Produktion der
Exporterzeugnisse Kaffee und Baumwolle nur schleppend voran.
Jeder der vier Naturräume Guineas besitzt sein eigenes agrarspezifisches Gesicht, gekennzeichnet durch die Dominanz einer oder zweier typischer Anbauprodukte der Region und einer Vielzahl sekundärer landwirtschaftlicher Produktionsaktivitäten. So nimmt der Reisanbau, das wichtigste Grundnahrungsmittel des Landes, über 46% der gesamten agrarwirtschaftlich genutzten Fläche ein. Weniger wasserbedürftige und arbeitsintensive Anbauarten wie Fonio und Mais, die hauptsächlich in den trockenen Zonen Mittel- und Oberguineas angebaut werden, folgen mit 17,5% bzw. 9,9%.
Tabelle 33: Anbaufläche nach Nahrungsmittelanbauart und Naturraum Guineas
1994.
Anbaufläche in % der Gesamtanbaufläche |
Anbauart/Naturraum | Niederguinea | Mittelguinea | Oberguinea | Waldguinea | Gesamt |
Mittl. Jahresniederschlag (mm) | 3137 | 1823 | 1558 | 2301 | 2249 |
Reis | 36,3 | 9,5 | 23,3 | 30,9 | 46,4 |
Mais | 11,2 | 40,7 | 43,5 | 4,6 | 9,9 |
Fonio | 16,4 | 41,9 | 35,9 | 5,8 | 17,5 |
Maniok | 15 | 16,8 | 43,5 | 24,7 | 8,7 |
Erdnüsse | 36,8 | 19,1 | 38,9 | 5,2 | 9,9 |
(Quelle: RG 1996c, S. 15)
NIEDERGUINEA
Trotz der Risiken der Versalzung durch das Meerwasser und der
Bodenübersäuerung durch lange Trockenzeiten dominiert in diesem Naturraum der
Reisanbau und nimmt 63% der Gesamtanbaufläche ein, vor allem im gesamten
Küstensaum, auf den weiten Küstenebenen und in einigen Tälern der Fouta
Djallon-Ausläufer. Niederguinea gliedert sich in zwei Regionen unterschiedlicher
landwirtschaftliche Aktivitätsmuster:
Die Küstenebenen
In den fluvio-marinen Niederebenen des Küstensaums wird neben der Reiskultur
noch die Meersalzextraktion und die Mangrovenholzgewinnung betrieben. Die
ausladenden Flächen der Küstenebenen bis hin zum Fuße der Fouta
Djallon-Ausläufer werden für den Anbau von Ölpalmen, Früchten (Mangos, Bananen
und Ananas) und Gemüse genutzt.
Die Ausläufer des Fouta Djallon
In den Tälern und auf den Ebenen der westlichen Ausläufer des zentralen
guineischen Bergmassivs Fouta Djallon (s. Karte 4) herrscht der extensive Anbau
von Regenkulturen wie Mais , Maniok, Hirse, Yams (Süßkartoffeln), Kartoffeln und
Erdnüssen vor. In klimatisch besonders begünstigten Talzonen werden intensiver
Reis- und Gemüseanbau betrieben. Im Osten dieser Region wird das ländliche
Erscheinungsbild durch die Transhumance der hoch aus dem Zentralmassiv
herabwandernden Nomaden geprägt, die ihre Rinderherden bis an die Grenzen zur
Küstenebene treiben.
Der Reis-, Früchte- und Gemüseanbau ist mit Ausnahme einiger auf die
Weiterverarbeitung und den Export orientierter Fruchtplantagen im Raum Kindia
und Forécariah auf die Versorgung der urbanen Agglomerationen (Boké, Boffa,
Kindia, Forécariah, Dubreka und Conakry) und der Bergbauzentren (Kamsar, Fria,
Débélé) ausgerichtet. Die Transportwege sind in relativ gutem Zustand (der
größte Teil der Verbindungswege ist asphaltiert), doch die Transportkosten sind
hoch.
Ein weiteres Problem stellt der Bevölkerungsdruck in diesem kleinsten der vier Naturräu-me dar. Von seinen rund 44.000 km2 (18% der Gesamtfläche Guineas) sind nur 21% land-
wirtschaftlich nutzbar(179) (PNUD 1992a, Band Niederguinea, S. 68). Diese 9.200 km2 müssen jedoch eine Bevölkerung von 1,05 Mill. Einwohner (ohne Conakry) ernähren, also etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung (RG 1993a, S. 1 u. 2).
Dieser Druck und die ständige Gefahr unnachsichtiger Nutzung bedrohen das
ökologische Gleichgewicht Niederguineas, insbesondere seine sensiblen
Mangrovenkulturen. Denn neben der Nutzung als Brennstoff für den Haushalt wird
das Mangrovenholz auch als Feuerholz zur Beschleunigung der
Meerwasserverdunstung bei der traditionellen Meersalzgewinnung herangezogen. Sie
ist mit rund einem Viertel am gesamten Mangrovenholzverbrauch beteiligt.
Die
Kommerzialisierung der Agrarprodukte innerhalb Niederguineas (s. Karte 24:
Kommerzialisierungsströme in der Landwirtschaft, Niederguinea) ist ganz auf die
Hauptstadt und ihren Versorgungsgürtel um die Städte Forécariah, Coyah und
Dubreka sowie die Bergbauzentren Fria und Boké ausgerichtet. Ein reger
Warenaustausch findet mit den bedeutendsten Handelszentren Mittelguineas statt,
den Städten Mamou und Labé, über die die wichtigsten niederguineischen Produkte
Reis (lokale Produktion und Importe), Fisch (Frischware und Räucherfisch) und
Salz ihren Absatz in diesem Naturraum finden. Im Austausch erhält Niederguinea
einen großen Teil der Obst- und Gemüseproduktion des Fouta Djallon.
Aufgrund der wenig entwickelten und schlecht unterhaltenen
Transportinfrastruktur sowie dem Mangel an Konservierungsmöglichkeiten und
Frischwarentransport sind die Warenströme zu den regionalen Absatzmärkten Ober-
und Waldguineas sehr beschränkt. Lediglich handwerklich konservierter
Räucherfisch und Meeressalz erreicht die Städte Kankan und N'Zérékoré.
MITTELGUINEA
Der bevölkerungsreichste Naturraum Guineas ist in zwei agrarwirtschaftlich unterschiedlich genutzte Zonen unterteilt; das Massiv des Fouta Djallon und die nordwestlichen Ebenen.
Das Massiv des Fouta Djallon
Die dominierenden Elemente landwirtschaftlicher Produktion im Fouta Djallon
lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen:
1. Die sog. "Tapades", Felder intensiven Anbaus, eng um die Siedlungen herum angeordnet und durch Einzäunungen vom übrigen Land abgegrenzt. Unter Verwendung von Tierdung als natürlicher Dünger werden hauptsächlich Fonio, Reis, Mais und Erdnüsse angebaut, oftmals auch im mehrfachen Kulturverbund. Daneben ist auch die Produktion von Yams (Süßkartoffeln), Maniok, Niébé (eine
westafrikanische Bohnenvarietät) und anderen Gemüsearten vertreten. Der
Früchteanbau konzentriert sich auf die durch die Städte Mali, Labé, Pita, Dalaba
und Mamou verlaufende Nord-Süd-Achse des Zentralmassivs. Diese Präfekturen
produzieren mehr als die Hälfte der Früchte des Fouta Djallon, dessen
Gesamtproduktion sich auf ca. 140.000 t/a geschätzt wird (PNUD 1992a, Band
Mittelguinea, S. 60).
2. Die "Außenfelder", Zonen extensiven Anbaus außerhalb des Siedlungsgebietes und der Tapades. Je nach Bodenart und -qualität werden auf den Hängen, Ebenen und Tälern eine Anbauart beständig oder mehrere im Jahreswechsel kultiviert. Die vorherrschende Hangkultur ist der anspruchslose Fonio. In einigen fruchtbaren und ausreichend humiden Tälern wird Reis gepflanzt.
3. Die weiten Ebenen in den nördlichen und südlichen Randgebieten des
Massivs, traditionelle Domänen der Viehhaltung. In den nördlichen Präfekturen
Gaoual, Koundara und Mali sowie der südlichen Präfektur Mamou (s. Karte 4) wird
mehr als ein Viertel des gesamten guineischen Viehbestandes gehalten (EBENDA, S.
66). Die Haltung liegt zum überwiegenden Teil in den Händen von
Familienbetrieben mit Herdengrößen von 5 - 10 Rindern.
Die nordwestlichen Ebenen
Der
landwirtschaftliche Charakter der nordwestlichen Ebenen der Provinzen Koundara
und Gaoual ist durch den Anbau klassischer Savannenkulturen geprägt: Naßreis,
Mais, Sorghum, Hinzu kommen Erdnüsse und Bohnen. Die Zugviehnutzung ist in
Mittelguinea seit langem bekannt, wird jedoch nur von 8% der Bauern praktiziert.
Die größten Flächen werden jedoch der Viehhaltung vorbehalten. 40 - 50% der
Viehhalter besitzen Herden mit bis zu 30 Rinder, darunter einige Großbesitzer
mit mehr als 100 Rinder (WB 1992b, Thema Nr. 2, S. 38).
Der Baumwollanbau, von der französischen Gesellschaft für die Entwicklung von
Textilfasern (Compagnie Française pour le Développement des Fibres Textiles
CFDT) in Oberguinea 1989 eingeführt, hat sich seither auch in einigen
Randgebieten des Fouta Djallon stetig weiterentwickelt. Seine Anbaufläche ist
hier von 97 ha 1988/89 auf 3735 ha 1992/93 angestiegen (PNUD 1992a, Band
Mittelguinea, S. 61).
Die hohe Bevölkerungsdichte in den zentralen Regionen des Fouta Djallon-Massivs mit mehr als 80 E/km2 (WB 1992b, Thema Nr. 2, S. 37) bringt Probleme mit der Verfügbarkeit fruchtbaren Grund und Bodens sowie der Degradation der Böden durch Auslaugung infolge Überbeanspruchung und zu kurzerBrachzeiten mit sich. Dies kommt in der Durchschnittsgröße der Anbauflä-
chen ländlicher Betriebe von etwa 1 ha zum Ausdruck. Eine weitere Folge ist
eine starke Abwanderungsbewegung junger Männer (s. Kap. 4.4.3).
Die Nord-Süd-Handelslinie zwischen den Städten Mali und Mamou bildet die
Hauptkommerzialisierungsachse der landwirtschaftlichen Güter Mittelguineas (s.
Karte 25: Kommerzialisierungsströme in der Landwirtschaft, Mittelguinea). Die
größtenteils in Familienbetrieben unterhaltenen Obst- und Gemüseplantagen des
Fouta Djallon sind die wichtigsten Gartenbaustandorte für die Hauptstadt Conakry
und das Bergbauzentrum Boké im Norden Niederguineas. Im Süden reichen die
Kommerzialisierungsströme bis Macenta und N'Zérékoré, wo überwiegend Vieh und
etwas länger haltbare Früchte wie Orangen ihren Absatz finden. Auf den
traditionellen nördlichen Handelswegen zum Süden des Senegal werden im Austausch
gegen größtenteils über Dakar importierte Industrie- und Konsumgüter Frischobst,
Gemüse und Vieh exportiert.
OBERGUINEA
In diesem flächengrößten guineischen Naturraum lassen sich die
landwirtschaftlichen Produktionsmuster in vier Systeme gliedern:
1. Die Uferterrassen und Alluvialebenen des Nigers und seiner Nebenflüsse
Tinkisso, Mafon, Niandan, Milo, Fié und Sankarani (s. Karte 5). Der Reisanbau
dominiert auf über 50% der bearbeiteten Flächen in dieser Zone (PNUD 1989a, S.
199).
2. Die nördlichen Ebenen. Mit Abnahme der Niederschläge in Richtung Norden
wird der Reis zunehmend von weniger Anspruchsvollen Getreidearten wie zunächst
Hirse und Sorghum ersetzt, dann von Fonio und Mais.
3. Die südliche Region bis zu den Ausläufern des guineischen Rückens. Die
höheren Niederschläge in diesen Zonen begünstigen den Talanbau (Maniok, Yams)
und den Naßreisanbau auf den Hängen.
4. Das westliche Nigerbecken bis zu den Ostausläufern des Fouta
Djallon-Massivs. Die nordöstliche Talebene von Dabola und das Becken von
Kouroussa werden vom Erdnußanbau beherrscht, teilweise mit Sorghum assoziiert.
Der Anbau von Wurzelfrüchten und Gemüse konzentriert sich auf die Randgebiete
der größeren Städte. Bedeutend sind die ausgeprägte Maniokkultur um Faranah und
der Anbau von Yams um Kankan. An Obstkulturen sind nur der Mangobestand in der
Umgegend von Kankan(180)
und der Anbau von Zitrusfrüchten in der Ebene von Mandiana zu nennen.
Die Baumwollkultur erlebte mit der Ansiedlung der CFDT (s.o.) 1985 im Norden von Kankan einen bemerkenswerten Aufschwung. Obwohl sich bis jetzt nur etwa 24.000 Bau-
ern im nord- und nordwestlichen Nigerbecken um Siguiri, Mandiana und Kankan
dem Baumwollanbau widmen, ist das hohe Entwicklungspotential dieser Kultur
abzusehen.
Im Zuge einiger großräumig angelegter Programme der EU und CF(181)
zur Entwicklung des ländlichen Raumes konnten beachtliche Erfolge in der
Zugviehnutzung bei Ackerbau-kulturen (Nutzungsrate 30%) und der Einführung des
Bewässerungsreisanbaus erzielt werden (WB 1992b, Thema Nr. 2, S. 39).
Die Art der Bodennutzung ergibt sich aus der Bodenqualität und der Entfernung
der Siedlungen bzw. Familien zu den Feldern. Es werden zwei Systeme
unterschieden:
a. die Dauerkulturen der alluvialen Flächen und Überschwemmungsterrassen der Flüsse sowie der humiden Talebenen;
b. der Wanderfeldbau auf den Plateaus und Hängen der übrigen Regionen. Seine
Bewegungsgeschwindigkeit hängt von der Bodenbelastung und den Brachzeiten ab.
Die in Oberguinea dominierende Volksgruppe der Malinké unterscheiden
weiterhin zwischen den kollektiven Familienfeldern, die von allen Mitgliedern
der Familie bewirtschaftet werden, und den wesentlich kleineren individuellen
Feldern.
Die Struktur der Kommerzialisierungsströme landwirtschaftlicher Produkte in
Oberguinea zeigt ein über weite Teile der Nigerebene verbreitetes Handelsnetz
mit den Umschlags- und Absatzzentren Kankan, Siguiri, Kouroussa, Faranah und
Dabola (s. Karte 26: Kommerzialisierungsströme in der Landwirtschaft,
Oberguinea). Als größter Produzent der wichtigsten traditionellen Anbauarten
Maniok, Fonio, Ignam, Erdnüsse, Flußreis, Néré und Karité reichen die
Warenströme im Westen trotz der widrigen Transportbedingungen über den
Handelsknoten Mamou bis zur Hauptstadt. Allerdings stellen die steil aufragenden
Ausläufer des Fouta Djallon-Massivs im mittel- und nordwestlichen Teil
Oberguineas ein natürliches Hindernis für den agrarwirtschaftlichen Handel mit
Mittelguinea dar.
Ebenfalls eine gute Anbindung besteht im Süden zu Waldguineas bedeutendsten
Absatzmärkten N'Zérékoré und Guéckédou. Über die beiden Umschlagsmärkte Mandiana
und Siguiri findet im Norden ein reger grenzüberschreitender Austausch von
Agrargütern mit dem Nachbarstaat Mali statt.
WALDGUINEA
Die agrare Produktionsstruktur Waldguineas gliedert sich in zwei Systeme:
1. Dem Nahrungsmittelanbau mit einem deutlichen Übergewicht in der Naßreisproduktion, der 47,3% der Gesamtnutzungsfläche dieses Naturraums gewidmet werden (s. Tab. 36). Die Hauptanbaugebiete befinden sich in der Präfektur von Beyla und den nördlichen Zonen der Präfekturen von Kissidougou,
Macenta und Lola(182)
(s. Karte 6). Andere Anbauarten wie Mais, Hirse, Fonio, Maniok, Sorghum und
einige Obstsorten (Mangos, Orangen) treten nur geringfügig als Ergänzung des
Nahrungsmittelbedarfs auf lokalen Märkten in Erscheinung.
2. Den Dauerkulturen im Plantagenanbau. Die Kaffeproduktion, die lange Zeit
unter mangelhafter Betreuung und Überalterung der Pflanzen litt, nimmt heute
43,2% der Anbaufläche Waldguineas ein und stellt mit einer Jahresproduktion von
18.444 t (1995) das wichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt des Landes dar
(EIU CR 2/96, S. 16). Andere Plantagenkulturen wie Kakao, Avokado, Ölpalmen und
Bananen (überwiegend Kochbananen) werden zumeist in Familienbetrieben angebaut
und sind für die Eigenversorgung und die Bedienung lokaler Märkte und der Städte
in dieser Region bestimmt.
Im nationalen Kontext nehmen indes diese Plantagenkulturen die vordersten Plätze ein:
Das unterschiedliche agrarwirtschaftliche Erscheinungsbild dieses Naturraumes
gegenüber den anderen wird noch durch zwei weitere Elemente ergänzt: Die
Schweinehaltung und die Naturkautschukproduktion. Während die Haltung von
Rindern, Schafen und Ziegen mit etwa 13% Anteil am nationalen Bestand kaum ins
Gewicht fällt, besitzt Waldguinea über 91% des guineischen Schweinebestandes(183).
Für die Naturkautschukproduktion wurden seit 1988 auf einer Fläche von 8.000 ha
Hévéas-Plantagen angelegt, die am Produktionsbeginn stehen (s. Kap. 6.1.1.3.2).
Die Kommerzialisierung der landwirtschaftlichen Agrargüter Waldguineas erfolgt über drei Hauptachsen: Die hauptsächlich aus den Anbauzonen um N'Zérékoré, Macenta und Kissidougou stammenden Produkte Kaffee, Bananen, Erdnüsse, Kolanüsse, Palmkerne und -öl sowie Holz erreichen die Hauptstadt über die südliche Ost-West-Handelsachse Faranah, Mamou und Kindia. Die bedeutenden oberguineischen Absatzmärkte von Kankan und Siguiri werden
mit Palmöl, Mais, dem beliebten Bergreis, Kolanuß und Bananen über den
Umschlagsmarkt in Beyla versorgt. Im Süden steht das Handelszentrum N'Zérékoré
in regem Warenaustausch mit den Nachbarstaaten Elfenbeinküste und Liberia (s.
Karte 27: Kommerzialisierungsströme in der Landwirtschaft,
Waldguinea.).
6.1.1.2 Die Viehwirtschaft als traditionelle
Wachstumsbranche
Die Viehwirtschaft ist mit 3,3% Beteiligung am BIP (1997) ein konstanter
Faktor des primären Sektors. Das jährliche Wachstum der Branche beträgt seit
1992 im Vergleich zum Gesamtwachstum des Agrarsektors überdurchschnittliche 5,5%
(RG 1998e, S. 21). Die Viehhaltung stellt eine wirtschaftliche Basisaktivität
für große Teile der Bevölkerung in Mittel- und Oberguinea dar, wo sie mit
respektive 61% und 53% die regionale ländliche Ökonomie bestimmt. In Nieder- und
Waldguinea dagegen macht sie nur etwa 17% der Aktivitäten im primären Sektor aus
(PNUD 1992a, Hauptband, S. 13).
Das Engagement der guineischen Regierung einerseits und die konsequente Förderung der Branche durch die internationale Gebergemeinschaft andererseits führten in den letzten Jahren zu beachtlichen Ergebnissen:
Im Jahre 1995 belief sich der guineische Bestand an Rindern auf ca. 2,16
Mill. Stück (RG 1996d, S. 29) der Rasse N'dama, einer sehr widerstandsfähigen(184)
und dem Klima Mittel- und Oberguineas bestens angepaßten Rasse. Ihre
Produktivität ist mit durchschnittlich 1 - 2 l Milch pro Tag und etwa 100 - 110
kg Fleisch pro Jahr hingegen gering (PNUD 1992b, Hauptband S. 13). Sie wurde von
den im Fouta Djallon seßhaft gewordenen, ehemaligen Nomaden, den Peulh,
eingeführt, die sie immer noch überwiegend in der familiären Wirtschaft mit
einem überschaubaren Bestand von 4-10 Rindern halten. Sie betrachten ihre Herden
bis heute als grundsätzlich unveräußerbares Familienvermögen, dessen Wert sich
nicht nach der Fleisch- und Milchleistung, sondern nach der Stückzahl allein
bemißt.
Guineas Viehbestand ist in den letzten Jahren stetig angestiegen. Besonders der Rinderbestand hatte in den Jahren nach 1990 beständige Wachstumsraten von jährlich etwa 7% zu verzeichnen. Dennoch ist der Fleischertrag gering. 1995 lag die Fleischproduktion bei insgesamt 34.000 t, etwa 108 kg Fleisch pro Rind (RG 1995b, S. 42; MT Nr. 2698, S. 1670). Indes weist die Tatsache, daß nur etwa 10% des Gesamtrinderbestandes zum Schlachthof gebracht werden, zum einen auf den hohen traditionellen Wert des Rindes innerhalb der Familienbetriebe hin, zum anderen werden eine Vielzahl von Schlachtungen anläßlich größerer Festlichkeiten und kultureller Ereignisse im Kreise von Großfamilien
und Dorfgemeinschaften unregistriert vorgenommen.
Zusammen
mit einer Produktion von 1656 t Eiern sowie 56378 t Milch ergibt die
Fleisch-erzeugung eine jährliche tierische Proteinmenge von 7378 t (1995, ohne
Fischeiweiß), was den jährlichen Bedarf der guineischen Bevölkerung an
tierischen Proteinen nur zu 58% abdeckt. Der rechnerische pro-Kopf-Verbrauch von
2,9 g täglich reduziert sich in entlegenen ländlichen Gebieten auf oftmals
weniger als 1 g. Ein Teil des Bedarfs wird durch den Import von Fleisch und
Milchprodukten aufgefangen, mit denen jedoch zumeist nur die urbanen Zentren
versorgt werden (MT Nr. 2698, S. 1670).
Der größte Teil der Tiere, die in den Schlachthöfen der Hauptstadt
verarbeitet werden, kommen aus dem hochgelegenen Bergland des Fouta Djallon und
den von Tsetsefliegen freien Trockensavannen des oberguineischen
Manding-Plateaus. Die Schweinehaltung ist aufgrund der Tatsache, daß in
Waldguinea ein relativ bedeutender Teil der Bevölkerung das Christentum und den
Animismus praktiziert, dort mit 91,6% der insgesamt ca. 40.800 Stück am
stärksten vertreten.
Die Geflügelhaltung hatte in den letzten Jahren mit der Einführung von
halbindustriellen/industriellen Geflügelfarmen einen Wachstumssprung zu
verzeichnen und erreichte 1995 einen Bestand von ca. 7 Mill. Stück(185)
(MT Nr. 2698, S. 1670).
Die Hauptprobleme der guineischen Viehwirtschaft liegen trotz der erheblichen Anstrengungen in den letzten Jahren in der immer noch unzureichenden tierärzlichen Versorgung, verbunden mit der Unwissenheit der Bevölkerung über die Bedeutung von Impfungen und adäquaten Behandlungen. Weiterhin führt der traditionell hohe Besitzstandswert von Vieh, insbesondere von Rindern, sowie ein hohes Maß an Extensität bei der Haltung zu einem beständig wachsenden Viehbestand,
wodurch die Weidegründe knapp und der Überweidung preisgegeben werden(186).
Außerdem ist von den Möglichkeiten der Integration der Viehwirtschaft in die
Landwirtschaft bisher zu wenig Gebrauch gemacht worden(187).
6.1.1.3 Entwicklungsstrategien
Nach der Abkehr von der sozialistischen Planwirtschaft verfolgt die guineische Regierung seit 1985 eine Sektorpolitik, die die privatwirtschaftlich organisierte Agrarproduktion als Motor der landwirtschaftlichen Entwicklung in den Vordergrund stellen soll. Mit den drei Hauptzielen
- Erhöhung der Nahrungsmittelsicherheit,
- Ausbau und Diversifizierung des Anbaus von Exportkulturen und
- nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen
unterstützt das Land mit Hilfe der internationalen Gebergemeinschaft die
Entwicklung seines Agrarsektors in umfangreichen Investitions- und
Förderprogrammen.
Um der Reformierung und der Wiederbelebung des Agrarsektors eine Strategie zurunde zu legen, definierte die guineische Regierung im September 1991 ihre landwirtschaftliche Entwicklungspolitik (Lettre de Politique de Développement Agricole LPDA)(188). Der Inhalt dieser Politik ist eine verbindliche Beschreibung der wichtigsten Entwicklungsplanziele, die in einem umfangreichen Aktionsplan, der auch die gesetzlichen und institutionellen Veränderungsmaßnahmen beeinhaltet, verwirklicht werden sollen:
1. Intensivierung der Eigenproduktion zur Sicherung der Nahrungsmittelgrundversorgung und Verminderung der Importleistungen;
2. Exportsteigerung;
3. Schaffung und Verbesserung von investitions- und produktionsfördernden Bedingungen für Agrarproduzenten;
4. Gewährleistung eines vernünftigen Umgangs mit natürlichen Ressourcen.
(nach: RG 1991a, S. 3ff)
Die Verwirklichung dieser Ziele soll mit der Durchführung folgender Maßnahmen erreicht werden:
a) Fortsetzung des Rückzuges staatlicher Beteiligung an Produktionsaktivitäten, die vom privatwirtschaftlichen Sektor übernommen werden können;
b) verstärkte Förderung der privatwirtschaftlichen Initiative im landwirtschaftlichen Produktionsbereich;
c) Verbesserung der Rahmenbedingungen für Privatinvestitionen in den ländlichen Regionen;
d) Bereitstellung von agrarwirtschaftlichen Dienstleistungen (angewandte Forschung, Saatmaterial etc.);
e) Verbesserung der ländlichen Infrastruktur;
f) Aufbau und Unterstützung lokaler Verwaltungskapazitäten durch
g) Markterschließung für nationale Produkte im subregionalen und internationalen Raum;
h) Einführung flexibler Schutztarife für Importe zur Gewährleistung der Konkurrenzfähigkeit nationaler Produkte.
(nach: RG 1991a, S. 11ff, WB 1992a, S. 13)
Der Implementierung dieser Politik liegt das Prinzip der Beschränkung der
Rolle des Staates bei gleichzeitiger deutlicheren Problem- und Zielorientierung
seiner Interventionen zugrunde. Die vorbereitenden Studien verdeutlichten
außerdem die Notwendigkeit, den Umfang und die Qualität ökonomischer und
sektorieller Analysekapazitäten zu verbessern. Die Entwicklung des Agrarsektors
zu einer tragfähigen Leistungskomponente der guineischen Volkswirtschaft wird
indes bei dem Versuch, seine Produktivität und seine
Kommerzialisierungskreisläufe zu verbessern, mit zahlreichen Problemen
verschiedener Natur konfrontiert. Zu den physischen Problemen zählt die
Degradation der natürlichen Umwelt durch den unnachsichtigen und
unkontrollierten anthropogenen Einfluß (Brandrodung, Bodenauslaugung), der
wiederum die Erosion und die Verarmung der Böden vorantreibt. Aber auch die
zunehmende Desertifikation, vor allem im Nordosten und Osten Oberguineas,
hervorgerufen durch permanent abnehmende Niederschläge und ungewöhnlich lange
Trockenzeiten, drängen die agrarwirtschaftliche Nutzfläche stetig zurück.
In der ländlichen Bevölkerung treffen agrarökonomische
Entwicklungsinitiativen oftmals auf Unverständnis und Mißtrauen gegenüber allen
Fremdeinflüssen. Die Alphabetisierungsrate ist hier mit 18% extrem niedrig (PNUD
1992b, S. 35), das technologische Niveau entsprechend unterentwickelt.
Uneffektive, extensive traditionelle Produktionstechniken überwiegen.
Die ökonomischen und
infrastrukturellen Hindernisse sind zahlreich. Eines der Hauptprobleme stellt
das trotz beständigen Ausbaus immer noch ungenügende und schlecht unterhaltene
Straßen- und Pistennetz dar. Außerdem ist die Kapazität an zuverlässigem und
angepaßtem Transportraum begrenzt.
Die branchenspezifischen Rahmenstrukturen sind unterentwickelt (s. Karte 23). Zu den Schwierigkeiten in der Produktion zählen die unzureichende Verfügbarkeit und die schwache Nutzung moderner und rationeller Technologien in Anbau, Ernte und Verarbeitung sowie der ungenügende Vertrieb und Gebrauch von hochwertigem Saatgut. Die
Agrarprodukte können für einen Transport oder eine Lagerung bisher nur in
geringem Umfang angemessen behandelt und für längere Zeit konserviert werden.
Daraus resultiert das Problem, beständig versorgte Marktkreisläufe aufzubauen
und aufrechtzuerhalten, um das Abführen der Produktion zu gewährleisten. Die
Zirkulation der landwirtschaftlichen Güter im volkswirtschaftlichen Kreislauf
wird zudem durch steigende Nahrungsmittelimporte beeinträchtigt(189).
Darüber hinaus werden Bauern, die im Zuge der Anwendung neuer Technologien
beispielsweise gerade erste Überschüsse in der Produktion erzielt haben, sehr
schnell der Desillusion und Demotivation ausgesetzt, wenn sie diese nicht auf
dem Markt absetzen können.
Neben dem unzureichenden Verkehrs- und Transportnetz haben ebenso die
ungenügenden Kommunikationsmöglichkeiten sowie der Mangel an finanzieller
Infrastruktur investitions- und entwicklungshemmende Wirkungen.
Die institutionelle Seite stellt im Exportbereich hohe Verwaltungskosten und
umfangreiche Prozeduren in der Bearbeitung in den Weg. Obwohl neue Gesetze wie
das Investitionsgesetz von 1987 (s. Kap. 5.4.2.1), das Zollgesetz von 1992 und
das Immobilien- und Unternehmensgesetz von 1992 zur Regelung von Grund- und
Eigentumsfragen (s. Kap. 5.4.2.3) sowie Richtlinien und Verordnungen im Handels-
und Bankenwesen deutliche Vorgaben hinsichtlich einer korrekten und effizienten
Abwicklung von Exportaktivitäten geben, ist eine konsequente Umsetzung des
Regelwerkes bis heute oftmals mit Willkür, Korruption, Schikane und Inkompetenz
seitens der institutionellen Verantwortlichkeit verbunden.
Zur Überwindung dieser Hindernisse wurde den in der von Regierung und
Entwicklungshilfe gemeinsam ausgearbeiteten landwirtschaftlichen
Entwicklungspolitik (RG 1991a, s. Kap. 6.1.1.4) formulierten Strategien eine
zeitliche Implementierungsstruktur gegeben, die sich in kurz-, mittel- und
langfristige Rahmenziele gliedert (nach RG 1991a, S. 3ff, MT Nr. 2407, S. 3415
u. 3416).
Kurzfristige Rahmenziele
1. Konsequente Durchsetzung der allgemeinen Verwaltungsreform im ländlichen
Bereich (Zugang zu Dienstleistungen, Vereinfachung und Effizienzsteigerung der
Verwaltung für die Agrarproduzenten). Insbesondere die Dienste des
Landwirtschaftsministeriums müssen dezentralisiert, ihre Erreichbarkeit
optimiert werden.
2. Die Unterstützung der Bildung von Kooperativen und anderen
privatwirt-schaftlich organisierten Kollektivstrukturen durch eine Verbesserung
der institutionellen und organisatorischen Rahmenbedingungen (Beratung und
Betreuung).
3. Der Abschluß der Grund- und Besitzrechtsreform. Sie gilt als Grundvorausset
zung für Investitionen im Agrarsektor, da durch geregelte
Besitzstandsverhältnisse Garantien und Solvenzen für Finanzierungen und
Kooperationen existieren.
4. Die Intensivierung des Technologietransfers.
5. Die Drosselung der Reisimporte. Um eine vermeintliche Beeinträchtigung der
nationalen Reisproduktion zu vermeiden, soll die Reiseinfuhr kontrolliert und
auf Conakry, die Bergbauenklaven und wichtige Agglomerationen begrenzt werden.
Die im Zuge der allgemeinen Verwaltungsreform angestrebte Dezentralisierung
der Dienstleistungen des Landwirtschaftsministeriums hat sich aufgrund der
begrenzten Haushaltsmittel bisher eher bescheiden ausgenommen. Deshalb ist es
von besonderer Bedeutung, bestimmte, auf das regionalspezifische
Entwicklungspotential zugeschnittene Betreuungseinrichtungen an strategisch
günstige Punkten zu errichten, die einfach und kostengünstig erreichbar sind.
Andererseits müßten auch jene behördlichen Außenstellen flexibel und mobil genug
ausgerüstet sein, um ihre potentiellen Einzugsgebiete auch voll erfassen zu
können. Ein Veterinäramt sollte beispielsweise im Zentrum der Viehzuchtdomäne
des Fouta Djallon (Mittelguinea), in der Provinzhauptstadt Labé eingerichtet
sein. Gleichzeitig müssen Gebiete mit höchster Konzentration an Viehbestand wie
die Unterpräfekturen Koumbia, Sareboido und Kakony im Norden Mittelguineas(190)
(s. Karte 29) mühelos erreicht werden können.
Außerdem sollte sich die Verteilung und Struktur solcher
Dienstleistungseinrichtungen nach den weiteren Entwicklungen des
privatwirtschaftlichen Produktionssektors im ländlichen Bereich orientieren.
Hierbei ist eine enge Zusammenarbeit mit der guineischen Handels-, Industrie-
und Landwirtschaftskammer (CCIAG) für beide Seiten notwendig und profitabel(191).
Die Förderung der Bildung von privatwirtschaftlichen Berufsgruppierungen, vor
allem im agraren Exportbereich, dient dazu, Voraussetzungen für die Verbreitung
besserer Technologien und entsprechendem Fachwissen zu schaffen. Doch gerade auf
dem Gebiet der Kommerzialisierung besteht ein hoher Bedarf an Aufklärung und
Beratung. Nur bei einer konstruktiven und zielorientierten Betreuung seitens der
Regierung, der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und der subregionalen
und internationalen interessierten Handelswelt können die privaten
Berufseinrichtungen wirtschaftliche Verantwortung, die vorher beim Staat lag,
übernehmen und lenken.
Obgleich guineischer Grund und Boden grundsätzlich Eigentum des guineischen
Staates ist und das 1992 verabschiedete Immobilien- und Unternehmensgesetz
Grund- und Eigen-
tumsfragen verbindlich beantwortet, halten sich Teile der öffentlichen
Verwaltung und der Bevölkerung immer noch an traditionelle Besitzrechte. Dennoch
ist die Anerkennung des privaten Boden- und Besitzrechtes dabei sich allmählich
durchzusetzen und die traditionellen Eigentumsrechte zu ersetzen.
Mittelfristige Rahmenziele
1. Der Umweltschutz. Die Hauptschwerpunkte sind der Schutz der Böden im
zentralen Bergmassiv des Fouta Djallon Mittelguineas, das als das fragilste
Ökosystem des Landes gilt, sowie der Schutz der Flora und Fauna des guineischen
Rückens Waldguineas (s. Kap. 4.1), insbesondere auf dem südlichen
Nimba-Bergmassiv, das durch Brandrodung und den unkontrollierten Abbau von
Bodenschätzen bedroht ist.
2. Die Erweiterung und Instandhaltung des ruralen Pistennetzes. Die
Hauptorientierungen sind die Verbesserung der allgemeinen Verkehrs- und
Transportbedingungen sowie der Ausbau und die Instandhaltung der Zubringerpisten
zu wichtigen Anbauzonen.
3. Die Förderung des Aufbaus einer ruralen finanziellen Infrastruktur. Sie
bildet eine wesentliche Grundlage für die Etablierung eines normalen
Investitionskreislaufs in den ländlichen Regionen. Dabei sollen zunächst die
bewährten Kreditsysteme auf der Basis gegenseitiger gemeinschaftlicher
Rückversicherung weiter gefördert werden. Gleichzeitig soll der Aufbau eines
klassischen Bankensystems mit der Ansiedlung von Filialen privater Handelsbanken
in den wichtigsten Zentren der ländlichen Regionen vorangetrieben werden.
4. Die allgemeine Verbesserung der Infrastruktur. Neben dem Ausbau des
Verkehrs- und Kommunikationsnetzes gilt die Aufmerksamkeit ebenso der Schul- und
Berufsausbildung, der medizinischen Versorgung (Bildung von Gesundheitszentren,
Impfprogramme, Erhöhung der Ratio Arzt/Einwohner) sowie der Wasserversorgung und
-nutzung (Versorgung der Dörfer mit Trinkwasser, Rationalisierung und
Optimierung der Wassernutzung in der Landwirtschaft).
5. Die gezielte Förderung regionalspezifischer Potentiale und Kapazitäten.
Der Umweltschutz betrifft in erster Linie die Bodenkonservierung in der
Landwirtschaft. Gerade im Fouta Djallon Mittelguineas und auf dem guineischen
Rücken Waldguineas haben Brandrodung, Überweidung, intensive Hangbewirtschaftung
und fehlende Brachzeiten zur Auslaugung des Bodens und erheblichen Minderung
seiner Qualität und seines Schutzes geführt. Maßnahmen zur Renaturierung
zerstörter Flächen, zur Wiederaufforstung und zum Hangbodenschutz sind ebenso
notwendig wie die Einleitung einer Bewußtseinsänderung zur Modifizierung der
traditionellen Anbaumethoden hin zu nicht zerstörerisch wirkenden, die Natur
erhaltenden und besser nutzenden landwirtschaftlichen Bearbeitungsmethoden.
Bei einer Bearbeitung von nur 11% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche
(s.o.) liegt das Problem also nicht im Mangel an verwertbarem Boden, sondern in
der extensiven und ressourcenfeindlichen, ökologisch belastenden Nutzung
desselben. Ziel einer konkreten Nutzungspolitik ist es daher, auf der einen
Seite mit Hilfe von Verbesserungen in Anbau- und Bearbeitungsmethoden die
bestehende Nutzfläche in einen beständigen Regenerierungsprozeß zu überführen
(wenn nötig und möglich mit längeren Brachzeiten), auf der anderen Seite neue
Anbauflächen zu erschließen.
Beim Aufbau einer finanziellen Infrastruktur in den ländlichen Regionen hat
sich das ländliche Kreditsystem im Rahmen von Solidargemeinschaften (s. Kap.
6.1.1.4.4) als grundlegende Quelle für Erfahrungen und Informationen für
Investitions- und Finanzierungsfragen erwiesen. Das System unterscheidet sich
nicht wesentlich von längst existierenden traditionellen gemeinschaftlichen
Finanzierungsmethoden(192),
ist jedoch einer modernen Finanzverwaltung angepaßt. Somit können die ländlichen
Kreditsysteme durchaus als Zwischenstufe zu einem späteren Aufbau eines den
ländlichen Raum erschließenden Banksystems angesehen werden.
Die Frage nach einer Entwicklungsbank stellt sich indes nicht, denn die
Erfahrung zeigt, daß diese Banken durch das eher belastende Mandat der
Entwicklungsförderung und durch Mißmanagement vom Zustand der
Handlungsunfähigkeit gezeichnet sind, hervorgerufen durch irrationale
Kreditvergabe (BAD 1990, S. 64ff). Außerdem sind zahlreiche wichtige
internationale Finanzierungsinstitute (CFD, EIB, IFC, DEG) und
Entwicklungshilfeorganisationen (UNDP, FED, USAID) am Kapital oder am
Kreditangebot der wichtigsten Handelsbank des Landes, der BICIGUI beteiligt
(EBENDA, S. 68). Die Errichtung einer Entwicklungsbank würde daher nur zu eine
Angebotsverdopplung und Desorientierung in der unternehmerischen Bevölkerung
führen. Außerdem liegen die Hauptprobleme der Kreditvergabe nicht an einem
Mangel an Liquidität, sondern an der unzufriedenstellenden Qualität der Projekte
und dem Profil des beantragenden Privatinvestors.
Der regionalspezifische Entwicklungsansatz basiert auf drei
Handlungsprinzipien:
1. Produkte mit einem schon existierenden, bedeutenden Produktionsvolumen,
die potentielle Märkte und gute ökonomische Voraussetzungen besitzen, haben
Förderungspriorität. Dies wäre beispielsweise der Fall mit dem Gemüseanbau im
Fouta Djallon (besonders Kartoffeln und Zwiebeln) für den nationalen und
senegalesischen Markt, aber auch der Getreideproduktion im Raum Gaoual -
Koundara (im Norden Mittelguineas) für den Dreiländermarkt Guinea-Bissau,
Senegal und Mali, oder den Reisanbau in den Küstenregionen Niederguineas für die
Versorgung Conakrys.
2. Produkte, die trotz der Liberalisierung von Markt, Preisen und Produktion durch fehlende Technologie unter einer Entwicklungsblockade im Zuge der Wiederaufnahme der Produktion leiden, bedürfen einer gezielten Analyse der Hemmfaktoren
und ebenfalls prioritärer Förderung (insbesondere Kaffee und Reis).
3. Für den Initialprozeß der Ausschöpfung des Entwicklungspotentials einiger Produkte entsteht die Notwendigkeit, strategische Ausgangspunkte wie z.B. eine agro-industrielle Verarbeitungseinheit zu schaffen. Diese Orientierungspole sollten daraufhin katalysierende Wirkung auf die weitere Entwicklung des betroffenen Agrarzweigs besitzen. Dies trifft insbesondere auf die Rohgummi- und Palmölproduktion zu.
Gerade diese Förderungsstrategie bedarf einer besonderen Einbindung in die
Entwicklungskonzepte zur Verbesserung der Infrastruktur des gesamten ländlichen
Raumes, insbesondere im Transportbereich.
Langfristige Rahmenziele
1. Die Sicherung der Eigenversorgung des Landes mit Nahrungsmittel bis zum
Jahre 2000. Strategischer Grundgedanke der guineischen Regierung ist dabei, mit
der Beseitigung von Hindernissen institutioneller und infrastruktureller Art der
privatwirtschaftlichen Entwicklung genügend Raum zu verschaffen.
2. Mit dem Ausbau der Exportwirtschaft und den die Agrarwirtschaft
begleitenden ökonomischen Aktivitäten sollten die ländlichen Regionen eine
Umwandlung im Bewußtsein der Bevölkerung und in der ökonomischen Realität
erfahren und der wichtigste Nährboden des Landes für Wachstum, Beschäftigung und
Einkommen werden.
3. Auf lange Sicht muß der mittelfristig angesetzte regionalspezifische
Entwicklungsschritt einer Tendenz zur Ausgewogenheit der Gesamtheit der
Regionalentwicklungspläne untergeordnet werden. Eine Integration der einzelnen
Förderungskonzepte in die nationale ökonomische Entwicklungsstrategie muß
gewährleistet sein.
4. Der Produktionsbilanzausgleich im Agrarsektor. Die Wachstumsrate der landwirtschaftlichen Produktion muß mindestens konstant 3,5% betragen, um eine positive Bilanz zu erzielen (RG 1991a, S. 3). Die wichtigsten Maßnahmen zum Erreichen dieses Ziels sind:
eine deutliche Reduzierung der Nahrungsmittelimporte,
die Zufuhr von technologischem und fachlichem Input sowie wichtigen, bislang nicht verfügbaren Produktionsgrundlagen (Saat, Dünger, etc.) für ein gesteigertes Produktionswachstum,
die Sicherung einer beständigen Exportsteigerung, u.a. durch die Erschließung neuer Absatzmärkte mit Hilfe von darauf zugeschnittenen Produktionsstrategien:
subregionaler Absatzmarkt: Produktionssteigerung (Massenproduktion)
internationaler Absatzmarkt (insbesondere Europa): Qualitätssteigerung
Ein weiteres Problem im Kampf um mehr Wachstum im Agrarsektor ist die Landflucht (s. Kap. 4.4.3). Die Verbesserung der sozioökonomischen, infrastrukturellen und institutio-
nellen Rahmenbedingungen sollen letztendlich der ländlichen Bevölkerung eine
realistische Perspektive bieten, ihre Lebensbedingungen mit produzierenden
Aktivitäten und wirtschaftenden Händen aufzuwerten. Dazu bedarf es eines
erheblichen Maßes an Aufklärung und Ausbildung jeglicher Art, die jedoch
vornehmlich in den Städten zu erhalten ist. Somit stellt das Anbieten von
agrarwirtschaftsspezifischen Ausbildungsmöglichkeiten für die Träger des
ländlichen Produktionswachstums, den Bauern, unmittelbar in ihrem Lebensmilieu
eine wichtige Voraussetzung für den Wachstumsprozeß dar.
Die landwirtschaftliche Entwicklungspolitik der guineischen Regierung basiert
auf der Annahme einer Inflationsrate von 8 bis 10% vom Jahre 1993 an, um den
Erfolg der sektoriellen Strategien zu sichern (RG 1991a, S. 6). Dank einer
umsichtigen, aber auch rigorosen Währungs- und Haushaltspolitik konnte die
Inflationsrate deutlich unter dieses Niveau gesenkt werden.
Das
Erreichen und Halten dieser niedrigen Inflationsrate hat unmittelbare
Auswirkungen auf die gesetzten Ziele bezüglich der landwirtschaftlichen
Produktion, des Handels und der Agrarinvestitionen. Sie sichert eine bessere
Belieferung der nationalen Märkte und verstärkt somit die Selbstversorgung des
Landes, da der Export in die Nachbarländer nicht mehr so lukrativ erscheint. Des
weiteren ist die Mobilisierung der Volksersparnisse im Zusammenhang mit dem
Aufbau eines ländlichen Kreditsystems zur Erhöhung der Investitionsaktivitäten
von der Höhe der Zinsen für Kredite und Einlagen abhängig. Sollte sich die
Inflationsrate über längere Zeit auf diesem Niveau halten können, kommt die
ländliche Bevölkerung noch wesentlich stärker als es in den letzten 2-3 Jahren
der Fall war, in den Genuß attraktiver Kreditzinsen.
Eine stabile Wachstumsrate von mindestens 3,5% erscheint in Anbetracht der Entwicklung des Agrarsektors in den letzten drei Jahren und seines Potentials möglich und wahrscheinlich, jedoch nur unter der Voraussetzung einer integrierten, genau aufeinander abgestimmten Förderung und Entwicklungssteuerung in den beteiligten Sektoren wie Transport, Infrastruktur und Dienstleistungen realisierbar. Dank verstärkter öffentlicher Investitionen und der ungeteilten Aufmerksamkeit der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wurde dieses Ziel 1993 mit einem Wachstum von 3,8% gegenüber dem Vorjahr erstmals erreicht.
Zusammenfassend hat sich die seit Ende 1991 formulierte und in der Umsetzung
begriffene landwirtschaftliche Entwicklungspolitik bisher bewährt und eine Basis
für gezieltere Maßnahmen zur Steigerung der Produktion von Agrargütern für die
nationale Versorgung und für den Export geschaffen. Seit Ende 1994 werden die
Implementierungsstrategien und -aktivitäten einer Revision unterworfen, um sie
unter dem Eindruck der bislang gemachten Erfahrungen neuen Rahmenbedingungen und
makroökonomischen Orientierungen anzupassen. Drei Aspekte sind dabei von
besonderer Bedeutung:
Beteiligung der Privatwirtschaft
Obgleich die privatwirtschaftliche Initiative als Motor der Entwicklung im
Agrarsektor fungieren sollte, wurde sie offiziell an der Diskussion zur
Erarbeitung einer tragfähigen Agrarpolitik kaum beteiligt(193).
Andererseits befand sich der Prozeß der Bildung formeller privatwirtschaftlicher
Organisationen, Verbände und Interessensvertretungen zunächst in einem
Anfangsstadium, adäquate Ansprech- und Diskussionspartner zu finden war schwer.
Dennoch bleibt dem politischen Programm das Fehlen einer eindeutigen und
kohärenten Implementierungsstrategie zur Forcierung eines konstruktiveren und
aktiveren Dialogs zwischen öffentlichem und privatem Sektor anzulasten.
Makroökonomische und intersektorale Wirkungen und Beziehungen
Innerhalb der landwirtschaftlichen Entwicklungspolitik kommt es bislang zu
keiner wesentlichen Analyse, Bewertung und Nutzung makroökonomischer und
intersektoraler Wechselbeziehungen zwischen dem Agrarsektor und der nationalen
Ökonomie. Eine sektorale Finanzierungsproblematik kann ebenso eine Auswirkung
der Steuerpolitik oder der ungünstigen Gestaltung des staatlichen
Investitionsprogramms sein, wie auch Kosten und Überschüsse aus dem Agrarsektor
von anderen Wirtschaftsfaktoren wie Arbeitsmarktlage, Transportinfrastruktur
usw. abhängen.
Die Folge ist eine mehr projektorientierte Umsetzung der Politik denn die
Schaffung eines flexiblen Rahmens strategischer Steuermechanismen. Daraus
resultiert eine Vernachlässigung des intersektoralen Entwicklungsdialogs
zwischen der Regierung und der Geberge-meinschaft, der sich auf das Niveau der
Diskussion um Projektrealisierungen reduziert. Obwohl die Geberorganisationen
den weitaus größten Anteil der Investitionen tragen, ist das Erreichen der
formulierten Ziele durch die monosektorale und projektbeschränkte
Implementierungsmethodik infragegestellt. Auch die Koordination der innerhalb
des Landwirtschaftsministeriums, seinen betroffenen Abteilungen und den
überregionalen und regionalen behördlichen Stellen eingeleiteten Maßnahmen zur
Umsetzung der politischen Entwicklungsstrategien stellt ein wichtiges Problem
dar.
Politische Analyse- und Wertungskapazitäten
Zur wirkungsvollen und tragfähigen Umsetzung der politischen Maßnahmen fehlt der öffentlichen Verwaltung und insbesondere dem Landwirtschaftsministerium qualifiziertes und erfahrenes Personal, das die Grundlagen der mikroökonomischen Planung sowie das
Management von Wirtschaftsreformen und deren Analyse und Evaluierung
beherrscht(194).
Mit Unterstützung der internationalen Gebergemeinschaft führte das guineische
Landwirtschaftsministerium Ende 1996 eine Evaluierung der bisherigen Ergebnisse
ihrer unter der neuen Agrarpolitik eingeleiteten Aktivitäten durch. Erstmals
wurden zu dieser Bewertung auch Repräsentanten ländlicher Erzeugergruppen und
-verbände eingeladen (RG 1997b, S. 5).
Die Ergebnisse dieser ersten Phase der landwirtschaftlichen Reformpolitik von
1992 bis 1996 (LPDA) wurden insgesamt als zufriedenstellend bewertet:
Deutliche Defizite waren dagegen in folgenden Bereichen zu verzeichnen:
Den Ergebnissen Rechnung tragend, wurden die Leitstrategien und Umsetzungskonzepte der Landwirtschaftspolitik überarbeitet und aktualisiert uns in Form einer Folgepolitik editiert (LPDA 2) (RG 1997b, RG 1998a). Dabei wurden die bestehenden grundsätzlichen
strategischen Ziele nochmals bestätigt. Die Notwendigkeit des Rückzugs
staatlicher Interventionen und Steuerung zugunsten der weiteren Entwicklung des
Privatsektors wurde akzentuiert, die Forcierung der Förderung der
privatwirtschaftlichen Initiative unterstrichen (RG 1998a, S. 8).
Hervorgehoben wurde außerdem das Streben nach Kohärenz mit anderen
Sektorpolitiken zur Verbesserung der Lebensbedingung im ländlichen Raum mit dem
Ziel, die Landflucht zu bekämpfen, um sich das erforderliche Humankapital für
die Agrarproduktion zu erhalten (EBENDA). Damit einher geht die Absicht,
verstärkt partizipatorische Ansätze zur besseren Sensibilisierung der ländlichen
Bevölkerung in den Bereichen Diversifizierung und Mechanisierung der Produktion,
Anwendung moderner Anbaumethoden und -arten, Investitionsplanung und
Ressourcenschutz anzuwenden.
6.1.1.3.1 Die Erreichung der Nahrungsmittelsicherheit als
Wachstumsbasis
Um dem erklärten Hauptziel, der Nahrungsmittelautarkie, im Bewußtsein des
hohen Bevölkerungswachstums (s. Kap. 4.4) näherzukommen, müßte zuerst die
Agrarproduktion drastisch erhöht werden. Dies würde zunächst einen allmählichen
Übergang von den wenig produktiven und die Bonität des Bodens beeinträchtigenden
Hangkulturen zu einem verstärkten Anbau in den Tälern bedeuten. Hier können die
wertvollen Böden besser geschützt und die Einführung und Optimierung von
Bewässerungstechniken zur Produktivitätssteigerung beitragen.
Die Anwendung von Kunstdüngern o.ä. würde sich zur Zeit durch die hohen
Kosten für den Import und den Transport in das Landesinnere vielfach als
unrentabel erweisen. Der Ertrag bestimmter Anbaukulturen kann jedoch vor allem
durch eine Selektion und bessere Abstimmung der Varietäten auf die lokalen
Bedingungen sowie durch eine Optimierung der Anbautechniken als auch eine
Rationalisierung und Verbesserung der Wassernutzung gesteigert werden.
Die landwirtschaftliche Produktionsdecke ist in manchen Regionen und zu
bestimmten Zeiten derart dünn, daß saisonal bedingte Ertragsschwankungen nicht
ausgeglichen werden können. Die Risiken werden einerseits vom Produzenten und
Konsumenten getragen, die zur Zeit der Ernte und größten Markttätigkeit vom
guten Verkauf und niedrigen Preisen profitieren, während der Übergangsperioden
jedoch unter einem geringen Angebot und überhöhten Preisen leiden. Die Regierung
andererseits ist der Unkalkulierbarkeit der nationalen Produktionsmenge
ausgesetzt und muß die Nahrungsmittelimporte nach den saisonalen Bedürfnissen
ausrichten(196).
Die Situation der wichtigsten Anbauprodukte für die Nahrungsmittelsicherheit:
Zur Erreichung der Nahrungsmittelautarkie ist Guinea gezwungen, für seine wichtigsten
Anbauarten Reis, Maniok, Fonio/Sorghum und Mais die Anbauflächen erheblich zu
erweitern und die Erträge mittels einer Intensivierung des Anbaus zu erhöhen.
Reis
Das wichtigste und gleichzeitig kritischste Anbauprodukt und Nahrungsmittel Guineas ist Reis. Man unterlag lange Zeit der Vorstellung, daß die Konkurrenzfähigkeit des guineischen gegenüber dem importierten Reis im wesentlichen von den Transportkosten, dem Preisniveau am Verkaufsort und dem Weltmarktpreis abhinge. Selbst die Weltbank traf die Aussage, daß der lokal produzierte Reis bei zukünftig weiter abnehmendem Weltmarktpreis bald nicht mehr mit dem Importreis wird konkurrieren können (WB 1990b, S. 28) und stimmte noch 1993 mit einem Vorschlag des guineischen Landwirtschaftsministers zur Erhebung von flexiblen Schutzzöllen, die unter ständiger Anpassung an den Weltmarktpreis und an das nationale Produktionsvolumen den guineischen Reis protegieren, überein(197).
Einen
wesentlichen Anteil an Destabilisierungsmomenten des nationalen Marktes hat
nicht zuletzt die Nahrungsmittelhilfe in Form von Reis. Gerade in Guinea
erfolgte sie oftmals zur Zeit der Reisernte und erschütterte das Preisgefüge (WB
1990b, S. 27). Dies wäre wiederum ein Bereich, in dem der Staat durch das
Anlegen geeigneter Zwischenlagerungsmöglichkeiten und eine dem Markt angepaßte
Ausgaberegelung indirekt die Preisschwankungen für Reis neutralisieren könnte.
Reis ist das bevorzugte Grundnahrungsmittel der guineischen Bevölkerung. Von der täglich verbrauchten Energiemenge(198) stellt er rund 45% (25% lokaler und 20% importierter Reis) (MT Nr. 2698, S. 1661). Der durchschnittliche jährliche Reisverbrauch pro Kopf ist von 50 kg in 1985 über 70 kg in 1989 schließlich auf 90 kg in 1997 gestiegen. In der Hauptstadt, die zu 90% mit importiertem Reis versorgt wird, stieg der Verbrauch sogar auf 126 kg/E/a (RG 1998a, S. 4).
Im Jahre 1995 wurden auf ca. 438400 ha nahezu 50% der gesamten Nahrungsmittelanbaufläche Guineas, etwa 630500 t Reis produziert, was einem Durchschnittsertrag von 1,44 t/ha entspricht. Die höchsten Erträge wurden mit dem Naßreisanbau in Waldguinea erzielt (1,9 t/ha in der Präfektur Kissidougou), die niedrigsten in den mit schwachen Böden besetzten Tälern des Fouta Djallon Mittelguineas (1 t/ha in den Präfekturen von Labé und Tougoué (RG 1996d, S. 34ff).
Die Reisproduktion hat seit 1991 stetig um etwa 6% jährlich zugenommen. Die durch gestiegene Weltmarktpreise verursachte Verteuerung der Reisimporte zwang die guineische Regierung zu einer vorsichtigen Einkaufspolitik. Die so hervorgerufene Nachfrage-
steigerung sowie die in Anlehnung an den gestiegenen Weltmarktpreis von den
Erzeugern vorgenommene Preisanpassung sorgten für eine neue Produktionswelle
durch die Erweiterung der Anbauflächen besonders in den Jahren 1995 und 96 (MT
Nr. 2698, S. 1662). Das Wachstum steht jedoch noch auf schwachen Füssen, da es
zu sehr von den Preisbewegungen am Weltmarkt abhängt und bei einem Rückgang der
Importkosten für Reis schnell wieder einbrechen könnte. Daher
beabsichtigt die guineische Regierung, ein System flexibler und modular
handhabbarer Schutzabgaben für die Reisimporte einzuführen, um Preisschwankungen
auf dem Weltmarkt aufzufangen und die lokalen Erzeugerpreise zu schützen (RG
1998a, S. 10). Mit dieser Maßnahme hofft man, der nationalen Reisproduktion die
nötige preispolitische Unterstützung zu geben, um im Jahre 2005 auf 714000 ha
ca. 1,2 Mill. T Reis produzieren zu können und somit dem Ziel der
Nahrungsmittelautarkie einen großen Schritt näher gekommen zu sein (EBENDA,
S.19).
Zur Intensivierung des Reisanbaus ist das noch relativ unangetastete
Bewässerungspotential von ca. 180000 ha in den Ebenen und Tälern Nieder- und
Waldguineas zu nutzen. Gleichzeitig sind die Anbautechniken für die
Naßreiserzeugung auf den Gebieten des zyklischen Anbaus und der Nutzung
natürlicher Düngemittel zu verbessern (MT Nr. 2698, S. 1661).
Maniok
Die Produktion der Wurzelfrucht Maniok als pflanzlicher Stärkelieferant hat
in Guinea eine lange Tradition, vor allem im klimatisch und pädologisch dafür
begünstigten Oberguinea, auf das nahezu 50% der Gesamterzeugung von 601300 t
(1995) fallen. Der mittlere jährliche Ertrag liegt bei 6,2 t/ha, wobei
Spitzenwerte von 8,4 t/ha in der Präfektur N'Zérékoré, die niedrigste Ausbeute
mit 4 t/ha in der Präfektur Labé erzielt werden (RG 1996d, S. 36).
Neben Maniok sind die Möglichkeiten der Verbesserung des Anbaus und der
Kommerzialisierungspotentiale auch anderer Wurzelfrüchte und -gemüse wie Yams,
Taro etc. relativ unbekannt, wenn auch ihre Erzeugung auf eine lange Tradition
zurückblicken kann. Aufgrund des durch den wenig arbeitsintensiven Anbau und die
einfache Konservierung begünstigten Produktionswachstums der letzten Jahre ist
die Prognose berechtigt, daß die Maniokerzeugung bis zum Jahre 2000 1 Mill; t/a
erreichen wird (RG 1998a, S. 19).
Mais
Der Maisanbau konzentriert sich auf Mittel- und Oberguinea. In den
traditionellen Dorfgemeinschaften der Peulh des Fouta Djallon Mittelguineas
findet der Mais oftmals als semi-intensive Anbauart neben anderen Wurzelfrüchten
und Gemüsen wie Maniok, Kartoffeln, Zwiebeln und Tomaten in den Gärten der
"Tapades" (s.o.) seinen Platz. In Oberguinea wird er in Ergänzung zum Reis
angebaut, während man ihn in Niederguinea als Monokultur vor allem in der
Präfektur Boké wiederfindet.
Die guineische Maisproduktion betrug 1995 etwa 79000 t; auf einer Fläche von 82000 ha wurde ein Ertragswert von 967 kg/ha erreicht (RG 1996d, S. 25). Die jährliche Wachstumsrate seit 1991 von etwa 6,6% ist ausschließlich der Erweiterung der Anbauflächen zuzuschreiben, nicht der Intensivierung des Anbaus. Auch für den Mais gilt ein schwaches branchenspezifisches Know-how, insbesondere über moderne Methoden und
Techniken zur Ertragssteigerung. Zudem limitiert sich der Konsum auf die
traditionell produzierenden Bevölkerungsteile.
Dennoch wird dem Mais ein erhebliches Entwicklungspotential eingeräumt. So
sind beispielsweise die Möglichkeiten der Reissubstitution durch den Mais
vornehmlich in urbanen Gebieten sowie die Maisproduktion als Futtermittel für
die Tierzucht, insbesondere die Geflügelzucht, noch wenig erforscht.
6.1.1.3.2 Organisation und Nutzbarmachung des
Exportpotentials
Guinea besitzt umfangreiche natürliche Agrarressourcen, dessen rationelle und
marktorientierte Inwertsetzung ein hohes und beständiges Wachstum des
landwirtschaftlichen Produktionssektors bedeuten würde. Unter den traditionellen
Exportfeldfrüchten sind Kaffee, Baumwolle, Rohgummi und Ananas das größte
Potential einzuräumen. Palmkerne, Orangen und Mandarinen werden hauptsächlich
zur Befriedigung des Binnenmarktes angebaut und besitzen nur geringfügige
Exportanteile im subregionalen Raum.
Exporteure landwirtschaftlicher Erzeugnisse sind mit ähnlichen institutionellen und regulatorischen Schwierigkeiten konfrontiert wie die übrige Geschäftswelt Guineas:
Die technischen Problemkreise im Zusammenhang mit einer Exportsteigerung werden zunächst grundsätzlich vom unzureichenden Zustand von Infrastruktur und Dienstleistun-
gen auf dem Lande beeinträchtigt. Die Agrarforschung hatte aufgrund der
fehlenden externen Verbindungen während der I. Republik keine Lebensgrundlage.
Bis heute existieren nur begrenzt zuverlässige und aktuelle Informationen über
die Nachfrage europäischer und internationaler Märkte an neuen Produkten, deren
Herstellungsmöglichkeiten und Qualitätsanforderungen(201).
Folglich können sich weder Produzenten noch Exporteure den technischen und
qualitativen Anforderungen internationaler Märkte stellen.
Veraltete und unrationelle Produktionstechniken waren verantwortlich für die
geringen Ertragsleistungen und minderwertige Qualität. Moderne
Anbautechnologien, die Nutzung von Düngemitteln und Produkten aus dem
phytosanitären Bereich fanden kaum Anwendung. Außerdem war in der Instandhaltung
alter Plantagen und der Erschließung neuer Anbaugebiete eine Stagnation zu
verzeichnen. Da immer mehr alte Plantagen aufgegeben wurden, ohne daß es zu
Neugründungen kam, hielt seit Beginn der II. Republik trotz der zahlreichen
Initiativen zum Aufbau neuer Plantagen die Produktionsrückläufigkeit für einige
weitere Jahre an, denn zur endgültigen Erreichung ihrer vollen Produktivität
mußten je nach Anbauart 4-10 Jahre vergehen.
Die Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln sowie der Transport schließlich
stellten weitere Hemmnisse dar, vor allem für Frischwaren. Angefangen bei den
unzureichenden und schlecht unterhaltenen Erntewegen auf den Plantagen(202)
über die mangelhafte Aufbereitung, Weiterverarbeitung und Vorbereitung der Ernte
bis hin zum unorganisierten und unzuverlässigen Abtransport der Waren zu den
Verkaufs- und Handelszentren ist der Weg von der Ernte bis zur
Kommerzialisierung verantwortlich für die ungenügende Qualität der Produkte und
ihre Chancenlosigkeit auf dem subregionalen und internationalen Markt(203).
Für Frischprodukte fehlt zwischen den Ernte- und Verarbeitungsgebieten und dem
Exportzentrum Conakry die Infrastruktur für die Frischhaltung.
Der internationale Transport erweist sich zudem als risikoreich. Der Lufttransport von Conakry nach Europa ist kostspielig und irregulär wegen der geringen Frachtvolumen. Der Seeweg mit Schiffen mit entsprechendem Kühlraum oder mittels Kühlcontainer bleibt der kostengünstigste Weg, jedoch haben Exportmengen meist noch nicht den kritischen Punkt der Rentabilität erreicht.
Die größte Wirkung der landwirtschaftlichen Entwicklungspolitik der guineischen Regierung (s. Kap. 6.1.1.4) hatte sie in der Strukturierung des Sektors, in der Strategielegung zur Förderung und Koordinierung von Entwicklungsinitiativen und in der Katalysierung der Implementierung konkreter Maßnahmen auf privatwirtschaftlicher und staatlicher Ebene sowie seitens der Gebergemeinschaft. Vor diesem Hintergrund wurden zahlreiche kohä-rente Aktionsfelder zur parallelen Entwicklung der Subsektoren formuliert. Für den Be-
reich der Agrarexportförderung gelten folgende strategische Orientierungen:
Auf der institutionellen Ebene
Unterstützung der berufsgenossenschaftlichen Organisationen, insbesondere der
Industrie-, Handels- und Landwirtschaftskammer im Hinblick auf ihre
exportorientierten Aktivitäten als Schlüssel zur institutionellen Entwicklung im
privatwirtschaftlichen Sektor.
Auf der Produktionsebene
Neben den erfolgreich durchgeführten Baumwoll- und Rohgummiprojekten soll
prioritär der Anbau von Produkten mit dem höchsten Exportpotential wie Kaffee,
Ananas und Mango gefördert werden. Schnelle, aber auch nachhaltige Erfolge
sollen dann wichtige Impulse für den weiteren Ausbau der Produktion geben (RG
1998a, S. 8ff). Ein weiterer Schwerpunkt soll unter Ausnutzung von
Nebenprodukten, die nicht frisch exportiert werden können, auf die industrielle
Herstellung von Fruchtfleisch (Mango- und Passionsfrucht) und Fruchtsaft gelegt
werden.
Auf der Kommerzialisierungsebene
Der Export qualitativ hochwertiger Produkte ist nach dem europäischen Markt
orientiert. Darüber hinaus soll gleichzeitig eine Strategie der
Marktdiversifizierung angewandt werden, die einerseits auf die Ausnutzung
profitabler kommerzieller Nischen für spezifische Produkte abzielt (Ingwer,
Tomaten, Schnittblumen, Pfefferschoten, Parfümessenzen etc.), deren Markt zwar
begrenzt, jedoch lukrativ ist. Andererseits sollen ebenso neue Märkte
(Osteuropa, mittlerer Osten, subregionale Märkte) für qualitätsärmere Produkte
erschlossen werden. Hinzukommt die Erschließung von Saisonmärkten zur
Belieferung von Qualitätsgemüsen zur Winterzeit.
Auf der Management- und Durchführungsebene
Der Aufbau und die Vervollständigung zahlreicher noch notwendiger staatlicher und privater Dienstleistungsbereiche sowie die Verbesserung der sie betreffenden strukturellen Rahmenbedingungen (Agrarforschung, Bank- und Kreditwesen, Straßen- und Pistennetz, Veterinärwesen etc.) muß vornehmlich die ländlichen Bereiche erschließen. Komplementär dazu ist die Hauptzielgruppe der Aufbau- und Förderungsinitiativen die Masse der kleinbäuerlichen Betriebe, die heute auf etwa 442.000 geschätzt wird (RG 1996d, S. 21), sowie der klein- und mittelständischen Agrarunternehmen aus allen landwirtschaftlichen Subsektoren, die das Rückgrat einer langfristigen und nachhaltigen Entwicklung darstellen. Die private Landwirtschaft stößt auf dieselben widrigen Investitions- und Entwicklungsbedingungen wie der gesamte privatwirtschaftliche Sektor. Daher müssen alle Maßnahmen zur Förderung der Agrarproduktion auf das für die gesamtvolkswirtschaftliche Entwicklung angewandte Förderungskonzept abgestimmt sein. Diese Integration gewährleistet einen rationellen Einsatz der verfügbaren Ressourcen und eine ausgewogene Entwicklung.Grundlage für eine permanente und effiziente Fortschrittskontrolle sind empirische Erhebungen zur Bereitstellung von statistischen Basisdaten für zielorientierte Bewertungen von Maßnahmen und Entwicklungen. Die statistische Erfassung landwirtschaftlicher Aktivitäten zur Identifizierung von Produktions- und Vermarktungsengpässen und -widerständen,
zur Definierung und Umsetzung von Investitionen sowie zur Leistungssteuerung
und -kontrolle politischer Maßnahmen erfordert ein unabhängiges Instrumentarium
für empirische Untersuchungen.
Auf der Basis eines ersten Landwirtschaftszensus' 1988-89 wurde ein Projekt
zur Schaffung einer institutionellen Struktur aufgelegt, die ständig
statistische Daten des Agrarsektors erfassen, aufbereiten und interpretieren
sollte (Système Permanent des Statistiques Agricoles SPSA). Diese Struktur
festigte sich zu Beginn des Jahres 1993 als nationales Amt für Agrarstatistik
(Service National des Statistiques Agricoles SNSA) und wurde direkt dem
Landwirtschaftsministerium unterstellt. Aufgrund personeller und logistischer
Probleme konnte erst 1995 die landesweite Erfassung und Bearbeitung
landwirtschaftlicher Daten abgeschlossen werden, den Zeitraum von 1988 bis 1993
umfassend (RG 1995b). Die Qualität und Verläßlichkeit sowie die
Differenziertheit der Daten blieb indes lange Zeit fraglich, da qualifiziertes
Fachpersonal und eine beständige Unterhaltsfinanzierung durch den Rückzug der
internationalen Geldgeber fehlten. Mittlerweile ist das Amt für Agrarstatistik
als wichtige Komponente der neuen Landwirtschaftspolitik soweit etabliert, daß
neben den laufenden Statistiken auch Sondererhebungen für agrarspezifische
Versorgungs- und Produktionsbereiche durchgeführt werden.
Der Stand der Exportproduktion
Die derzeit für den Export erzeugten Agrarprodukte sind Kaffee, Baumwolle,
Rohgummi und Ananas.
Kaffee
Als eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Exportgüter schon während der
Kolonialzeit eingeführt, wird der Kaffee heute in etwa 84000 Klein- und
Familienbetrieben auf ca. 180000 ha überwiegend in Waldguinea angebaut. Bei
einem durchschnittlichen Ertrag von 104 kg/ha konnten 1995 etwa 18800 t zumeist
nach Europa exportiert werden(204)
(MT Nr. 2698, S. 1665).
Nachdem die Mißwirtschaft und die Vernachlässigung der Branche in den 80er
Jahren zu einem drastischen Rückgang der Produktion bis auf 2500 t/a führte,
begann die guineische Regierung mit Unterstützung der internationalen
Gebergemeinschaft in den Jahren 1989/90 die Kaffeeproduktion wiederzubeleben.
Dazu mußten die mittlerweile an einer Überalterung des Biomaterials leidenden
Kleinplantagen saniert und neue Kaffeefelder mit genetisch jungem und
hochwertigem Material zur Qualitäts- und Ertragssteigerung angelegt werden. Die
Umsetzung der Kenntnisse des neuen Biomaterials sowie die notwendige
Intensivierung der Kultivierungsarbeiten stießen dagegen bei der lokalen
Bevölkerung an Akzeptanzgrenzen, die bisher einen schnellen Produktionsanstieg
verhinderten.
Dennoch wird bis zum Jahre 2000 mit einer Produktionsleistung von 20000 t Kaffee gerechnet. Dazu wurden bereits Maßnahmen zur besseren verbandlichen Organisation der Kaffeeproduzenten getroffen, um über die Schaffung günstigerer Transport- und Kommerzialisierungsmöglichkeiten innerhalb der Branche die Kaffeproduktion zu stimulieren.
Weiterhin ist beabsichtigt, einen speziellen Fonds für Kaffeebauern
einzurichten, um diesen die Möglichkeiten der Kreditnahme für Neu- oder
Expansionsvorhaben zu geben.
BaumwolleDer Baumwollanbau ist ein sehr junger
Produktionszweig in der guineischen Landwirtschaft. Nach langen Studien begann
man erst im Jahre 1986 mit zwei Projekten im Nordwesten Mittelguineas bei Gaoual
und Koundara (s. Karte 4) sowie in Oberguinea in den Präfekturen Siguiri,
Mandiana, Kankan und Kérouané (s. Karte 5), mit dem Baumwollanbau. Im Rahmen der
von der EU und der bilateralen französischen Zusammenarbeit finanzierten
ländlichen Entwicklungsprogramme wurde der Aufbau und die weitere Leitung der
Baumwollproduktion der französischen Gesellschaft für Textilentwicklung
(Compagnie Française pour le Développement des Textiles CFDT) anvertraut.
Bis 1992 erzeugten etwa 31000 Baumwollkleinproduzenten ca. 16500 t Baumwolle, der Ertrag lag bei 1,2 t/ha. Seither nahmen die Produktionszahlen beständig ab, bis sie 1995 ein Tief von 10700 t erreichten (MT Nr. 2698, S. 1668). Die Gründe für diesen Einbruch waren vielfach: zum einen waren viele Baumwollpflanzer mit den Anbautechniken überfordert und konnten teilweise den Anbaukalender nicht respektieren oder waren unzureichend für die Feldbearbeitung ausgerüstet. Andererseits sorgte die Attraktivität anderer Einkommensquellen wie die in Oberguinea weitverbreitete Goldschürferei oftmals für starke saisonale Abwanderungen, die zu einer Minderbetreuung der Baumwollfelder führten und oftmals dessen Aufgabe zur Folge hatten.
Nach tiefgreifenden Restrukturierungsmaßnahmen innerhalb der CFDT
(Personalreduzierung, Privatisierung peripherer Dienstleistungsbereiche, Aufgabe
unrentabler Bereiche) und der verstärkten Wahrnehmung des Know-how-Transfers
durch ein eigens dafür eingerichtetes Förderzentrum (Centre d'Appui aux
Organisations Professionnelles Agricoles CAOPA) konnte die Produktion von 14600
t in 1996 sogar auf 24800 t in 1997 gesteigert werden (RG 1998a, S. 10).
RohgummiNaturkautschuk in Form der Hévéas-Spezies steht am Beginn der Produktion in Waldguinea unter der Führung der guineischen Hévéas- und Ölpalmengesellschaft (Société Guinéenne de Palmier à Huile et Hévéas (SOGUIPAH)(205). Ende 1995 erreichten die Hévéaspflanzungen eine Größe von insgesamt 5600 ha, wovon ca. 4600 ha auf den industriellen Plantagenbau fielen, etwa 1000 ha wurden von privaten Kleinbetrieben angelegt. Nach
den Pflanzjahren 1988, 89 und 90 erfolgte sieben Jahre später eine erste
Ernte von etwa 92246 kg Trockenkautschuk. Bei Erreichen der vollen Erntereife
wird die Jahresproduktion aus diesen ersten Pflanzungen auf etwa 12500 t
Rohgummi geschätzt, was einen Marktwert von rund 12 Mill. US$ entspricht (MT Nr.
2698, S. 1667).
Ananas
Trotz erheblicher Anstrengungen seitens der guineischen Regierung mit
Unterstützung der internationalen Gebergemeinschaft, die ehemals florierende
Produktion von Exportfrüchten und -gemüsen wiederzubeleben, nahmen sich die
bisherigen Ergebnisse eher bescheiden aus. Die Ananasproduktion konnte zwar von
2500 t im Jahre 1991 auf etwa 6500 t für das Erntejahr 1995 gesteigert werden,
exportiert wurden nur 2500 t (EBENDA, S. 1666).
Die Kenntnisse der Absatzmärkte sind noch gering, Marketingstrategien zur
erfolgreichen Produktvermarktung noch völlig unterentwickelt. Das Potential zur
Weiterverarbeitung und Konservierung von Früchten und deren anschließenden
Export ist ebenfalls noch unzureichend erforscht. Um auch die institutionellen
Rahmenbedingungen zum Anlegen neuer und zur Erweiterung bestehender
Exportkulturen und deren Ausfuhr zu verbessern, wurden bereits die Einfuhrzölle
für Dünger, Pflanzenschutzmittel, landwirtschaftliche Maschinen und
Verpackungsmaterial gesenkt bzw. teilweise aufgehoben. Im infrastrukturellen
Bereich wurden komplementär dazu Maßnahmen zum Pistenbau für die weitere
Erschließung der Hauptanbaugebiete in Niederguinea und die Rehabilitierung des
kleinen Fruchtexporthafens Benty (50 km südlich von Conakry) beschlossen.
Übrige Produkte
Der Kakaoexport erreichte 1995 etwa 2.800 t (PAC BI Nr. 10, S. 30). Man nimmt jedoch an, daß die Realproduktion um ein vielfaches höher liegt und dem Überlandschmuggel anheimfällt.
Die Bananenkultur ist seit ihrem Zusammenbruch in den Jahren 1956-1958 (s.
Kap. 5.2.2) zu keiner Blüte mehr fähig gewesen. Die Qualität der Bananen kann
den Weltmarktstandard nicht mehr erreichen. Nur einige wenige Pflanzer
beherrschen noch das komplexe Handwerk des Bananenanbaus. Orangen werden zur
Zeit hauptsächlich in Nieder- und Mittelguinea für den nationalen und regionalen
Frischfruchtmarkt produziert (Conakry und Dakar). Die Orangenproduktion
erreichte 1993 einen Umfang von ca. 39.000 t bei einem Ertrag von 1.300 t/ha (RG
1995b, S. 38). Hier bestehen zusätzliche Möglichkeiten in der Herstellung von
Fruchtkonzentrat und anderen Essenzen(206).
Aufgrund der günstigen klimatischen Bedingungen in geeigneten Anbaugebieten bergen eine Zahl von nicht-traditionellen Frucht- und Gemüsearten ebenfalls ein beachtliches Produktionspotential in sich. Die Passionsfrucht, die gerade das Entwicklungsstadium durch eine Firma zur Fruchtkonzentratherstellung erfolgreich überwunden hat, steht an erster Stelle. Guaven, Limonen, Grapefruits und Papayas sowie Melonen und Tomaten könnten folgen. Die Bedingungen für den Avocadoanbau sind durch die Mehrjährigkeit der Frucht und niedrige Produktionskosten ebenfalls aussichtsreich, doch die bestehenden
Varietäten sind nicht für den internationalen Markt geeignet.
6.1.1.3.3 Ausbau und nachhaltige Sicherung des
Technologietransfers
Die guineische Agrarforschung besitzt weder die Mittel noch das Personal, um
mit der Umsetzung und Erprobung neuer Technologien und einer Selektion der
bestgeeigneten Anbauarten die Exportfähigkeit landwirtschaftlicher Erzeugnisse
zu fördern. Das 1990 gegründete Agrarforschungsinstitut IRAG (Institut de
Recherche Agronomique de Guinée) versuchte in einer Anfangsphase eine
angewandte, praktische Forschung zu betreiben, indem es sich auf die Erhöhung
der Produktivität durch eine rationellere und effektivere Nutzung der
bestehenden Ressourcen konzentrierte(207),
um eine Alternative zu den steigenden Importen von Samen und anderen
landwirtschaftliche Grundstoffen zu bieten.
Bezüglich der Verbreitung moderner Technologien werden in Guinea derzeit
mehrere unterschiedliche Ansätze praktiziert. Die französische CFDT (s. Kap.
6.1.1.3.2) in Kankan beispielweise schreibt ihren Baumwollbauern strikt die
Anbau- und Produktionstechniken vor, wobei die Rückzahlung der gewährten Kredite
durch das Rückkaufsmonopol der Baumwolle durch die CFDT gewährleistet ist.
Die Weltbank hingegen konzentriert sich dabei auf die Ausbildung und
technische Beratung nach einem methodisch genau abgestimmten Plan, der sich auf
den jeweiligen Stand der Bedürfnisse und die Absorptionsfähigkeit des
Projektpartners einstellt (training and visit). Sie steht auf dem Standpunkt,
daß der Technologietransfer dem Kriterium der Rentabilität folgen und dem Bauern
die Freiheit der Wahl über Anbauart und -technik einräumen sollte. Die FAO
bevorzugt dagegen eine stark partizipatorische Methode, bei der der aufwendige
Versuch unternommen wird, die Technologieverbreitung direkt vor Ort in den
interessierten Dorfgemeinschaften vorzunehmen, um auftretende Probleme schnell
und effizient lösen zu können.
Auf staatlicher Seite wird die Popularisierung neuer Technologien von der
nationalen Behörde für ländliche Ausbildung und Förderung (Direction Nationale
de la Formation et de la Promotion Rurale DNFPR) übernommen. Zur gezielten
Förderung der privatwirtschaftlichen Initiative im Bereich moderner Anbau- und
Bewässerungstechnologien werden vermehrt darauf spezialisierte
Nichtregierungsorganisationen (NRO) eingesetzt. Durch die Liberalisierung des
Binnenmarktes soll sich auch eine Informationskette von den Importeuren der
Agrartechnik über deren Verteiler bis zum ländlichen Abnehmer etablieren und
konsolidieren.
6.1.1.3.4 Anfänge einer tragfähigen ruralen
Finanzinfrastruktur
Obwohl sich das guineische Bankwesen in den letzten Jahren mit der Ansiedlung von einigen privaten Handelsbanken zur allgemeinen Verbesserung der Mobilisierung von Investitionskapital beigetragen hat, existiert immer noch kein nationales Finanzorgan,
welches auch im ländlichen Raum operiert, und von den Handelsbanken unterhält
derzeit nur die internationale Handels- und Industriebank Guineas (Banque
Internationale pour le Commerce et l'Industrie de la Guinée BICIGUI)
Zweigstellen in den wichtigsten Städten im Landesinneren. Doch wie alle anderen
Banken beschränkt auch sie sich aufgrund des hohen Rückzahlrisikos und fehlender
Garantien(208)
meist auf kurzfristige Finanzierungen. Ein weiterer Grund für die zögerliche
Haltung der Banken, den ländlichen Bereich zu unterstützen, ist die Tatsache,
daß der Kreditumfang hier generell sehr niedrig ist, was den Verwaltungsaufwand
unverhältnismäßig hoch erscheinen läßt.
So sind es hauptsächlich die bedeutenden, von der internationalen
Gebergemeinschaft finanzierten ländlichen und landwirtschaftlichen
Entwicklungsprojekte, die über ihren materiellen und technischen Input
Kreditlinien einrichten und investitionsfördernd wirken. Doch aufgrund
mangelnder Betreuung der Kreditnehmer und teilweise unzufriedenstellender
Projektverläufe erreichten jene Initiativen nur eine durchschnittliche
Rückzahlungsrate von etwa 35%.
Als Reaktion darauf wurde in Zusammenarbeit mit einigen Organisationen der
internationalen Entwicklungshilfe seit 1986 in verschiedenen Agrarregionen mit
Finanzierungssystemen für ländliche Kredite auf der Basis gegenseitiger
gemeinschaftlicher Rückversicherung experimentiert(209).
Die Grundstruktur dieses Systems beruhte auf dezentralisiert angeordnete
Solidaritätsgemeinschaften von max. 5 Personen. Jedes Mitglied konnte eine
Höchstsumme von 100.000 FG(210)
aufnehmen. die monatliche Rückzahlpflicht der Raten wurde durch die Gemeinschaft
streng kontrolliert, da sie sich dafür haftbar zeichnete. Die in den Städten
Koundara und Télimélé (Mittelguinea) eingerichteten ersten Kreditkassen
verzeichneten eine Rückzahlungsrate von nahezu 100%. 1994 belief sich die Zahl
der ländlichen Kreditkassen auf 105. Ihr Sparvolumen erreichte 7,5 Mrd. FG(211),
der Umfang der Kreditvergabe 5,2 Mrd. FG(212)
(MT Nr. 2584, S. 1085).
6.1.2 Das Fischereiwesen - Noch unberührte Ressourcen
Die guineische Fischereiwirtschaft ist nur mit etwa 1% am BIP beteiligt (1997). Eine konstante durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von ca. 6,8% in den letzten sieben Jahren weist jedoch auf ein beträchtliches Entwicklungspotential hin (RG 1998e, S. 21). Das jährliche Fangpotential beläuft sich auf etwa 138.000 t Fisch in der industriellen Fischerei, 80.000 t im handwerklichen Fischereiwesen, der traditionellen Fischerei mit Pirogen so-
wie ca. 12.000 t in der Süßwasserfischerei (ONUDI 1995, S. 18; MT Nr. 2584,
S. 1066). Außerdem besitzt das Land gute Voraussetzungen für eine intensive
Entwicklung der Zucht von Süßwasserfischen und Krustentieren.
Guinea verfügt vor seinen Küsten über eine exklusive Wirtschaftszone(213)
von etwa 56.000 km2. Die Fläche dieses Anspruchsgebietes zur Ausübung
der souveränen Seerechte, die die Nutzung lebender und nicht lebender Ressourcen
einschließt, entspricht etwa 23% der Landesfläche Guineas.
Bis zum Ende der I. Republik wurden freizügig Fischfanglizenzen an
ausländische Fischereiunternehmen erteilt, ohne sich der Konsequenz einer
ungeregelten und ungezügelten Nutzung der Fischgründe bewußt zu sein. Zudem
wurde nur ein geringer Teil der Fänge für den guineischen Eigenbedarf
angelandet. Erst 1989 kam es nach mehreren Vorläufern (1983 u. 1986) zu einem
wirksamen Übereinkommen mit der EU bezüglich einer Nutzungsregelung für
guineische Gewässer durch europäische Schiffe (ONUDI 1991a, Vol. III, Bd. 3, S.
1), das 1991 in Kraft trat. Von diesem Zeitpunkt an verringerte sich die Zahl
der ausländischen, vor Guineas Küste operierenden Fischfang- und
-verarbeitungsschiffe von 152 gezählten Einheiten im Jahre 1987 auf 42 im Jahre
1990 (EBENDA, S. 2).
Ein 1985 erstmals verabschiedetes Gesetz zur Regelung der Hochseefischerei
wurde 1995 überarbeitet und trägt in seiner Neufassung der Notwendigkeit einer
besseren Reglementierung und Überwachung des Hochsee- und kontinentalen
Fischereiwesens Rechnung und schafft auf der anderen Seite investitionsfördernde
Rahmenbedingungen im Sektor.
Tabelle 37: Fischproduktion in guineischen Gewässern im Vergleich zur
tatsächlich angelandeten Fischmenge für den nationalen Verbrauch (1990 -
95)(1).
Fischereiart/Menge | Produktion (t) | % | Angelandet | % | Potential | Produktion/Potential(%) |
Handwerkl. Fischfang | 52000 | 42 | 52000 | 64 | 80000 | 65 |
Industrielle Fischerei | 68000 | 55 | 25000 | 31 | 138000 | 49,3 |
Süßwasserfischerei | 4000 | 3 | 4000 | 5 | 12000 | 33,3 |
Gesamt | 124000 | 100 | 81000 | 100 | 230000 | 49,2 |
(1) Jährlicher Durchschnitt
(Quelle: ONUDI 1991a, Vol. III, Bd. 3, S. 1 u. 2; WB 1992b, Thema Nr. 2, S. 16 u. 17, RG 1995b, S. 46; RG 1995c, S. 18; MT Nr. 2698, S. 1671)
Das guineische Meeresfischereiwesen gliedert sich in zwei Beschäftigungstypen, dem handwerklichen Fischertum und dem industriellen Fischfang. Die traditionelle Fischerei stellt mit einer Jahresproduktion von 52.000 t (1995) etwa 54% der für den nationalen Verbrauch bestimmten Fischmenge dar. Die industrielle Hochseefischerei produziert zwar
jährlich etwa 80 - 90.000 t Fisch, landet jedoch nur 25.000 t, ca. 40% der
nationalen Verbrauchsmenge, in Guinea an. Hinzu kommt die Süßwasserfischerei mit
einer jährlichen Produktionsmenge von etwa 4.000 t.
Das Fischfangpotential des Landes ist nur zu knapp 49% ausgeschöpft. Dennoch
sind einige Fischarten durch gezielte Überfischung akut in ihren Beständen
bedroht. Plattfischarten beispielsweise haben nur einen 29%igen
Ressourcenanteil, sind jedoch mit rund 66% an der jährlichen Produktion
beteiligt. Dies führt zu einem Rückgang der Plattfischbestände von etwa 30% pro
Jahr (WB 1992b, Thema Nr. 2, S. 17).
6.1.2.1 Das handwerkliche Fischertum - Isolierte Traditionen
Der handwerkliche Meeresfischfang beschäftigt etwa 12000 Fischer, von denen
rund 41% allein von Conakry aus operieren (MT Nr. 2584, S. 1066). An etwa
hundert befestigten Anlegern entlang der Küste bringen sie ihren Fang an Land.
Die Hälfte dieser Piers konzentrieren sich auf die kleine Hafenstadt Boffa, wo
das Ästuar des Rio Pongo mit guten natürlichen Aus- und Einlaufbedingungen sowie
naher Fischgründe günstige Voraussetzungen bietet (s. Karte 3).
Der traditionelle Fischfang ist eine saisonale Beschäftigung, die sich von
Oktober bis Mai erstreckt. In dieser Zeit gehen die Fischer mit ihren
Holzbooten, den Pirogen, ohne Motor 100 - 120 Tage, motorisiert(214)
180 - 200 Tage auf See (WB 1992b, Thema Nr. 2, S. 17). Der Zeitraum von Juni bis
September, der es aufgrund widriger klimatischer Bedingungen schwierig macht,
auf hoher See zu fischen, wird durch eine kleine Subsistenzwirtschaft
überbrückt, die zumeist in der Nähe der Anlegestellen verübt wird. Etwa 68%
aller Hochseefischer verrichten auf diese Weise noch landwirtschaftliche oder
Handels- und Dienstleistungstätigkeiten, nur 32% sind reine Fischer (EBENDA).
Die Produktion besteht zu 50% aus Hochseefischen, 43,5% aus Plattfischarten und 6,5% aus Krustentieren. Aufgrund der Entfernung der Anlegestellen zu den zentralen Fischmärkten, vor allem Conakry, werden 63% der Fänge in der Hauptstadt angelandet. Der größte Teil von ihnen wird mangels Transport- und Konservierungs- bzw. Weiterverarbeitungsmöglichkeiten an Ort und Stelle geräuchert. Diese Form der Haltbarmachung wird fast ausschließlich von Frauen ausgeführt.
Obwohl dem traditionellen Fischfang aufgrund seiner arbeitsmarktpolitischen Bedeutung viel Aufmerksamkeit seitens der Regierung und einiger Entwicklungshilfeorganisationen hinsichtlich seiner Förderung zuteil wurde, schreitet seine Entwicklung nur langsam voran. Zahlreichen Projekten mangelt es an integrativen Entwicklungsstrategien, die den Bedürfnissen der lokalen Fischergemein-
den angepaßt sind und einen weiterführenden Wissens- und Technologietransfer
ermöglichen. Auch die Integration in die nationale Ökonomie bleibt ungenügend.
Eine Anbindung an gewerbliche Strukturen der Weiterverarbeitung oder der
Vermarktung existiert kaum. So bleibt das handwerkliche Fischertum bislang ein
immer noch zu sehr isolierter traditioneller Erwerbszweig, der sich auf die
Befriedigung der Nachfrage der Küstenbevölkerung nach frischem Fisch beschränkt.
6.1.2.2 Der industrieller Fischfang - Mangel an Struktur und
Organisation
Die industrielle Fischerei wird fast ausschließlich von ausländischen
Fischfangunternehmen und deren Flotten mit entsprechenden Fischfanglizenzen
betrieben. Nach 1985 wurde zwar versucht, eine nationale Fischereiflotte
aufzubauen und zu unterhalten, die "Nouvelle Soguipêche", doch von den ehemals
23 angeschafften Fischkuttern verschiedener Größe und Kapazität blieben 1997 nur
noch 12 übrig, die schließlich mit der Auflösung der Gesellschaft veräußert
wurden. Auch der Versuch, das guineische industrielle Fischereiwesen mit dem
Aufbau kleiner schwimmender und begrenzt gefrierender und weiterverarbeitender
Einheiten aufzubauen, scheiterte an der Finanzschwäche potentieller Betreiber
oder am fehlenden branchenrelevanten Know-how.
Dennoch sind insgesamt 15 industrielle Unternehmen in der Fischwirtschaft
tätig. Im Jahre 1996 fischten insgesamt 102 Schiffe in guineischen Gewässern
unter Lizenz. Davon waren 37 Schiffe in guineischem Privatbesitz
(MT Nr. 2698, S. 1671). Zwei auf den Fischvertrieb spezialisierte Unternehmen,
die COGIP und die SONIT Pêche verfügen bereits über Kühlanlagen und
Vertriebsketten im Landesinneren. Weiterhin entstehen immer mehr Krabben- und
Hummerfarmen entlang der Küste und produzieren Krustentiere hauptsächlich für
den Export nach Europa. Viele dieser Unternehmen haben darüber hinaus
traditionelle Fischer vertraglich gebunden, um ihre Produktionsleistung zu
erhöhen. Weiterhin existiert eine Vereinigung der industriellen und
handwerklichen Fischereigesellschaften Guineas (Union des Sociétés de Pêche
Industrielle et Artisanale de Guinée USPIAG), die die Mehrzahl der privaten
guineischen Reeder zusammenschließt.
Die weitere Entwicklung der industriellen Fischwirtschaft wird von den
infrastrukturellen Rahmenbedingungen bestimmt:
Hafeninfrastruktur
Im Vergleich zu den unmittelbaren Konkurrenzhäfen von Dakar, Cap Verde oder Las Palmas besitzt der Hafen von Conakry nur begrenzte Möglichkeiten für die Versorgung und Instandhaltung von Fischereibooten. Der Ausbau eines kleinen
Hafenbeckens zum Fischereihafen ist jedoch geplant(215).
Besonders eine für das Löschen des Fangs notwendige Be- und Entladerampe würde
die beim derzeit ungeordneten und unkontrollierten Löschvorgang entstehenden
Verluste deutlich verringern. Hingegen sind die Möglichkeiten zur Kühllagerung
der Frisch- und gefrorenen Ware im Hafengebiet und in der Stadt selbst
ausreichend.
Transport, Kommunikation und Energie
Der mangelhafte Zustand des Straßen- und Kommunikationsnetzes erschwert die
Erschließung des Binnenlandes für die Fischwirtschaft. Die
Fischvertriebsgesellschaften beabsichtigen deshalb, zunächst mit mobilen
Gefriercontainern zu arbeiten, die flexibel einsetzbar sind. Das Energieproblem
erfordert außerdem eine unabhängige Selbstversorgung mittels Generatoren. Deren
Versorgung, Wartung und Instandhaltung wiederum muß durch ein wirksames
Transportsystem gewährleistet sein. Diese zu berücksichtigenden Faktoren führen
letztendlich zu einem erheblichen Anstieg der Produktionskosten.
6.1.2.3 Entwicklungsmöglichkeiten und -potential
Die Entwicklungsmöglichkeiten des guineischen Fischereiwesens werden durch
seine günstigen Voraussetzungen bestimmt, denen wiederum deutliche Hemmfaktoren
gegenüberstehen:
Vorteile: - Verfügbarkeit von Ressourcen;
- noch weitestgehend unerschlossener nationaler Absatzmarkt;
- potentielle subregionale und internationale Marktanteile;
- eine traditionelle Verarbeitungsindustrie (Fischräucherei).
Nachteile: - Unzureichende Infrastruktur für die Fischwirtschaft im Hafen von Conakry (Verarbeitungs- und Verkaufsanlagen, Versorgungs- und Instandhaltungsmöglichkeiten für Boote etc.);
- mangelhaftes branchenspezifisches Fachwissen und ungenügende Erfahrung im halbindustriellen und industriellen Fischfang;
- undurchsichtige Kommerzialisierungsstrukturen und -kreisläufe mit teilweise durch Korruption begünstigten oligopolistischen Situationen, die zu Verschiebungen im Preisgefüge und künstlich hochgehaltenen Preisen führen;
- derzeit begrenzte Absorptionsmöglichkeiten auf dem nationalen Markt, bedingt durch die schwierigen und kostspieligen Transportbedingungen und demgegenüber einer geringen Kaufkraft der Bevölkerung im ländlichen Raum;
- die Überfischung bestimmter Fischgründe und Fischarten und damit eine unmittelbare und gleichzeitig langfristige Gefährdung der Ressourcen;
- eine ungenügende Datenlage über bestehende und potentielle Fischbestände;
- die Probleme bei der Überwachung von Fischfangtätigkeiten in guineischen Gewässern;
- der Mangel an verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten für die industrielle
Fischerei, das Reederei- und Charterwesen.
Die Nachfrage
Auf den ersten Blick birgt der nationale Markt die weitaus größten
Absatzmöglichkeiten. Der Fischverbrauch der guineischen Bevölkerung wird auf
etwa 13 kg/E im Jahr geschätzt, während er in den meisten westafrikanischen
Ländern bei 20 kg/E liegt und im benachbarten Senegal sogar 27,8 kg/E erreicht
(PNUD 1992b, S. 15). Die Bevölkerung im Landesinneren ist nur mit 5% am
nationalen Fischverbrauch beteiligt. Die Konservierungsform des Räucherns macht
den Fisch zwar für längere Zeit haltbar, doch die Notwendigkeit dieser
traditionellen Methode resultiert eher aus der Tatsache, daß Kühl- und
Gefriermöglichkeiten ungenügend und ineffizient sind. Der Transport in das
Landesinnere ist zudem zu kostspielig, als daß es zu einer angemessenen
Versorgungssituation kommen könnte(216).
Allerdings stellt gerade die Fischräucherei für eine forcierte Entwicklung
der Versorgung mit frischem Fisch (gekühlt auf kurze Distanzen, gefroren für
längere Absatzwege) ein gewisses Hindernis dar, denn langjährige
Konsumgewohnheiten lassen sich nur langsam ändern. Somit wird die Erschließung
des nationalen Marktes grundsätzlich ein langwieriger Prozeß sein, dessen
Realisierung von der Angebotsgestaltung abhängt. Neben der schrittweisen
Organisierung der Absatzmarktversorgung muß das Angebot ein Preisniveau treffen,
das eine finanziell akzeptable Alternative zum Konsum des traditionellen
Räucherfisches bietet, gleichzeitig jedoch den Handel nicht defizitär belastet.
Für den subregionalen Handel mit den westafrikanischen Nachbarländern bestehen Möglichkeiten, neue Marktanteile zu erfassen sowie bereits bestehende Handelsverbindungen zu intensivieren. So setzten beispielsweise die Fischer der Bozzo im nördlichen Nigerbecken ihren Fischfang größtenteils über den Grenzhandelsverkehr in Mali ab (ONUDI 1991a, Vol. III, Bd. 3, S. 10). Bezüglich der Beteiligung am senegalesischen und ivorischen Fischhandel besitzt Guinea den Vorteil, durch ein vergleichsweise niedriges Lohnniveau kostengünstig zu produzieren und die Fischprodukte zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten.
Der internationale Markt bietet Raum, mit teilweise exotische
Qualitätsprodukte mit einem hohen Warenwert zu handeln, für die besonders der
europäische Markt ein strukturelles Absatzpotential darstellt. Hier ist der
Handel mit Plattfischarten und Kopffüßlern sowie einigen Krustentierarten
weiterhin ausbaufähig.
Die Entwicklungsziele
1. Die Erhöhung und Verbesserung der nationalen Fischversorgung
Die guineische Regierung plant, bis zur Jahrtausendwende den jährlichen
nationalen Fischverbrauch auf 15 kg/E zu heben (ONUDI 1991a, Vol. III, Bd. 3, S.
10). Die Realisierung dieses Anspruchs erfordert jedoch aufgrund des bestehenden
Bevölkerungswachstums (s. Kap. 4.4.1 u. 4.4.4) etwa eine Verdreifachung des
bisherigen Angebots. Außerdem deutet die eher langsame Geschwindigkeit der
allgemeinen infrastrukturellen Entwicklung trotz bedeutender Investitionen wie
auch die verhaltenen Aktivitäten des privatwirtschaftlichen Sektors darauf hin,
daß sich die entsprechenden Kommerzialisierungskreisläufe und die Einstellung
des Angebots auf die geringe Kaufkraft der ländlichen Bevölkerung mit
erheblichen Verzögerungen entwickeln werden.
Nichtsdestoweniger ist die Erhöhung des Fischverbrauchs eine gleichzeitige
Notwendigkeit zur erforderlichen Zufuhr von Proteinen und sinnvollen Ergänzung
der Nahrungsmittelaufnahme für die guineische Bevölkerung.
2. Die geregelte Inwertsetzung der natürlichen Ressourcen aus der nationalen Wirtschaftszone (200-Meilen-Zone)
Der Fischfang innerhalb der guineischen Wirtschaftsszone bedarf einer
eindeutigen Quotenregelung, damit der Fortbestand der Fischmenge und -arten
gewährleistet ist. Insbesondere der Platt- und Grundfischbestand, der seit
mehreren Jahren einer permanenten Überfischung ausgesetzt und infolgedessen von
einem irreversiblen Rückgang bedroht ist, muß in kürzester Zeit entsprechend
geschützt werden. Gleichzeitig ist das Fischpotential insgesamt nur zu 49%
ausgeschöpft (s. Tab. 43), was eine Produktionsreserve von mehr als 100.000 t/a
bedeutet. Um die volle Nutzung der vorhandenen Ressourcen bei gleichsamer
Garantie der Reproduktionsfähigkeit des Bestandes zu erreichen, muß ein
wirksames Überwachungssystem aufgestellt werden(217).
Die Ausschöpfung der ungenutzten Ressourcen würde denn auch entweder die zusätzliche Vergabe von Fischfanglizenzen bedeuten oder den Ausbau der nationalen Fischereiflotte bzw. ein Wachstum der handwerklichen Fischerei erfordern. Die Lizenzvergabe müßte mit der Bedingung verknüpft sein, einen festgelegten Fanganteil in Guinea anzulanden, um ihn in den nationalen Versorgungskreislauf einzubringen. Die Förderung des handwerklichen Fischertums müßte über eine Verbesserung der infrastrukturellen sowie der finanziellen Rahmenbedingungen erfol-
gen. Ein Anfang wurde vor wenigen Jahren mit dem Bau mehrerer befestigter
Anleger mit integrierten Verarbeitungs- und Verkaufshallen entlang der Conakry
säumenden Küsten gemacht. 1991 wurde das maritime Kreditwesen (Crédit Maritime)
eingeführt, das seither privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich
finanziell unterstützt (ONUDI 1991, Vol. III, Bd. 3, S. 15)(218).
Zur besseren Kontrolle und Steuerung der Fischfänge in ihren Hoheitsgewässern
richtete die guineische Regierung nach der 1995 vorgenommenen Überarbeitung der
Fischereigesetzgebung je ein behördliches Zentrum zur Forschung und Über-wachung
des Fischereiwesens ein (Centre National des Sciences Halieutiques CNSH und
Centre National de Surveillance de la Pêche CNSP).
Ein noch weitgehend unterentwickeltes Wirtschaftspotential im Fischereiwesen
ist die Fischzucht. Trotz der vorhandenen natürlichen Voraussetzungen ist sie
der guineischen Bevölkerung bisher unerschlossen geblieben. Erst in den letzten
Jahren fand durch vereinzelte Aktivitäten internationaler Investoren ein
begrenzter Know-how-Transfer statt. So hat entlang der Küste die Krabben- und
Garnelenzucht schon mehrere zukunftsweisende Erfolge aufzuweisen und entwickelt
sich beständig weiter (RG 1995c, S. 20/21). Ihre Produktion zielt ausschließlich
auf den Export nach Europa ab.
3. Die strukturelle, funktionale und praktische Organisation der Fischerei-branche
Die Förderung der drei Produktionszweige des Fischereiwesens, die
handwerkliche, semi-industrielle(219)
und industrielle Fischerei, sollte den Entwicklungs-möglichkeiten entsprechend
ausreichend gestaltet werden. Während beispielsweise die als Kleinunternehmer
anzusehenden Pirogenfischer eine intensive Betreuung hinsichtlich einer
Unternehmensgründung, -erweiterung und -führung sowie des Investitionsverhaltens
benötigten, entbehrt die industrielle Fischerei Strukturen und Initiativen zur
Entwicklung von Kontakten mit potentiellen ausländischen Handels- und
Investitionspartnern. Hier müssen insbesondere fachliche Kapazitäten geschaffen
werden, die gezielte Marktuntersuchungen, Machbarkeitsstudien und
Entscheidungsvorlagen für Entwicklungs- und Investitionsprojekte erarbeiten
können.
Ebenso ist die Bildung von beruflichen Organisationsformen in der handwerklichen Fischerei zu unterstützen. Bisweilen stützt sich die Zusammengehörigkeit und gemeinsame Vertretung einzelner Fischer auf die Tatsache, daß sie zusammen in einer Dorfgemeinschaft leben oder einen gemeinsamen Lande- oder Liegeplatz besitzen. Die Bildung von Kooperativen und Berufsstandsvertretungen würde auf der einen Seite den Fischern in ökonomischer und politischer Hinsicht mehr Handlungspotential sichern, andererseits wäre eine effizientere Anbindung an infra-
strukturellen Maßnahmen und eine organisiertere Form der
Informationsverteilung (Technologietransfer) gewährleistet.
Hinsichtlich der Kommerzialisierung bleibt die Realisierung eines
ordentlichen Fischhandelsstatus' ein wichtiger Schritt zur wirklichen
Integration des Subsektors Fischerei in die nationale Ökonomie. Wie in der
landwirtschaftlichen Produktion und ihren Verteilungsstrukturen ist auch hier
die Kammer für Handel, Industrie und Landwirtschaft als wirksame
Interessensvertretung geeignet.
Die Integrationsprozesse der guineischen Fischerei in die Landeswirtschaft voll-ziehen sich auf zwei Ebenen:
a. Auf sektorinterner Ebene haben sich bereits Integrationsbewegungen dahin-gehend etabliert, daß sich Verarbeitungsindustrien mit Produkten des handwerk-lichen Fischfangs versorgen, insbesondere mit Qualitätsprodukten (Kopffüßler, Krustentiere).
b. Auf nationaler Ebene haben sich ebenfalls Verflechtungen der
Verarbeitungs-industrien mit guineischen Zulieferfirmen (z.B. aus dem Bereich
der Ver-packungsindustrie) gebildet. Bei einer weiterhin progressiven
Entwicklung des Sektors sind allerdings investitionsfördernde Maßnahmen wie der
Zugang zu Krediten erforderlich, um den Aufbau einer entsprechenden Zuliefer-
und Ver-sorgungsindustrie zu unterstützen.
Die Sicherung des Technologietransfers spielt insbesondere für die
handwerkliche Fischereiflotte eine große Rolle. Obwohl sie durch den Einfluß
moderner Flotten z.B. aus dem Senegal in Kontakt mit neuen Technologien und
Arbeitsmethoden kommt, sind dennoch deutliche Defizite im elementaren
technischen Bereich zu verzeichnen (Motorisierung, Kühlung, Wartung und
Instandhaltung, etc.).
6.1.3 Die Forstwirtschaft - Nachhaltige Nutzung einer fragilen
Ressource
Bestandsaufnahme des Sektors
Die guineische Forstwirtschaft ist mit etwa 2,2% (1997) am BIP beteiligt. Mit
einer konstanten Wachstumsrate von knapp 3% im Mittel der letzten sieben Jahre
zeigt sie eine Stagnation in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung (RG 1998e, S.
21). Obwohl Guinea kein ausgesprochenen Waldland ist, besitzt das Land
beachtliche forstwirtschaftliche Ressourcen, die mit Ausnahme des nordöstlichen
Nigerbeckens nahezu über seine ganze Fläche verteilt zu finden sind. Jedoch
weisen nur 10,4% der guineischen Landfläche eine geschlossene Waldbedeckung auf.
Der überwiegende Teil ist mit einer mit Waldbestand durchsetzten Feucht- und
Trockensavanne bewachsen.
Als Resultat des hohen Wachstums der Bevölkerung, die den Wald als Lieferant für Brenn- und Nutzholz gebraucht und ihn für die Landwirtschaft und den Plantagenbau durch Brandrodung in seiner Fläche reduziert, hat der Rückgang des Waldes schon seit Jahren beunruhigende Ausmaße angenommen. Allein für die Jahre 1976 - 80 wird der jährliche Waldverlust auf 136.000 ha geschätzt, wobei ca. 26.000 ha/a auf den tropischen Regenwald in Waldguinea fielen (WB 1992e, Thema Nr. 2, S. 20). So wurde der wert-
volle Primärwald in diesem noch vor wenigen Jahrzehnten vollständig damit
bedeckten Naturraum auf 6.000 km2 dezimiert und auf die für die
Landwirtschaft weitgehend unzugänglichen Berghänge der Massive Nimba, Ziama und
Diécké des guineischen Rückens zurückgedrängt (s. Karte Nr. 6).
Tabelle 38: Art und Anteil des Waldbestandes Guineas an der Gesamtfläche des
Landes.
Waldart/Flächennutzung | Fläche (ha) | % der Gesamtfläche |
Mangroven | 250000 | 1,02 |
Immergrüner Regenwald | 700000 | 2,85 |
Übriger Wald | 1600000 | 6,51 |
Feuchtsavanne mit Waldbestand | 10636000 | 43,25 |
Gesamtfläche mit Waldbestand | 13186000 | 53,63 |
Landwirtschafliche Nutzfläche | 1700000 | 6,1 |
Brachland/Trockensavanne | 7500000 | 30,51 |
Andere | 2200000 | 9,76 |
Gesamtfläche ohne Waldbestand | 11400000 | 46,37 |
Gesamtfläche | 24586000 | 100 |
(Quelle: WB 1992e, Thema Nr. 2, S. 20; MT Nr. 2275, S. 1655; ONUDI 1991a,
Vol. III, Bd. 4, S. 6 u. 7)
Diese Situation erfordert es, daß bei der Entwicklung von Strategien zur
Inwertsetzung des forstwirtschaftlichen Potentials die Erhaltung der Ressourcen
als kurzfristig zu erreichendes Ziel, die großangelegte Wiederaufforstung und
Renaturierung als langfristige Vorgabe Vorrang haben. Einen ersten Schritt dazu
tat Guinea 1988 mit der Verabschiedung eines Plans zur kontrollierten Nutzung
des tropischen Regenwaldes (Plan d'Aménagement Forestier Tropical PAFT). Er hat
zum Ziel, innerhalb eines Zeitraums von 25 Jahren den Bestand des immergrünen
Regenwaldes zu sichern und ein ausgewogenes System von Nutzung und Erhalt der
natürlichen Ressource Wald zu etablieren (MT Nr. 2407, S. 3423).
Tabelle 39: Waldbestandanteil (mit geschlossener Kronendecke) in den
Naturräumen.
Naturraum | Gesamtfläche (km2) | Waldbestand (ha) | % der Gesamtfläche |
Niederguinea | 36208 | 300000 | 8,3 |
Mittelguinea | 63608 | 850000 | 13,4 |
Oberguinea | 96667 | 800000 | 8,3 |
Waldguinea | 49347 | 600000 | 12,1 |
Gesamt | 245856 | 2550000 | 10,4 |
(Quelle: ONUDI 1991a, Vol. III, Bd. 4, S. 6 u. 7; WB 1992e, Thema Nr. 2, S.
2)
AKTIVITÄTEN
Die Betätigungen in diesem Subsektor umfassen im wesentlichen zwei Arten des
Holzverbrauchs: der Nutzung als Energiequelle und die Verarbeitung zu Nutzholz.
Als Energielieferant wird Holz in Form von einfachem Feuerholz oder Holzkohle
benutzt. Das Feuerholz, bestehend aus gesammeltem Bruchholz oder wertlosen
Bäumen der Savanne, wird gebündelt auf den lokalen Märkten angeboten. Es dient
zur Energieversorgung der Haushalte sowie einiger Gewerbezweige (Bäckereien,
kleine Ziegeleien, Schmieden etc.). Die Holzkohle wird vornehmlich in den
städtischen Verdichtungsräumen verbraucht, der größte Teil davon in Conakry.
Die Weiterverarbeitung des rohen Holzeinschlags zum Nutzholz für verschiedene
gewerbliche Zwecke beinhaltet zwei Hauptaktivitäten:
1. Die erste Transformation, das Zusägen des Holzeinschlags, befriedigt die
lokale hauswirtschaftliche Nachfrage der Dörfer, kleineren Städte und randlichen
Viertel größerer Städte.
2. In der zweiten Transformation wird das Holz vom Tischler- und
Schreinergewerbe zu Produkten verschiedener Fertigungsebenen weiterverarbeitet
(Sperrholz, Rahmenholz, Möbel, etc.), um der Nachfrage einer fast ausschließlich
städtischen Kundschaft mit entsprechender Kaufkraft zu begegnen.
Dazwischen existieren noch weitere Nutzungs- und Tätigkeitsbereiche wie der
Transport vom Einschlagsort zu der ersten Transformationsstätte und zwischen den
Verarbeitungsorten sowie die Holznutzung im Baugewerbe.
STRUKTUR
Der heutige Markt dieses Subsektors gestaltet sich fast ausschließlich
informell. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Jeder in der Branche
Tätige produziert und vertreibt seine Ware so, wie er innerhalb seines
Gewerbegebietes und Absatzmarktes kann und will. Für beide Transformationsebenen
existieren kaum als industriell zu bezeichnende Produktionsstrukturen(220).
Dennoch kann sich eine Strategie zur weiteren Entwicklung der Branche auf zwei
wesentliche Strukturelemente stützen:
a. Der ökonomischen Produktionskette vom Rohmaterial bis zu den verschiedenen
Endprodukten. Ihre Stabilität und Rentabilität richtet sich nach der
Ausgewogenheit der Beziehungen zwischen den Gliedern der Kette sowie dem
Absatzmarkt.
b. Einer Gruppe von Unternehmern und Beschäftigten, die als fester Bestandteil der nationalen Ökonomie ein Leben der Branche ermöglichen.
NACHFRAGE
Die Nachfrage gliedert sich auf in den Gebrauch von Nutz- und Brennholz sowie
Rundhölzer.
Nutzholz: Es wird in Form von Schnittholz für den
Hausbau, Tischlereien und Schreinereien, Verschalungen beim Hoch- und Tiefbau
sowie die Möbelherstellung benutzt. Der Jahresverbrauch wird auf etwa 50.000
m3 geschätzt. Nur 15% der Schnitthölzer werden in Sägewerken
zugeschnitten, 80% werden von handwerklichen Brettschneidern geliefert, 5%
importiert. Mehr als zwei Drittel der Produktion (ca. 35.000 m3)
findet ihren Absatz in den Städten (überwiegend in Conakry), nur 15.000
m3 werden in ländliche Räume geliefert.
Brennholz: Die Nutzung von Holz als Brennstoff ist
aufgrund fehlender alternativer Energiequellen und entsprechender Infrastruktur
immens und beläuft sich auf etwa 7.500.000 m3/a. das Verhältnis zum
Nutzholzverbrauch beträgt 150 : 1, doch das Brennholz besteht überwiegend aus
Windbruch, Abfallholz und Einschlag minderer Qualität. Im ländlichen Bereich
versorgt sich die Familie meist selbst, während die Stadtbevölkerung auf die
Zulieferung durch Zwischenhändler angewiesen ist. Allein die Hauptstadt hat
einen jährlichen Brennholzverbrauch von 430.000 m3 und einen
Holzkohlebedarf von 50.000 t(221).
Rundholz: Sie werden als Pfähle und Pflöcke sowie
Gerüst- und Stützstangen für den Häuserbau verwendet. Der Jahresbedarf liegt bei
etwa 275.000 m3.
(Alle Zahlenangaben nach: ONUDI 1991a, Vol. III, Bd. 4, S. 13-15)
Problemorientierte Analyse
Der wirksamen Entwicklung des forstwirtschaftlichen Subsektors stehen
zahlreiche strukturelle, soziologische und umweltrelevante Hindernisse im Weg:
1. Die Entfernung zwischen den wichtigsten Einschlagsgebieten in Waldguinea
und dem Hauptabsatzmarkt Conakry beträgt 800 - 1.000 km. Die
Transportbedingungen sind aufgrund des schlechten Zustandes der Straßen und der
Transportmittel extrem schwierig und zudem kostspielig.
2. Die Waldbestände in diesem Naturraum sind durch die unkontrollierte
Abholzung stark gefährdet. Bei streng überwachtem Einschlag können Sägewerke nur
in dem Maße errichtet oder wieder in Betrieb genommen werden, in dem ihr
Verbrauch den jetzigen Bestand nicht gefährdet und Wiederaufforstungsmaßnahmen
nicht behindert.
3. Andere potentielle Holzbestände in den übrigen Naturräumen sind aufgrund
ihrer dezentralen, zerstückelten Lage schwierig zu erschließen.
4. Nahezu alle tätigen Sägewerke und -einrichtungen sowie die Verarbeitungszweige arbeiten mit überalteten und abgenutzten Maschinen und Geräten. Hinzu kommt ein
niedriges allgemeines und fachliches Ausbildungsniveau der Beschäftigten in
der gesamten Branche. Die Folge davon ist die Herstellung von
Verarbeitungsprodukten minderwertiger Qualität.
5. Die Frage nach der Qualität erweist sich darüber hinaus als ein
psychologisches Problem. Die jahrelange Verschlossenheit gegenüber fremden
Einflüssen während der I. Republik sowie die politische Erziehung aus dieser
Zeit haben eine Berufsauffassung geschaffen, die alles Negative und jegliche
Selbstkritik negiert und die eigene Leistung ausschließlich positiv beurteilt.
Eine objektive Qualitätskontrolle ist in vielen Fällen bis heute nicht möglich,
Kritik bleibt unverstanden. Der Versuch, die Qualität der Produktion zu
verbessern, führt grundsätzlich zunächst zu einem psychologischen Konflikt denn
zu einem technischen Problem. Damit ist ebenfalls die Möglichkeit der
Herstellung und des Exports von Qualitätsware wie Möbel in weite Ferne gerückt.
6. Die Holzkohleherstellung erfolgt nach der traditionellen Methode des
Erdmeilers, dessen Karbonisierungsertrag durchschnittlich nur 10 - 15% beträgt.
Eine Verbesserung der traditionellen Version, die Casamance-Methode(222),
die in fast allen afrikanischen Ländern Einzug gehalten hat, ist in Guinea
weitestgehend unbekannt. Die steigende Nutzung von Holz als Brennstoff
(Feuerholz, Holzkohle) stößt bereits seit langem an die Grenzen der
Regenerationskapazitäten des Holzbestandes um die großen Städte herum,
insbesondere um Conakry.
Die Vorteile von Guineas forstwirtschaftlichem Sektor beschränken sich in
volkswirtschaftlich entwicklungsrelevanter Sicht auf die gute Qualität der
Nutzhölzer, die bei einer interessanten Artenvielfalt einen hohen kommerziellen
Wert besitzen, sowie das allgemein niedrige Lohnniveau.
Entwicklungsstrategie
Die Maßnahmen zur effizienten Inwertsetzung des holzwirtschaftlichen
Potentials steht unter dem Licht von drei Hauptorientierungen: dem Schutz und
der Erhaltung bzw. Erweiterung der Ressourcen, der Entwicklung und Verbesserung
der Holztransformation und schließlich der systematischen Organisation der
Branche.
1. Inwertsetzung des Waldbestandes
Die Abholzung der Wälder und Savannen muß auf ein erträgliches, den Bestand nicht gefährdendes Maß reduziert werden. Dies kann durch eine verbesserte, ertragreichere Holzkohleherstellung sowie ein umsichtigerer Energieverbrauch unterstützt werden. Letzteres setzt die Bemühungen von Staat und Bevölkerung um alternative Energiequellen und eine bessere Infrastruktur voraus. Aber auch eine ausgewogene Verteilung der Nutzung würde zu einer Erholung gefährdeter Gebiete mit hoher Nutzungskonzentration beitragen. So besitzt Mittelguinea etwa ein Drittel der guineischen Waldbestände (s. Tab. 45). Ihr
Nutzungsgrad vor allem gegenüber den Beständen Waldguineas ist jedoch
aufgrund ihrer dezentralen Lage und der ungenügenden Infrastruktur wesentlich
geringer.
Gleichzeitig müssen Wiederaufforstungsmaßnahmen den bisherigen Bestand in
seinem Volumen halten und darüber hinaus zumindest in dem Maße aufstocken, in
dem ein Nutzungswachstum infolge erhöhten Bevölkerungsdrucks abzusehen und
kalkulierbar ist.
Der Rahmen für diese Ziele ist durch langfristige Bewirtschaftungspläne
abzustecken. Diesen Plänen muß eine genaue Kenntnis des Zustandes des
guineischen Waldes nach Fläche, Konzentration, Artenvielfalt und
Nutzungspotential zugrundeliegen. Der bisherige Kenntnisstand ist zu
fragmentarisch und entbehrt eines Datenbestandes aus einer flächendeckenden
spezifischen Untersuchung. Ein weiteres Kriterium der Pläne sollte die Anwendung
adaptierter forstwissenschaftlicher Forschung sein, um ihren Wirkungsgrad zu
verstärken.
2. Entwicklung der Holzverarbeitung
Die Holzverarbeitung konzentriert sich ausschließlich auf die Versorgung des
nationalen Marktes, da sein Bedarf bisher nicht gedeckt ist und auch weiter
steigen wird. Außerdem läßt die mindere Qualität aller Produkte auch auf längere
Sicht keinen Export zu.
a. Erste Transformation: Eine erhebliche Verbesserung der Qualität der
Produkte und ihrer Präsentation ist erforderlich, um die Nachfrage optimaler zu
befriedigen. Eine örtliche Anpassung der Produktionsstätten an die tatsächliche
Verfügbarkeit der Ressourcen würde ihre Nutzung optimieren, indem die
Überlastung bestimmter Bestände Waldguineas zugunsten der dislozierten
Potentiale in den übrigen Naturräumen abnimmt.
b. Zweite Transformation: Auch hier ist eine Qualitätsverbesserung des
Outputs in sämtlichen Produktionszweigen notwendig. Dies kann nur durch einen
intensiven Technologietransfer und umfangreiche berufliche Bildungsmaßnahmen
erfolgen. Die Frage eines normativen Rahmens bezüglich der Qualität richtet sich
letztendlich nach der Verfügbarkeit der Mittel und der Entwicklung der
Kaufkraft. Grundsätzlich bleibt es schwierig, technologisches Wissen für die
Branche von außen zuzuführen, obwohl diese sich ausschließlich an den
Bedürfnissen des nationalen Marktes orientiert.
Ein vorrangiges Ziel ist die verstärkte Einstellung der lokalen Produktion
auf Substitutionsprodukte, die teure Importgüter ersetzen können und somit
branchenfördernd wirken. Neben diesem bedeutenden Schritt der
Qualitätssteigerung muß die Präsentation und das Marketing der Produkte
gleichermaßen entwickelt werden.
Nichtsdestoweniger bleiben die beiden Produktionsarten der Holzverarbeitungsbranche, der handwerkliche und der semi-industrielle bzw. industrielle Bereich, deutlich voneinander getrennt und bedürfen einer unterschiedlichen Förderungsweise. Die Prioritäten der Unterstützung der handwerklichen Produktion, die fast ausschließlich dem informellen Sektor zugehört, liegen im Zusammenschluß der Aktiven zu Interessensgruppen, deren Produktivität und Produktqualität durch Ausbildung und
Investitionsschulung und -unterstützung intensiver in Angriff genommen werden
kann. Der semi-industrielle oder industrielle Produktionsbereich, der eine
Verbraucherschicht mit größerer Kaufkraft als die handwerkliche Produktion
anspricht, bedarf der Unterstützung in der Perfektionierung der massenweisen
Produktion von Möbeln, Rahmen, Fenster, Türen und anderen Elementen des
Zimmerwerkes sowie der Erschließung neuer Märkte wie Büro-, Schul- und
Krankenhausmobiliar, bis heute vielfach importiert.
c. Organisation der Branche: Der holzwirtschaftliche Produktionssektor
wird vom guineischen Amt für Holzwirtschaft (Office Guinéen du Bois OGUIB)
betreut, das direkt dem Landwirtschaftsministerium unterstellt ist. Es fungiert
als Planungs- und Durchführungszentrum für staatliche Interventionen zur
Schaffung von investitionsfördernden Rahmenbedingungen und dem Erreichen der
Entwicklungsziele. Doch infolge der zahlreichen Akteure im Sektor, die zudem
eine hohe berufsspezifische und geographische Streuung aufweisen, sind die
Kenntnisse über das genaue Berufsbild bezüglich seines Umfangs sowie Verteilung
und Ausprägung seiner Aktivitäten gering. Dies trifft insbesondere auf die
Brettschneider und Holzkohleproduzenten zu. Die genaue Erfassung des Sektors ist
eine Notwendigkeit zu seiner Strukturierung und Steuerung. Nur so kann der
Holzverbrauch mit einer Genauigkeit bestimmt werden, die als Basis für eine
realistische Entwicklungsplanung dienen kann. Ein weiteres Ziel dieser Erfassung
ist die Kenntnis über Arbeitsbedingungen und Ausbildungsstand, um komplementäre
und adäquate Maßnahmen zur Verbesserung einleiten zu können.
Die Möglichkeit des Exports bestimmter Hölzer und deren Verarbeitungsprodukte sollte nicht beschnitten werden. Eine einschränkende Beeinflussung des Nachfrageverhaltens würde bei einem gleichzeitigen Defizit im Angebot, vor allem hinsichtlich der Qualität, Unverständnis hervorrufen, Schmuggel und Korruption fördern. Auf der anderen Seite ist eine strikte Regelung für den Export der wertvollen tropischen Stamm- und Rundhölzer dringend erforderlich. Zum einen muß der Rückgang des Waldbestandes aufgehalten werden, zum anderen darf sich das Land nicht seiner Grundlage für die eigene Verarbeitungsindustrie berauben. Die bei dem geringen Exportpotential ohnehin kaum ins Gewicht fallende Devisenertrag fiele zu Lasten der Entwicklung des nationalen Marktes.
6.2 Der sekundäre Sektor - Fehlende industrielle Produktionskultur
und Bergbaudominanz
6.2.1 Die guineische Industrie - Neuanfang statt
Wiederbelebung
Neben den allgemeinen Problemen der Infrastruktur (Transport, Energie, Kommunikation) belasten die guineische Industrie bis heute nachteilige marktpolitische und strukturelle Merkmale wie die Beschränkung auf den Binnenmarkt, die starke Konzentration industrieller Aktivitäten auf die Hauptstadt sowie der schwache Nutzungsgrad von Kapazitäten und das niedrige branchenspezifische Fachwissen. Übergeordnete Ziele zur nachhaltigen Förderung der im Rahmen der 1985 eingeleiteten gesamtökonomischen Reformen begonnenen industriellen Wiederaufbaus sind daher:
6.2.1.1 Das Erbe der I. Republik
Eine schwere und ineffiziente Bürokratie, eine ständig überbewertete Währung,
eine strikte Preiskontrollpolitik und zahllose Rationierungen, vor allem im
Konsumgüterbereich, führten während der I. Republik zur Herausbildung einer
dualistischen Volkswirtschaft. Auf der einen Seite, dem offiziellen oder
formellen Sektor, hatten die Staatsunternehmen das Monopol über den Export, den
Binnenländischen Handel mit Konsum- und Zwischengütern und jeglicher
industrieller Aktivität, mit Ausnahme des Handwerks. Auf der anderen Seite
existierte ein informeller Sektor, der, durch das langjährige und erst in der
Endphase der Ära Sékou Touré gelockerte Verbot jeglicher privatwirtschaftlicher
Aktivität in der Verschwiegenheit des Schwarzmarktes und des Schmuggels
operierend, die Nachfrage nach Konsumgütern im Lande deckte und im Zuge der
immer restriktiver werdenden Wirtschaftsentwicklung ständig an Bedeutung und
Volumen gewann.
Die überwiegende Zahl der staatlichen Industriebetriebe wurden in der Zeit
von 1969 - 79 gegründet (ONUDI 1991a, Vol. I, S. 29). Ihr Produktionsspektrum
beschränkte sich auf die Verarbeitung der wichtigsten natürlichen Rohstoffe
Guineas: Tabak, Baumwolle, Holz, Früchte und Gemüse. Am Ende der 70er Jahre
zählte der industrielle Sektor etwa 50 staatliche Unternehmen, die ca. 2% des
BIP erwirtschafteten (EBENDA, S. 30).
Mit zunehmender Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesamtsituation kam es im ohnehin unproduktiv arbeitenden industriellen Verarbeitungs- und Produktionssektor zum
totalen Verfall. Die Kapazitätsauslastung in den Unternehmen betrug weniger
als 20% (EBENDA), zahlreiche Betriebe stellten ihre Produktion ein. Die Ursachen
dieses Abstiegs lagen im wesentlichen in folgenden Faktoren begründet:
1. Die Versorgungsbedingungen der Industriebetriebe waren unzureichend. Dies
galt so-wohl für die Zulieferung lokaler landwirtschaftlicher Grundmaterialien
als auch für importierte Grundstoffe, Halbfertigprodukte und Ersatzteile.
2. Es herrschten extrem widrige Produktions- und Absatzverhältnisse:
Finanzierungsmöglichkeiten für notwendige Investitionen waren rar, der
Wechselkurs unrealistisch, und die strikte Preiskontrolle ließ keinerlei
marktwirtschaftliche Spielraum zu. Außerdem erwiesen sich die rigiden
Einstellungsregelungen und -praktiken sowie die starren, ineffizienten
Kommerzialisierungsstrukturen als überaus entwicklungshemmend.
3. Die Unternehmensführung war durch Inkompetenz und Unprofessionalität
gekennzeichnet. Eine zusätzliche Belastung stellte die permanente direkte
Einflußnahme der öffentlichen Hand dar.
4. Zahlreichen Unternehmensgründungen lag aufgrund mangelhafter Vorabanalyse
der Marktsituation eine unrealistische Konzeption zugrunde. Überdimensionierte,
dem Markt auch qualitativ unangepaßte Produktionsstrukturen waren oftmals die
Folge.
Am Ende der I. Republik schließlich waren von den sich noch in Betrieb
befindlichen 131 Staatsunternehmen 42 in der industriellen Produktion tätig,
vornehmlich in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, aber auch in
geringem Umfang in der Chemie, Pharmazie und Metallverarbeitung. Diese
Unternehmen beschäftigten etwa 7.000 Personen und stellten ca. 40% des
industriellen Wertzuwachses dar (WB 1990a. Bd. II, S. 92). Der formelle
privatwirtschaftliche Sektor, dem Sékou Touré in seinen letzten Amtsjahren doch
noch gewisse Entwicklungsmöglichkeiten einräumte, bestand aus etwa 360
Kleinunternehmen, von denen 130 in der industriellen Nahrungsmittel-, Holz- und
Metallproduktion und -verarbeitung tätig waren. Sie beschäftigten ca. 3.000
Personen und repräsentierten weiter 40% des industriellen Wertzuwachses
(EBENDA). Der Rest des privatwirtschaftlichen Industriesektors setzte sich aus
einer geschätzten Zahl von etwa 3.000 im informellen Bereich arbeitenden
Unternehmen zusammen, die ca. 12.700 Personen beschäftigten (EBENDA).
6.2.1.2 Die heutige Situation der guineischen Industrie
6.2.1.2.1 Strukturelle Merkmale
Das produzierende Gewerbe (ohne Bergbau) hat heute einen Anteil von knapp 4% am BIP (1997). Seit dem Greifen erster Reformen im Sektor nach 1988(223), einhergehend mit einer zwar langsamen aber stetigen Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen für
Investitionen sowie fachlichen und finanziellen Zuwendungen aus dem
Entwicklungshilfebereich, hat die überwiegend kleinbetrieblich organisierte
Industrie stabile jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich etwa 4% zu
verzeichnen (RG 1998e, S. 21; ).
Die gegenwärtige guineische "Industrielandschaft" ist durch folgende
charakteristische Elemente gekennzeichnet:
1. Sie wird dominiert von der landwirtschaftlichen Verarbeitungsindustrie,
die 1994 etwa 35% der Gesamtproduktion im Sektor ausmachte (RG 1995c, S. 1). Die
wichtigsten privatwirtschaftlichen Investitionen wurden hier in der
Getränkeindustrie getätigt(224).
Danach folgt ein stabiler Kern von Unternehmen, die Verbrauchsgüter herstellen,
vornehmlich teure Importartikel substituierend (Seifen, Farben, Verpackungen,
Plastik- und Metallprodukte). Zahlreiche andere Branchen wie die
Baustoffindustrie und die Genußmittelbranche bestehen zumeist nur aus einem
einzigen Unternehmen von entsprechender volkswirtschaftlicher Bedeutung(225).
2. Der Großteil der industriellen Aktivitäten konzentriert sich mit Ausnahme
der Obst- und Gemüseproduktionsbranche sowie der Holzverarbeitungsindustrie nach
wie vor in Conakry. Etwa 80% der industriellen Beschäftigung befindet sich im
Einzugsbereich der Hauptstadt (ONUDI 1991a, Vol. I, S. 32). Aufgrund der sich
nur langsam einstellenden Verbesserung der Infrastruktur im Binnenland hat sich
diese Konzentra-tionstendenz in den letzten Jahren eher noch verstärkt, da
Conakry z. Zt. noch die besten Entfaltungsmöglichkeiten bietet.
3. Die guineische Industrie bedient fast ausschließlich den Binnenmarkt. Erst
in den letzten Jahren waren in Teilbereichen (Obst- und Gemüseverarbeitung,
Chininproduktion, Herstellung von Parfümessenzen, Zucht von Krustentieren etc.)
sich langsam aber stetig entwickelnde Impulse einer exportorientierten
industriellen Produktion zu verzeichnen.
4. Nicht zuletzt aufgrund der Konzentration in Conakry ist die guineische
Industrie mit Ausnahme der Obst-, Gemüse- und Holzverarbeitungsbranchen wenig
oder gar nicht in die nationalen ökonomischen Kreisläufe eingebunden. Etwa 80 -
90% der industriellen Zwischen- und Verbrauchsgüter werden importiert (ONUDI
1991a, Vol. I, S. 33). Somit ist die Industrie ständig einer übermäßigen
Abhängigkeit gegenüber äußeren Faktoren wie der Zulieferung, des
Technologietransfers und der Wartung und Instandhaltung ausgesetzt.
5. Ausgenommen die Getränke-, Genußmittel- und Baustoffindustrien weist das guineische produzierende Gewerbe noch immer einen sehr schwachen Nutzungsgrad
seiner Kapazitäten von etwa 20 - 30% auf (MT Nr. 2584, S. 1072). Dies ist zum
einen sicherlich dem noch wirkenden Erbe der I. Republik anzulasten, zum anderen
jedoch auch eine Folge von zu optimistischen und unrealistischen Erwartungen
bezüglich des binnenländischen Wachstums der Nachfrage.
6. Trotz der im Zuge der Privatisierungen versuchten Durchsetzung von
Restrukturierungsmaßnahmen bleibt das Muster der Investitionsstrategien aus der
I. Republik teilweise bestehen (s. Kap. 5.3.3).
7. Bis heute ist ein subregional und international konkurrenzfähiges Produktionsniveau aufgrund der hohen Produktionskosten selten zu erreichen. Diese sind verknüpft mit
- einem kostenintensiven Transport auf der Straße, besonders von Obst und Gemüse (Kühltransport), Ölfrüchten und Holz;
- erheblichen Schwankungen in der Versorgung mit Grundmaterialien, Zwischen- und Verbrauchsgütern;
- hohe Energiekosten, hervorgerufen durch die Notwendigkeit einer autonomen Energieversorgung, da das öffentliche Energienetz unzureichend ist;
- Problemen in der Wartung und Instandhaltung, vor allem für Industriebetriebe, die weit entfernt von der Hauptstadt liegen;
- infolge mangelnder Qualifikation ungenügender Produktivität, dessen Steigerung nur durch den teuren Einsatz ausländischen Fachpersonals möglich ist;
- überwiegend veralteten, abgenutzten Anlagen und Maschinen sowie überholten
Technologien.
6.2.1.2.2 Tätigkeits- und Verhaltensmerkmale
Die guineischen Industriebetriebe können nach Produktionsbereichen und
Funktionsprinzip unterschieden werden:
Nach Produktionsbereich
Der zu Beginn der Reformen eingeleitete Rückzug des Staates aus dem Handels-
und Produktionssektor resultierte in einer Auflösungs- und Privatisierungswelle
der staatlichen Unternehmen, deren Anteil am industriellen Wertzuwachs fortan
auf weniger als 20% schrumpfte (ONUDI 1991a, Vol. I, S. 36). Ihre
Hauptproduktionsbereiche liegen in der Nahrungsmittel- und Getränkeherstellung
(Zuckerraffinerien, Öl- und Fruchtsaftherstellung, Brauereien, Tabakproduktion),
im Baustoffbereich (Ziegeleien, Kachelbrennereien, Keramik), in der chemischen
Industrie (Farben, Plastikherstellung, Industriegasproduktion) und in der Holz-,
Textil- und Lederindustrie sowie im Maschinenbau.
Nach Einführung einer liberaleren Marktpolitik bildeten sich zahlreiche neue private Kleinbetriebe, die hauptsächlich im Bäckereiwesen (53% der Neugründungen 1986 - 89), in der Tischlerei/Schreinerei (37%) und in der Metallverarbeitung tätig sind. Sie stellen bis heute eine wesentliche Stütze des derzeitigen industriellen Produktionssektors dar, da sie ein weiterhin hohes Expansionspotential besitzen und neben den sich ebenso entwickelnden kleinen Handelsbetrieben eine treibende Kraft in der Volkswirtschaft darstellen (EBENDA). Allerdings sind gerade diese Betriebe bis zu 80% von importierten Grund-
stoffen abhängig (MT Nr. 2584, S. 1072).
Der informelle Sektor schließlich hat sich seine Tätigkeitsbereiche erhalten
und sich darüber hinaus im Zuge der Öffnung des Landes zahlreiche neue
Produktions- und Verarbeitungsbereiche erschlossen. Neben den traditionellen
Domänen der kleinmaßstäblichen Nahrungsmittelproduktion und -verarbeitung sowie
der Holzbearbeitung konnte neues Terrain in der Baustoffherstellung und der
Metallverarbeitung gewonnen werden. Sein Anteil am industriellen Wertzuwachs
wird auf etwa 40% geschätzt.
Nach Funktionsprinzip
1. Unternehmen mit industrieller Struktur:
Es handelt sich
größtenteils um aus der Privatisierungsphase resultierende Unternehmen. Die
Kapitalmehrheit liegt meist in ausländischer Hand. Führungscharakteristika sind
ein klassischer Managementstil mit langfristiger Zielorientierung. Die Über-
oder Inbetriebnahme war zumeist begleitet von einer im Zuge von
Rationalisierungsmaßnahmen folgender Dezimierung der Beschäftigtenzahl sowie
einer grundlegenden Überholung oder Modernisierung bzw. Erneuerung der
Produktionsanlagen. Der überwiegende Teil dieser Unternehmen genießt einen
tariflichen Schutz und Steuervorteile, die über den vorgesehenen Möglichkeiten
des Investitions- und Steuergesetzes liegen, da sie vor deren Inkrafttreten bzw.
Reformierung gegründet wurden. Dennoch ist ihre Wirtschaftlichkeit unsicher und
schwankend, da oftmals die Entwicklung ihres Marktes überschätzt wurde.
2. Die kleinen und mittelständischen Industrien (KMI):
Die Liberalisierung der guineischen Wirtschaft bewirkte ein Aufblühen der
meist als Familienbetrieb unterhaltenen KMI. Sie konzentrierten sich jedoch
vielfach auf die Herstellung der gleichen Produkte, was das Angebot erhöhte und
die Konkurrenzsituation verschärfte, ohne daß die Nachfrage stieg. Die Gehälter
sind niedrig, doch ist der allseits praktizierte zusätzliche Güterausgleich zu
berücksichtigen. Die Selbstfinanzierung ist unzureichend. Der
Geschäftsführungsstil weist markante Lücken in den wichtigsten
Unternehmensbereichen auf (Marketing, Buchführung, Produktion, Personalführung,
etc.). Charakteristisch ist auch die ungenügende Information über angemessene
Technologien. Es herrscht allgemein die Tendenz vor, europäische Produktions-
und Verfahrensweisen zu imitieren, was bezüglich der relativen Faktorkosten und
dem verfügbaren fachlichen Qualifikationsniveau häufig zu negativen Ergebnissen
führt. Bleiben dann die Erträge aus, wird die industrielle Produktion recht
schnell vernachlässigt, und es kommt zu einer Reorientierung in Richtung Handel
und Dienstleistungen.
3. Die Unternehmen mit nicht differenzierten Aktivitäten:
Ein Teil der guineischen Industriebetriebe verbindet seine Aktivitäten direkt mit dem
Handel, wobei eine Grenzziehung bezüglich des Finanzflusses nicht möglich
ist. Da Gewinne im Handel sicherer und schneller zu erzielen sind, nimmt die
industrielle Produktionstätigkeit einen sekundären Platz ein.
4. Die Unternehmen im informellen Bereich:
Die informell tätigen Unternehmen sind in einem bedeutenden Umfang an der industriellen Produktion beteiligt. Ihre Produktionstechniken sind rudimentär, beschränken sich auf einfache Produktionsschritte und werden größtenteils handwerklich ausgeführt. Dadurch ist die Produktivität gering, die Qualität der Produkte niedrig. Meist handelt es sich um Ein-Mann- oder Familienbetriebe mit einem Mindesteinsatz an Kapital. Jedoch ist diese Unternehmensschicht im Grunde genommen die einzige, die sich mit Gütern des nationalen Marktes versorgt.
6.2.1.2.3 Die Auswirkungen der Wirtschafts- und
Finanzreformen
Seit Beginn der von der guineischen Regierung durchgeführten Wirtschafts- und Finanzreformen blieb der Anteil der Industrie am BIP nahezu unverändert (1986: 4,0%, 1991: 4,0%, 1994: 3,9%, 1997: 3,8%). Der von den Privatisierungen erhoffte Belebungs- und Wachstumseffekt blieb aus. Obwohl Steuervergünstigungen, verbesserte makroökonomische Rahmenbedingungen (Preisliberalisierung, freier Devisenmarkt) und kostengünstige Veräußerungen der Staatsunternehmen scheinbar gute Investitionsvoraussetzungen boten, war die Bereitschaft zu investieren wegen der anhaltenden Schwierigkeiten infrastruktureller und administrativer Art sowie aufgrund der sich nur langsam verbessernden Rechtslage gedämpft.
Das Ergebnis war entsprechend enttäuschend: Für die Entwicklung der Industrie
blieb die Privatisierung der staatlichen Industriebetriebe ohne positive
Auswirkungen, da die privatisierten Unternehmen auf dieselben Probleme stießen
wie Neuinvestitionen, und sich an dieser Situation nicht oder nur sehr langsam
etwas änderte(226).
Viele Betriebe schätzten auch die Marktsituation zu positiv ein, aufgebaute oder
schon vorhandene Überkapazitäten machten die Produktion von vornherein
unrentabel, die Unternehmen scheiterten. Bezüglich der Arbeitsplätze ergab sich
eine negative Bilanz, da durch Rationalisierungsmaßnahmen und Liquidationen von
Betrieben etwa 2.500 Arbeitsplätze verlorengingen (ONUDI 1991b, S. 9). Weiterhin
wurde die Regionalentwicklung durch die Auflösung zahlreicher Agrarbetriebe
beeinträchtigt.
Ein entscheidender entwicklungshemmender Faktor ist sicherlich der durch die
geringe Kaufkraft der guineischen Bevölkerung begrenzte Binnenmarkt. Diese
Schwäche wird durch das Fehlen von lokalen Dienstleistungen und die ungenügende
Infrastruktur im Hinterland noch verstärkt(227).
Ein weiterer, nur auf lange Sicht zu verbessernder Faktor ist das niedrige
Produktivitätsniveau in fast allen Produktionsbranchen. Diesen strukturellen,
größtenteils als Erblast der Wirtschaftspolitik der I. Republik zu bezeichnenden
Hindernissen (s. a. Kap. 5.3.3) setzte die guineische Regierung ihr
Reformprogramm zur Sanierung und Belebung von Wirtschaft und Finanzen entgegen,
das jedoch gerade in bezug auf eine gezielte Entwicklungsförderung des
industriellen Sektors nicht ausreichend und konsequent genug war, zudem nur
zögerlich umgesetzt wurde, und somit nachhaltig die geplante Entwicklung
behinderte:
1. Boden- und Besitzrecht:
Bis 1992 legte das Landrecht fest, daß jegliche Landfläche Staatseigentum war
und nicht endgültig an private Einzelpersonen, Unternehmen oder Institutionen
abgegeben werden konnte. Privatinvestoren waren gezwungen, Pachtverträge mit der
Regierung über eine maximale Pachtdauer von 30 Jahren, meist kürzer, zu
schließen. Das neue Immobilien- und Unternehmensgesetz(228)
regelt zwar den nunmehr freien Erwerb von Grund und Boden, seine Umsetzung und
gerechte Anwendung stößt jedoch auf technische Probleme und Widerstand in der
Bevölkerung. So fehlt bis heute ein allgemeingültiges Kataster und ein auf dem
aktuellen Stand gehaltenes Register der Besitzverteilung, vor allem im
ländlichen Raum. Dort werden die Besitzverhältnisse noch immer durch die in
vielen Teilen der Bevölkerung noch bestehende Akzeptanz des traditionellen
Besitzrechtes beeinflußt.
2. Übriger Gesetzesrahmen:
Obwohl die guineische Regierung zeitig mit der Verabschiedung neuer und besserer Wirtschafts- und Handelsgesetze aufwartete, um die Entwicklung des privatwirtschaftlichen Sektors zu fördern, ist deren Umsetzung und praktische Anwendung ebenfalls bis heute unzufriedenstellend. Markante Lücken und inkonsequente Überwachung ihrer kor-
rekten Durchführung ebnen den Weg für Willkür und Korruption. Um tatsächlich
zu seinem Recht zu kommen, muß der Unternehmer häufig unangemessen viele
Verwaltungshürden überwinden, hinter denen oftmals Unwissenheit, Ignoranz,
Selbstbereicherungssucht oder -notwendigkeit, Amtsmißbrauch und Schikane lauert.
In den meisten Fällen konnten die neuen oder reformierten Gesetze die durch
den neu eingeschlagenen Weg bestimmte, differenziertere Situation erfassen,
artete jedoch in umfangreiche, für den einfachen Unternehmer zu komplizierte,
unverständliche Regelwerke aus, die in ihrer Anwendung nicht den tatsächlichen
Notwendigkeiten zur Erreichung der gesetzten Ziele gerecht wurden. Um
beispielsweise Mitarbeiter einzustellen, sah das neu verfaßte Arbeitsgesetz vor,
das Arbeitsministerium aufzusuchen und unter den dort geführten
Arbeitslosenlisten potentielle Mitarbeiter auszuwählen. Dieser Vorgang erwies
sich als langwierig, kostspielig und zudem ineffizient, da qualifiziertes
Personal kaum mit dem Ministerium in Verbindung stand (WB 199a, Bd. II, S. 96).
Ein weiteres Problem wurde 1987 mit der Verabschiedung des
Investitionsgesetzes aufgeworfen. Um Investitionsanreize zu schaffen, bot die
Regierung zahlreiche Möglichkeiten der Steuererleichterungen und -befreiungen
auf unterschiedlichen Ebenen an(229).
Diese Angebote blieben oftmals ungenutzt, da zum einen die Zulassungskriterien
nicht eindeutig und willkürlicher Auslegung ausgesetzt waren, zum anderen die
Verwaltungsvorgänge enorme Zeit in Anspruch nahmen (bis zu 6 Monaten), bis eine
definitive Zu- oder Absage erteilt wurde. Diese hinsichtlich des begrenzten und
instabilen Marktes zu langen Wartezeiten umgingen die Unternehmer, indem sie
Sondervereinbarungen mit einzelnen Ministerien und dem Zollamt schlossen.
Die Folge dieser bald zur allgemein üblichen Verhandlungstaktik avancierten
Ausnahmeregelungen, von der beide Seiten, sowohl der Unternehmer als auch
Vertreter der Behörden, profitierten, war eine Unterhöhlung des
Investitionsgesetzes. Durch mangelnden Informationsfluß und unzureichende
Koordination zwischen den einzelnen Ministerien, der Steuerbehörde und des
Zollamtes war eine Kontrolle über Art und Umfang der individuellen
Steuerbefreiungen unmöglich geworden. Ein Nebeneffekt bestand in der deutlichen
"Diskriminierung" der guineischen Kleinunternehmer, die weder Einfluß noch
Mittel in ausreichendem Maße besaßen, um derartig vorzugehen.
3. Die institutionelle Förderung von Privatinvestitionen:
Die Definition der Rolle des Staates in bezug auf die Förderung nationaler und ausländischer Investitionen hat eine lange Entwicklungszeit hinter sich. In der ersten Generation ab 1985 stand der zögerliche Versuch im Mittelpunkt, mittels eines Amtes zur Förderung von KMU (Office National de Promotion des Petites et Moyennes Entreprises ONPPME) die Entwicklung des guineischen Produktions- und Handelsgewerbes zu unterstützen. Infolge mangelnder fachlicher Kompetenz und die durch einen überdimensionierten Verwaltungsapparat(230) beeinträchtigte Funktionsfähigkeit konnte diese Institution ihrer Auf-
gabe jedoch zu keinem Zeitpunkt gerecht werden. Gleichzeitig versuchte die
Regierung, die im Zuge der durch die staatlichen Verwaltungsreform bedingte
Verringerung der Staatsbediensteten durch ein Amt zur Wiedereingliederung von
Beamten des öffentlichen Dienstes (Bureau d'Aide à la Réinsertion des Agents de
la Fonction Publique BARAF) teilweise aufzufangen und geeignete ehemalige Beamte
mit tragfähigen Projektvorhaben bei der Integration in die Privatwirtschaft zu
unterstützen. Die Tatsache, daß die Unternehmer nach der Finanzierung und
Gründung ihrer Betriebe keine weitere Betreuung erhielten und deshalb mangels
Erfahrung aufgeben mußten, ließen das BARAF schnell zu einem Mißerfolg werden(231).
Aus diesen beiden staatlichen Organen entstand dann in der 2. Generation ein
Zentrum für die Bildung und Entwicklung von Unternehmen (Centre pour la Création
et le Développement des Entreprises CCDE), das einen strafferen
Verwaltungsapparat und kompetenteres Personal zur Unterstützung der Unternehmer
besaß. Parallel dazu sollte die Investitionsförderung ausländischer potentieller
Unternehmenspartner durch das neugeschaffene nationale Zentrum zur Förderung von
Privatinvestitionen (Centre National pour la Promotion des Investissements
Privés CNPIP) wahrgenommen werden. In zunehmendem Maße schaltete sich auch die
guineische Industrie- und Handelskammer ein (Chambre de Commerce, d'Industrie et
d'Agriculture de la Guinée CCIAG) ein, die ihrerseits versuchte, die Interessen
ihrer Mitglieder gegenüber dem Staat sowie ausländischen Investoren und
Wirtschaftspartnern zu vertreten und somit die Entwicklung des
privatwirtschaftlichen Sektors zu fördern.
Nach einer lehrreichen Phase gegenseitiger Kompetenzansprüche, begleitet von
entwicklungshemmendem Konkurrenzverhalten zwischen den einzelnen Akteuren,
entschloß sich die Regierung, in der 3. Generation das CCDE und das CNPIP zu
einem zentralen Organ zu verschmelzen, dem Amt zur Förderung von
Privatinvestitionen (Office pour la Promotion des Investissements Privés OPIP).
Somit lag die Betreuung von nationalen und ausländischen Investitionsvorhaben
endlich in einer Hand und konnte schnell und direkt miteinander verknüpft werden
(z.B. in Joint Ventures)(232).
Gleichzeitig erlangte die Industrie- und Handelskammer durch freie Wahlen zur Bildung eines neuen Exekutivbüros sowie durch eine gesicherte Finanzierung ihrer laufenden Kosten aufgrund ihrer Integration in das Projekt zur Förderung der Agrarexporte zu Beginn des Jahres 1993 schließlich die Autonomie. Nachdem sie als staatliche Institution jahrelang ihre Aufgabe, als privilegierter Sprecher der Privatwirtschaft gegenüber der öffentlichen Hand zu fungieren, durch einen ständigen Budget- und Personalmangel sowie unzureichender Ausrüstung und Lokalitäten nur durch das Engagement der Kammermit-
arbeiter und das damit verbundene Wachsen des Mitgliederinteresses zumindest teilweise wahrnehmen konnte, erhielt sie durch ihre finanzielle und funktionale Autonomie nun die Möglichkeit, ihre Rolle als unabhängiger Koordinator, Ansprechpartner, Vermittler, Förderer und Sprachrohr des guineischen Privatsektors erfüllen zu können.
6.2.1.3 Industrielle Entwicklungsstrategien
Der industrielle Produktions- und Verarbeitungssektor Guineas ist wenig
entwickelt und schwach diversifiziert. Er hängt wesentlich vom Import von
Grundstoffen und Zwischengütern ab. Trotz der Privatisierungsergebnisse bei der
Konversion großer Staatsunternehmen bleiben Kapazitätenauslastung und
Produktivität gering. Die Industrie ist nicht in der Lage, mit ihren Produkten
gegen Importgüter zu konkurrieren, und ihr Exportanteil ist unbedeutend.
Nichtsdestoweniger besitzt das Land ein durch physische, strukturelle und soziale Hinder-nisse zwar eingeschränktes, dennoch förderungsfähiges industrielles Entwicklungspotenti-
al, das unter Anwendung einer langfristigen, tragfähigen Strategie
verhältnismäßig beständig inwertgesetzt werden kann.
6.2.1.3.1 Potential und Handlungsspielraum
Guinea besitzt unzweifelhaft eine Reihe von Vorteilen, die jedoch bis heute
infolge inadäquater Politik und zahlreicher, oftmals noch aus der destruktiven
Wirtschaftsgeschichte der I. Republik stammender Hemmfaktoren nicht angemessen
ausgenutzt werden konnten. Neben den natürlichen Potentialen (s. Kap. 3.2) ist
in diesem Zusammenhang auch die Dynamik der guineischen Bevölkerung zu nennen.
Gerade in den schwierigen Zeiten der I. Republik hat sie bewiesen, daß sie
selbst unter widrigen Bedingungen (Verbot privatwirtschaftlicher Tätigkeiten,
Abschottung des Marktes gegenüber Nachbarländern und Wirtschaftspartnern, etc.)
beispielsweise in der Landwirtschaft und der Textilindustrie erstaunliche
Produktionskapazitäten entwickeln konnte.
Indessen stößt die Inwertsetzung der industriellen Produktionspotentiale auf
grundlegende Hindernisse:
1. Die Marktunsicherheit:
Der guineische Binnenmarkt ist überaus begrenzt. Die geringe Nachfrage nach
industriellen Gütern resultiert aus der schwachen Einkommensstruktur und damit
limitierten Kaufkraft. Fast sämtliche Produktionszweige sind von der Einfuhr von
Grundmaterialien und Zwischengütern abhängig, auch jene, die Substitutionsgüter
produzieren. Außerdem führte die marktwirtschaftliche Öffnung ab 1985 entgegen
den geschürten Hoffnungen nicht zum erwarteten Wachstum. Im Gegenteil, der im
Vergleich zu anderen westafrikanischen Märkten geringe Schutz der nationalen
Produktion sorgte für einen zusätzlichen Rentabilitätsvorteil beim Import von
Waren, der häufig noch durch ungerechtfertigte Steuerbefreiungen erhöht wurde.
Ein weiterer Nachteil des guineischen Marktes sind seine starke Segmentierung
hinsichtlich des geographischen und produktspezifischen Verteilungsmusters mit
einer hohen Konzentration auf die Hauptstadt sowie seine teilweise archaischen
Kommerzialisierungsstrukturen.
2. Schwierige Rahmenbedingungen:
Die zu überwindenden Hindernisse hinsichtlich einer Verbesserung der
Rahmenbedingungen lassen sich in zwei Kategorien aufteilen. Die erste Kategorie
umfaßt jene Hindernisse, die die ökonomischen Grundstrukturen betreffen und
deren Beseitigung langfristiger Anstrengungen bedarf, wie z.B. die Infrastruktur
(Straßen, Energieversorgung, Kommunikation, etc.) und die volkswirtschaftliche
und finanzpolitische Ausgewogenheit (Währungs- Haushalts- und Steuerpolitik,
Kreditwesen, Volksersparnis, öffentliche Nachfrage, etc.). Bei der zweiten
Kategorie handelt es sich um kurzfristig auszuräumende Hindernisse, die
hauptsächlich im Beziehungsraum zwischen der öffentlichen Verwaltung und den
privatwirtschaftlichen Akteuren anzutreffen sind. Anhaltende Schikanierungen,
unproduktive Verhaltensweisen, Unsicherheit und Inkompetenz in der Anwendung von
Gesetzen und Reglements sowie die Korruption auf allen Ebenen hemmen die
Aktions- und Investitionsbereitschaft der guineischen Privatwirtschaft bisweilen
in erheblichem Maße.
3. Ein Mangel an industrieller Kultur:
Ein Vierteljahrhundert lang wurde die privatwirtschaftliche Initiative, vor allem eben im
produzierenden Gewerbe, zum Machtvorteil überdimensionierter
Staatsunternehmen, den kollektiven Wohlstand repräsentierend, rigoros
unterdrückt. Die Sorge um Produktivität und Rentabilität, die Bemühungen um
Konkurrenzfähigkeit existierten nicht. Management und berufliche Bildung
verkamen zu marktfernen Erfüllungselementen einer restriktiven
Wirtschaftspolitik. In diesem Umfeld war die Bildung einer auf Effizienz,
Technologie und gezielte Marktorientierung basierenden industriellen Kultur
unmöglich.
6.2.1.3.2 Strategische Orientierung
Rahmenziele
Von großer Bedeutung für das Erreichen eines gesicherten Wachstums ist die
Nachhaltigkeit des gesteckten Rahmens für die industrielle Entwicklung. Auch
wenn sich die 1985 eingeleitete Konversion von der zentralistischen in eine
freie Marktwirtschaft durch ein hohes Maß an Radikalität auszeichnete, die
besonders soziale und strukturelle Konsequenzen unzureichend berücksichtigte, so
ist die Richtigkeit des liberalen Entwicklungskurses allgemein anerkannt. Die
weitere zügige Realisierung und Konsolidierung dieser Hauptorientierung unter
ständiger Korrektur sollte daher vornehmliches Ziel der guineischen Wirtschafts-
und speziell der Industriepolitik sein. Träger dieses Konzeptes sind folgende
vier strategische Orientierungselemente:
1. Konsolidierung der Marktwirtschaft:
Die korrekte Vollendung der begonnenen Reformierung des gesetzlichen und
rechtlichen Rahmens ist die Grundvoraussetzung für eine maßgebliche Regelvorgabe
für Wirtschaft und Industrie, um den Akteuren eine verläßliche und effiziente
Basis zum gesicherten und progressiven Handeln zu geben (Umsetzung des
Eigentumsrechtes, Handelsrecht, Arbeitsrecht, Richtlinien für den Bankverkehr,
für Unternehmensgründungen, etc.). Mit einer strengen Anwendungskontrolle der
Reformen erhält die Etablierung der liberalen Marktwirtschaft dann das nötige
Fundament, um immer wieder einbrechenden entwicklungshemmenden Einflüssen zu
widerstehen.
2. Festigung der neuen Staatsrolle:
Die neue Rolle der guineischen Regierung, eingeleitet durch die Bemühungen, nicht nur passiv alle bürokratischen und strukturellen Hindernisse zu beseitigen, die der Entfaltung der Privatwirtschaft bisweilen Grenzen setzen, sondern ihre Entwicklung vielmehr aktiv zu fördern, manifestiert sich auf drei Ebenen:
a. Auf der übergeordneten gesetzlichen Ebene bedeutet sie den Abbau von überflüssigen und langwierigen Vorgängen sowie die Beseitigung unklarer und unnötiger Instanzen.
b. Auf der substantiellen Ebene ist der Staat aktiv an der Schaffung von materiellen Voraussetzungen für die Weiterentwicklung privatwirtschaftlicher Aktivität beteiligt (Infrastruktur, Aufträge der öffentlichen Hand, etc.).
c. Auf der Verhaltensebene ist der Staat für die Durchsetzung des
Bewußtseinswandels von einer restriktiven Haltung hin zu einer konstruktiven
Einstellung seiner Beamten verantwortlich.
3. Besondere Förderung der nationalen Industrie:
In allen Industriebereichen ist der ausländische Import gefragt, weil er für
die industrielle Entwicklung des Landes wichtige finanzielle und technologische
sowie arbeitspolitische Impulse liefert. Er genießt daher dieselben Bedingungen
und Privilegien wie nationale Investitionen, wird in manchen Fällen sogar
bevorteilt. Diese kurzsichtige Vorgehensweise baut über kurz oder lang
Spannungen auf und ist der Bildung und Festigung einer klein- und
mittelständischen guineischen Unternehmerschicht eher abträglich. Der Aufbau
einer solchen ist dagegen von zentraler Bedeutung, da sie einerseits zunächst
einen geringeren Aufwand an Ressourcen, Technologie und industrieller Kompetenz
erfordert, andererseits im Zuge ihrer Konsolidierung einen Hort angepaßter und
integrierter industrieller Ausbildung und Ressourcen darstellt.
4. Industrielle Dezentralisierung:
Der größte Teil der guineischen Industrie konzentriert sich in Conakry. Eine
bessere Anbindung des Hinterlandes an die industrielle Entwicklung scheiterte
bisher am Fehlen einer ausgewogenen Politik sowie der mangelhaften
Infrastruktur. Gerade der binnenländische ländliche Raum, in dem 80% der
guineischen Bevölkerung leben, birgt ein erhebliches, bisher weitgehend
ungenutztes Potential an kleinmaßstäblicher industrieller Produktion, vor allem
im Bereich der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Die Integration und
besondere Berücksichtigung des Hinterlandes in die nationale industrielle
Förderungsstrategie, insbesondere unter Einbeziehung der gezielten Förderung
einer nationalen Kleinunternehmerschicht (s.o.), stellt somit eine prioritäre
Notwendigkeit für die Regierung in der Schaffung materieller und struktureller
Voraussetzungen für die industrielle Entwicklung dar.
Inhalt
Das inhaltliche Ziel der guineischen Industriepolitik ist es, einerseits ein
gesichertes und beständiges Wachstum durch die Förderung der zukunftsträchtigen
Teile des industriellen Entwicklungspotentials und andererseits die Beseitigung
von äußeren Hindernissen dazu zu erreichen. Auf der Basis einer Studie der ONUDI
zur Erarbeitung eines langfristigen Industrialisierungskonzeptes (ONUDI 1991a,
Vol. I-III) legte die guineische Regierung den Kreis der tragfähigsten und damit
prioritär zu fördernden Industriebranchen auf die Frucht- und
Gemüseverarbeitung, die Speiseölgewinnung, die Holzverarbeitung, die
industrielle Fischerei, die Bauindustrie sowie die Metallverarbeitung fest. Für
die Realisierung dieser Inhalte bieten sich zwei strategische Orientierungen an:
1. Inwertsetzung der (weiter)verarbeitbaren Ressourcen:
Guinea besitzt zahlreiche Primärressourcen (Holz, Fisch, Agrarprodukte,
etc.), die entweder weitgehend ungenutzt bleiben bzw. nach einem qualitätsarmen
Verarbeitungsprozeß im Land verbleiben oder unverarbeitet das Land als
preiswertes Exportprodukt verlassen. Die Errichtung kleinmaßstäblicher
Produktions- und Verarbeitungsketten würde einen intersektoriellen
Verknüpfungsprozeß auslösen, aus dem letztendlich die Steigerung der
industriellen Wertschöpfung resultiert.
2. Erschließung des subregionalen Exportmarktes
Eng mit der vorherigen verbunden zielt diese strategische Komponente darauf ab, sich nach einer eingehenden Marktanalyse mit erfolgversprechenden Produkten am westafrika-
nischen Markt zu beteiligen. Die Erschließung des subregionalen Marktes
stellt eine Priorität dar, denn sie demonstriert gleichzeitig die aktive
Beteiligung an der Schaffung eines guineischen Wirtschaftsraumes und der
ökonomischen Integrations- und Konsolidierungsbestrebungen aller
westafrikanischer Staaten im Rahmen des CEDEAO-Bündnisses(233).
Aktivitäten
Nach einjähriger Vorbereitung veranstaltete das guineische Ministerium für
Industrie und KMU (Ministère de l'Industrie et des Petites et Moyennes
Entreprises MIPME) mit Unterstützung des PNUD/ der ONUDI vom 26. - 29. Mai 1998
in Conakry das erste guineische Investitionsforum. Während der insgesamt
2-tägigen Plenums- und Einzeldiskussionen sowie einer begleitenden Messe wurden
einem internationalen Investorenpublikum insgesamt 140 Investitionsprojekte
vorgestellt. Etwa 234 interessierte Investitions-, Unternehmens- und
Handelspartner kamen hauptsächlich aus Frankreich, der Volksrepublik China und
den Vereinigten Staaten, aber auch aus den Nachbarstaaten Senegal und der
Elfenbeinküste sowie der Republik Südafrika angereist, um sich über
Investitionsprojekte in der Größenordnung von 220000 - 2 Mill. US$
auszutauschen.
Die vorgestellten Projekte spiegelten gleichzeitig die sektoriellen
industriellen Entwicklungsprioritäten wieder: 95 Investitionsprojekte aus den
wichtigsten Industriebranchen wie die Weiterverarbeitung von Agrarprodukten, die
chemische und Pharmaindustrie sowie die Textilindustrie; 5
Privatisierungsprojekte staatlicher Unternehmen (Industriegase, Farben,
Textilien, Baumaterial und Fischfang und -verarbeitung); 21
Infrastrukturprojekte und 19 Bergbauprojekte (ONUDI 1998, S. 4ff).
Während der Gespräche wurden der Schutz und die Vorteile für Investitionen in
Guinea wie das mittlerweile recht moderne und angepaßte Unternehmensrecht, die
transparente und geringsteuerliche Gesetzgebung sowie das liberale
Eigentumsrecht hervorgehoben. Andererseits wurden das unverhältnismäßig
hochzinsliche Kreditwesen, der Mangel an branchenspezifischem Fachwissen
aufgrund eines unzureichenden beruflichen Bildungssystems sowie hohe
Faktorkosten und in der Praxis noch nicht einschätzbare Risiken wie die
Stabilität und Sicherheit des Rechtssystems kritisiert.
Trotz zahlreicher Probleme in der Vorbereitung und Durchführung des Forums
markiert es für Guinea doch einen symbolischen Meilenstein in seiner neueren
Wirtschaftsgeschichte. Das Land hat nach allen rechtlichen, steuer- und
finanzpolitischen Anpassungen der letzten Jahre eine wichtige Basis zur Aufnahme
des Dialogs zwischen der guineischen und der internationalen Industrie- und
Geschäftswelt geschaffen. Ziel muß es jetzt sein, diese Initiative nachzuhalten,
den Dialog weiter zu etablieren und beständig zu erweitern und zu intensivieren.
6.2.1.3.3 Ausbildung und Forschung
Der Mangel an ausgebildetem Fachpersonal ist ein weiterer blockierender Faktor für die
industrielle Entwicklung in Guinea. Auf Dauer eingesetztes ausländisches
Fachpersonal ist kostspielig, doch bisweilen die einzige Möglichkeit, die
qualitative und quantitative Lücke zwischen Angebot und Nachfrage auf diesem
Gebiet des Arbeitsmarktes zu schließen.
Das Angebot
Der größte Teil der technischen Ausbildung wird von staatlichen Schulen und
Einrichtungen durchgeführt. Nach Abschluß des 10. Schuljahres bietet der Staat
in 26 Berufsbildungszentren (Centre de Formation Professionelle CFP) eine
dreijährige technische Ausbildung an. Die höhere Fachausbildung zum Ingenieur
wird von der Technischen Hochschule, einer Hochschule für Handwerk und Kunst
sowie der Universität übernommen.
Neben der staatlichen Ausbildung werden Branchen- und Unternehmensspezifische
Ausbildungskurse in einigen nationalen und internationalen NRO sowie in der
Industrie- und Handelskammer angeboten. Daneben unterhalten große Unternehmen
wie die Bergbaugesellschaften CBG und FRIGUIA eigene Aus- und
Weiterbildungseinrichtungen, in denen auch externes Personal geschult werden
kann.
Betriebe, die eine integrierte Ausbildung anbieten, sind dagegen in der
existierenden Unternehmerschicht selten zu finden. Im informellen Sektor
hingegen geht man davon aus, daß alle Betriebe Ausbildung betreiben, diese
jedoch nicht auf staatlich anerkannten Werten und Normen basieren ("training
on-the-job"). Schließlich existiert eine geringe Zahl von Kleinbetrieben, die
sich darauf spezialisiert haben, branchenspezifische Ausbildungskurse anzubieten
(Tischlerei, Textilverarbeitung).
Das Angebot an industrieller Ausbildung ist bis auf wenige Ausnahmen(234) durch folgende Schwächen charakterisiert:
- Die Qualität der Ausbildung liegt in der Regel unter dem von den Betrieben geforderten Niveau(235);
- Die gesamte Kapazität der Ausbildungseinrichtungen reicht nicht aus, um die Nachfrage nach qualifiziertem technischen Personal zu befriedigen(236);
- Die Ausbildungsmöglichkeiten werden nur teilweise ausgeschöpft. Während
einige staatliche Berufsbildungszentren deutlich überlastet sind, bleiben die
den Bergbaugesellschaften eigenen Ausbildungsstätten von betriebsfremden
Personal weitgehend ungenutzt (ONUDI 1991c, S. 33).
Die Nachfrage
Die Nachfrage wird in Art und Umfang von den verschiedenen industriellen Unternehmenskategorien bestimmt. Man unterscheidet
1. die ausländischen Industrien,
2. Mischunternehmen, die sowohl eine Produktions- als auch eine Handelskomponente besitzen,
3. KMU, deren Handlungs- und Entwicklungspotential durch fehlendes Know-how und mangelnde finanzielle Mittel begrenzt bleibt,
4. Kooperativen und NRO, die sich zwar durch eine hohe Dynamik auszeichnen, deren technologische und finanzielle Mittel jedoch meist noch begrenzter sind,
5. die Unternehmen des informellen Sektors mit einem deutlichen Mangel an
unternehmerischer Führung.
Hauptsächlich von Ausbildungsdefiziten betroffene industrielle Bereiche sind
der gesamte Bausektor, der Maschinenbau, die Metallverarbeitung sowie die Kühl-
und Elektrotechnik. In der Unternehmensführung und -verwaltung umfaßt die
Nachfrage die Bereiche der Rechnungs- und Finanzführung, der Produktionsleitung,
der Lagerverwaltung, der Wartung und Instandhaltung sowie des Sekretariats.
Zur langfristigen Verbesserung der industriebezogenen Ausbildungssituation
werden schließlich zwei grundsätzliche Initiativen vorgeschlagen:
a. Die Schaffung und Institutionalisierung einer regelmäßigen Konzertation
zwischen Unternehmervertretern, den staatlichen Ausbildungsorganen, den
Ausbildungskapa-zitäten der internationalen technischen Zusammenarbeit sowie den
privaten Ausbildungseinrichtungen zur Gewährleistung eines ständigen Dialogs
über Maßnahmen zur Angebotsverbesserung , deren Koordination, Überwachung und
Auswertung.
b. Die Rationalisierung und gleichzeitige qualitative und quantitative Aufstockung verfügbarer Berufsausbildungskapazitäten durch
1. eine Reorientierung der bestehenden Ausbildungskonzepte und -materialien auf die wichtigsten Bedürfnisse der Unternehmer in den zentralen Bereichen der Unternehmensführung (Personalmanagement, Rechnungswesen, Produktions-leitung, Angebotsgestaltung, Marketing, Logistik, etc),
2. die Einrichtung von Ausbildungsmöglichkeiten für Unternehmer des formellen Sektors,
3. Die Einführung von adäquaten Ausbildungsprogrammen für Unternehmer aus dem informellen Sektor (Handwerker und klein- und mittelständische Betriebe mit weniger als 10 Angestellten) mit dem Ziel, sie auf das Niveau mittlerer industrieller Produktionsbetriebe zu überführen,
4. die Bildung eines speziellen Ausbildungsprogramms zur Inwertsetzung des bisher kaum beachteten weiblichen Unternehmerpotentials,
5. die Unterstützung und der Ausbau von Weiterbildungsprogrammen für Industrie und Handwerk.
Trotz der schwachen Ausprägung industrieller Tätigkeit existiert die industrielle Forschung in Guinea, wenn sie auch ein Schattendasein führt. In der Metallverarbeitung beispielsweise beschäftigt sich das dem Industrieministerium unterstellte Versuchszentrum für industrielle Technologien (Centre Pilote des Technologies Industrielles CPTI) mit der Entwicklung kleiner, den lokalen Bedürfnissen angepaßter mechanischer Produktions- und Verarbeitungsgeräte wie Entkernungstrommeln, Ölpressen, Zentrifugen, etc. Andere
technische Unterstützungsorgane wie das nationale Labor für chemische
Analysen (Laboratoire National des Analyses de Matoto LANAM) sowie das
landwirtschaftliche Forschungsinstitut (Institut de Recherches Agronomiques
IRAG) beschäftigen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebenfalls mit
industriellen Forschungsarbeiten.
Die Hauptprobleme der guineischen Industrieforschung liegen indessen im
Mangel an Finanzierungsmöglichkeiten für Forschungsvorhaben, in der
Verbindungslosigkeit zwischen der Welt der Forschung und der industriellen
Nutzung sowie im Mangel an Information über den internationalen Stand der
Technik, aber auch in der juristischen Unbestimmtheit und Unsicherheit
hinsichtlich der Anwendung, Verteilung und Überwachung von Forschungsprodukten.
Kurzfristig ist die Etablierung des Dialogs zwischen Industrie und Forschung vorrangig, um eine ständigen Überblick über Bedürfnisse und Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten. Mittel- und langfristig ist ein allgemeiner Informationsfluß über speziell dafür einzurichtende privatwirtschaftliche Förderungsorgane zu steuern(237). Darüber hinaus werden sich auch die Einrichtungen zur Förderung von Privatinvestitionen intensiver mit der Verstärkung des Technologietransfers befassen müssen, um ihrer Vokation auf lange Sicht gerecht zu werden.
6.2.2 Der Bergbau - Wirtschaftsintegrative Dominanz durch
Neuorganisation und Stimulanz
Der Bergbausektor leidet bis heute unter den schwierigen strukturellen Rahmenbedingungen (Transport, Energie, Kommunikation, Verwaltung). Zudem erlebte der internationale Bauxitmarkt, von dem Guineas Bergbau wesentlich abhängt, in den letzten Jahren einen Einbruch. Mit dem neuen Bergbaugesetz von 1995 versucht die Regierung, die Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung des Bergbaus zu verbessern und Anreize für Investitionen zu schaffen:
Die dem Land zur Verfügung stehenden mineralischen Ressourcen machen aus
Guinea eines der an Rohstoffen reichsten Länder Afrikas. Sein Untergrund birgt
etwa ein Drittel der Weltreserven an hochwertigem Bauxit, etwa 8 Mrd. t (NU
1994, S. 34). Bei angenommenen Reserven von ca. 500 t wird seine potentielle
Goldproduktion auf 10-15 t/a geschätzt. Etwa 25 Mill. Karat Diamantreserven
sichern die Diamantproduktion über Jahre hinaus. Das Nimba-Bergmassiv im
südlichen Waldguinea enthält eines der letzten großen Lagerstätten an
hochwertigstem Eisenerz der Welt (65%). Ihr Volumen umfaßt etwa 315 Mill. t.
Andere wertvolle Minerale und Erze wie Blei, Zink, Silber, Uran, Kobalt, Nickel
und Platin sind ebenfalls in z.T. abbauwürdigen Mengen vorhanden (MT Nr. 2584,
S. 1070; EIU CP 1997/98, S. 18) (s. Karte 28: Bodenschätze und Bergbau).
Bis zu Beginn der 90er Jahre zu durchschnittlich 25% am BIP beteiligt stellte der Bergbau mehr als die Hälfte der Einnahmen für den Staatshaushalt. Sein Anteil and en Exporterträgen betrug jährlich etwa 90%. Seit 1990 ging die Produktion aller Minerale zurück. In der Bauxit- und Aluminaproduktion sorgten technische Probleme der größtenteils überalterten Anlagen, aber auch eine deutliche Verschlechterung der Terms of Trade (TOT) infolge stetig gesunkener Weltmarktpreise für einen Exporteinbruch und forderten Investitionen zur Modernisierung und Rationalisierung der Werke. Zum ersten Mal seit Bestehen der großen Minengesellschaften fiel der Anteil der Steuereinnahmen aus dem Bergbau an den gesamten Staatseinkünften deutlich unter 50%, um sich bei etwa 26% für 1996 und 1997 einzupendeln (RG 1998e, S. 25).
Tabelle 40: Exportmengen der wichtigsten Minerale Guineas 1991-97.
Mineral | Einheit | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 |
Bauxit (1) | 000 t | 13729 | 12303 | 13740 | 12453 | 12100 | 12910 | 12090 |
Alumina | 000 t | 612,2 | 614,9 | 611,2 | 648,3 | 586,7 | 619,4 | 448,4 |
Diamanten(2)(3) | 000 Karat | 125 | 66 | 92 | 13,4(5) | 0,4(5) | 2,5 | 10 |
Gold(2)(4) | kg | 1352 | 1052 | 0 | 0 | 950 | 1270 | 1530 |
(1) Bauxit der Minengesellschaft CBG mit 3% Humidität
(2) Ohne Export aus nichtindustrieller Produktion
(3) Diamantgesellschaften AREDOR und HYMEX
(4) Bis 1993 nur Goldgesellschaft AuG (Einstellung 1994), ab 1995 Goldgesellschaft SMD
(5) Ab 5/92 Einstellung der Produktion der AREDOR-Mine,
Wiederaufnahme Ende 1996
(Quelle: RG TBEG 1/92, Nr. 12, S. 5; RG TBEG 4/93, Nr. 20, S. 4; RG 1995a, S.
14; RG 1995f, S. 10ff; EIU CP 1997/8, S. 17 u. 18; RG 1998e, S. 30).
6.2.2.1 Die Entwicklung des Bergbaus und seine Bedeutung für die
guineische Wirtschaft
Guineas Volkswirtschaft wird noch immer vom Bergbausektor wesentlich
bestimmt. Er ist mit etwa 16% am BIP beteiligt, stellt ca. 80,6% des nationalen
Exportvolumens und liefert dem Staat 26% seiner Steuereinnahmen (alle Angaben
1997) (RG 1998e S. 29). Indes blieb der industrielle Bergbau seit seiner
Entstehung nach der Unabhängigkeit eine Enklave mit nur wenigen direkten
Kontakten zur übrigen Wirtschaft Guineas. Verantwortlich für die Trennung der
Bergbauaktivitäten vom übrigen Geschehen waren in erster Linie politische
Beweggründe:
1. Die Mehrzahl der Minengesellschaften waren zu gleichen Teilen im Besitz
von Regierung und Privatkonzernen. Nur eine der großen bauxitexportierenden
Gesellschaften war gänzlich in der Hand des Staates, wurde jedoch im Rahmen der
guineisch-russischen Technischen Zusammenarbeit von Russen verwaltet(238).
Außerdem wurden sämtliche Aktivitäten in den Minen den Privatkonzernen
überlassen.
2. Der Bergbausektor konnte seine eigene Transport-, Versorgungs- und
Kommunikationsinfrastruktur aufbauen. Umfangreiche Investitionen im Eisenbahn-
und Straßenbau sowie in der Versorgung mit Wasser und Elektrizität machten ihn
unabhängig von der maroden und wenig entwickelten nationalen Infrastruktur und
sicherten rechtzeitige Produktion und Export.
3. Die Minengesellschaften profitierten weiterhin von weitgehenden Steuerbefreiungen. So konnten sie beispielsweise Mineralöle steuerfrei importieren und unterlagen bei der Einfuhr von Kapital-, Zwischen- und Konsumgütern nicht dem landesüblichen Quotensystem. Diese deutliche Bevorzugung führte zu einer vom übrigen volkswirtschaftlichen Geschehen völlig abgegrenzten Entwicklung des Sektors.
4. Die Minengesellschaften durften ihre Devisengewinne auf ausländischen
Konten zurückhalten. Nach Abzug des Steuer- und Gewinnanteils der Regierung
sowie der lokalen Ausgaben wie Löhne und Gehälter etc., konnten sie frei über
ihre Überschüsse in harter Währung verfügen, ohne mit dem guineischen
Finanzkreislauf in Kontakt treten und sich der guineischen Verwaltung und dem
Risiko einer instabilen Währungslage aussetzen zu müssen. So operierten die in
Guinea wirkenden Minengesellschaften ausschließlich auf internationalen
Finanzmärkten (ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 191ff).
Für die Gewährung dieser Bedingungen sicherte sich die guineische Regierung
ihren Gewinn in Form der Export- und Gewinnsteuer. Ihre Höhe ist auch vom
Verkaufspreis des Minerals abhängig. Im Falle von Bauxit, für den aufgrund nur
beschränkter Handelsanteile auf dem Weltmarkt kein festgelegter Preis existiert,
wird er gemeinsam von der Regierung, den Produzenten und den Käufern in
regelmäßigen Abständen festgelegt(239).
Obwohl er dadurch Schwankungen ausgesetzt ist, hat sich Guinea in den meisten
Fällen ein vertraglich festgelegtes minimales Einkommen garantieren lassen.
Die
erfolgreiche Entwicklung des Bergbausektors vollzog sich völlig unabhängig von
der Entwicklung der Volkswirtschaft Guineas. Sie stand im krassen Gegensatz zum
Verfall der landwirtschaftlichen Produktion. Zur Zeit der Unabhängigkeit betrug
der Anteil der Mineralexporte am gesamten Exportvolumen 29%. Schon 1965 stieg er
auf 60% an, betrug 1975 etwa 94% und erreichte 1981 mit 99,4% seinen Höhepunkt
(s. Grafik 13). Nicht nur, daß der rasch Aufbau des Bergbaus vollends der
Ideologie Sékou Tourés von einer gewinnbringenden und fortschrittlichen
industriellen Entwicklung entsprach, die Erlöse aus dem Mineralexport waren
darüber hinaus dringend erforderlich, um die Funktionsfähigkeit des
Staatsapparates und die kostspielige Versorgung des Landes mit Industrie- und
Konsumgütern (besonders für die Hauptstadt) für mehr als 2 Jahrzehnte
aufrechtzuerhalten. Zu wenig investierte das Regime in die Entwicklung anderer
Sektoren, beispielsweise in die Landwirtschaft.
Tabelle 41: Mineralexporte Guineas 1985 - 97 (in Mill. US$).
Jahr | 1985 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997(1) |
Bauxit
CBG OBK/SBK |
389,9
309,4 80,5 |
445,8
364,2 81,6 |
418,8
355,7 63,1 |
361,3
330,6 30,7 |
333,3
298,1 35,2 |
282,7
270,9 11,8 |
328,4
309,5 18,9 |
312,3
291,2 21,1 |
361,7
336,4 25,3 |
Alumina (FRIGUIA) | 106 | 166 | 142,9 | 160,8 | 108,9 | 103,4 | 96,8 | 109 | 109,1 |
Gold
bis 1992 AuG, ab 1995 SMD Nichtindustrielle Produktion(1) |
n. bek.
--- n. bek. |
90,8
19,6 71,2 |
97,5
15,6 81,9 |
107,1
18,1 89,0 |
90,0
0,0 90,0 |
20,8
0,0 20,8 |
123,8(2)
11,5 112,3 |
110,5
14,3 96,2 |
118,5
15,9 102,6 |
Diamanten
AREDOR Nichtindustrielle Produktion(1) |
n. bek.
--- n. bek. |
60,1
38,0 22,1 |
61,4
36,0 25,4 |
55,7
28,0 27,7 |
70,1
33,9 36,2 |
40,1
0,0 40,1 |
48,6
0,0 48,6 |
28,5
0,1 28,4 |
43,2
8,3 33,9 |
Gesamt-Mineralexport
Exporte aus industrieller Produktion (formell) Exporte aus nichtindustr. Produktion (informell) |
n. bek.
495,9 n. bek. |
762,7
669,4 93,3 |
720,6
613,3 107,3 |
684,9
568,2 116,7 |
615,3
489,1 126,2 |
461,1
400,2 60,9 |
597,6
436,7 160,9 |
560,3
435,7 124,6 |
632,5
496,0 136,5 |
Übriger Export | n. bek. | 48,7 | 45,9 | 53,7 | 80,8 | 117,5 | 121,8 | 77,1 | 107,2 |
Gesamtexport Guineas | n. bek. | 811,4 | 766,6 | 738,6 | 696,1 | 578,6 | 719,4 | 637,4 | 739,7 |
Anteil der Mineralexporte aus industrieller Produktion (formell) am Gesamtexport Guineas (%) | n. bek. | 82,5 | 80 | 76,9 | 70,3 | 69,2 | 60,7 | 68,4 | 67 |
Anteil der Mineralexporte aus nichtindustrieller Produktion (informell) am Gesamtexport Guineas (%) | n. bek. | 11,5 | 14 | 15,8 | 18,1 | 10,5 | 22,4 | 19,5 | 18,5 |
Anteil des Gesamt-Mineralexports am Gesamtexport Guineas (%) | n. bek. | 94 | 94 | 92,7 | 88,4 | 79,7 | 83,1 | 87,9 | 85,5 |
(1) Schätzungen
(2) Nach Öffnung der Mine der Société Minière de Dinguiraye (SMD).
(Quelle: BM 1990a, Bd. III, S. 39; RG 1992a, Anhang A.9; IWF 1993a, Anhang 9; PNUD 1994, S. IV; RG 1995a, S. 14, RG 1998e, S. 28)
Besonders im Beschäftigungsbereich wird der Mangel an Integrität des
Bergbausektors in die nationale Ökonomie deutlich. Nur 8.700 Beschäftigte wiesen
die den Sektor tragenden fünf Unternehmen 1991 auf(240),
wovon mehrere Hundert darüber hinaus internationale Mitarbeiter waren. Dies
stellte einen Anteil von nur 0,33% der erwerbstätigen Bevölkerung dar(241).
Dagegen waren etwa 30.000 Menschen in der nichtindustriellen oder artisanalen
Extraktion von Gold und Diamanten beschäftigt.
Der Aufstieg des Bergbausektors erreichte in den Jahren 1975 - 85 seinen
Höhepunkt. In diesem Zeitraum erlangten die beiden größten Bauxitminen, die Mine
von Sangarédi der Compagnie des Bauxites de Guinée (CBG) und die Mine von Débélé
(Kindia) des Office des Bauxites de Kindia (OBK) ihre volle Produktionsleistung
von zusammen ca. 14 Mill. t/a. Der Wert des Bauxitexports stieg von 103,8 Mill.
US$ im Jahre 1975 auf 389,9 Mill. US$ im Jahre 1985 oder um 276% (s. Tab. 47).
Die Aluminaproduktion der seit 1960 operierenden FRIGUIA erfuhr ebenfalls eine
Steigerung von 79%.
Die zu Beginn der II. Republik einsetzende Reform in der Landwirtschaft, die
Ende 1991 mit der Verabschiedung einer von der internationalen Gebergemeinschaft
unterstützten langfristigen sektoriellen Entwicklungspolitik seinen vollen
Wirkungsgrad erhielt (LPDA, s. Kap. 6.1.1.3), führte zu einer Steigerung der
landwirtschaftlichen Exportproduktion, die mit geringfügigen anderen Exporten im
Jahre 1994 erstmals wieder einen Anteil am Gesamtexport Guineas von über 20%
erreichten.
Ein Einbruch in den Exportleistungen landwirtschaftlicher Produkte und eine
langsame Erholung der für Guinea relevanten Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt
sowie verhältnismäßig konstante Produktionsleistungen der Bergbaugesellschaften
sorgten ab 1995 wieder für einen deutlichen Anstieg der Mineralexporte, deren
Anteil an den Gesamtexporten Guineas 1996 nahezu 88% erreichte(242).
Guineas Abhängigkeit vom Bergbausektor wird bei der Betrachtung der Einnahmen deutlich. Im Jahre 1986 betrug der Anteil des Bergbaus an den Steuereinnahmen 91,6%, an den Gesamteinnahmen des Landes 69% (ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 146). In zunehmendem Maße kann die guineische Regierung jedoch ihre Politik der Steuermobilisierung realisieren und vom Einnahmensschwerpunkt Bergbau auf andere, bislang nicht berücksichtigte und im Sinne einer ausgewogenen Steuerpolitik durchaus gerechtfertigte Quellen verlagern.
Tabelle 42: Einnahmen aus dem Bergbau 1989 - 97 (in Mrd. FG).
Einnahmen/Jahr | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997(2) |
Gesamteinnahmen(1) | 311,5 | 361,1 | 351,6 | 343,3 | 403,7 | 398,6 | 475,9 |
% des BIP | 14,1 | 13,5 | 11,4 | 10,2 | 11 | 10 | 11,1 |
Steuern aus dem Bergbau | 179,5 | 162,7 | 137,4 | 98,5 | 112,2 | 106,2 | 122,9 |
% der Gesamtsteuereinnahmen | 59,8 | 47,9 | 41,9 | 30,9 | 30,1 | 28,4 | 27,7 |
% der Gesamteinnahmen | 57,6 | 45,1 | 39,1 | 28,7 | 27,8 | 26,7 | 25,8 |
Importsteuern | 70,6 | 89,9 | 104 | 111,6 | 124,3 | 133,9 | 181,1 |
Mineralölsteuern | 35,3 | 48,9 | 52,6 | 65,1 | 78,1 | 66,7 | 63,9 |
Andere Steuern | 14,7 | 38,1 | 33,6 | 43,7 | 58 | 66,6 | 75,5 |
Nichtsteuerliche Einnahmen | 11,5 | 21,3 | 24 | 24,4 | 31,2 | 25,2 | 32,5 |
(1) Ohne Zuschüsse (Quelle: RG 1992a, Anhang A.5; RG 1995a, S. 10; RG 1998e, S. 25ff)
(2) Schätzungen
Mit Ausnahme einer Goldmine wurden jedoch seit Beginn der II. Republik bis 1995 keine neuen Investitionen im Bergbau getätigt(243). Hoffnungen auf Prospektion und Erschlie-ßung neuer Minen wurden nicht erfüllt. Wichtigste Gründe für diese Stagnation waren:
Um eine grundsätzliche Basis für die Revitalisierung des Bergbausektors zu
schaffen, wurde Ende 1995 ein überarbeitetes und verbessertes Bergbaugesetz
verabschiedet(246).
In diesem Gesetz wird erstmals zwischen der Vergabe von Prospektions- und
Abbaugenehmigungen unterschieden mit dem Ziel, das Genehmigungsrecht des
Prospektors auf entdeckte Bodenschätze zu schützen und somit Investitionsrisiko
und -kosten zu minimieren. Des weiteren wurde die Höchstbeteiligung des Staates
in der Gewinnung von Edelmetallen und -steinen auf 15% begrenzt. Beim Abbau
anderer Bodenschätze existieren keine Beschränkungen, Beteiligungen werden frei
ausgehandelt. Eine weitere entwicklungsfördernde Tatsache ist die Sicherheit
eines verbindlichen Besteuerungsmodells, das ebenfalls im neuen Gesetz
vorgestellt wird. Danach unterliegt der industrielle Abbau von Bodenschätzen
folgenden Steuern:
Tabelle 43: Steuermodell des Bergbaugesetzes von 1995.
Mineral | Steuersatz | Wertbasis |
Bauxit: - für den Export bestimmt | 10% | FOB(1) |
- In Alumina umgewandelt | 5% | FOB-Wert der CBG |
Eisenerz: - für den Export bestimmt | 7% | FOB |
- als Konzentrat | 3,5% | FOB |
Andere Metalle/ - für d. Export bestimmt
radioaktive - als Konzentrat |
7%
3,5% |
FOB
FOB |
Substanzen: - als Endprodukt | 0% | FOB |
Gold: | Londoner Fixing | |
Diamanten: - ungeschliffen | 5 - 10% | Endverkaufswert nach Rentabilität(2) |
- geschliffen | 2% | Endverkaufswert |
(1) Free on Board
(2) Die Kriterien der Rentabilität werden vom Bergbauministerium
festgelegt.
(Quelle: RG 1995g, S. 37)
Die Ertragssteuer ist auf 35% festgelegt, unterliegt jedoch in zahlreichen Fällen einer deutlichen Minderung oder Befreiung. Natürlich basieren auch heute noch Konzessionsverträge auf außerordentlichen Konventionen, die gesonderte Regelungen und Bedingungen enthalten. Dennoch stellt das neue Bergbaugesetz eine solide Orientierung für Investoren dar, um Prospektionsanstrengungen kalkulierbarer und die Gewinnung von Bodenschätzen rentabler zu machen.
Die mit dem neuen Bergbaugesetz eingeleitete Reform und Neuorientierung der Bergbaupolitik hat zum Ziel, den Rentabilitätsgrad der derzeit genutzten mineralischen Ressourcen zu erhöhen und gleichzeitig die progressive Erschließung neuer mineralischer Rohstoffe zu fördern, um die Einkommensbasis sowohl des Staatshaushaltes als auch der gesamten Volkswirtschaft nachhaltig zu konsolidieren und zu erweitern. Dabei werden 5 strategische Orientierungen verfolgt:
Zur Aufbereitung, Aktualisierung und Vervielfältigung der geologischen und
bergbaulichen Informationen begann die guineische Regierung mit Hilfe der
Weltbank sowie der französischen und deutschen Entwicklungszusammenarbeit(247)
Ende 1996 mit der Aufarbeitung der vorhandenen Karteninformationen, deren
Verifikation im Gelände und der Herausgabe einer neuen geologischen
Übersichtskarte. Gleichzeitig wurde mit geologischen Kartierungsarbeiten im
Nordosten Guineas (mittleres und oberes Nigerbecken Oberguineas) als erste
Etappe zur Gesamtkartierung der noch nicht kartierten Gebiete Guineas im Maßstab
1:200000 und in mineralspezifisch interessanten Zonen 1:50000 begonnen.
Die Verarbeitung, Inventarisierung und Verfügbarmachung dieser Informationen
wird in einem Geographischen Informationssystem (GIS) erfolgen, das mit seiner
umfassenden Datenbank als Informationspool für potentielle Investoren im
Bergbausektor dienen soll. Die weitere Förderung der Entwicklung des guineischen
Bergbaus im Sinne eines internationalen Marketing wurde schon dem 1996 zu diesem
Zweck gegründeten Zentrum zur Förderung von Bergbauaktivitäten (Centre de
Promotion et de Développement Minier CPDM) anvertraut. Dieses Zentrum soll
darüber hinaus als Schaltstelle zwischen der öffentlichen Verwaltung und den
Investoren dienen mit dem Ziel, administrative Formalitäten zu erleichtern und
somit den Prospektions- und Gewinnungsprozeß zu beschleunigen (MT Nr. 2698, S.
1672ff). Der Ansprechpartner auf Seiten der Bergbaugesellschaften und peripheren
Unternehmen ist die guineische Bergbaukammer, die im Februar 1997 von den 13
größten tätigen oder prospektierenden Bergbaugesellschaften gegründet wurde.
6.2.2.2 Mineralspezifische Tendenzen und Perspektiven
Bauxit
Die Compagnie des Bauxites de Guinée - CBG
Mit einer Jahresproduktion von 13,4 Mill. t (RG 1998e, S. 28) ist die CBG -
Compagnie des Bauxites de Guinée der größte Bauxitproduent und damit
gleichzeitig die wichtigste Steuer- und Deviseneinnahmequelle Guineas (s. Tab.
41 u. 42).
Nach ihrer Gründung im Jahre 1970 begann die CBG mit der Erschließung der Minen in den Bergen von Sangarédi, im Nordosten Niederguineas, ca. 134 km von der Küste im
Landesinneren gelegen. Die Gesellschaft gehört zu 49% dem guineischen Staat
und zu 51% einem internationalen Konsortium, der Halco-Mining Inc.(248)
Für den Aufbau der notwendigen Infrastruktur wurde 2 Jahre später das staatliche
Office de l'Aménagement de Boké - OFAB gegründet (Hafenbau in Kamsar,
Eisenbahnbau in Sangarédi (Minen) - Kamsar, Wohnungsbauten, Einrichtung von
sozialen und medizinischen Versorgungseinrichtungen). Die Arbeiten dauerten bis
1973, als der Komplex in die Bauxitproduktion ging. Die Finanzierung belief sich
auf 100 Mill. US$, von der Weltbank und USAID als Kredit bereitgestellt.
Von der Mine Sangarédi wird das mit 62% Bauxitgehalt hochwertige Erz per
Schiene nach Kamsar zu den dortigen Zertrümmerungs- und Trocknungsanlagen
transportiert. Von dort erfolgt der Export zu den Aktionären der CBG, die
gleichzeitig neben den guineischen Kunden Rumänien und Ukraine die Hauptabnehmer
des Bauxit sind.
Neben der zu Beginn der 90er Jahre einsetzenden Bauxitkrise (s. Kap. 6.2.2)
hatte die CBG in den letzten Jahren mit schweren strukturellen und technischen
Problemen zu kämpfen. Zunächst fiel die Qualität des gewonnenen Bauxiterzes
deutlich ab, da sich die Sangarédi-Lagerstätte ihrem Ende zuneigt. Im Rahmen
eines mittelfristigen Investitionsprogramms(249)
wurde daraufhin die Erschließung des nahe an der alten Mine gelegenen Vorkommens
von Bidi-Koum eingeleitet, das die weitere Produktion bis zum Jahre 2006 sichern
wird. Das Erreichen dieser neuen Lagerstätte bedurfte aufgrund der notwendigen
Überquerung eines Höhenzuges und des Flusses Cogon (s. Karte 3) erheblicher
infrastrukturtechnischer Anstrengungen und Investitionen. Gleichzeitig stiegen
die lokalen und ausländischen Lohn- und Nebenkosten sowie die Verschiffungkosten
für Bauxit erheblich an (EIU CR 2/95, S. 14).
Mit Hilfe dieser und anderer Investitionen zur Modernisierung und gleichzeitigen Rationalisierung der Bauxitaufbereitung konnte die jährliche Produktion von 11 Mill. t in 1994 auf über 13 Mill. t in 1998 gesteigert werden (RG 1998e, S. 28). Da die seit 1995 erwartete Erholung des internationalen Bauxitmarktes ausblieb und sich sogar durch den Ausbau der brasilianischen und jamaikanischen Bauxitproduktion Anfang 1998 verschärfte, plant die CBG weitere Restrukturierungsmaßnahmen zur Reduzierung der Produktionskosten von derzeit 12 US$/t auf konkurrenzfähigere 9 US$/t. Eine Begleitmaßnahme dazu war u.a. die stufenweise Auflösung des OFAB, indem ein Großteil der peripheren infrastrukturellen und sozialen Einrichtungen nacheinander privatisiert wurden.
Aufgrund seiner vollständigen Autarkie hatte der Minenkomplex bisher wenig
Einfluß auf den regionalen Wirtschaftsraum. Im Gegenteil, die Region litt seit
Beginn der Bergbauaktivitäten unter einer ständigen Landflucht und einem
unkontrollierten Anstieg des informellen Sektors in und um die Hafenstadt
Kamsar. Hinzukam, daß die vom Unternehmen eingeleitete Gründung eines Marktes
für importierte Produkte viele nicht konkurrenzfähige nationale Produkte vom
Markt eliminiert hatte. Mittlerweile wird die Entwicklung lokaler
Wirtschaftsaktivitäten durch die Privatisierung o.g. Aktivitäten stimuliert. Die
CBG beschäftigte 1997 ca. 3481 Mitarbeiter, davon waren etwa 100 ausländische
Experten (CBG 1998, S. 10).
Die Société de Bauxite de Kindia - SBK
Im Jahre 1974
begann in Débélé, 32 km nordwestlich von der Stadt Kindia gelegen, die
Ausbeutung einer Bauxitlagerstätte durch das Staatsunternehmen OBK - Office de
Bauxite de Kindia. Nachdem im selben Jahr der durch einen Kredit der ehemaligen
Sowjetunion von 100 Mill. US$ finanzierte Bau der Minenanlage, des Schienenweges
Débélé-Kindia-Conakry und der Verladeanlage im Hafen von Conakry abgeschlossen
war, erreichte die Mine eine durchschnittliche Jahresproduktion von etwa 3 Mill.
t(250).
In den Jahren 1980 und 81 erlitt die Gesellschaft einen enormen
Produktionseinbruch. Hervorgerufen durch zahlreiche Eisenbahnzwischenfälle
(zwischen 1974 und 1980 verlor das OBK 7 Lokomotiven und 97 Waggons),
Stromversorgungsprobleme und logistische Verzögerungen mit den aus der
Sowjetunion georderten Ersatzteilen, fiel die Produktion auf 1,8 Mill. t/a
zurück. Nach einer teilweisen Nachrüstung mit modernen Anlagen lief die
Produktion ab 1982 wieder normale Wege.
Obwohl Staatsunternehmen, wurde die Bergbautätigkeit ausschließlich von der Ex- Sowjetunion geleitet, basierend auf einem Übereinkommen beider Länder vom 27. 11. 1969, demzufolge sie auch der Empfänger fast der gesamten Produktion war. In einem alle 2 Jahre revidierten Vertrag legte man den Verkaufspreis und die zu liefernde Produktionsmenge fest. Der Verkaufswert wurde zu 56% zum Schuldenausgleich Guineas gegenüber der UdSSR verwandt, 44% dienten zum Import von Gütern und Dienstleistungen aus Rußland.
Jegliche Überschußproduktion konnte auf dem freien Markt veräußert werden. Doch auch sie wurde ausschließlich an den russischen Partner geliefert, da sich aufgrund des niedrigen Bauxitgehalts im Erz (48 - 59% gegenüber 52 - 64% in anderen Vorkommen) und seiner minderen Qualität (sehr hoher Anteil an Silizium und Eisenoxid) kein anderer Abnehmer fand. Dies mag ein Grund dafür gewesen sein, daß der Verkaufspreis des OBK-Bauxits niedriger als jener der anderen Minen war. Auf der anderen Seite lag der
angerechnete Verkaufspreis für die aus Rußland eingeführte Ausgleichware
deutlich höher als Vergleichspreise auf dem internationalen Markt.
Mit der Auflösung der Sowjetunion verlor die OBK jeglichen Rückhalt und sah
sich Ende 1991 unüberwindbaren finanziellen Schwierigkeiten ausgesetzt. Dies
veranlaßte die Regierung, internationale Investitionspartner zur
Restrukturierung und Modernisierung der Mine zu suchen. Obwohl das OBK 1992 dazu
in eine GmbH namens Société de Bauxite de Kindia - SBK umgewandelt wurde, blieb
die Partnersuche erfolglos, der Staat bis heute der 100%ige Eigentümer.
Im darauffolgenden Jahr konnte ein lukrativer Exportvertrag mit der Ukraine
geschlossen werden, so daß die Bauxitförderung von 1,1 Mill. t in 1991 auf 2,4
Mill. t in 1993 gesteigert werden konnte. 1994 ließen technische Schwierigkeiten
die Produktion erneut von geplanten 1,65 Mill. t auf tatsächliche 1,2 Mill. t
(75%) sinken. Außerdem blieb der Verkaufspreis des geförderten Bauxits aufgrund
seiner minderen Qualität mit 11 US$/t unter dem Produktionspreis, was einen
Jahresverlust von etwa 1,3 Mill. US$ hervorrief (RG 1995f, S. 13 u. 14).
Die SBK hofft nun, durch den selektiven Abbau der höchstwertigen Teile des
verbleibenden Vorkommens, dessen Umfang auf etwa 42 Mill. t geschätzt wird (NU
1994, S. 36), sowie durch ein verstärktes Marketing die Verkaufssituation zu
verbessern. Gleichzeitig sollen durch eine Verringerung der Lagerflächen- und
Umschlagsgebühren im Hafen von Conakry, die kontinuierliche Verbesserung der
Gewinnungsmethoden in der Mine, die Abgabe zahlreicher, nicht direkt an den
Minenbetrieb angebundener Dienstleistungen sowie eine Reduzierung des Personals
die Kosten verringert werden.
Die FRIGUIA
Durch die 1958 errichtete Aluminaschmelze wurde der Wirtschaftsraum um die
Stadt Fria nachhaltig beinflußt, die Stadt Fria avancierte zum ersten wirklichen
industriellen Zentrum Guineas. Das Bauxiterz wird in der Lagerstätte
Badi-Konkouré abgebaut (s. Karte 28), um dann in der 5 km von der Stadt Fria
entfernt gelegenen Anlage von Kimbo den aus dem Erz gewaschenen Bauxit in den
Aluminiumrohstoff Tonerde (Alumina) umzuwandeln.
Der Minenkomplex wurde 1957 als internationales Unternehmen "Fria" von der französischen Pechiney-Ugine-Gruppe gegründet. Mittlerweile ist der Konzern in "Friguia" umbenannt worden und befindet sich zu 49% in den Händen des Staates, 51% werden vom Frialco-Konsortium(251) gehalten.
Zwischen 1957 und 1960 beliefen sich die Investitionen auf insgesamt etwa 140
Mill. US$, worauf ein Teil auf die Errichtung einer Eisenbahnverbindung von Fria
nach Conakry fiel, um das Alumina vom dortigen Hafen aus zu exportieren. Die
anfängliche Produktionskapazität der Aluminaschmelze von 480.000 t konnte 1973
auf 700.000 t gesteigert werden. Die Produktion erreichte 1980 einen absoluten
Höchststand von 692.000 t. Die bestehenden Bauxitreserven mit einem
durchschnittlichen Metallgehalt von 45 - 48% werden auf etwa 26 Mill. t
geschätzt. Die derzeitige Abbaukapazität der Mine beläuft sich auf 2,5 Mill. t/a
(NU 1994, S. 34). Hauptabnehmer sind die Aktionäre, die das Alumina von Conakry
nach Kamerun verschiffen, um es dort in der Aluminiumschmelze von Edéa zu
verhütten.
Von 1992 bis 1995 durchlief das Unternehmen eine tiefe Krise, die
Aluminaproduktion sank auf 587.000 t/a ab, es mußten schwere finanzielle
Verluste hingenommen werden. Die Gründe dafür waren zahlreich: ein markanter
Anstieg der lokalen Lohn- und Nebenkosten sowie technische Probleme an
überalterten Anlageteilen sorgten für höhere Ausgaben, während der seit 1990
anhaltende allgemeine Verfall der Aluminiumpreise auf dem Weltmarkt und eine
verstärkte Anzahl von Billiganbietern die Konkurrenzsituation verschärften(252).
Seit 1995 profitiert die Friguia von bedeutenden Steuern- und
Abgabenbefreiungen, um den nötigen Spielraum für die erforderlichen
Restrukturierungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu gewährleisten(253).
Diese wurden 1996 in Form eines vierjährigen Investitionsprogramms eingeleitet,
das etwa 200 Mill. US$ umfaßt. Es beinhaltet sowohl infrastrukturelle
Komponenten wie die Instandsetzung und teilweise Erneuerung der Schienenwege,
die Erweiterung der Produktionskapazitäten auf max. 1,3 Mill. t/a sowie eine
Reorganisation der Unternehmensführung und -verwaltung(254).
Bis Ende 1997 konnten die Investitionen nicht umgesetzt werden, als der guineische Staat den ausländischen Hauptaktionär, Betreiber und Hauptabnehmer Pechiney - Ugine (s.o.) aus dem Betreiberverhältnis entließ, worauf dieser die Beteiligung verließ und den Abnehmervertrag mit fester Preisbindung löste. Somit liegt die Friguia nunmehr zu 100% in Staatshand. Die geplanten Investitionen indes erhalten immer höhere Dringlichkeit, denn mit dem weiteren Preisverfall von Aluminium auf dem Weltmarkt und den durch die veralteten Anlagen bedingten hohen Faktorkosten produziert die Friguia unrentabel etwa 20% über dem Weltmarktpreis. Dies hatte einen Anstieg des Schuldenberges der Friguia von mehr als 60 Mill. US$ zur Folge, die nunmehr ebenfalls mit dem Investitionspaket aufgefangen werden müssten.
Andere Projekte
Seit 1991 versucht Guinea mit russischer und ukrainischer Unterstützung die
auf insgesamt 800 Mill. t geschätzte Bauxitlagerstätte von Dian-Dian nahe der
Stadt Boké zu erschließen(255).
Bei einer geplanten Jahresproduktion von 10-12 Mill. t werden die
voraussichtlichen Investitionskosten auf ca. 170 Mill. US$ beziffert (EIU CP
1996/97, S. 20).
Ein weiteres Bauxit-Großprojekt ist die gleichzeitige Erschließung der
Vorkommen von Dabola (ca. 670 Mill. t) und Tougué (ca. 500 Mill. t)(s. Karte
28). Dazu wurde 1994 ein guineisch-iranisches Joint Venture, die Société des
Bauxites de Dabola-Tougué SBDT gegründet. Der Iran investierte bereits ca. 18
Mill. US$ für Explorationstätigkeiten und eine Studie zur Rehabilitierung der
Eisenbahnverbindung Dabola-Conakry (EBENDA)(256).
Gold
Die Goldvorkommen Guineas gliedern sich in zwei Lagerstättenarten, die in
unterschiedlicher Art und Weise erschlossen werden. Die primäre Lagerstättenart
sind die Goldvorkommen in den Glimmerschiefern des ganz Westafrika
durchziehenden Birrimien(257),
das etwa 30.000 km2 der Fläche Oberguineas erfaßt. Die Hauptvorkommen
befinden sich auf den Plateaus nördlich des Tinkisso sowie in den Präfekturen
Kouroussa, Mandiana, Dinguiraye und Faranah (s. Karte 5). Die goldführenden, aus
Milchquarz bestehenden Schichten treten sehr unregelmäßig und mit Mächtigkeiten
zwischen 1 und 3m auf und können einen Goldgehalt von 10-20 g/t aufweisen.
Die sekundäre Lagerstättenart sind alluviale Goldablagerungen entlang der
Flüsse im Becken von Siguiri und Kankan, sowie am Fluß Baoulé in der Präfektur
Kérouané (s. Karte 5). Der Goldgehalt der Schwemmlager ist sehr schwankend und
kann bis zu 100 g/t erreichen.
Die industrielle Produktion
Die Lagerstätte von Karou im nördlichen Becken von Siguiri nahe der Grenze zu Mali wurde von der Société Aurifère de Guinée SAG erschlossen. Die SAG wurde 1985 zwischen der guineischen Regierung (49%) und der Chevaning Mining Company (51%) gegründet(258). Mit einer Schürfreserve von etwa 4,3 Mill. m3 und einem durchschnittlichen Goldgehalt von 2,7 g/m3 erhoffte die Gesellschaft, eine Jahresproduktion von 2 t zu erzielen. Das erste Produktionsjahr 1989 brachte jedoch nur einen Gesamtertrag von 1,2 t, der 1990 aufgrund technischer Probleme sogar noch auf 1 t sank.
Im April 1992 mußte die Produktion eingestellt werden, da sich das Abschürfen der weiträumigen alluvialen Sedimentbänke mit den vorhandenen Abbauanlagen als zu kostspielig und daher zu unökonomisch erwies. Im Jahre 1995 übernahmen dann die ghanaische Ashanti Goldfields Corporation AGC die Minenkonzession(259). Ein Jahr später wurden neue Vorkommen mit einem Volumen von nahezu 30 t prospektiert und erschlossen. 1998 wird mit einer Anfangsproduktion von 5 t gerechnet. Für die Folgejahre wird ein jährlicher Abbau von 6,2 t bei vermuteten Reserven von ca. 90 t erwartet.
Zahlreiche
internationale Minengesellschaften bemühen sich derzeit um
Prospektionsgenehmigungen und Konzessionsverträge(260).
Am weitesten fortgeschritten ist die Société Minière de Dinguiraye SMD(261),
die die Goldvorkommen bei Léro, nahe bei Siguiri gelegen, 1995 prospektiert und
mit dem Abbau begonnen hat. Die Gesamtproduktion belief sich 1995 und 1996 auf
je eine Tonne und soll in den Folgejahren auf erwartete 1,5 t/a gesteigert
werden. Die Qualität des Goldes ist hoch, während die Extraktionskosten mit 129
US$ pro Unze vergleichsweise niedrig liegen (EIU CR 3/95, S. 13, RG 199E, S.
28).
Die nichtindustrielle Produktion
Lange Zeit verboten, wurde die nichtindustrielle Goldproduktion 1986 legalisiert, um so der regen Schmuggeltätigkeit mit dem begehrten Edelmetall entgegenzuwirken. Das geschürfte Gold wird ausschließlich von der guineischen Zentralbank aufgekauft, das zu diesem Zweck Büros in Conakry sowie in Kankan, Siguiri und Mandiana eingerichtet hat. In Conakry erwirbt die Bank das Gold zum Preis des Londoner Fixings und bezahlt bis zu 50% des Wertes in Devisen. Auf den in der Landeswährung ausgezahlten Rest wird eine zusätzliche Prämie von 5% gegeben, um den Parallelmarkt zu neutralisieren(262). Im Landesinneren dagegen zahlt die Zentralbank nur in der Landeswährung aus, ebenfalls unter Gewährung einer Prämie von 5%. Die nichtindustriellen Goldverkäufe sind darüber hinaus mit einer Mehrwertsteuer von 1% und einer Exportsteuer von 1,25% belegt.
Die so registrierte nichtindustrielle Produktion erreichte in den letzten Jahren durchschnittlich 5 t/a (EIU CP 1996/97, S. 20). Dennoch geht man davon aus, daß nur etwa ein Fünftel des gewonnenen Edelmetalls in den offiziellen Handelskreislauf kommt, der übrige Teil wird auf Schmuggelwegen außer Landes gebracht (MT Nr. 2584, S. 1070). Mit der Vergabe von Ankaufsrechten für Gold an Privatbanken in Verbindung mit der Einrichtung von Devisenkonten und entsprechende Ausgaben beabsichtigt die Zentralbank, die Privatisierung des Goldmarktes einzuleiten und sich somit des mit dem Goldhandel verbundenen Risikos zu entziehen. Neben der Absicht, so den Devisenabfluß zu reduzieren, erhofft sich die Regierung damit außerdem einen weiteren Aktivitätsschub im Goldsektor.
Von den
geschätzten 20 - 25.000 Personen, die in der nichtindustriellen Goldgewinnung
tätig sind, arbeiten die meisten unter Bedingungen, die jedweder notwendiger
Sicherheit und Hygiene entbehren. Von einem durchschnittlich 0,7 m breiten und
10 - 20 m tiefen Loch werden horizontale Gänge entlang der goldführenden
Schichten in die Erde getrieben. Diese schwierige Arbeit wird von erfahrenen
Bergleuten ausgeführt, die sich ständig der Gefahr der Verschüttung, Vergasung
durch Kohlenstoffgase und Überschwemmung durch spontane Wassereinbrüche
aussetzen. Sie lassen sich ihr Risiko mit gängigen 50% Beteiligung am Ertrag
entsprechend hoch entlohnen.
Die nichtindustrielle Goldschürferei ist eine Familientätigkeit. Von einer
durchschnittlichen elfköpfigen Familie sind 7 Mitglieder mit dem Goldschürfen
beschäftigt. Der Ertrag pro Saison liegt bei etwa 12 g pro Person(263).
Dies ergibt bei einem Preis von 10.000 FG/g einen durchschnittlichen
Jahresgewinn von etwa 840000 FG (PNUD 1989a, S. 245; MT Nr. 2584, S. 1070).
Zumeist sind es saisonal arbeitende Kleinbauernfamilien, für die diese
zusätzliche Einnahmensquelle vor allem in den kargen Badlands des nordöstlichen
Oberguinea oftmals lebensnotwendig ist.
Diamanten
Die meisten Diamantvorkommen sind in Waldguinea und zum größten Teil in der Qualität von Schmuckdiamanten zu finden. Sie entstammen mesozoischen Kimberlit-Gängen und -Schloten, die von tiefreichenden Störungen im guineischen Rücken kontrolliert werden. Da diese Formationen heute weitestgehend abgetragen sind, hat sich der sich vormals in länglichen Schloten von 2 bis 3 km befindliche Diamantinhalt auf die verwitterte und eingerumpfte Landschaftsoberfläche verteilt oder in eluvialen Flächen und Rinnen sowie in den alluvialen Ablagerungen der Fließgewässer angereichert.
Guineas genauer Umfang an Diamantreserven ist weitestgehend unbekannt. Schätzungen
reichen von 30 bis 200 Mill. Karat. Ein Großteil dieser Reserven befindet
sich im unwegsamen Hügelland des guineischen Rückens Ober- und Waldguineas (s.
Karte 28). Von 1980 bis 1984 wurden die Diamanten ausschließlich von
kleinbetrieblichen privaten Schürfern unter Aufsicht der staatlichen
Bergbaubehörde (Service National d'Exploitation des Mines SNED) gewonnen. Die
Kommerzialisierung übernahm die Zentralbank. Die offizielle Produktion belief
sich 1983 auf 40000 Karat, fiel aber im nächsten Jahr auf 23000 Karat zurück
(PNUD 1989a, S. 245). Parallel dazu existierten zahlreiche nicht registrierte
Schürfbetriebe, die ihre Diamanten über die Grenzen hinweg in die Nachbarländer
schmuggelten, um dort einen besseren Gewinn zu erzielen.
Die industrielle Produktion
Von 1984 bis 1993 beutete die Minengesellschaft AREDOR, dessen Hauptaktionäre
der guineische Staat und die AREDOR-Holding(264)
zu jeweils 50% waren, die Diamantvorkommen in der Region von Banankoro in der
Präfektur Kérouané in Waldguinea aus (s. Karte 28). Der Umfang der alluvialen,
an den Ufern des Flusses Baoulé gelegenen Lagerstätte wird auf etwa 1,8 Mill.
Karat geschätzt, mit einem Anteil an wertvollen Schmuckdiamanten(265)
von ca. 90% (EBENDA, S. 246). Die Produktionsleistung der Gesellschaft stieg in
der ersten Jahren stetig an und erreichte 1987 mit 210000 Karat einen
Höchststand. AREDOR produzierte von 1984 bis 1993 etwa 1,3 Mill. Karat
Schmuckdiamanten, die für nahezu 400 Mill. US$ (ca. 300 US$/Karat) verkauft
wurden.
Ende 1993 stellte die Mine ihre Tätigkeit infolge heftiger
Auseinandersetzungen mit den immer wieder ins Konzessionsgebiet eindringenden
illegalen Diamantschürfern ein. Deutlich war inzwischen auch die Rentabilität
aufgrund der wachsenden Entfernung zwischen dem Abbauort und der
Extraktionsanlage gesunken. Im März 1994 übergab die AREDOR-Holding ihren
50%igen Anteil dem Staat und verließ die Mine. Ende 1996 wurde die Produktion
mit einem neuen ausländischen Partner, das Unternehmen TRIVALENCE aus Kanada,
wieder aufgenommen(266).
Erste Ergebnisse waren zufriedenstellend und Ende 1997 wurde eine Produktion von
65000 Karat im Werte von etwa 8 Mill. (267)US$
erreicht.
Seit 1994 operiert die Diamantgesellschaft HYMEX(268) in der Präfektur Macenta, um die an den Ausläufern des Ziama-Massivs (s. Karte 6) gelegenen Diamantvorkommen bei Sérédou auszubeuten (s. Karte 28). Die Konzession umfaßt etwa 1000 km2 über eine Laufzeit von 25 Jahren, das Investitionsvolumen beläuft sich auf ca. 64 Mill. US$ (MT Nr. 2698, S. 1676). Für die nächsten Jahre wird eine Anfangsproduktion von jährlich et-
wa 200000 Karat erwartet. Die Diamanten mittlerer Qualität sollen einen
Marktpreis von ca. 100 US$/Karat erzielen (RG 1995f, S. 19).
Die nichtindustrielle Produktion
Die handwerkliche Diamantgewinnung wurde 1985 von der guineischen Regierung
untersagt. Dennoch gehen Schätzungen davon aus, daß etwa 30000 nichtindustrielle
Diamantschürfer im Süden Oberguineas eine Jahresleistung von rund 300000 Karat
fördern. Ein großer Teil der illegal geschürften Diamanten wird als
Schmuggelware abgesetzt, doch auch die guineische Zentralbank tritt als seriöser
Käufer auf.
Indessen wird mehr und mehr deutlich, daß sich die Diamantreserven nicht
konzentriert in großen Kiesformationen befinden, sondern in kleinen Kiestaschen
zu geringen Konzentrationen verstreut sind. Diese Ausgangssituation erlaubt es
in vielen Fällen nicht mehr, einen rentablen industriellen Abbau vorzunehmen,
sondern begünstigt eher die kleindimensionierte, mobile artisanale Erschließung.
Andere Minerale
Seit mehr als 20 Jahren existiert das Vorhaben, die Eisenerzlager des Nimba-Bergmassivs im Süden Waldguineas an der Grenze zu Liberia zu erschließen und auszubeuten. In der Fortsetzung des auf liberianischer Seite seit 1963 abgebauten Vorkommens lagern auf guineischer Seite etwa 315 Mill. t Eisenerz von sehr guter Qualität mit einem Eisengehalt von 65% und mehr. Trotz aller Aussichten auf eine hohe Rentabilität erweist sich die Erschließung dieser Lagerstätte aus folgenden Gründen als äußerst schwierig:
1. Um eine größtmögliche Wirtschaftlichkeit des Projektes zu erhalten, wäre
man gezwungen, das Erz auf einer 285 km langen Eisenbahnlinie durch Liberia zu
transportieren, um vom liberianischen Hafen Buchanan aus zu exportieren. Solange
jedoch in Liberia noch keine ausreichende politische Stabilität und Friede im
Volk herrscht, ist das Investitionsrisiko zu groß.
2. Das Nimba-Bergmassiv ist ein ökologisches Schutzgebiet und wurde 1992 von
der UNESCO als zu erhaltende Biosphäre anerkannt. Anschließende Verhandlungen
führten zu einem Kompromiß, der der Erschließung des Eisenerzvorkommens eine
Fläche von insgesamt 1000 ha einräumt (PNUD 1992a, Bd. Waldguinea, S. 78).
3. Die Entwicklung des Weltmarktes ermöglichte es bis jetzt nicht, selbst bei
rentabler Produktion einen gesicherten Absatz zu garantieren, da das derzeitige
Angebot an Eisenerzvorkommen höchsten Qualität noch groß ist.
Der Bürgerkrieg in Liberia hatte darüber hinaus weitreichende Folgen. Der seit mehreren Jahren nicht gewartete Schienenweg von der Mine bis zum Hafen von Buchanan ist völlig verwüstet und bedarf umfangreicher Instandsetzungs- und Erneuerungsarbeiten. Ihre Finanzierung ist bis jetzt kaum ins Kalkül gezogen worden. Des weiteren sind die Folgen des durch die Flüchtlingsbewegung ausgelösten Bevölkerungsdrucks auf die Ökologie des Nimba-Massivs noch nicht abzusehen (Brandrodung, Holzverfeuerung, Jagd). Eine zu große Schädigung könnte insofern für das Vorhaben beeinträchtigend wirken, wenn man sich entschließen muß, jedwede weitere Belastung auszuschließen.
Die Aussichten auf eine Beilegung des liberianischen Bürgerkriegs führten
1995 zur Bildung einer vorläufigen Gesellschaft zur Erschließung der
Eisenerzvorkommen. Teilhaber dieser Gesellschaft sind die Regierungen Guineas
und Liberias (je 20%) sowie das Euronimba-Konsortium (60%)(269).
Eine umfangreiche Machbarkeitsstudie soll den endgültigen Investitionsrahmen und
die Rentabilität ermitteln (EIU CR 4/95, S. 12).
Eine andere Alternative bildet der Abtransport des Eisenerzes über eine
transguineische Eisenbahn zu einem zukünftigen Tiefwasserhafen südlich von
Conakry. Zusammen mit kanadischen Partnern ist auch das deutsche
Stahlunternehmen Thyssen an der Realisierung dieser Variante interessiert,
allerdings beliefe sich das Investitionsvolumen allein für den Bau der etwa 1000
km langen "Transguinéenne"- Eisenbahn auf ca. 2 Mrd. USD.
Der internationale Stahlriese RIO TINTO hält gleichzeitig eine Konzession zur
Exploration der fast ebenso hochwertigen Eisenerzvorkommen des Simandou -
Massivs in Waldguinea (s. Karte 6). In der Fachwelt wird die Konzessionsnahme
eher als eine Maßnahme zur Haltung einer Reserve und langfristigen Kontrolle des
Weltmarktes gehalten, da RIO TINTO über ausgiebige und ebenfalls hochwertige,
aber bereits erschlossene Erze nahe der nordwestaustralischen Küste verfügt.
6.2.2.3 Ökologische Problemstellungen
Der guineische Bergbau hat in der Natur des Landes deutliche Spuren
hinterlassen. Die sichtbarsten sind die Zerstörungen der Vegetationsdecke und
des Bodens beim Bauxit-tagebau. Über weite Flächen wurde die Erdoberfläche
aufgerissen und ausgehoben, unbrauchbarer Aushub einfach zu Halden außerhalb des
Minengebiets aufgetürmt.
Starke Wasserverunreinigungen treten bei Gold- und Diamantminen auf, die das
durch ihre Waschanlagen gelaufene Wasser meist ungereinigt zurück in die Flüsse
leiten, aus denen es entnommen wurde. Aber auch große Industrieanlagen wie die
Aluminaschmelze der Friguia (s. Kap. 6.2.2.2.1), die das für verschiedene
Prozesse verwandte Brauchwasser bis vor kurzem nahezu ungeklärt dem
Zubringerfluß Konkouré zurückführte, belasten die guineischen Gewässer
erheblich.
Besondere Verunreinigungen der Luft traten bei der Verladung von Bauxit und Alumina in den Häfen von Kamsar und Conakry auf, die bis 1996 noch teilweise unter freiem Himmel stattfand und zur Freisetzung großer Mengen belastenden Staubes führte.
Aber auch die nichtindustriellen, kleinbetrieblichen Bergbauaktivitäten bringen ernstzunehmende negative Einflüsse auf die Umwelt mit sich. Die 30 - 40.000 Gold- und Diamantsucher, die sich mit ihren Familien hauptsächlich in Oberguinea in der Region um Siguiri (Gold) und Kérouané (Diamanten) niedergelassen haben, bereiten sich ihr Nutzland durch exzessive Brandrodung vor und zerstören damit Flora und Fauna in einem weiten Umkreis ihrer Siedlungen. Der Mangel an sanitärer Infrastruktur macht die Hygie
ne zu einem weiteren Risikofaktor für die Umwelt in diesen Gebieten.
Viele
Minengesellschaf-ten sind sich indessen ihrer Verantwortung hinsichtlich des
Umweltschutzes und der Renaturierung bzw. Rekultivierung der von ihnen in
Mitleidenschaft gezogenen Räume bewußt geworden. Dieses Bewußtsein manifestiert
sich vor allem in der Tatsache, daß immer mehr finanzielle Reserven im Budget
der Gesellschaften für Investitionen in diesen Bereichen eingerichtet werden.
Einige der Tagebau betreibenden Minengesellschaften haben bereits einen
Vorrat an Humusdecke angelegt und begonnen, die bisher abgetragene Bodendecke zu
renaturieren(270).
Dennoch stellen diese Aktionen bislang Einzelfälle dar und stehen weder den
Umfang noch die Kontinuität betreffend mit einer kohärenten Politik zur
nachhaltigen Integrierung und Anwendung des Umweltschutzes im Bergbau in
Verbindung.
Der 1993 erarbeitete nationale Aktionsplan für den Umweltschutz (Plan
National d'Action pour l'Environnement PNAE) sollte die Basis für eine solche
Politik bilden (RG 1993c). In der Analyse der einzelnen die Umwelt
beeinträchtigenden Sektoren nimmt der Bergbau eine zentrale Position ein. es
wird die klare Aussage getroffen, daß zwar grundsätzlich der Notwendigkeit
bergbaulicher Aktivität zum Nutzen der nationalen Ökonomie nachzugeben ist,
gleichzeitig jedoch eine genaue Abschätzung der Folgen für die Umwelt und die
Ausarbeitung von angemessenen Auflagen und Maßnahmen zur Minimierung des Risikos
sowie zur Rehabilitierung von Räumen mit unvermeidlichen Beeinträchtigungen
vorzunehmen ist (RG 1993c, S. 45 u. 59ff.). Maßnahmen im einzelnen werden jedoch
nicht definiert.
6.2.3 Die Energieversorgung - Reformierung der Angebotsstruktur für
Industrie und Haushalte
Die problematische Versorgung mit Energie nimmt in der guineischen Volkswirtschaft eine zentrale Stellung ein. Obwohl das Land über ein beachtliches Potential an hydroelektrischer Energie von ca. 13000 MW verfügt (MT Nr. 2698, S. 1658), rangiert es unter den am geringsten mit Energie versorgten Ländern der Erde. Der Energieverbrauch pro Einwohner lag 1994 bei etwa 65 kg ROE(271) gegenüber 237 kg ROE im subsahari-
schen Raum (WB 1997e, S. 260)(272).
Hauptenergieträger sind Feuerholz und Holzkohle, die etwa 85% des nationalen
Energiebedarfs abdecken und nahezu 100% der guineischen Haushalte versorgen. Der
jährliche Holzverbrauch wird auf ca. 7,5 Mill. m3 geschätzt. Der
kommerzielle Energieverbrauch von Bergbau, Industrie und Transport/Verkehr wird
hauptsächlich durch die Wasserkraftwerke sowie die Diesel- und
Schwerölgeneratoren der installierten Wärmekraftwerke in der Hauptstadt und in
den Bergbauzentren gedeckt. Sie sind zu etwa 15% am nationalen Energieverbrauch
beteiligt.
Tabelle 45: Die Energiebilanz Guineas 1995 (in Mill. t ROE).
Herkunft - Verbrauch/Energieträger | Mineralöl | Elektrizität | Holz(1) | Gesamt |
Produktion | - | 0,05 | 1,03 | 1,08 |
Import | 0,39 | - | - | 0,39 |
Primärenergieversorgung | 0,39 | 0,05 | 1,03 | 1,47 |
Transformationsverluste | 0,11 | 0,01 | - | 0,12 |
Endverbrauch | 0,28 | 0,04 | 1,03 | 1,35 |
(1) Feuerholz, Holzkohle.
(Quelle: PNUD 1994b, S. 206; S. 22; WB 1996b, S. 202).
Die installierte Leistung aller Kraftwerke in Guinea belief sich 1997 auf
insgesamt etwa 176 MW, die zu ca. 73% in Wärmekraftwerken und zu 27% in
Wasserkraftwerken erzeugt wird. Die nationale Energieerzeugung erreicht 245,4
MW. Davon speisen etwa 100,8 MW das öffentliche Stromnetz, 96,5 MW werden in den
Kraftwerken und -stationen der Bergwerksgesellschaften erzeugt(273).
Der Rest verteilt sich auf unabhängige, überwiegend industrielle Erzeuger (MT
Nr. 2698, S. 1658).
Die Schweröl- und Dieselgeneratoren der öffentlichen Wärmekraftwerke und
-stationen in Conakry, Kankan und N'Zérékoré erzeugen etwa 48,5 MW Leistung. Die
übrigen 52,3 MW liefern im wesentlichen vier Wasserkraftwerke an den Flüssen
Samou (Kraftwerke Grandes Chutes, Donkéa und Banéah, 27, 15 und 5,7 MW), Kokoulo
(Kraftwerk Kinkon, 3,2 MW) und Tinkisso (Kraftwerk Dabola, 1,4 MW). Die
wichtigsten Städte im Landesinneren (Präfektursitze) werden durch kleinere
Dieselgeneratoren von 0,1 - 0,5 MW Leistung versorgt (s. Karte 29:
Energieversorgung).
Die Verteilung der Versorgung der guineischen Haushalte mit elektrischer Energie ist sehr unausgewogen. Der infrastrukturell und in den einzelnen Wirtschaftssektoren am höchsten entwickelte Naturraum Niederguinea und die Hauptstadt werden begünstigt,
während sich das Hinterland weitestgehend auf die Nutzung von Petroleum und
Holz als Energieträger beschränken muß.
Tabelle 46: Nutzung verschiedener Energieträger zur Lichterzeugung in
guineischen Haushalten (in %).
Naturraum/Energieträger | Elektrizität | Petroleum | Holz | Andere | Gesamt |
Niederguinea | 9,1 | 68,4 | 21,8 | 0,7 | 100 |
Mittelguinea | 3,3 | 38 | 51,8 | 0,6 | 100 |
Oberguinea | 3,5 | 62,5 | 33,1 | 0,9 | 100 |
Waldguinea | 0,5 | 71,9 | 26,8 | 0,8 | 100 |
Conakry | 79,1 | 20,7 | 0,1 | 0,1 | 100 |
Gesamt | 12,5 | 53,6 | 33,3 | 0,6 | 100 |
(Quelle: PNUD 1992a, Bd. Niederguinea, S. 105).
Die unzureichende und zudem noch qualitativ mangelhafte Versorgung mit
Energie stellt unter den strukturellen Hindernissen einen entscheidenden
Hemmfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes dar. Gleichzeitig
jedoch bedeutet die einseitige Nutzung von Feuerholz und Holzkohle in
zunehmendem Maße eine Bedrohung für die Savannen- und Waldbestände Guineas.
6.2.3.1 Die Entwicklung des Energiesektors
Biomasse
Das Feuerholz und die Holzkohle sind seit jeher die Hauptenergiequellen für
die guineische Bevölkerung. Die Nutzung anderer biologischer Brennmaterialien
wie Viehdung oder landwirtschaftliche Abfallprodukte ist weitgehend unbekannt
und wird kaum praktiziert.
Während im Hinterland nahezu alle Haushalte ausschließlich Feuerholz
benutzen, findet in der Hauptstadt die Holzkohle bei 40% der Haushalte
Verwendung. Die Brennleistung ist aufgrund des überwiegenden Gebrauchs offenen
Feuers und traditionellen, wirkungsarmen Öfen extrem niedrig und liegt beim
Feuerholz bei 8 - 13%, bei der Holzkohle bei etwa 19%. Damit steigt der
Holzverbrauch pro Einwohner auf etwa 2,5 kg täglich und liegt deutlich über dem
Durchschnittsverbrauch in anderen westafrikanischen Staaten.
Das Feuerholz wird im Haushalt hauptsächlich zum Kochen der Nahrung, für das
Erhitzen von Wasser zum Waschen, als Heizmaterial (besonders auf den Höhenlagen
Mittelguineas, wo nachts die Temperatur stark fällt) und in den entlegensten
Gebieten ohne Verfügbarkeit von Elektrizität und Petroleum sogar als Lichtquelle
verwendet.
Mineralöl
Guinea besitzt weder Erdöl als Rohstoff noch eigene Raffinerien. Um seinen Bedarf an Mineralölprodukten zu decken, ist es vollständig auf Importe angewiesen. Seit 1970, als
die gesamte Mineralölversorgung, die bis dato fünf internationale
Mineralölgesellschaften wahrnahmen, verstaatlicht und zu einer nationalen
Mineralölgesellschaft (Office National des Hydrocarbures ONAH) zusammengefaßt
wurde, nahm die Verfügbarkeit von Mineralöl und die Qualität der mit der
Verteilung verbundenen Dienstleistungen rapide ab. Das Hinterland konnte
teilweise nur noch durch den informellen Sektor und Schmuggel mit Kraftstoffen
versorgt werden, deren Verkaufspreis den tatsächlichen Wert um ein Mehrfaches
überstieg.
Der desolate Zustand der ONAH wirkte sich negativ auf die ökonomische
Entwicklung des Landes aus, insbesondere des Transportsektors. Dies ist deutlich
am Gesamtverbrauch an Mineralölprodukten zu erkennen, der zwischen 1989 und 1991
nur um 7,2% stieg. Nach langen Verhandlungen schließlich konnte die Regierung
die seit 1986 geplante Privatisierung des ONAH im Oktober 1992 abschließen. Es
entstand die Mineralölgesellschaft SGP Société Guinéenne des Pétroles, eine
Aktiengesellschaft, die zu 33% weiterhin vom Staat und zu je 17% von den drei
internationalen Mineralölgesellschaften Shell, Elf und Total sowie zu 16% von
der guineischen Gesellschaft Petrogui gehalten wird(274).
Während die SGP den Import über den Hafen von Conakry, die Lagerung und
Auslieferung en gros sicherstellt, sorgen die nationalen Ableger der
Mineralölgesellschaften (Shell Guinée, Elf Guinée, Total Guinée, Mobil Guinée
und Petrogui) für die Verteilung im Landesinneren über ein inzwischen
weitreichendes und ausreichend dichtes Netz von Tankstellen.
Die Privatisierung des Imports und des Vertriebs von Mineralölprodukten löste
positive Impulse für die Entwicklung der Versorgungsinfrastruktur aus. Neben
parallelen ordnungspolitischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Schwarzmarktes und
der Korruption in diesem Bereich seitens der Regierung fanden wichtige
Investitionen zur Errichtung von Depots und Verteilerstationen im Landesinneren
statt. Die bessere Versorgung mit Kraftstoffen zum Betrieb von Generatoren trägt
somit wesentlich zur Überbrückung eines bedeutenden Standortnachteils bei, der
unzureichenden öffentlichen Energieversorgung im Landesinneren Guineas.
Elektrizität
Guinea besitzt ein öffentliches Stromversorgungsnetz, das nur etwa 6% der
Bevölkerung erreicht (EIU CP 1997/98, S. 15). Mittlere und größere Städte
erhalten zum überwiegenden Teil des Jahres Strom, der durch extreme
Spannungsschwankungen und zahlreiche Unterbrechungen gekennzeichnet ist. Der
ländliche Raum wird nicht erfaßt. 30% der Anlagen sind mindestens 40 Jahre alt,
etwa 50% stammen aus dem letzten durchgeführten Investitionsprogramm der I.
Republik von 1970 - 72 (EIU CP 1992/93, S. 20).
Bis zum Jahre 1987 lag die Stromversorgung des Landes bei der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft (Société Nationale d'Electricité SNE). Aufgrund einer ineffizienten Organisationsstruktur, unstimmigen Verantwortlichkeiten mit dem zuständigen Ministerium und innerhalb der SNE selbst, unzureichender Kommunikation und Abstimmung mit den Au-
ßenstellen im Landesinneren sowie der Allgegenwärtigkeit von Korruption und
Disziplinlosigkeit blieb ihre Leistungsbilanz ständig defizitär. Die SNE wurde
schließlich zu einer der größten Haushaltsbürden des Staates.
Zur Restrukturierung der öffentlichen Stromversorgung lancierte die
guineische Regierung alsbald ein entsprechendes Rehabilitierungsprogramm. In
einer ersten Phase wurde die SNE im August 1987 in ein halbstaatliches,
weitestgehend autonomes Unternehmen, die guineische Gesellschaft für elektrische
Energie (Energie Electrique de Guinée ENELGUI), umgewandelt. Ausgestattet mit
größerer finanzieller Autonomie und einem unabhängigen Aufsichtsrat, der sich
aus Mitgliedern des öffentlichen und privaten Sektors zusammensetzte, sollte die
ENELGUI ihre komplett von der SNE übernommene Strukturen reorganisieren und mit
Hilfe internationaler technischer Zusammenarbeit ihre Leistung erheblich
steigern.
Der Plan scheiterte zunächst. Noch Anfang 1990 war die ENELGUI nicht in der
Lage, ihre technischen und kommerziellen Operationen zufriedenstellend
abzuschließen(275):
weniger als 30% des gelieferten Stroms wurde bezahlt; mehr als 50% der
Abonnenten waren offiziell ohne einen Zähler an das Stromnetz angeschlossen
gewesen. Darüber hinaus konnte die Zahl der illegalen Anschlüsse nicht
verringert werden (WB 1990, Vol. II, S. 71).
Merkliche Verbesserungen traten ein, als durch eine Entscheidung des neuen
Aufsichtsrates eine internationale Expertengruppe aus dem Bereich der
Energietechnik die Führung der ENELGUI technisch und organisatorisch übernahm(276).
Fünf Turbinen des Kraftwerkes Tombo (Conakry) und zwei Generatoren in Kankan
sowie jener in N'Zérékoré konnten sofort instandgesetzt werden.
Das Ziel der zweiten, seit 1993 eingeleiteten Phase des Programms (Energie II) war die weitere Privatisierung des Sektors und Reduzierung der staatlichen Beteiligung. Daraufhin wurde die bestehende ENELGUI in eine Vermögensgesellschaft umgewandelt, für den konzessionären Betrieb und die Unterhaltung des öffentlichen Stromversorgungsnetzes wurde im April 1993 eine Betriebsgesellschaft, die Société Guinéenne d'Electricité SOGEL gegründet, in der die staatliche Beteiligung auf ein Drittel des Kapitals beschränkt wurde(277) (MT Nr. 2584, S. 1078).
Der Investitionsplan dieser Phase schloß ebenfalls die Errichtung einer dritten und vierten Kraftwerkstation von insgesamt 42 MW Leistung in der Anlage von Tombo in Conakry bis 1998 ein, damit der Energiebedarf der Hauptstadt bis ins nächste Jahrtausend gedeckt werden kann. Die Inbetriebnahme der drei Dieselgeneratoren von Tombo III mit
einer Leistung von 30 MW erfolgte Mitte 1997, während die Installation von
drei weiteren Generatoren für Tombo IV mit einer Leistung von 12 MW auf
technische Probleme stieß. Weitere Maßnahmen umfassen die Rehabilitierung der
Stromversorgungsnetze von Conakry und Kindia sowie die Erweiterung der Netze von
Labé, Kankan und N'Zéréko-ré.
6.2.3.2 Langfristige Planungen und Perspektiven
Die guineische Regierung definiert in ihrem Bestreben, eine ausgewogene Balance zwischen drohender Umweltbelastung, dem zukünftigen Bedarf an Energie und den zu erwartenden Kosten folgende zwei strategische Schwerpunkte:
Die zur Realisierung dieser Strategie festgelegten Ziele sind:
Die massive Steigerung des Energieangebots durch hydroelektrische Großkraftwerke mit einer Leistung >70 MW mittels BOT-Konzessionen (Build-Operate-Transfer);
b. die Diversifizierung der Energieproduktion mittels hydroelektrischer und durch erneuerbare Energien betriebenen Kleinkraftwerke zur Gewährleistung einer besseren Verteilung der Energie zu günstigen Kosten;
c. die strukturelle und inhaltliche Verbesserung der mit der Umsetzung der Energie-politik betrauten institutionellen und privatwirtschaftlichen Strukturen sowie
d. die Realisierung eines Programms zum Schutze des Waldbestandes, bestehend
aus einer kontrollierten Holznutzung, die die Regeneration des Waldes
sicherstellt, und der Einführung von kleinmaßstäblichen Energielieferanten, die
im ländlichen Bereich die Nutzung von Feuerholz und Holzkohle schrittweise
abbauen sollen.
Die Umsetzung dieser Strategie hat folgende Auswirkungen auf die
Energieträger:
Biomasse
Der Anstieg des Feuerholzverbrauchs verläuft proportional zum Bevölkerungswachstum. Der zunehmende Bevölkerungsdruck läßt die Vernichtung von Waldflächen für die landwirtschaftliche Nutzung (Brandrodung) und Viehwirtschaft wiederum überpro-portional ansteigen(278).
Indessen ist eine sich kreisförmig um große urbane Zonen wie Conakry und Kankan ausbreitende radikale Abholzung des Busch- und Waldbestandes zur Feuerholz-gewinnung und Kommerzialisierung in den Städten zu beobachten. Für die Küste um Conakry stellt dies eine enorme Bedrohung des als Brennholz geschlagenen Man-grovenbestandes dar, was zusätzliche negative Auswirkungen auf andere Ressourcen hat, da wichtige Lebensräume der Krabben- und Garnelenbestände zerstört werden.
Die Probleme der kontrollierten Nutzung von Holz als Energieträger sind sehr komplex und können daher nur mit einer vielseitigen, alle wichtigen Einflußfaktoren berücksichtigenden Vorgehensweise gelöst werden:
1. Maßnahmen zur Einschränkung des Holzeinschlages und dessen rationellere Nutzung sind eng mit der den Wald betreffenden agrarwirtschaftlichen Nutzungspolitik abzustimmen (Bekämpfung der Brandrodung, Verringerung der Hangkulturen zugunsten des Talanbaus, Wiederaufforstung der Hänge als Erosionsschutz etc.).
2. Die Auswirkungen auf andere Ressourcen von ökologischer oder ökonomischer Bedeutung müssen quantifizierbar gemacht und als prioritäres Element in die Strategie der Abkehr von der Holznutzung zugunsten schonenderer Energieträger integriert werden.
3. In der reformierten Version des Boden- und Besitzrechtes (Kasten: "Das Immobilien- und Unternehmensgesetz", Kap. 5.4.2.3) muß der besondere Fall der Nutzung der Ressource Wald für kommerzielle Zwecke berücksichtigt werden.
4. Die Verbesserung und Rationalisierung der traditionellen
Holznutzungstechniken zur Energiegewinnung für den Haushalt bedarf eines
umfassenden Programms zur Ein- und Durchführung von effektiveren und
schonenderen Methoden und Materialien zur Energieversorgung.
Neben der technischen und organisatorischen Unterstützung der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit sollte in diesem Zusammenhang der Blick auf
Lösungsansätze und -modelle westafrikanischer Nachbarländer des gesamten
Subsahararaumes als Hilfsquelle dienen.
Mineralöl
Die Privatisierung des ONAH garantierte zunächst den teilweisen Wiederaufbau des 200 Tankstellen umfassenden Verteilernetzes. Durch eine erste Investitionsetappe wurden ca. 100 Stationen wieder betriebsfähig gemacht oder gänzlich ersetzt, wobei eine flächendeckende Verteilung angestrebt wurde.
Die Verfügbarkeit von Kraftstoff ist ebenso wie der Ausbau und die Qualitätsverbesserung des Straßennetzes eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung des Transportsektors, die wiederum die Basis für eine bessere Nutzung des landwirtschaftlichen und industriellen Potentials des Landes darstellt. Deshalb gilt auch hier der integrative Ansatz, der die energiepolitischen Maßnahmen mit den Strategien zum Ausbau des Transportsektors harmonisiert und dafür sorgt, daß Investitionen rechtzeitig und im richtigen Maße getätigt werden. Besonders die Mineralölpreispolitik, das Verhalten von privaten Investoren im Transportwesen und hinsichtlich der Verteilung von Mineralölprodukten und der damit verbundenen Dienstleistungen bedürfen einer genauen Abstimmung mit den Möglichkeiten und Zielvorstellungen nationaler Wirtschaftsförderung im Rahmen der vorherrschenden inneren und äußeren Bedingungen sowie der verfügbaren Kapazitäten.
Elektrizität
Für das Jahr 1995 wurde das Defizit der öffentlichen Stromversorgung zur Deckung des aktuellen Bedarfs der Haushalte Guineas auf etwa 33 MW quantifiziert (MT Nr. 2698, S. 1658). Bis zur Jahrtausendwende wird sich dieser Kapazitätsmangel mehr als verdoppelt
haben, da sowohl die Bedürfnisse der demographischen und
sozioökonomisch/industriellen Wachstumszonen, vor allem in Nieder- und
Mittelguinea, in erheblichem Maße anwachsen werden, gleichzeitig jedoch
veraltete Anlagen rehabilitiert und teilweise vollständig ersetzt werden müssen.
Um der steigenden Nachfrage an Energie für Haushalte und Industrie bis zum
Jahre 2010 zu entsprechen, wurden seit Beginn der 90er Jahre Studien zur
Errichtung von großen Wasserkraftwerken an den Flüssen Konkouré, Bafing und
Niger durchgeführt. Gemessen an der Bedeutung des Wachstumsraumes Conakry -
Kindia und seiner sich äußerst progressiv darstellenden Nachfrageprojektion
wurde dem Projekt zum Bau eines 75 MW leistenden Wasserkraftwerkes bei Garafiri
am Fluß Konkouré Priorität eingeräumt (s. Karte 29). Nach langen
Finanzierungsverhandlungen konnte der guineische Präsident den Beginn der
Arbeiten an dem 198 Mill. US$ - Projekt im März 1996 öffentlich verkünden(279).
Das
Garafiri-Projekt umfaßt die Errichtung eines 91 km2 großen Stausees,
dessen 1,3 Mrd m3 Wasser drei Turbinenstationen à 25 MW antreiben
sollen. Das Wasserkraftwerk wird eine jährliche Ausgangsleistung von ca. 264
GW/h produzieren und hauptsächlich die Städte Conakry, Kindia und Mamou mit
Elektrizität versorgen. Da das Garafiri-Projekt in der Zukunft nur den
absehbaren Energiebedarf der Haushalte und der Leichtindustrie Nieder- und
Mittelguineas decken wird, ist der Bau eines zweiten, 80 MW leistenden
Wasserkraftwerkes bei Kaléta geplant, das Wasser des durch den Garafiri-Stausee
geregelten Konkouré 60 km stromabwärts nutzend (s. Karte 29). Des weiteren
existieren Vorstudien zum Bau eines schon in den 70er Jahren erstmals geplanten
Wasserkraftwerkes Souapiti, mit einer voraussichtlichen Leistung von etwa 100
MW.
5 Jahre nach ihrer Gründung steht die Leistungsfähigkeit und Rentabilität der Betriebs-
gesellschaft für die Stromversorgung SOGEL aufgrund zu hoher Investitionen
und Mangelleistungen in Frage. Grund für diese Entwicklung waren Unklarheiten
und undefinierte Freiräume im Konzessionsvertrag mit der Vermögensgesellschaft
ENELGUI. Es soll daher ein neuer Konzessionsvertrag aufgesetzt werden, der
transparent und detailliert den Stromvertrieb regelt.
Insgesamt laufen die Bemühungen um eine qualitative und quantitative
Steigerung der Versorgung mit elektrischer Energie Gefahr, sich nur auf
Niederguinea, und insbesondere auf die Achse Conakry - Kindia - Mamou zu
beschränken. Selbst eingeräumt, daß dieser Raum die größte ökonomische
Wachstumsrate aufweist, so ist die unproportionale energieinfrastrukturelle
Förderung aus wirtschaftspolitischer Sicht unrationell und auf die Dauer
unrentabel, da das Produktionspotential des Hinterlandes nicht vollständig
genutzt werden kann. Hinzu kommt die soziale Pflicht des Staates, den ländlichen
Raum schrittweise, aber beständig an die öffentliche Energieversorgung
anzubinden.
Immerhin entwarf die guineische Regierung eine konkrete Investitionsplanung
zum Ausbau des öffentlichen Stromversorgungsnetzes für Mittelguineas (bis zum
Jahre 2000), Ober- und Waldguinea (bis zum Jahre 2010). Die Planung umfaßt die
Installation von Dieselgeneratoren in nahezu allen Präfekturstädten der
Naturräume.
Tabelle 47: Planung der guineischen Regierung für den Ausbau der öffentlichen
Stromversorgung in Mittel-, Ober- und Waldguinea(1).
Naturraum | Investitionsplanung bis 2000 | Investitionsplanung bis 2010 |
Mittelguinea | Dieselgeneratoren, 25,3 Mrd. FG | |
Oberguinea | Dieselgeneratoren, 40,9 Mrd. FG | |
Waldguinea | Dieselgeneratoren, 41,2 Mrd. FG | |
Gesamt | 25,3 Mrd. FG | 82,1 Mrd. FG |
(1) Davon ausgenommen sind Regionen, Städte oder Stadtteile, die von den Kapazitäten der Bergbaugesellschaften profitieren.
(Quelle: RG 1994c, S. 63).
Jedoch wird bei dieser Planung nur die Nachfragesteigerung in Relation zum Bevölkerungswachstum berücksichtigt und eine Stagnation des industriellen Energiebedarfs auf dem Niveau von 1994 vorausgesetzt (RG 1994c, S. 2 - 4).
6.3 Der tertiäre Sektor - Trotz Reformmängel und
Investitionsschwächen eine stabile Wachstumsachse
6.3.1 Der Handel
Mit einem Anteil von mehr als einem Viertel am BIP und einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 4,1% über die letzten fünf Jahre stellt der Handel einen dynamischen Subsektor der guineischen Volkswirtschaft dar. Maßnahmen wie
haben dazu geführt, daß der Handel zu einem stabilen Element der
sozioökonomischen Entwicklung des Landes geworden ist. Seine weitere Zukunft
hängt indes stark von der Entwicklung des produzierenden Gewerbes insbesondere
in den urbanen Zentren ab, das zur Zeit nicht in der Lage ist, die Nachfrage an
Waren und Güter zu befriedigen.
Die von der Regierung der II. Republik 1985 eingeleitete Liberalisierung des
Handels wurde von der im Januar 1986 durchgeführten Währungsreform gestützt. Die
Einführung einer neuen Währung (FG gegen Syli), die damit verbundene Entwertung
sowie der Beginn des Aufbaus eines stabilen Devisenmarktes(280)
bildeten erste Voraussetzungen für die Wiederbelebung des Handels.
Seit 1986 führte die Zentralbank (Banque Centrale de la Guinée BCRG) wöchentliche Devisenauktionen durch. Sie legte den offiziellen Wechselkurs nach bestimmten Kriterien fest. Der Unterschied zum Parallelkurs bewegte sich meistens in einer Bandbreite von max. 5-10%, um einen größeren Abfluß von Devisen in den Parallelmarkt zu verhindern. Gleichzeitig mußte eine gewisse Stabilität für den internationalen Währungsmarkt garantiert werden. Diese wurde u.a. durch eine ausreichende Höhe des Devisenangebots bestimmt. Da die Devisennachfrage des privaten Sektors das für den herkömmlichen Devisenankauf bereitgestellte Angebot der Zentralbank regelmäßig überschritt, war die Regierung gezwungen, aus den Steuereinnahmen des Bergbausektors und der Zahlungsausgleichsunterstützung der internationalen Finanzorganisationen (IWF, WB) stammende Devisen für die Deckung der Nachfrage zu benutzen (ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 33).
Dennoch war ein ständiger Devisenmangel bei der Zentralbank und den von ihr
belieferten Handelsbanken festzustellen. Behindert wurden dadurch vor allem
klein- und mittelständische Händler, die häufig liquidieren und mächtigeren
Großhändlern den Vortritt lassen mußten. Diese hielten zudem den Verkauf eines
Großteils der importierten Güter in einer kleinen Gruppe fest in der Hand. Eine
solche monopolistische Grundstruktur war oftmals die Basis für eine schwer zu
kontrollierende Preissteigerungspolitik.
Mit der Auflösung der I. Republik endete das Handelsmonopol des Staates (s.
Kap. 5.4.2.1). Von nun an war der sich langsam retablierenden Privatwirtschaft
die Einfuhr jeglicher Waren und Güter mit Ausnahme von Mineralölprodukten
erlaubt(281).
Ebenso konnten bis auf Gold und Diamanten alle Stoffe und Produkte ausgeführt
werden.
In den nachfolgenden Jahren sorgten zwei wichtige Maßnahmen für eine
Stimulation des Handels:
1. Die weitere Liberalisierung des Devisenmarktes. Um Devisen für den Import
von Waren zu beantragen, mußten Importeure bis zu Beginn des Jahres 1989 der
Zentralbank eine Importdeklaration über Art, Quantität und Wert der
einzuführenden Ware vorlegen. Durch Verzögerungen bei der Beschaffung dieser
Deklaration kam es oftmals zu Nachteilen bei der Importabwicklung. Nach einem
Verzicht auf die vor dem Import vorzulegende Deklaration beschränkte sich die
Zentralbank nach dem Verkauf von Devisen auf den wöchentlichen Auktionen darauf
zu kontrollieren, ob die verkauften Devisen tatsächlich für den Import der Waren
verwendet wurden.
2. Die Vereinfachung der Zollinfrastruktur. Der allgemeine Einfuhrzoll wurde
auf 10% festgelegt. Für einige wichtige Güter wie landwirtschaftliche
Grundstoffe (Samen, Dünger etc.) wurde ein reduzierter Einfuhrzoll von 5%
angewandt. Exportzölle wurden aufgehoben.
Diese Erleichterungen, verbunden mit der Entladung der seit einer Generation aufgestauten privaten Nachfrage, führten zu einem übermäßigen Anstieg des Imports an Investitions- und Konsumgütern, den Export 1988 erstmals übersteigend (s. Tab.48). Die Regierung entschloß sich, mit einer Erhöhung und Differenzierung der Importsteuern die Einfuhrentwicklung zu lenken. So steigen die Abgaben für Nahrungsmittel auf 18% (10% Umsatzsteuer, 6% Einfuhrsteuer, 2% Zollabgaben), mit Ausnahme von Reis, Pharmazeutika und Düngemittel. Alle übrigen Importgüter wurden mit 20% Abgaben belegt (10% Umsatzsteuer, 7% Einfuhrsteuer, 3% Zollabgaben). Reisimporte dagegen, ursprünglich nur mit 10% Umsatzsteuer belegt, wurden mit insgesamt 20% Abgaben belastet, um die nationale Reisproduktion gegen den Anstieg ausländischer Reiseinfuhren verstärkt zu schützen. Luxusgüter wie Alkohol und Tabak unterlagen 25% Abgaben sowie einer Luxussteuer von 60%. Düngemittel wurden von jeglichen Abgaben ausgenommen (ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 34-36).
Doch waren weniger handelspolitische Gründe, als vielmehr eine notwendige Erhöhung der Staatseinnahmen der Hintergrund für die Abgabensteigerung. Die Folge war ein unmittelbarer Rückgang der Handelsaktivitäten. Die Wachstumsrate des Handelssektors fiel von 18,7% im Jahre 1988 auf durchschnittlich 4,4% in den Jahren 1989-91 zurück und entsprach somit der mittleren Wachstumsrate des gesamten tertiären Sektors in dieser Zeit.
Doch haben sich im Zuge einer besseren Abstimmung zwischen der
makroökonomischen und institutionellen Strukturanpassung und sektoralen
Reformprozessen die wachstumsrelevanten Rahmenbedingungen für den Handel
erheblich verbessert. So wurden in einem weiteren Schritt zur Liberalisierung
des Devisenmarktes die Devisenauktionen im November 1994 durch eine Devisenbörse
ersetzt, der alle Handelsbanken angeschlossen sind. Parallel dazu wurden erste
Genehmigungen zum Betrieb von privaten Wechselbüros erteilt (s. Kap. 6.3.3).
Die seit 1990 eingeleiteten Reformen im Zollbereich (Informatisierung,
Strukturvereinfachung, Rationalisierung der Verwaltungsabläufe, Optimierung der
Kontrollen, personelle Änderungen) haben mehr und mehr zu einer Vereinfachung
und Beschleunigung der zolltechnischen Abläufe im Im- und Export geführt. Die
vom französischen Bureau Véritas durchgeführten Waren- und Preiskontrollen
erfaßten bereits etwa 50% aller Importe. Die Sicherheit und Transparenz des
Außenhandels wurde weiterhin erhöht, als im August 1996 die schweizer Société
Générale de Surveillance SGS diese Kontrollfunktion übernahm, fortan für alle
Im- und Exporte mit einem fob-Wert von 5.000 US$ und mehr geltend.
Seit 1992 stellt der Handel mit über 25% Anteil am BIP den stärksten Subsektor der guineischen Volkswirtschaft dar, noch vor dem Bergbau und der Landwirtschaft. Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten zwischen 4 und 5% weisen auf eine weitere zukünftige Expansion hin. Dieses Verhalten liegt derzeit eher in der stagnierenden bzw. zeitweilig rezessiven Entwicklung im produzierenden Sektor der urbanen Zonen, die Städte in große Märkte importierter Waren und Güter verwandelnd, denn in einem monosektoralen progressiven Wachstum.
6.3.1.1 Der Außenhandel - Im- und
Exportabhängigkeiten durch fehlende Diversifizierung
Der Außenhandel Guineas hat seit Reformbeginn bis zum Jahre 1990 ständig an
Volumen gewonnen. Von 1985 bis 1990 stiegen die Exporte um 53,8% an (s. Tab.
49). Dieses Wachstum war einerseits dem Anstieg des privatwirtschaftlichen
Exports zuzurechnen, andererseits kam es in den Jahren 1989 und 1990 ebenfalls
zu einem deutlichen Anwachsen der Mineralexporte, bedingt durch eine Steigerung
der Produktion von Bauxit, Gold und Diamanten.
Indessen ist hinsichtlich des Wachstumssprung im privatwirtschaftlichen
Exportsektor von 1985/86 zu berücksichtigen, daß es sich, besonders im
agrarwirtschaftlichen Bereich, zu einem gewissen Teil auch um ein durch die
Liberalisierung des Handels ermöglichtes Umlenken der Exporte von inoffiziellen
in offizielle Kanäle handelt.
Tabelle 49: Außenhandel Guineas 1988 - 1997 (in Mill. US$).
Jahr | 1988 | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997(1) |
Handelsbilanz | -6,3 | 135,9 | 66,1 | 13 | -146,6 | -65,9 | -59 | 34,3 | 17,3 | -53,5 |
Export, fob | 597,3 | 722,8 | 789,3 | 754,8 | 621,9 | 665 | 625,9 | 719,3 | 637,4 | 785,8 |
Bergbau | 500,7 | 615,1 | 678,4 | 644,3 | 501,2 | 574,7 | 498,5 | 597,6 | 560,3 | 631,5 |
Andere | 96,6 | 107,7 | 110,9 | 110,5 | 120,7 | 90,3 | 127,4 | 121,7 | 77,1 | 154,3 |
Import, cif | 603,6 | 586,9 | 723,2 | 741,8 | 775 | 730,9 | 684,9 | 685 | 620,1 | 839,3 |
Verwaltung | 159,8 | 162,1 | 168 | 153,9 | 161,4 | 146,6 | 138,2 | 216,4 | 198,3 | 217,2 |
Bergbau | 151,8 | 140,5 | 230,3 | 263,3 | 256,6 | 217,9 | 152,6 | 69,6 | 70,4 | 70 |
Andere privat | 292 | 284,3 | 324,9 | 324,8 | 357 | 366,4 | 394,1 | 399 | 351,4 | 552,1 |
(1) Schätzungen.
(Quelle: WB 1990a, Bd. I, Anh. Tab. 4; ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 46 - 50; WB
WT 1993, Anh. Tab. 9; RG 1995a, S. 11; EIU CP 1997/98, S. 34; RG 1998e, S.
22ff).
Der schnelle Abbau der Importrestriktionen 1985/86 ermöglichte die rasche
Befriedigung der Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern und sorgte für
ein Importwachstum von 35%. Der rapide Anstieg der Importe sowie eine
Verringerung des Exportwertes um 13%, ausgelöst durch einen Preisverfall der
wichtigsten Exportgüter des Landes (Bauxit, Alumina und Kaffee) auf dem
Weltmarkt, verringerte die positive Handelsbilanz zusehens, bis 1988 ein
negativer Stand von 6,3 Mill. US$ erreicht war (s. Tab. 49). Als die Regierung
daraufhin Konsequenzen zog und die Importabgaben anhob, reduzierte sich der
Importwert des darauffolgenden Jahres leicht, so daß wieder eine positive Bilanz
erreicht worden war. Gleichzeitig erholte sich der Bergbausektor wieder und
stieg in seinem Exportwert im Jahre 1990 auf einen bisherigen Höchststand von
678,4 Mill. US$, was für den Zeitraum von 1988-90 ein Wachstum von 35,5%
bedeutete.
Die im Zuge der Golfkrise gestiegenen Mineralölpreise sorgten in den darauffolgenden Jahren für einen merklichen Anstieg des Importwertes im Bergbausektor, da die Genera-
toren der Minengesellschaften mit Diesel bzw. Schweröl versorgt werden
mußten. Außerdem fiel der Aluminiumpreis auf dem Weltmarkt von einem Höchststand
von 4280 US$/t im Jahre 1988 auf einen Tiefstand von 1127 US$/t am Ende des
Jahres 1991 (UNIDO 1992a, S. 245). Die unmittelbare Folge war ein
Exportwertverlust von mehr als 26% im Bergbausektor. Damit fiel die
Handelsbilanz des Jahres 1992 wieder deutlich negativ aus.
Die nachfolgende schwere Strukturkrise im Bergbau sorgte weitere zwei Jahre
für eine negative Handelsbilanz aufgrund schwacher Produktion und geringer
Exporte. Die Regierung verfolgte einen strikten Sparkurs und reduzierte ihre
Importe. Die Aufhebung von Steuererleichterungen und -befreiungen für die
Minengesellschaften sorgte ebenfalls für eine Verringerung der Importe in diesem
Bereich.
Erst mit dem Greifen der Restrukturierungs- und Rehabilitierungsmaßnahmen im
Bergbausektor sowie eine deutliche Steigerung der Ausfuhren in die nach dem
Zerfall der Sowjetunion mit Guinea nur langsam Handelsbeziehungen aufbauenden
GUS-Länder konnte sich Guineas Außenhandel ab 1995 wieder erholen. Ein Blick auf
die absoluten Im- und Exportmengen verdeutlicht wichtige Entwicklungstendenzen
des guineischen Außenhandels (Tab. 50).
Tabelle 50: Im- und Exportmengen der wichtigsten Handelsgüter 1991 - 1997.
Im- u. Export/Jahr | Einheit | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 |
EXPORT | |||||||
Bauxit CBG | 000 t | 11117,2 | 11324,3 | 11333,5 | 11504,7 | 14972,5 | 12420,7 |
Bauxit OBK/SBK | 000 t | 1186,1 | 2415,9 | 1119,6 | 1692,9 | 1918,7 | 2073 |
Alumina FRIGUIA | 000 t | 614,9 | 611,2 | 648,2 | 654,5 | 646,7 | 862,2 |
Diamant AREDOR | Karat | 65943 | 91764 | 0 | 0 | 1000 | 65000 |
Gold AUG | Kg | 1052,0(2) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Kaffee | t | 5183,9 | 6971,2 | 15704,2 | 18455,3 | 7528,3 | 23334,3 |
Kakao | t | 1629,7 | 3968,4 | 2942,3 | 2860,7 | 5801,9 | 7142,4 |
Frischfrucht(3) | t | 626,6 | 481,3 | 125,1 | 909,3 | 422,6 | 1578,6 |
Andere | t | 3500,8 | 12952 | 59744,2 | 54229,8 | 405,4 | 135,9 |
IMPORT | |||||||
Reis | 000 t | 246,5 | 213,6 | 205,5 | 254,4 | 221,6 | 134,1 |
Mehl | 000 t | 66,1 | 74,4 | 88,4 | 78,1 | 45,6 | 62,6 |
Zucker | 000 t | 44,8 | 50,4 | 56,6 | 58,4 | 47,3 | 61,4 |
Mineralöl | 000 t | 397,5 | 475 | 437,2 | 445,3 | 465,3 | 498,6 |
Diesel | 000 t | 91,8 | 119,4 | 95,2 | 89,2 | 104,4 | 119 |
Benzin | 000 t | 65,7 | 71,6 | 76,1 | 97,5 | 98,8 | 105,9 |
Klinker | 000 t | 241,5 | 231 | 169,9 | 200,8 | 198 | 246,7 |
Zement | 000 t | 23,6 | 8,5 | 100,1 | 112,7 | 14,7 | 51,2 |
(1) Angaben bis November des Jahres.
(2) Angaben bis 4/92.
(3) Fruchtexporte via Flughafen nicht berücksichtigt.
(Quelle: RG TBEG, Nr. 8 (1/91), S. 5; RG TBEG, Nr. 12 (1/92), S. 5; RG TBEG, Nr. 20 (4/93), S. 5; PAC BI, Nr. 10 (6/96), S. 28ff; RG 1994a, S. 14; RG 1995a, S. 14; RG 1998e, S. 28; RG TBEG, Nr. 34 (4/97), S. 18).
Export
1. Der stetig steigenden Bauxitproduktion der CBG steht ein
Produktionseinbruch der SBK gegenüber (1992 - 1994), hervorgerufen durch
technische und finanzielle Probleme. Auch die Gold- und Diamantproduktion sah
sich mit grundlegenden strukturellen Problemen konfrontiert, die 1994 und 1995
sogar zu ihrem Erliegen führten(282).
Erst die Restrukturierung der SBK und die Implementierung von mittel- und
langfristigen Investitionsprogrammen sowie die Verbesserung der rechtlichen und
institutionellen Rahmenbedingungen im gesamten Sektor ließen die Mineralexporte
ab 1996 wieder ansteigen und deuten auf ein stabiles Wachstum hin.
Die Perspektiven für eine weitere positive Entwicklung im Bergbau, vor allem
für die Gewinnung von Gold und Diamanten, können als günstig eingeschätzt
werden. Somit wird der Bergbau auch zukünftig als Devisenbringer die wichtigste
Stelle im Export einnehmen. Dennoch deutet der in den letzten Jahren beständig
wachsende Anteil des privatwirtschaftlichen Sektors besonders an den Importen
auf einen sich allmählich manifestierenden Wandel des Wirtschaftssystems von
einer sich auf wenige Produktionsträger stützende monosektorale Struktur hin zu
einem multisektoralen, marktwirtschaftlich orientierten System hin.
2. Stagnierende und bisweilen rückläufige Mengen im landwirtschaftlichen
Export weisen auf die grundlegenden strukturellen Probleme hin, denen der Handel
ausgesetzt ist. Dennoch konnte die Entwicklung von Produkten mit Exportpotential
wie Kaffee, Baumwolle und Rohgummi seit 1994 deutliche Impulse für eine
Diversifizierung und Anwendung moderner Technologien in der Agrarwirtschaft
setzen. Besonders der Export von Kaffee hat sich sowohl durch eine
Mehrproduktion als auch aufgrund gestiegener Kaffeepreise (von DM 2030/t im
Jahre 1993 auf DM 4500/t im Jahre 1994) seit 1992 verdreifacht. Auch die
Restrukturierung des Fischereisektors führte nach schwankungsreichen
Orientierungsjahren nach 1994 zu einer beständigen Exportsteigerung in diesem
Bereich.
Der Diversifizierungsprozeß in der Exportstruktur schreitet langsam aber
beständig voran. Die direkte Abhängigkeit vom Weltmarkt wird weiterhin zu
teilweise unberechenbaren Schwankungen führen. Diese müssen durch entsprechende
sektorspezifische Ausgleichsmaßnahmen aufgefangen werden mit dem Ziel, die
Exportstabilität zu optimieren.
Import
1. Während die gesamte Nahrungsmitteleinfuhr für den Zeitraum 1990-95 eine mittlere jährliche Wachstumsrate von 7% aufwies, wurde der Reisimport in den Jahren 1990/91 und 1993/94 merklich gedrosselt. Während der ersten Phase unternahm die Regierung den Versuch, die nationale Reisproduktion durch die Verringerung des Angebots von importiertem Reis zu stimulieren. Durch eine 25%ige Besteuerung der Reisimporte (CLAPP 1991, S. 346) und das gleichzeitige zeitweise Aussetzen der
Reislieferungen der amerikanischen Hungerhilfe(283)
verminderte sich das Angebot derart, daß die Reispreise dramatisch anstiegen.
Die Abschaffung der 15%igen Zollabgaben auf Reisimporte und die
Wiederaufnahme der amerikanischen Reislieferungen sorgten 1992 wiederum für ein
35%iges Mehrangebot von Reis im Hafen von Conakry, so daß es zur Bildung von
ungewöhnlich umfangreichen Vorräten kam. Dies führte zunächst zur erhofften
Erholung der Reispreise und wirkte als Inflationsbremse (EIU CR 4/93, S. 15).
Sie wurden dann jedoch unter Reduzierung der Reisimporte in den Jahren 1993 und
1994 allmählich wieder abgebaut.
Der drastische Abbau der Reisimporte von 1996 auf 1997 steht in Zusammenhang
mit der neuen Landwirtschaftspolitik der guineischen Regierung, die nationale
Reisproduktion mehr denn je zu stützen und nicht durch billige Asienimporte zu
inflationieren. Die Reduzierung in diesem Umfang war aber auch nur möglich, weil
die seit nahezu einem Jahrzehnt laufenden Förderungsmaßnahmen zur Stimulierung
der nationalen Nahrungsmittelproduktion gerade in den letzten drei Jahren für
einen merklichen Anstieg der Reisproduktion sorgten.
2. Der Anstieg der Mineralölimporte ist auf eine steigende Anzahl von
Kraftfahrzeugen und die Wiederinbetriebnahme bzw. die Installation neuer, mit
Diesel oder Schweröl betriebener Generatoren zur Energieversorgung des Landes
zurückzuführen. Da der produzierende Sektor aufgrund des unzureichenden
öffentlichen Energienetzes auf eine Eigenversorgung mit privaten Generatoren
angewiesen ist, kann der Mineralölverbrauch als Indikator für wirtschaftliche
Aktivität gelten. Insofern stimmt die in den Jahren 1991 und 1992 auftretende
Verringerung der Mineralölimporte mit einer Phase wirtschaftlicher Stagnation
überein.
Wichtigste Handelspartner für den guineischen Export sind zunächst die
ausländischen Gesellschafter der Bergbaugesellschaften FRIGUIA und CBG, die die
Bauxit- und Aluminaproduktion abnehmen (USA, Belgien/Luxemburg, Frankreich,
Norwegen, Ukraine, etc.). Dennoch ist in den letzten Jahren der Exportanteil der
Industrieländer zugunsten verstärkter Ausfuhren in Entwicklungsländer gesunken
(EIU CP 1996/97, S. 27 u. 28).
Die bedeutendsten Importpartner sind seit Jahren Frankreich und die Vereinigten Staaten. Seit 1990 ist eine Zunahme des Imports aus dem ostasiatischen Raum zu verzeichnen. Diese umfassen hauptsächlich Investitions-, Zwischen- und Konsumgüter aus Hong Kong und Japan, aber auch steigende Reislieferungen aus anderen fernöstlichen Ländern. Im selben Zeitraum wuchsen Mineralölimporte aus Nigeria, aber vor allem aus der Elfenbeinküste derart an, daß der Nachbarstaat ab 1995 nach Frankreich zum wichtigsten Importpartner avancierte.
Tabelle 51: Wichtigste Außenhandelspartner 1989 - 1995.
1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 |
%(3) | Mill. US$ | % | Mill. US$ | % | Mill. US$ | % | Mill. US$ | % | Mill. US$ | % | Mill. US$ | % | Mill. US$ | |
EXPORT, fob | ||||||||||||||
USA | 20,2 | 146 | 16,2 | 128 | 20,1 | 152 | 19,3 | 114 | 20,3 | 135 | 14,8 | 93 | 14,3 | 102 |
Belgien/Luxemburg | 7,6 | 55 | 8,5 | 67 | 10,2 | 77 | 15,3 | 90 | 25,7 | 171 | 27,5 | 172 | 30,2 | 216 |
Spanien | 7,2 | 52 | 7 | 55 | 10,1 | 76 | 10,8 | 64 | 10,7 | 71 | 9,4 | 59 | 10,2 | 73 |
Irland | 7,5 | 54 | 8,9 | 70 | 9,9 | 75 | 12 | 71 | 10,4 | 69 | 9,4 | 59 | 9,8 | 70 |
Frankreich | 8 | 58 | 7,7 | 61 | 6 | 45 | 7,8 | 46 | 6,2 | 41 | 4,5 | 28 | 5,6 | 40 |
Italien | 5,1 | 37 | 3,9 | 31 | 4,2 | 32 | 5,8 | 34 | 3,5 | 23 | 3,5 | 22 | 4,5 | 32 |
Deutschland(1) | 6,9 | 50 | 5,1 | 40 | 4 | 30 | 5,3 | 31 | 5,7 | 38 | 5,1 | 32 | 3,2 | 23 |
Kamerun | 4,7 | 34 | 5,9 | 47 | 3,8 | 29 | 4,9 | 29 | 4,4 | 29 | 4 | 25 | 3,6 | 26 |
Brasilien | 0,3 | 2 | 0,5 | 4 | 3,4 | 26 | 5,1 | 30 | 5,1 | 34 | 4,9 | 31 | 6 | 43 |
Gesamtexport(2) | 723 | 789 | 755 | 622 | 665 | 626 | 715 | |||||||
IMPORT cif | ||||||||||||||
Frankreich | 25,2 | 148 | 25,2 | 182 | 23,3 | 173 | 28,8 | 223 | 21,2 | 155 | 22 | 151 | 23,6 | 179 |
USA | 7,5 | 44 | 6,5 | 47 | 13,2 | 98 | 8,6 | 67 | 8,9 | 65 | 8 | 55 | 9,6 | 73 |
Belgien/Luxemburg | 6,6 | 39 | 6,1 | 44 | 5,4 | 40 | 6,1 | 47 | 6,7 | 49 | 8,2 | 56 | 8,8 | 67 |
Hong Kong | 1,4 | 8 | 3,2 | 23 | 5,4 | 40 | 8,3 | 64 | 7,4 | 54 | 7,2 | 49 | 6,6 | 50 |
Deutschland | 5,1 | 30 | 4,4 | 32 | 5,3 | 39 | 3,7 | 29 | 2,9 | 21 | 4,5 | 31 | 3,4 | 26 |
Niederlande | 2,9 | 17 | 3 | 22 | 4,6 | 34 | 4,6 | 36 | 4,7 | 34 | 4,2 | 29 | 4,9 | 37 |
Italien | 6,1 | 36 | 3,3 | 24 | 3,8 | 28 | 4,4 | 34 | 4,4 | 32 | - | n.bek. | - | n.bek. |
Elfenbeinküste | 6,1 | 36 | 8,7 | 63 | 11,2 | 83 | 11,7 | 91 | 14,9 | 109 | 18,8 | 129 | 21 | 159 |
Großbritannien | 4,3 | 25 | 3 | 22 | 2,2 | 16 | 1,9 | 15 | 2,5 | 18 | 5,5 | 38 | 3,8 | 29 |
Gesamtimport | 587 | 723 | 742 | 775 | 731 | 685 | 758 |
(1) Bis 6/1990 nur Westdeutschland.
(2) Transaktionen mit der ehemaligen Sowjetunion und anderen inbegriffen.
(3) In % vom Gesamtvolumen.
(Quelle: RG 1992a, Anh. A.9; EIU CR 2/93, S. 31; PAC SC 93/94, S. 7ff; PAC SC 94/95, S. 7ff; PAC BI Nr. 10 (6/96), S. 28ff; EIU CR 4/96, S. 48; EIU CP 1996/97, S. 29).
6.3.1.2 Hohe Fraktionierung und Multiplizierung im
Binnenhandel
Guineas Binnenhandel ist schwer überschaubar und eigentlich nicht
quantifizierbar, da seine Struktur durch eine extrem hohe Fraktionierung und
Multiplizierung kleiner Handelsaktivitäten bestimmt ist. Der größte Teil des
Binnenhandels wird ohnehin auf informellen Wegen abgewickelt. Selbst bei
erfaßten Handelsbewegungen weisen die lokalen Verwaltungen erhebliche Schwächen
in der Registrierung und Statistik auf. Dennoch geben einige generelle
Charakteristika, belegt mit auf kleinräumlicher, punktueller Beobachtung
basierenden Beispielen, Aufschluß über wichtige strukturelle Elemente des
Binnenhandels.
Die Überwindung der infrastrukturellen Probleme bestimmt im wesentlichen das
die Warenströme zwischen den Handelszentren beherrschende Preisgefüge. Produkte,
die nicht im unmittelbaren oder näheren Einzugsbereich eines Handelszentrums
hergestellt werden, sondern aus weiter Entfernung herantransportiert werden
müssen, werden häufig mit weit über den Transportkosten liegenden willkürlichen
Gewinnmargen belegt, nur beeinflußt von geringer Konkurrenz und der maximal
ausreizbaren Kaufkraft. Aus Conakry importierte Produkte werden so in Kankan mit
30-50% Zuschlag veräußert. Strategische Produkte wie Zement und Stahlbaustangen
für Betonbauten erzielen den zweifachen Preis in Kankan und sogar den dreifachen
in Siguiri oder N'Zérékoré. Zudem sind Hindernisse jeglicher Art, die den
normalen Transportverlauf beeinträchtigen oder unterbrechen wie ein mit der
Fähre zu überwindender Fluß, eine Brücke mit Gewichtsbegrenzung oder ein
schwieriger Paß, stets Gegenstand für Spekulationen über den Transportpreis.
Die Kommerzialisierung des überwiegenden Teils der Agrarprodukte, Konsum- und Verbrauchsgüter sowie Handwerksprodukte erfolgt über permanente Märkte in den größeren Städten oder Wochenmärkten überall im ganzen Land. Man unterscheidet:
1. Märkte mit lokaler Versorgungsfunktion. Ihre Bedeutung und ihr Umfang hängt von der Wichtigkeit und Größe der Stadt oder des Dorfes ab, in dem er abgehalten wird. Obwohl N'Zérékoré beispielsweise die regionale Hauptstadt des Naturraums Waldguinea darstellt, hat der wichtigste Markt in diesem Naturraum in Guéckédou seinen Platz.
2. Kontaktmärkte an inhaltlichen und physischen Grenzen:
3. Märkte mit einer Spezialisierung auf bestimmte Produkte. Gaoual
(Mittelguinea) gilt als der wichtigste Viehmarkt des Fouta Djallon, während die
Märkte von Mamou (Mittelguinea) und Kindia (Niederguinea) auf Frischobst
spezialisiert sind. Guéckédou (Waldguinea) besitzt den bedeutendsten Kaffeemarkt
der Region, wogegen Dabola und Bissikrima (Oberguinea) für ihren Erdnuß- und
Tomatenmarkt bekannt sind.
Der immer noch unzureichende Zustand der Transport- und
Kommunikationsinfrastruktur hat dazu geführt, daß ganz Guinea von einem
flächendeckenden Netz von Wochenmärkten überzogen ist, die ½ - 1 Tagesmarsch
auseinanderliegen (s. Karte 30: Binnenhandelsstrukturen). Die wichtigsten
Handelswege im Landesinneren sind die Achsen zwischen den Städten Conakry -
Mamou - Kankan - N'Zérékoré, Mamou - Kissidougou - N'Zérékoré und Mamou - Labé.
Mamou, Kankan und Kissidougou bilden die zentralen Knotenpunkte des
Binnenhandelsmarktes, während Labé, Siguiri, N'Zérékoré und Guéckédou die
wichtigsten Verbindungen zu den Handelssystemen der Nachbarstaaten darstellen.
6.3.1.3 Terms of Trade
Der sprunghafte Anstieg der Importe nach der Liberalisierung des Handels zu
Beginn der II. Republik und die damit verbundenen Mittelaufwendungen aus
Zahlungsausgleichsunterstützungen hatten eine Fall der Terms of Trade TOT(284)
Guineas von 12,2% im Jahre 1986 zur Folge (WB 1986a, Anh. 6). In den folgenden
Jahren fiel die Handelsbilanz weiter durch den Anstieg von Importpreisen und dem
gleichzeitigen Preisverfall der Hauptexportgüter Guineas (Bauxit, Alumina und
Kaffee) und erhielt 1988 einen negativen Wert. Im weiteren Verlauf wurde Guineas
Handel 1990 nach einer kurzen Erholungsphase von einem Preisanstieg von 31% für
Mineralöl (RG 1991b, S. 19) und einen Preisverfall für Kaffee von 34% (EBENDA)
erfaßt, so daß der Index der TOT ab 1991 deutlich abfiel.
Tabelle 52: Terms of Trade Guineas 1987 - 1997.
Jahr | 1987 | 1988 | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 |
Index TOT | 100 | 88 | 99 | 100 | 94 | 83 | 78 | 74 | 77 | 74 | 75 |
(Quelle: RG 1995e, S. 8; WB 1996c, S. 87, EIU CP 1997/98, S. 28; WB 1998b, S.
27).
Konnten bis dahin zum größten Teil ungünstige äußere Faktoren des
Weltmarktgeschehens für die negative Entwicklung der TOT verantwortlich gemacht
werden, so mußte ab 1991 die Erkenntnis folgen, daß wichtige strategische
Reformschritte nicht konsequent vollzogen wurden und zu negativen Auswirkungen
führten.
Das Wachstum des Exports außerhalb des Bergbaus blieb lange Zeit weit unter
den Erwartungen und gesteckten Zielen. Obwohl im Agrarsektor Tendenzen zu einer
Diversifizierung der Produktpalette erkennbar waren (Rohgummi und Baumwolle als
neue Exportprodukte), verlief die Entwicklung bezüglich der Steigerung von
Produktivität und Exportvolumen stagnierend, teilweise sogar rezessiv. Somit
blieb die Abhängigkeit der guineischen Handelsbilanz von den Einnahmen aus dem
Bergbausektor weiterhin bestehen.
Erst in den letzten drei Jahren führten massive strukturelle Reformen im
Bergbau, in der Landwirtschaft und im produzierenden Gewerbe allmählich zu
höheren Produktionszahlen und einem Wachstum der Exporterlöse. Diese sind
wiederum auch Ergebnis augenblicklich günstiger Weltmarktpreise und sollten
nicht über die Notwendigkeit der konsequenten Weiterführung der Reformen
hinwegtäuschen.
Neben den Steuereinnahmen aus dem Bergbausektor waren vor allem die
Unterstützungsleistungen der internationalen Gebergemeinschaft zum
Zahlungsbilanzausgleich eine wichtige Devisenquelle, vornehmlich als
Finanzierungskapital und zum Zwischengüterimport. Die durch die im
Krisenzeitraum zwischen 1992 und 1994 gesunkenen Exporterträge sich negativ
darstellende Handelsbilanz wurde seitens der Regierung mit Importkürzungen
bekämpft. Dieser Sparkurs sowie die weitere Implementierung von Reformen auf der
Basis von tragfähigen gesamtökonomischen und sektoriellen Entwicklungsstrategien
vor allem ab 1996 durch die neue Regierung (s. Kap. 3.1.3) sicherten bislang
weiterhin das Vertrauen der internationalen Handels- und Finanzierungspartner
Guineas.
6.3.2 Transport und Verkehr - Der lange Weg des
Wiederaufbaus
Obwohl seit 1986 erhebliche Anstrengungen unternommen wurden, Guineas Verkehrs- und Transportinfrastruktur wiederaufzubauen, stellen fehlende infrastrukturelle Kapazitäten sowie Defizite in Planung, Management, Wartung und Instandhaltung der exisistierenden Verkehrsnetze und Transportdienstleistungen bis heute wesentliche Hemmfaktoren einer gesamtökonomischen Entwicklung dar.
6.3.2.1 Eine verkehrsräumliche Gesamtbetrachtung
Guinea besitzt eines der am wenigsten entwickelten Verkehrs- und
Transportsysteme Afrikas. Trotzdem die Regierung mit Hilfe der internationalen
Gebergemeinschaft enorme Anstrengungen unternahm, das während der I. Republik in
hohem Masse degradierte Straßennetz wieder instandzusetzen, bleiben weite Teile
im Landesinneren Guineas nur mit Spezialfahrzeugen erreichbar. Aus diesem Grunde
ist die Verkehrserschließung und Inwertsetzung des guineischen Wirtschaftsraumes
durch den Verkehr gering.
Ein wichtiger Determinant zum Aufbau und zur Erhaltung eines effizienten Verkehrs- und Transportnetzes sind die physisch-geographischen Einflußgrößen. Die teilweise extremen Klimabedingungen (tropische und subtropische Klimate) sowie die durch ausgedehnte Bergmassive und weitläufige Bergketten hervorgerufene Reliefenergie (Fouta Djallon, guineischer Rücken) behindern seit jeher die systematische Verkehrserschließung des Hinterlandes und die Instandhaltung des Verkehrsnetze. Hinzukommt die außerordentliche Hinterlandstiefe von über 1000 km (Yomou, Waldguinea) im Verhältnis zu einer nur etwa 300 km langen Küstenlinie.
Ferner zeichnen sich der Mangel an Wartung und das Fehlen notwendiger
Investitionen während der I. Republik verantwortlich für die Verwahrlosung des
Sektors. Von den 14.000 km befestigter Straße zu Beginn der Unabhängigkeit
(1958) blieben am Ende der I. Republik weniger als 5.000 km übrig (WB 1990a, Bd.
II, S. 76). Die einzige das Hinterland durchziehende Eisenbahnverbindung Conakry
- Kankan (660 km) war schon seit langem außer Funktion.
Der wichtigste Handelshafen des Landes, der seeschifftiefe Hafen von Conakry, verzeichnete bis auf den Umschlag von Alumina (FRIGUIA) und Bauxit (OBK) keinerlei Tätigkeit mehr. Der kleine Hafen Benty an der südlichen Küste des Landes, der während der 50er Jahre durch den Export landwirtschaftlicher Produkte (hauptsächlich Bananen) eine gewisse Bedeutung erlangte, wurde geschlossen. Der internationale Flughafen von Conakry konnte durch umfassende Renovierungsarbeiten im Jahre 1983 vor der Schließung bewahrt werden. Die übrigen 9 sekundären Flughäfen im Landesinneren, zum größten Teil aus einer einfachen Rollpiste bestehend, waren der Verwahrlosung preisgegeben.
Der gesamte Transportsektor lag in öffentlicher Hand. Sämtliche Staatsunternehmen in diesem Bereich arbeiteten defizitär. Ihre Verluste, die durch erhebliche Subventionsleistungen ausgeglichen werden mußten, belasteten den Staatshaushalt beträchtlich. Auch zu Zeiten, als privatwirtschaftliche Aktivitäten unterdrückt wurden, konnte die Nachfrage im Transportbereich nie befriedigt werden. Darüber hinaus führten ständige finanzielle Engpässe zu gefährliche Risikosituationen, da man gezwungen war, veraltetes und überlastetes Material zu benutzen(285).
Durch die wenig fortgeschrittene Verkehrserschließung des Hinterlandes, besonders der beiden östlichen Naturräume Ober- und Waldguinea, blieb die Entwicklung und Verflechtung der wirtschaftsräumlichen Strukturen regional begrenzt. Lediglich die traditionellen Binnenhandelsachsen Conakry - Kankan, Mamou - Labé und Kankan - Guéckédou sowie Kankan - N'Zérékoré wurden aufgrund ihrer Wichtigkeit für den Warenverkehr mit den Nachbarländern und der Versorgung der Naturraumzentren in funktionsfähigem Zustand gehalten. Die Bergbauindustrie sorgte mit dem Aufbau und der Instandhaltung einer eigenen Transportinfrastruktur für ihre Unabhängigkeit vom nationalen Verkehrs- und Transportwesen. Die Schienenstrecken von den Minenstandorten zu den Erzverladehäfen sind den auch bis heute die intaktesten Verbindungen.Seit Beginn der Reformen 1985 versucht die guineische Regierung mit Hilfe einer auf Integration, ökonomischen Nutzen und Nachhaltigkeit konzentrierten Sektorpolitik den
infrastrukturellen Degradationsprozeß aufzuhalten, die Verkehrserschließung
voranzutreiben und durch die Bildung tragfähiger Institutionen sowie die
Privatisierung des Transportwesens die weitere Entwicklung des Sektors zu
fördern.
6.3.2.2 Der Verkehr auf der Straße
6.3.2.2.1 Ausdehnung und Zustand des Straßenverkehrsnetzes
Das guineische Straßenverkehrsnetz umfaßt etwa 13900 km Asphaltstraßen und allgemein befestigte Straßen und Pisten. Hinzu kommen noch etwa 7000 km Buschpiste mit weniger als 3 m Breite, die keiner Kontrolle unterliegen. Kernstück des Straßennetzes bildet ein System von intraregionalen und internationalen Fernstraßen. Dieses besitzt eine Länge von ca. 7000 km, wovon jedoch nur rund 2100 km asphaltiert sind.
Bei einer Landfläche von 246.000 km2 zählt Guineas Straßendichte mit etwa 4,3 km befestigter Straße pro 100 km2 zu den niedrigsten auf dem afrikanischen Kontinent. Gemessen an der Bevölkerung kommen auf 1.000 Einwohner 2,3 km befestigte Straße. 1992 stufte das guineische Ministerium für Transport und öffentliche Arbeiten (Ministère des Transport et Travaux Publics MTTP) den Zustand der befahrbaren Straßen zu rund 50% als schlecht ein. Am meisten betroffen waren die Pisten, die sich aufgrund fehlender Wartung vor allem nach Regenzeiten zu etwa 75% in einem kaum befahrbaren Zustand befanden (EIU CP 1992/93, S. 22).
Im Rahmen des mit der Weltbank aufgelegten sektoriellen Transportprojektes (Projet Sectoriel des Transports PST(286) erarbeitete daraufhin die guineische Regierung ein Entwicklungsprogramm und eine Investitionsplanung zur Rehabilitierung und zum Ausbau des Straßennetzes, vier Ziele definierend:
1. Neuorientierung der Rolle des Staates weg von einem immer noch planwirtschaftlichen Prinzipien folgenden Sektormanagement hin zur konzeptionellen Steuerung des strukturellen Aufbaus eines raumerfassenden Verkehrsnetzes mit den Schwerpunkten der Identifizierung und Implementierung geeigneter Verkehrserschließungsprogramme sowie der Planung und Mobilisierung der Investitionen für die entsprechenden Bauphasen;
2. Förderung des Aufbaus eines privatwirtschaftlichen Sektors in den Bereichen Straßenbau sowie Wartung und Instandhaltung;
3. Aufbau eines dezentralen Straßenmeistereinetzes für die ständige Überwachung des
Zustandes des Straßennetzes, Einrichtung eines speziellen Fonds zur Gewährleistung der Verfügbarkeit adäquater Mittel, insbesondere für Sofortmaßnahmen zur Reparatur von Schäden nach der Regenzeit;
4. Erarbeitung und Realisierung eines langfristigen Investitionsprogramms für
die vollständige Rehabilitierung, Modernisierung und Erweiterung des
Straßennetzes.
Neben der Weltbank waren hauptsächlich die EU und die AFD die Geldgeber für
dieses Programm, das zwischen 1988 und 1992 ein Budget von ca. 536 Mill. US$
erreichte (MT Nr. 2584, S. 1086).
Nachdem die mittel- und langfristigen
strategischen Sektorziele und die entsprechenden Umsetzungskonzeptionen ähnlich
wie im agrarwirtschaftlichen Entwicklungssektor im Jahre 1992 vom
Transportministerium in Form einer kohärenten Transportpolitik ausformuliert und
verabschiedet wurden (Lettre de Politique des Transports LPT), kam es seit 1994
aufgrund von während der laufenden Rehabilitierungsarbeiten gemachten
Erfahrungen zur schrittweisen Überarbeitung der strategischen Orientierungen. So
werden nun aufgrund des klimatisch bedingten, extrem hohen Verwitterungsrisikos
die Investitionen im Straßenbau stärker als bisher durch eine optimierte
Planung, die Verwendung geeigneterer Materialien sowie einen erhöhten Wartungs-
und Instandhaltungsaufwand nachhaltig gesichert. Hinzu kamen eine Reihe von
institutionellen Maßnahmen zur verbesserten Kontrolle des die Straßen
belastenden Gütertransportes.
Letzteres widerspricht in manchen Fällen sicherlich dem Investitionsprinzip
der Kosten-optimierung durch die Anwendung der einfachsten und damit finanziell
günstigsten Lösung, die auf lange Sicht nicht unbedingt die nachhaltigste sein
muß. Und obwohl sich das jährliche Budget der Regierung für die Instandhaltung
des Straßennetzes von 1990 2,5 Mrd. FG auf 1995 4,5 Mrd. FG nahezu verdoppelt
hat, erreicht es nur 50% des tatsächlich erforderlichen Aufwandes (MT 1995, Nr.
2584, S. 1086). Insgesamt konnte jedoch der Umfang des guineischen Straßen- und
Pistennetzes erheblich erweitert und sein Zustand deutlich verbessert werden.
Die Rehabilitierung und Erweiterung des Straßennetzes befindet sich in der 4. Ausbauphase. Die beiden ersten noch während der I. Republik begonnenen Phasen sahen die Wiederherstellung von 1.800 km Straße vor, konnten jedoch aufgrund ungenügender Finanzierung und fachlicher Inkompetenz nur unvollständig und qualitativ unzufriedenstellend durchgeführt werden. Die dritte Phase dagegen schloß 1988 mit der Instandsetzung von 800 km Asphaltstraße ab, darunter wichtige Handels- und Verkehrsverbindungen wie die Strecke Conakry - Mamou, die Nord-Süd-Achse Labé - Mamou und die Anbindung Waldguineas durch die Verbindung Mamou - Kissidougou sowie die Grenzstraße zu Sierra Leone von Coyah nach Pamelas (s. Karte 31: Verkehrserschließung).
Die vierte Phase umfaßt den Ausbau der Küstenstraße Dubréka - Boké (200 km),
die Instandsetzung der Strecke Mamou - Kankan (400 km) sowie die
Wiederherstellung von 1.500 km Piste im Norden des Fouta Djallon und zwischen
Kankan und Beyla (Waldguinea). Damit wird die Erschließung der Küstenregion mit
der Landverbindung zwischen den beiden Häfen Conakry und Kamsar abgeschlossen.
Die Vollendung der West-Ost-Strecke von Conakry bis Kankan fördert die Anbindung
des Hinterlandes erheblich und erleichtert den Handel mit den Nachbarländern
Mali, Elfenbeinküste und Liberia.
6.3.2.2.2 Raumerschließungsmuster - die Anbindung des
Hinterlandes
Der Erschließung des guineischen Hinterlandes liegt ein dreistufiges
Straßenverkehrsnetz zugrunde. Das primäre Erschließungsmuster besteht aus
wenigen Fernstraßen, die die Präfekturhauptstädte miteinander verbinden und
gleichzeitig die Haupthandelsachsen des Landes darstellen. Das sekundäre Netz
besteht aus einem lokalen Verbindungsstraßensystem, das wichtige Städte
(Bergbauzentren, Konzentrationen agrarwirtschaftlicher Tätigkeit) und Marktorte
erfaßt. Die tertiäre Ebene bildet das ländliche Pistennetz, bestehend aus
Dorfverbindungswegen, Zubringerstraßen und reinen Erschließungspisten.
Der Prozeß der Raumerschließung durch den Straßenverkehr beschränkt sich auf
zwei zum größten Teil parallel existierende Verkehrsspannungsfelder. Die durch
den Binnen- und Außenhandel bestimmte Handelsspannung erfaßt den Verkehr von den
wichtigen agrarwirtschaftlichen Produktionszentren und den mineralischen
Rohstoffquellen zu den Exportzentren sowie die Verteilung der Importgüter im
Inneren des Landes. Es spielt sich hauptsächlich auf den Fernstraßen des
primären Straßenverkehrsnetzes ab. Die sich zwar auf den Binnenhandel und
kleinmaßstäblichen Regionalhandel beziehende, doch auch alle weiteren Formen
wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Aktivitäten erfassende
Verkehrsspannung findet in der Nutzung des sekundären und tertiären
Straßenverkehrsnetzes ihren Ausgleich.
Die Haupterschließungsgebiete sind der Küstenraum Niederguineas sowie der
Fouta Djallon Mittelguineas. Die Küstenregion, insbesondere das nähere
Einzugsgebiet von Conakry, ist geprägt von der Mineralexportwirtschaft, der
Versorgung der Hauptstadt sowie einer hohen Konzentration produzierenden
Gewerbes, das sich aufgrund des besseren Infrastrukturangebotes in unmittelbarer
Hauptstadtnähe angesiedelt hat. Die Plateaus des zusammenhängenden Bergmassivs
Fouta Djallon sind aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte (30 E/km2
gegenüber 27 E/km2 im Landesdurchschnitt ohne Conakry) engmaschig
miteinander vernetzt. Das Zentrum bildet der Verkehrsknotenpunkt Labé, der eine
bedeutende Umschlagsposition des Handels aus dem Norden (Senegal, Gambia,
Guinea-Bissau), dem Südwesten (Conakry), dem Süden (Sierra Leone) und dem Osten
(Mali) einnimmt. Die Siedlungsweise der den Fouta Djallon besiedelnden Peulh,
sich nur in kleinen Dörfern mit wenigen hundert Einwohnern niederzulassen, sorgt
für eine hohe Wegedichte zwischen den so entstandenen zahlreichen Klein- und
Kleinstsiedlungen und ihren Marktorten.
Sekundäre Erschließungsgebiete sind die traditionellen Handelszentren Kankan und N'Zérékoré mit ihren direkten Handelsverbindungen zu den Nachbarländern sowie das
Dreieck Kissidougou - Macenta - Guéckédou, das zu einem lokalen
agrarwirtschaftlichen Produktions- und Exportzentrum avancierte (s. Karte 31).
Der Handelsverkehr dieser Zentren mit den Nachbarstaaten ist auf nationaler
Ebene relativ unbedeutend, regional jedoch bestimmend. Die Straßenanbindung an
die Handelswege sind einfach und in gutem Zustand. N'Zérékoré, Guéckédou und
Kankan sind daher traditionell strategische Verkehrsknotenpunkte für den
Grenzhandel mit den Anrainerstaaten aus dem Süden bzw. Osten.
Im
Gesamtüberblick ist das Hinterland gemessen an seinem gesamtwirtschaftlichen und
agro-industriellen Produktions- und Entwicklungspotential wenig erschlossen. Der
Straßenverkehr, nach dem Aussetzen des Schienenverkehrs die einzige Möglichkeit
der distanzreicheren Raumüberwindung für die guineische Bevölkerung, wird durch
lange Wege unter teilweise unzumutbaren Bedingungen oft zu einem gemessen an der
Kaufkraft kostspieligen und zeitraubenden Abenteuer. Besonders nachteilig wirkt
sich der Mangel an einer begleitenden Infrastruktur für das Straßenverkehrsnetz
(beständig funktionierende Fährensysteme, Brückensicherung und -instandhaltung,
Treibstoffversorgung, Reparaturwerkstätten, Übernachtungsmöglichkeiten) auf die
Entwicklung des Verkehrs- und Transportwesens und damit auf den Handel aus (s.
Kap. 6.3.1).
6.3.2.2.3 Privatwirtschaftliche Multiplizität im
Straßentransport
Nachdem das staatliche Gütertransportmonopol zu Beginn der II. Republik
aufgehoben wurde(287),
erlebte der kommerzielle Transport auf der Straße zunächst eine fruchtbare
Entwicklung. Kleine Privatunternehmen mit einem Fuhrpark von 2 - 3
Lastkraftwagen zwischen 3 und 10 t Zuladung übernahmen von nun an den größten
Teil des Gütertransports. Nur wenige Unternehmen, die sich auf den
Schwerlasttransport von Schütt- und Sackgütern sowie Containern spezialisierten,
konnten sich einen Fuhrpark von 10 - 20 Lastkraftwagen mit teilweise über 20 t
Zuladung leisten.
Es herrscht ein liberaler Markt ohne Preisreglementierung, der Zugang zu diesem Sektor ist frei. Da der Markt aufgrund der geringen Finanzkraft der auf den Transport angewiesenen Unternehmer aus dem agrarwirtschaftlichen und produzierenden Gewerbe beschränkt ist, existiert ein harter Konkurrenzkampf.Der Personenverkehr wird ebenfalls von zahlreichen privaten Kleinunternehmern mit den
auf afrikanischen
Straßen überall anzutreffenden Minibussen meist japanischer Bauart wahrgenommen.
Seit 1988 hat die private Transport-gesellschaft TRANSGUINÉE den
Personen-transport mit großräumigen Reisebussen auf der Langstrecke Conakry -
Kankan aufgenommen. Seither konnte sie ihr Transportnetz zwischen den
Hauptstädten der Präfekturen beständig ausbauen und die Kleintransporteure immer
mehr auf den kleinräumlichen Verkehr zurückdrängen.
Die 1985 gegründete allgemeine guineische Transportgesellschaft SOGETRAG
(Société Générale des Transports en Guinée) nahm den bis 1984 von der
staatlichen Transportgesellschaft TUC (Transports Urbains de Conakry)
durchgeführten öffentlichen Personennahverkehr wieder auf. Das Staatsmonopol im
Rücken, transportierte das Unternehmen mit einem Fuhrpark von 135 Bussen im
Jahre 1991 etwa 190.000 Passagiere pro Tag in Conakry (EIU CR 4/92, S. 17). Doch
aufgrund der sprunghaft angestiegenen Zahl der informell arbeitenden
Privattransporteure, die ungeregelt agieren und wichtige Marktanteile an sich
reißen, sowie der permanenten Überlastung des innerstädtischen Straßenverkehrs,
die am Image der Gesellschaft zehrt, hat die SOGETRAG einen erheblichen Rückgang
ihres Passagieraufkommens hinnehmen müssen. Das Geschäftsjahr 1992 bescherte der
Gesellschaft somit einen Verlust von 3,9 Mrd. FG (EIU CR 2/93, S. 18). Als
Subventionsempfänger (8 Mrd. FG in 1994) steht sie hinsichtlich des im Rahmen
der strukturellen Anpassung geforderten Kürzung und Eliminierung von
Subventionen in der Kritik. Die Regierung hat daher den Privatisierungsprozeß
eingeleitet (MT Nr. 2698, S. 1658).
Abgesehen von der bei weitem nicht ausreichenden Qualität und Quantität des
Straßen- und Pistennetzes stellen die geringen Möglichkeiten der Wartung und
Reparatur sowie die immer noch unzufriedenstellende Treibstoffversorgung im
Inneren des Landes bedeutende Hindernisse für die Entwicklung des guineischen
Transportsektors dar. Außerhalb der Hauptstadt besteht eine
Kfz-Reparaturwerkstatt meist aus einem durch Autowracks abgegrenztes Terrain,
auf dem sich zahlreiche "Lehrlinge" um einen Kfz-Meister tummeln. Seine
Reparaturphilosophie besteht aus dem Grundsatz, solange zu probieren, bis es
funktioniert. Reich ist die Kunst der Improvisation, die häufig aus Mangel an
Ersatzteilen zur Notwendigkeit wird. Dadurch leidet die Qualität der Reparatur,
und es bleibt oft ungewiß, wie lange sie vorhalten wird.
6.3.2.3 Der Schienenverkehr - Die Hoffnung auf Wiederbelebung durch
den Bergbau
Die einzige dem öffentlichen Bahnverkehr angehörende Strecke von Conakry nach Kankan (662 km), zwischen 1902 und 1914 mit einer Spurbreite von nur 1 m erbaut, wurde infolge fehlender Wartung und Instandsetzung nach mehreren Erdrutschen und Überwucherungen der Vegetation, die die Schienen stark beschädigten und unbefahrbar mach
ten, auf dem größten Teil ihrer Länge stillgelegt.
Die staatliche Eisenbahnbehörde (Office National du Chemin de Fer de Guinée
ONCFG) hält nur noch eine 36 km lange Strecke vom Hauptbahnhof in Conakry bis in
die vorgelagerten Stadtteile und Vororte des langgezogenen, nach Osten
ausufernden Einzugsgebietes der Hauptstadt in Betrieb (s. Karte 31). Eine
wichtige Einnahmequelle, der Transport des Zementrohstoffs Klinker vom Hafen von
Conakry bis zum 25 km entfernten Zementwerk (Ciment de Guinée) im Stadtteil
Sonfonia, versiegte, als der Transport 1990 auf Lastkraftwagen umgestellt wurde
(WB 1990a, Bd. II, S. 81).
Sollte sich der Abbau der prospektierten Bauxitvorkommen von Dabola und
Tougué (Oberguinea) verwirklichen (s. Kap. 6.2.2.2.1), besteht die Möglichkeit,
daß die Verbindung Dabola - Conakry (ca. 430 km) zum Abtransport des Erzes zum
Verladehafen Conakry mit Hilfe iranischer Investitionen wieder instandgesetzt
bzw. neu aufgebaut wird. Die drei übrigen Einsenbahnlinien (Conakry - Fria: 140
km, Conakry - Kindia: 110 km und Sangaredi - Kamsar: 135 km) befinden sich in
der Hand der drei Bergbaugesellschaften CBG, SBK und FRIGUIA (s. Kap.
6.2.2.2.1).
Ein weiteres ehrgeiziges Projekt ist der Bau der "Transguinéenne", eine das
ganze Land durchquerende Eisenbahnlinie von Conakry nach N'Zérékoré. Pläne dafür
wurden schon in den 70er Jahren im Rahmen einer Studie zum Abbau der
Nimba-Eisenerzvorkommen ausgearbeitet (s. Kap. 6.2.2.2). Zunächst erschien das
Investitionsvolumen von etwa 2 Milliarden US$ nur für die Transportinfrastruktur
zu hoch für ein Monoprojekt dieser Art. Neuere Überlegungen gehen jedoch nunmehr
von einer etappenweisen Investitionskostenplanung aus, indem möglicherweise
frühe Investitionsrückflüsse durch die Beteiligung von öffentlichen und
privatwirtschaftlichen Verkehrs- und Transportprojekten sowie die Nutzung von
mehr als der Hälfte der Strecke durch die Société des Bauxites de Dabola-Tougué
SBDT im Zuge der parallelen Erschließung der Bauxitvorkommen Dabola - Tougué
(s.o.)(s. Kap. 6.2.2.2) die langfristige Finanzierung der Transguineastrecke
sichern.
6.3.2.4 Die Häfen und der maritime Transport
Guinea
besitzt zwei große Häfen: einen Rohstoffhafen in Kamsar und einen Handelshafen
in Conakry. Der Hafen in Kamsar, 1975 von der CBG als Werkshafen erbaut, dient
der Bergbaugesellschaft als Verladestelle für eine jährliche
Bauxitexportproduktion von etwa 11 - 14 Mill. t sowie für den Import von ca.
50000 t Stückgüter zu ihrer eigenen Versorgung. Obwohl die Umschlagsmenge damit
deutlich über jener des Hafens von Conakry liegt, besitzt Kamsar als reiner
Werks- und Rohstoffhafen kaum Bedeutung für die handels- und
transportökonomische Entwicklung des Landes.
Der Hafen von Conakry wurde 1898 von der französischen Kolonialverwaltung au der damaligen Insel
Tombo angelegt und durch einen künstlichen Damm mit der ihr vom Festland
zugewandten Spitze der Halbinsel Kaloum verbunden. Die drei vorgelagerten
Loos-Inseln Tamara, Roum und Kassa boten für die Anlage eines Tiefseehafens
einen natürlichen Schutz gegen die Gewalten des Ozeans (s. Karte 3).
Seit seiner Gründung hatte der Hafen von Conakry den Charakter eines reinen
Handelshafens. Im Jahre 1914 erlangte er mit der Vollendung der Eisenbahnstrecke
Conakry - Kankan und der damit entstandenen Verkehrsverbindung bis Niamey
(Niger) erste große wirtschaftliche Bedeutung als Exporthafen mehrerer
französischer Kolonien. Zwischen 1929 und 1939 nahm er als wichtigster
Umschlagplatz zwischen dem Hinterland Französisch-Westafrikas und dem Mutterland
eine zentrale Position ein. In diese Zeit fielen auch die ersten umfangreichen
Ausbauarbeiten, wie das Anlegen eines Sicherheitsdammes gegen die Kräfte des
Atlantiks, der Erwerb eines größeren Baggers für die Vertiefung des
Hafenbeckens, der Bau der ersten zwei festen Kaianlagen mit einer Wassertiefe
von 8 m und die Errichtung eines Anlegeplatzes für den damals florierenden
Bananenexport.
Nach dem Zweiten Weltkrieg steigerten zusätzliche Erweiterungs- und
Modernisierungsmaßnahmen wie der Bau von 6 weiteren Anlegern, die Verlängerung
des Schutzdammes, der erste Bananenhangar- und Großhallenbau sowie die
Einrichtung einer gesicherten Hafenbeleuchtung und Wasserversorgung der Kais
seine Bedeutung und Attraktivität als Handelshafen. Hinzu kam der Bau eines
Anlegers auf der Insel Kassa (Loos- Inseln), um dort abgebaute Minerale und
Gesteine (im wesentlichen Granit) abzutransportieren. Bis 1958 erreichte der
Hafen eine Kapazität von 10 Anlegestellen und einen Gesamtumschlag von 1,5 Mill.
t.
Mit der Proklamation der I. Republik brach dann der internationale Kontakt ab und sämtliche Investitionsquellen versiegten. Es folgte eine lange Phase der Degenerierung der Hafenanlagen mit der dazugehörigen Infrastruktur, die Aktivitäten im Hafen nahmen immer mehr ab. Erst 1981 zog eine Regierungsstudie eine Bilanz und verdeutlichte Ursachen und Probleme:
1. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wurden weder im Bereich Instandhaltung noch für die Modernisierung der Hafenanlagen Investitionen getätigt.
2. Die Verantwortlichkeiten für die Hafenaktivitäten waren auf vier Staatsunternehmen mit insgesamt mehr als 1500 Mitarbeitern verteilt, was eine rationelle und effiziente Abwicklung der Hafengeschäfte unmöglich machte.
3. Überhöhte Gebühren und Frachttarife, der Rückgang der Umschlagszahlen und die lange Dauer der Schiffsrotationen (im Durchschnitt 7 Tage Liegezeit) waren die unmittelbaren Folgen.
4. Erhebliche Sicherheitsmängel brachten dem Hafen und seinen Benutzern
bedeutende Verluste bei.
Auf sofortige Hilfe angewiesen, konnte die guineische Regierung nach kurzen Verhandlungen die Weltbank, die Bundesregierung Deutschland (KfW) und die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) für die Finanzierung und Durchführung eines umfassenden Rehabilitierungs- und Modernisierungsprojektes für den Hafen gewinnen.
Nachdem der Hafen zunächst mit der Umwandlung in eine öffentliche Einrichtung
mit industriellem Charakter die finanzielle und ökonomische Autonomie erlangte(288),
wurde zu Jahresbeginn 1983 die erste, 38 Mill. US$ umfassende Projektphase
eingeleitet. Sowohl die Projektmaßnahmen zur Erneuerung der gesamten
Hafeninfrastruktur und die Lieferung von moderner Hafenausrüstung als auch die
mit dem Regierungswechsel von 1984 verbundene Öffnung der Wirtschaft wirkten
sich stimulierend auf das Hafengeschehen aus. Während 1983 noch 227 Schiffe den
Hafen aufsuchten, erhöhte sich die Schiffsfrequenz 1985 auf 272, was eine
Güterumschlagssteigerung von 20,3% von 1984 auf 1985 hieß.
Die größten Effizienzgewinne ergaben sich jedoch aus der Privatisierung der
dem Hafen angeschlossenen Dienstleistungsunternehmen. Damit stellte sich
bezüglich des Dienstleistungsangebots im Güterumschlags- und Transportbereich
eine erste echte Wettbewerbssituation ein, zudem wurden der Haushalt und die
Verwaltung des Hafens merklich entlastet, seine Mitarbeiterzahl sank auf 294
(1989). Gleichzeitig erlangte der Hafen seine volle Autonomie in Form seiner
Umwandlung in eine Betriebsgesellschaft, der von einem sich aus 12 Vertretern
aus Staat und Wirtschaft zusammensetzenden Aufsichtsrat gelenkt wird.
War der Hafen bis zu Beginn
des Jahres 1987 wieder in einen funktionsfähigen Zustand versetzt worden, führte
man in der zweiten Phase weitere Ausbau- und Sicherungsmaßnahmen wie die
Vervollständigung des Schutzdamms für das Hafenbecken, den Bau eines Container
Terminals und einer Mineralölumschlagsanlage sowie die Installierung einer
sicheren und ausreichenden Hafenbetonnung durch. Die Projektkosten der im
Februar 1989 eingeleiteten zweiten Phase beliefen sich auf 55 Mill. US$ und
wurden von denselben Kreditgebern übernommen. Die anvisierten Ziele wie die
Verringerung der Schiffswartezeiten, die Kostenreduzierung der Hafenaktivitäten,
die Diversifizierung des Operationsspektrums und die Verbesserung der Verlade-
und Umschlagsmechanismen waren bis Mitte 1993 erreicht worden.
Der Umschlag im Hafen beschränkt sich im wesentlichen auf Massengutverkehr (87%), wobei hauptsächlich Mineralöle, Zementrohstoffe und Natronlauge importiert und Bauxit und Alumina exportiert werden. Während 1989 noch knapp über 5 Mill. t Güter umgeschlagen wurden, fiel der Umschlag aufgrund erheblicher
Produktionseinbußen der bauxitexportierenden SBK 1992 auf 3,4 Mill. t ab.
Trotz stabiler Im- und Exporte in allen anderen Bereichen verläuft der Umschlag
aufgrund der weiterhin unregelmäßigen Exportleistungen der SBK seither
schwankend (s. Tab. 54).
Tabelle 54: Volumen des Güterverkehrs im Hafen von Conakry 1990 - 1998.
Umschlag/Jahr | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | 1998 |
IMPORT (1.000 t) | |||||||||
Nahrungsmittel(1) | 252 | 368 | 437 | 416 | 447 | 510 | 465 | 453 | 463 |
Industrielle Massengüter(2) | 583 | 560 | 559 | 641 | 603 | 605 | 604 | 617 | 630 |
Pflanzl. u. tierische Prod. | 15 | 23 | 27 | 23 | 24 | 22 | 27 | 24 | 24 |
Halbfertigprodukte(3) | 243 | 294 | 377 | 284 | 314 | 371 | 291 | 374 | 394 |
Industrieausrüstung | 30 | 36 | 42 | 41 | 53 | 42 | 45 | 44 | 40 |
Konsumgüter | 132 | 43 | 76 | 54 | 64 | 64 | 55 | 62 | 72 |
Andere | 47 | 28 | 36 | 49 | 38 | 32 | 30 | 34 | 55 |
Gesamtimport | 1302 | 1352 | 1554 | 1508 | 1543 | 1646 | 1518 | 1610 | 1680 |
EXPORT (1.000 t) | |||||||||
Bauxit und Alumina | 3538 | 3504 | 1799 | 3026 | 1759 | 2347 | 2534 | 2038 | 2030 |
Nahrungsmittel | 2 | 3 | 4 | 2 | 1 | 2 | 4 | 2 | 11 |
Pflanzl. u. tierische Prod. | 10 | 7 | 11 | 27 | 33 | 31 | 23 | 46 | 57 |
Andere | 36 | 24 | 25 | 27 | 44 | 44 | 47 | 44 | 96 |
Gesamtexport | 3586 | 3538 | 1839 | 3082 | 1837 | 2424 | 2608 | 2130 | 2194 |
GESAMTUMSCHLAG | 4888 | 4890 | 3393 | 4590 | 3380 | 4070 | 4126 | 3740 | 3874 |
Containerumschlag (TEU)(4) | 25800 | 29300 | 37200 | 36100 | 32500 | 40500 | 43800 |
(1) Hauptsächlich Reis, Mehl und Zucker.
(2) Überwiegend Mineralölprodukte.
(3) Baumaterial, Klinker und Zement.
(4) Twenty Foot Equivalent Unit (20-Fuß Containereinheit), ab
Fertigstellung des Container Terminals 1992.
(Quelle: RG 1992c, Anhang 5.1 u. 5.2; EIU CR 3/93, S. 18; PAC SC 1989-94, S.
1-3; PAC BI Nr. 10, 3/96, S. 28-30; PAC SC 1997 u. 98, S. 1ff)
Der Hafen stellt sich als ein insgesamt tragfähiges Wirtschaftsunternehmen dar, in seiner Funktion als Verkehrsknotenpunkt für den nationalen und internationalen Handel eine zentrale Stellung einnehmend. Dennoch ist er über Jahrzehnte hinaus mit den Kreditrückzahlungsverpflichtungen an die guineische Regierung belastet und daher gezwungen, seine Leistungsfähigkeit durch die Nutzung von zukunftssicheren Ausbaumöglichkeiten zur Erschließung rentabler Geschäftsfelder zu steigern. Als eine solche wird die geplante dritte Projektphase gehalten, in der sowohl einem wachsenden Containerverkehr Rechnung getragen und der Fischereisektor im Hafen durch Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen gefördert(289) als auch derzeit vorherrschende infrastruk-
turelle und betriebstechnische Probleme beseitigt werden sollen. Geplant sind:
Die Erweiterung des Container Terminals;
Die Schaffung hafenindustrieller Nutzfläche durch die Rehabilitierung ungenutzter Lagerfläche;
Die Bildung von komplementären Geschäfts- und Handelszonen;
Die Organisation und Durchführung geeigneter Naßbaggereimaßnahmen zur Instandhaltung des 5 km langen Zufahrtskanals und des Hafenbeckens;
Das Ersetzen einiger schwimmender Einheiten (Schlepper, Lotsenboot, etc.);
Die Rehabilitierung des Wasserversorgungsnetzes sowie die Errichtung eines Wasserreservoirs;
7. Die Bekämpfung der Luft- und Wasserverschmutzung durch den Alumina-, Bauxit- und Zementrohstoffumschlag(290).
(Nach LACKNER&PARTNER 1998, S. 3ff)
Die Zukunft des Hafens ist abhängig von seiner weiteren Integration in die
guineische Volks- und Transportwirtschaft. Nicht nur die Erhöhung seiner
Kapazitäten durch Modernisierung und Ausbau sowie die Erhöhung seines
Leistungsspektrums muß auf das volkswirtschaftliche Wachstum und die von Angebot
und Nachfrage bestimmten Kräfte abgestimmt sein, auch die infrastrukturellen
Voraussetzungen müssen den künftigen Anforderungen gewachsen sein. Hier liegen
die Herausforderungen einerseits in der Verbesserung des physischen Anschlusses
des Hafens an das öffentliche Verkehrsnetz durch eine Verbreiterung der
Zufahrtsstraßen und eine Eisenbahnverbindung vom Hafen an das öffentliche
Schienennetz. Andererseits muß die Transportpolitik Transitverbindungen zu den
Nachbarstaaten und Handelspartnern Mali und Burkina Faso schaffen, um über feste
Transportachsen den Außenhandel zu fördern.
Im Rahmen des Transports auf guineischen Binnengewässern besitzt außerdem die
Binnenschiffahrt auf den Flüssen Oberguineas regionale Bedeutung: Während und
unmittelbar nach der Regenzeit (Juli bis Oktober) sind die Flüsse Milo (Kankan -
Siguiri) und der Niger (Kouroussa - Siguiri - Bamako) auf einer Gesamtstrecke
von 385 km schiffbar. Die Wasserwege dienen hauptsächlich dem Transport von
Agrarprodukten auf kurze Distanz, der überwiegend noch mit traditionellen Barken
durchgeführt wird.
6.3.2.5 Der Luftverkehr
Während der internationale Flughafen Conakry-G'Bessia, etwa 16 km nordöstlich von Conakry's Geschäftszentrum auf dem Festland gelegen, den Anschluß an den innerafrikanischen und europäischen Luftverkehr hält, bilden 9 Kleinflughäfen in den wichtigsten Präfekturhauptstädten im Landesinneren die Stützpfeiler des nationalen Luftverkehrsnetzes(291).
Nach
langen Jahren des Verfalls, in denen die Verwahrlosung insbesondere der
sicherheitstechnischen Ausrüstung gefährliche Ausmaße annahm, konnte der
Flughafen von Conakry durch technische und finanzielle Hilfe von französischer
Seite im Jahre 1983 gerettet werden. Nachdem seine funktionellen Basiselemente
(Rollbahn, Beleuchtung, Funk und Navigation, internationaler Terminal, Unfall-
und Feuerschutzdienst) wiederhergestellt waren, wurde er 1987 von einer
guineisch-französischen Betriebsgesellschaft übernommen (Société de Gestion et
d'Exploitation de l'Aeroport de Conakry SOGEAC)(292).
Diese Gesellschaft finanziert sich im wesentlichen aus den Flugverkehrssteuern
und ist weitestgehend autonom.
Indessen machte der wachsende nationale und internationale Flugverkehr(293)
den Ausbau der Navigations- und Luftraum-Sicherheitssysteme im Flughafen
Conakry-G'Bessia sowie die Verbesserung der meteorologischen Überwachung des
inländischen Luftraumes dringend erforderlich. Im Rahmen des von der Weltbank
unterstützten Entwicklungsprogramms für den Transportsektor wurde daraufhin 1989
eine nationale Luftfahrtbehörde eingerichtet (Agence de Navigation Aérienne
ANA), die, ausgerüstet mit modernen Navigationsinstrumenten und meteorologischen
Meßgeräten, die Kontrolle des guineischen Luftraums und die Verwaltung der
inländischen Flughäfen übernahm. Ebenfalls finanziell autonom, bezieht diese
Behörde ihre Haushaltsmittel aus den Steuereinnahmen der Sekundärflughäfen und
einer Teilabgabe der Landegebühren, die die internationalen Fluggesellschaften
in Conakry-G'Bessia entrichten.
Ein Flugplatz im Inneren des Landes besteht meist aus einer 1000 - 1600 m langen Lateritpiste für Flugzeuge mit kurzen Start- und Landewegen sowie einigen verwahrlosten Abfertigungsgebäuden. Die Navigations- und Sicherheitsausrüstung, wenn überhaupt vorhanden, ist größtenteils überaltert und aufgrund fehlender Wartung weitestgehend unbrauchbar. Überdies sorgen der Harmattan, der den feinen Wüstensand aus dem Sahel ins Land treibende Wind, und die stürmischsten Monate der Regenzeit dafür, daß selbst
funktionierende Geräte selten einsetzbar sind.
Der
internationale Passagierverkehr erreichte in den Jahren zwischen 1990 und 1994
ein Volumen von etwa 210000 Passagieren im Jahr. Der Anteil des Transitverkehrs
betrug dabei ca. 26%. Während der Passagierverkehr überwiegend
inner-afrikanischer Natur ist, konzentriert sich der Frachttransport auf
Bewegungen zwischen Guinea und Europa. Das durchschnittliche jährliche
Frachtvolumen betrug zwischen 1989 und 1994 etwa 5000 t/a. In den Jahren 1990 -
1992 nahm der Luftfrachtimport um 26% ab, während das Exportvolumen aufgrund
verstärkter Ausfuhr von Frischfrucht und anderen schnell verderblichen
Frischwaren um 21% anstieg (EIU CR 1/93, S. 19).
Trotz einer Steigerung des Passagieraufkommens seit 1994 um 25% auf mehr als
280000 Passagiere im Jahr sowie konstanten Luftfrachtwerten von 5000 t/a ist die
wirtschaftliche Lage der SOGEAC nach wie vor kritisch (MT Nr. 2698, S. 1656). Da
sie bis heute für die Energieversorgung des Flughafens mittels Generatoren
selbst sorgen muß, ist die Erreichung eines tragfähigen Maßes an Rentabilität
vorerst nicht abzusehen. Erst die voraussichtliche Fertigstellung des
hydroelektrischen Kraftwerkes Garafiri Ende 1999 wird ein ausreichendes
Energieangebot im öffentlichen Netz garantieren.
Die nationale Fluggesellschaft Air Guinée ist seit langem ein verlustreich
arbeitendes Staatsunternehmen, das fast ausschließlich von Subventionen lebt.
Eine zu geringe Kapazitätenauslastung, kostspielige Auslandsvertretungen,
gravierende Mängel in der Geschäfts- und Finanzführung, die übermäßige
Inanspruchnahme kostenloser Regierungsflüge sowie technische Probleme aufgrund
von Wartungsdefiziten und Ersatzteilmangel zwangen die Fluggesellschaft Ende
1990, ihre Flotte von 4 auf 2 Flugzeuge zu reduzieren(294).
Der internationale Flugverkehr wurde weitgehend eingestellt. Selbst im
Inlandsflugverkehr verliert Air Guinée infolge häufiger technischer Pannen, die
zu Flugausfällen führen, immer mehr Marktanteile gegenüber den sich
etablierenden Privatfluggesellschaften. Seit Mitte 1994 ist daher der
Privatisierungsprozeß eingeleitet worden, der jedoch bis jetzt erfolglos blieb
(MT Nr. 2485, S.1087).
6.3.2.6 Entwicklungsstrategien und transportspezifische
Perspektiven
Die Strategie der guineischen Regierung zur Entwicklung eines effizienten Transport- und Verkehrssystems, das die Verbindungen zwischen den wichtigsten Produktionsstätten, Verbrauchs- und Distributionsgebieten sowie Exportzentren wiederherstellt, den zukünftigen Erfordernissen anpaßt und tragfähig erhält, basiert auf folgenden Grundsätzen:
1. Die kurz- und mittelfristige Konzentration auf die Transportsektoren und -subsektoren mit der größten Perspektive auf schnelle, kostengünstige und den sozio-ökonomischen Entwicklungsprozeß größtmöglich fördernde Wirkung;
2. Die Entwicklung und Umsetzung einer adäquaten nationalen Transport- und Verkehrspolitik zur Mobilisierung und Konsolidierung von Ressourcen auf den Ebenen der Steuerpolitik, des privatwirtschaftlichen Sektors und der internationalen Entwicklungszusammenarbeit(295);
3. Fortsetzung der institutionellen Reformen, der Dereglementierung und
Entmonopolisierung des Sektors zur Förderung privatwirtschaftlicher
Partizipation sowie des Entflechtungsprozesses staatlicher Aktivitäten zugunsten
des Aufbaus einer privatwirtschaftlichen Transport-Dienstleistungsindustrie
(nach RG 1996a, S. 46ff).
Seit 1987 wurden auf die Sektoren Transport und öffentlicher Bau
durchschnittlich 22,5% der Mittel des nationalen Investitionsprogramms verwandt.
Es besteht jedoch ein deutlicher Unterschied zwischen der Planung von
öffentlichen Investitionen und deren tatsächlicher Umsetzung. So lag der
Realisierungsgrad für öffentliche Investitionsvorhaben im Sektor Transport und
öffentlicher Bau in den letzten Jahren durchschnittlich bei etwa 60%, während
das Gesamtprogramm um die 70% erreichte. Die Gründe dafür sind vielfältig und
liegen zum einen in der begrenzten Fähigkeit der nationalen Kräfte auf nahezu
allen Ebenen, Geplantes effizient umzusetzen. Zum anderen verlangt die Dynamik
der sich ständig ändernden sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen der
Prioritätensetzung zu jeder Zeit Flexibilität ab, an der es in den meisten
Fällen mangelt.
Die Mobilisierung finanzieller Ressourcen wird die wichtigste Bedingung zur
Verwirklichung der Entwicklungsstrategie im Transport- und Verkehrssektor
bleiben. Während die Tarifordnung im Hafen von Conakry und das
Besteuerungssystem im Flughafen Conakry-G'Bessia in den letzten Jahren bewiesen
haben, daß die Deckung der Betriebs-, Wartungs- und Instandhaltungskosten
weitgehend gewährleistet ist, reichen die direkten Einnahmen aus dem
Straßenverkehrsbereich nicht einmal aus, um die laufenden Kosten für Wartung und
Instandhaltung des Straßennetzes zu decken, geschweige denn für Investitionen.
Landtransport
Obwohl die vom Staat in einem für die Wartung und Instandhaltung des Straßennetzes eingerichteten Fonds (Fonds Routier) bereitgestellten Mittel von 1 Mrd. FG im Jahre 1994 auf 4,5 Mrd. FG im Jahre 1997 anstiegen, erreichen sie nur etwa 60% des tatsäch-
lich benötigten Umfangs (MT Nr. 2698, S. 1653)(296).
Die Differenz stellt einen akuten Mittelbedarf dar, dessen Deckung Gegenstand
von Finanzierungsdiskussionen mit den internationalen Geberinstitutionen ist.
Diese wiederum oktroieren Mittel wiederum nur, Wenn der Bereich Wartung und
Instandhaltung vollständig privatisiert ist und auf tragfähigen Strukturen
basiert. Formell ist dies mit der Privatisierung der ehemaligen
Straßenbaubehörde (Office des Projets Routiers OPS) in eine Aktiengesellschaft
(Société Guinéenne des Travaux Routiers SOGUITRO) geschehen. Dennoch bleibt die
SOGUITRO Generalauftragnehmer des Staates, vergibt jedoch die Arbeiten im
Unterauftrag an Privatunternehmen, die sich gleichzeitig den entsprechenden
Fuhr- und Maschinenpark von ihr leihen können.
Diese wie eine Zwangstherapie anmutende Privatisierungsmaßnahme, die zur
gleichen Zeit die privatwirtschaftliche Initiative in diesem Bereich fördern
sollte, hat denn auch ihre größten Schwächen in der fehlenden Expertise und
dadurch mangelnden Effizienz der im Entstehen begriffenen KMI/KMU einerseits
sowie der ungenügenden Kompetenz zur Planung und Kontrolle der eingesetzten
Mittel seitens der SOGUITRO andererseits. Daraus ergibt sich eine der
wichtigsten sektoriellen Entwicklungsaufgaben, nämlich die weitere Förderung des
Aufbaus tragfähiger privatwirtschaftlicher Strukturen und ihre langfristige
Konsolidierung durch die Steigerung ihrer Planungs-, Durchführungs- und
Managementkompetenzen.
Natürlich stehen die Unternehmen in diesem Bereich, wie im gesamten
guineischen Privatsektor, vor ständigen Liquiditätsproblemen. Der Aufbau einer
dezentralen, vor allem die ländlichen Zonen mit einem ausgeprägten Netz von
Sekundärstraßen und Verbindungs- und Zubringerpisten erfassenden
Finanzinfrastruktur erweist sich auch für diesen Sektor als prioritär. Gute
Erfahrungen wurden im Rahmen eines von 1990 bis 1997 laufenden Projekts zur
Entwicklung der ländlichen Infrastruktur mit einer arbeitskraftorientierten
Methode bei Bau und Instandhaltung von ländlichen Pisten gemacht, die gegenüber
der konventionellen maschinen- und technologieorientieren Methode Vorteile im
geringeren Finanzierungsniveau, der Schaffung von Arbeitsplätzen, der
Stimulierung der lokalen Wirtschaft sowie im Umweltschutz hat (WB 1997a, S.
11ff).
Neben den geplanten und teilweise in der Umsetzung begriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der politischen und institutionellen Rahmenbedingungen hängt die Steigerung der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Sektors hinsichtlich eines langfristig tragfähigen Entwicklungskonzeptes des Straßenverkehrsnetzes von der Realisierung folgender drei subsektorieller Vorhaben ab:
1. der strukturellen und organisatorischen Verbesserung des Stadtverkehrs in Conakry, insbesondere im Hinblick auf eine Optimierung der Verkehrsführung durch angepaßte Regelungsmaßnahmen und eine Ausgrenzung des Schwerlastverkehrs sowie die Erleichterung des Verkehrsflusse durch den weiteren
Ausbau der Hauptausfall- und Einfallachsen bis weit in die Vororte hinaus;
2. den Erhalt und weiteren Ausbau des Straßen- und Pisten-Verbindungsnetzes zwischen den Städten und intraregional zur weiteren Erfassung und Erschließung des Hinterlandes;
3. den Ausbau interregionaler Verbindungen zu den Nachbarstaaten.
Die Organisation und Handhabung des Fonds Routier wird für die Zukunft des
Straßen- und Pistennetzes entscheidend sein. Von guineischer Seite permanent
unterfinanziert, wird er ob seines technischen Charakters als Betriebs- und
Unterhaltungskomponente von internationaler Geberseite ebenfalls nicht
gegenfinanziert. Geber- und Empfängerrationalität treffen sich dort, wo nicht
realisierbare Instandhaltungsmaßnahmen Rehabilitierungen oder gar einen Neubau
erforderlich machen.
Schienenverkehr
Der Schienenverkehr ins Landesinnere weist derzeit kaum eine tragfähige
Entwicklungsperspektive auf, da das voraussichtliche Investitionsvolumen zur
Wiederherstellung der Verbindung Conakry - Kankan jede verfügbare
Finanzierungsmöglichkeit übersteigen würde. Außerdem ist durch die
Instandsetzung der Fernstraße im Rahmen der 4. Phase zum Ausbau des
Straßenverkehrsnetzes (s. Kap. 6.3.2.2.1) eine dem Verkehrsaufkommen bisweilen
angemessene Alternative gegeben.
Einzig die Möglichkeit, bestehende und geplante Linien des Bergbausektors zum
Abtransport der geförderten und aufbereiteten Erze zusätzlich für den Personen-
und Güterverkehr zu nutzen, ist entwicklungsfähig. Es handelt sich einerseits um
die bestehenden Werkslinien der FRIGUIA (Fria - Conakry) und der SBK (Kindia -
Conakry) sowie die im Rahmen der vorgesehenen Erschließung des Bauxitvorkommens
von Dabola - Tougoué geplanten Rehabilitierung der Linie Dabola - Conakry.
Maritimer Transport
Der Hafen von Conakry sieht seine zukünftigen Wachstumschancen in der
Gewinnung von Marktanteilen am Transitverkehr zu den Anrainerstaaten,
insbesondere zum östlichen Nachbarstaat Mali. Ein erstes Abkommen zwischen den
beiden Ländern regelt die Bereitstellung einer Lagerfläche von ca. 2.500
m2 im Hafen für die Lagerung von Transitgütern von und nach Mali (MT
Nr. 2698, S. 1656).
Doch ist der Hafen von Conakry als landesweit wichtigster Umschlagsort für
den Außenhandel schon jetzt hinsichtlich seiner Lagerungskapazitäten und des
Abtransports/der Zulieferung aller Güter quer durch die Hauptstadt überlastet.
Aus diesem Grunde existieren neben dem Vorhaben einer weiteren Ausbauphase der
Hafeninfrastruktur (s.o.) Pläne, einzelne Aktivitäten wie die Mineralöllagerung
aus dem Kerngebiet des Hafens auszuschließen und an geeigneter Stelle außerhalb
des Stadtgebietes anzusiedeln, mit dem Hafen mittels einer Pipeline verbunden.
Eine weitere Entlastung des Hafens von Conakry ist mit der Rehabilitierung des Hafens von Benty geplant. Obwohl ständige Wassertiefen von 12 m die problemlose Aufnahme von Großschiffen erlauben, erscheinen die Anfangsinvestitionen für den Wiederaufbau der Kaimauer, die Räumung der Anlegeplätze, die Ausbaggerung des Zufahrtskanals so-
wie der Bau der Zufahrtsstraße unüberwindbar.
Luftverkehr
Trotz der Renovierung des Flughafens von Conakry befindet sich der nationale
Luftverkehr seit langem in einer Phase der Stagnation. Obwohl sich einige
private Fluggesellschaften neu angesiedelt haben und den inländischen
Flugverkehr regelmäßig bedienen, ist seine Ausweitung nur durch die
Instandsetzung und den Ausbau der Inlandsflughäfen möglich. Hierzu fehlen
derzeit und für die nähere Zukunft jedoch die Mittel. Die nationale
Fluggesellschaft Air Guinée ist der Auflösung nahe. Mit jährlichen Defiziten von
mehreren Mill. US$ hinterließ sie deutliche Spuren im Staatshaushalt des Landes.
Angestrebt wird die Privatisierung zu einer Aktiengesellschaft, in der eine
kompetente internationale Fluggesellschaft die finanzielle und technische
Führung übernimmt und der Staat sich ein angemessenes Maß seiner Beteiligung
erhalten kann.
6.3.3 Der Finanzsektor - Nach reformschwachen Jahren bedingte
Sicherheit und Konsolidität
6.3.3.1 Die öffentliche Finanzen - Früchte der Haushalts- und
Steuerpolitik
Der Haushalt der Regierung
Seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzreformen im Jahre 1986 war die Führung des guineischen Staatshaushaltes wichtigen strukturellen Wandlungen unterworfen, die ihn im Rahmen des Anpassungsprozesses von Staat und Wirtschaft an internationale Entwicklungsmaßstäbe zu einem bedeutenden Instrument der Entwicklungsplanung und -durchführung für das Land machten.
Eines der wichtigsten Reformziele war das Erreichen zunehmender Unabhängigkeit von den durch hohe Schwankungen charakterisierten Einnahmen aus dem Bergbausektor mit Hilfe von wachsenden Einkünften aus anderen Sektoren. So betrug im Zeitraum von 1987 bis 1992 das Wachstum der nichtbergbaulichen Erträge im Jahresdurchschnitt etwa 57,6%. Ihr Anteil an den gesamten Steuereinnahmen stieg von 19% im Jahre 1987 auf knapp 78% im Jahre 1995 an (s. Tab. 55). Mit der Konsolidierung dieser Haushaltspolitik erhöhten sich auch die Zuschüsse der internationalen Finanzhilfe von 14% im Jahre 1986 (ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 174) auf etwa 27% im Jahre 1995, gemessen an den staatlichen Gesamteinnahmen. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben proportional dazu an und erreichten in den Jahren zwischen 1987 und 1992 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von etwa 25%. Erst seit 1993, als der IWF und die Weltbank aufgrund des bisher immer noch zu zögerlich durchgeführten Abbaus des Beamtenapparates(297) sowie der steigenden Inlandsverschuldung mit wesentlichen Kürzungen und Aufschiebungen der Strukturanpassungskredite und anderen Zuschüssen drohten, kam es zu drastischen Ausgabenkürzungen in allen Haushaltsbereichen. Zwischen 1993 und 95 ging die Wachstumsrate der Ausgaben auf durchschnittlich 4% zurück; für Waren und Dienstleistungen war sogar ein nominaler Ausgabenrückgang zu verzeichnen (1993 80,6 Mill. US$, 1995 72,7 Mill. US$; s. Tab. 55).
Tabelle 55: Haushalt der guineischen Regierung 1989 - 1997 (in Mrd. FG)(1)
EINNAHMEN | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997(1) |
Steuereinnahmen | 167,9 | 229 | 264,4 | 322,8 | 327,6 | 318,9 | 401,5 | 373,4 | 443,4 |
Bergbau | 128,4 | 147,7 | 138,7 | 145,9 | 137,4 | 98,5 | 110,7 | 106,3 | 122,9 |
Mineralölsteuer | 18,7 | 17,1 | 35,3 | 48,9 | 52,6 | 65,1 | 72,6 | 66,7 | 63,9 |
Zölle int. Handel | 15 | 32,1 | 48 | 56,3 | 51,2 | 53,8 | 58 | 56,3 | 75,3 |
Güter und Dienstleistungen | 19,3 | 24,6 | 28,5 | 47,1 | 61,9 | 71,4 | 98,4 | 100,6 | 135,7 |
Einkommen und Gewinne | 5 | 7,5 | 13,9 | 24,6 | 24,5 | 30,1 | 36,6 | 43,5 | 45,6 |
Nichtsteuerliche Einnahmen | 13,6 | 16,2 | 14,3 | 21,5 | 24 | 24,4 | 25,2 | 25,2 | 32,5 |
Zuschüsse | 52,5 | 68,3 | 82,5 | 117,3 | 112,7 | 117,5 | 146,3 | 123 | 135,4 |
Gesamteinnahmen | 234 | 313,5 | 361,2 | 461,6 | 464,3 | 460,8 | 547,8 | 521,6 | 611,3 |
AUSGABEN | |||||||||
Laufende Ausgaben | 170,2 | 207,3 | 246,7 | 287,9 | 293,5 | 311,8 | 329,6 | 350,7 | 383,4 |
Löhne u. Gehälter | 60,7 | 78,5 | 102,8 | 132,2 | 140,3 | 145,5 | 154,9 | 173,4 | 171,7 |
Waren und Dienstleistungen | 55,8 | 69,8 | 71,8 | 77,3 | 80,6 | 76,5 | 73,1 | 75 | 83,9 |
Subventionen/Übertragungen | 24,4 | 17,2 | 28 | 32,6 | 31,1 | 37,3 | 52,2 | 50,3 | 60,3 |
Zinszahlungen | 29,3 | 41,8 | 44,1 | 45,8 | 41,5 | 52,5 | 49,4 | 52 | 67,5 |
Investitionsausgaben | 151,5 | 218,5 | 220,6 | 288,9 | 286,1 | 268,8 | 313,9 | 290,7 | 349,1 |
Gesamtausgaben | 321,7 | 425,8 | 467,3 | 576,8 | 579,6 | 580,6 | 643,5 | 641,4 | 732,5 |
BILANZ | |||||||||
Saldo Verbindlichkeiten | -87,7 | -112,3 | -106,1 | -115,2 | -115,3 | -119,8 | -95,7 | -119,8 | -121,2 |
Veränderungen in Zahlungsrückständen(2) | -1,7 | 37,6 | 12,2 | -89,9 | 0,3 | 19,2 | -58,6 | 10,3 | -56,6 |
Gesamtbilanz | -89,4 | -74,7 | -93,9 | -205 | -115 | -101 | -154 | -110 | -178 |
FINANZIERUNG | |||||||||
Externe Finanzierung | 103,2 | 88,2 | 87,8 | 217,4 | 149,7 | 86,2 | 130,2 | 81,1 | 236,5 |
Darlehen | 115,7 | 120,1 | 133 | 173,5 | 194 | 136 | 152,7 | 123 | 251,3 |
Amortisation | -46 | -62,6 | -89,6 | -110,2 | -93,6 | -139,5 | -94,3 | -77,4 | -76,1 |
Umschuldung | 44,8 | --- | --- | 346,8 | 56,6 | 0 | 246 | 0 | 75 |
Veränderungen in Zahlungs-
rückständen(3) |
-11,4 | 30,8 | 44,4 | -219,4 | 70,9 | 95,4 | -174,2 | 35,5 | -13,7 |
Interne Finanzierung | -13,8 | -13,6 | 6,1 | -12,3 | -34,7 | 14,3 | 24,1 | 28,4 | -58,7 |
Gesamtfinanzierung | 89,4 | 74,7 | 93,9 | 205,1 | 115 | 100,6 | 154,3 | 109,5 | 177,8 |
Gesamtbilanz d. Finanzen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
ZUM VERGLEICH |
Einnahmen des Bergbaus/% der Steuereinnahmen | 76,4 | 64,5 | 52,5 | 45,2 | 41,9 | 30,9 | 28,1 | 28,5 | 27,7 |
BIP zu Marktpreisen(1)(4) | 1624 | 1930 | 2346 | 2890 | 3116 | 3309 | 3642 | 3981 | 4278 |
Einnahmen ohne Zuschüsse/BIP (%) | 11,2 | 12,7 | 11,9 | 11,9 | 11,3 | 10,4 | 11,3 | 10 | 11,1 |
Steuereinnahmen/BIP (%) | 10,3 | 11,9 | 11,3 | 11,2 | 10,5 | 9,6 | 10,2 | 9,4 | 10,4 |
Steuereinnahmen ohne Bergbau/BIP (%) | 2,4 | 4,2 | 5,4 | 6,1 | 6,1 | 6,7 | 7,4 | 6,7 | 7,5 |
Defizit (Steuerbilanz inkl. Zuschüsse/BIP (%) | -5,5 | -3,9 | -4 | -7,1 | -3,7 | -3 | -4,1 | -2,8 | -4,2 |
Ausgaben/BIP (%) | 19,8 | 22,1 | 19,9 | 19,9 | 18,6 | 17,5 | 17,5 | 16,1 | 17,1 |
(1) zu Marktpreisen
(2) National und international
(3) Amortisation
(4) ohne OBK/SBK
(5) Schätzungen
(Quelle: WB 1990a, Bd. I, Anhang 3; ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 172; RG 1992a,
S. 14 u. 15; RG TBEG Nr. 12, 1/92, S. 10 u. 11; RG TBEG Nr. 16, 1/93, S. 10 u.
11; RG TBEG Nr. 20, 4/93, S. 8; IWF 1993a, Anhang 1; EIU CP 1993/94, S. 24 u.
25; PNUD 1994, S. 6; EIU CP 1994/95, S. 26; RG 1994a, S. 6; PNUD 1995a, S. 8; RG
1995a, S. 5 u. 10; StLB 1995, S. 85 u. 86; EIU CP 1996/97, S. 13 u. 26, RG
1998e, S. 21ff).
Dennoch müssen parallele Maßnahmen zur Kürzung der Ausgaben im
Investitionsbereich und zur Verbesserung des Steuereinzugs auf einer kohärenten
Strategie hinsichtlich eines langfristig stabilen und schwankungsfreien
Ausgleichs basieren, da eine fehlende Komplementarität eher entwicklungshemmend
auf die Volkswirtschaft wirkt.
EINNAHMEN
Die sich allmählich einstellende positive Entwicklung in der Mobilisierung
inländischer Steuerressourcen durch eine stetige Verbesserung und
Anwendungsdurchsetzung des Steuereinzugssystems konnte den Einbruch der
Einnahmen aus dem Bergbau in den Jahren 1993, 1994 und 1996 nicht auffangen, so
daß insbesondere 1994 und 1996 ein nominaler Rückgang der Gesamtsteuereinnahmen
zu verzeichnen war. Die drohende Zahlungsunfähigkeit des Staates konnte
größtenteils durch eine erhöhte direkte (Darlehen) und indirekte (Umschuldung)
externe Finanzierung gewährleistet werden, die 1995 sogar auf 11% vom BIP stieg
(s. Tab. 55).
Obwohl das optimale Verhältnis der Steuereinnahmen zum BIP hinsichtlich eines das ökonomische Wachstum nicht beeinträchtigende Steuerniveau schwierig zu bestimmen ist, hat Guinea gegenüber anderen afrikanischen Staaten mit vergleichbarem BIP pro Kopf sein Potential an Steuerreserven noch lange nicht ausgeschöpft. Während die Einnahmen aus direkten Steuern durch die immer noch bedeutenden Einnahmen aus dem Bergbau deutlich über dem Durchschnitt liegen, sind Zoll- und Abgabengewinne aus den Bereichen internationaler Handel, Güter und Dienstleistungen vergleichsweise gering. Dennoch ist seit 1989 ein beständiges Wachstum der Steuereinnahmen außerhalb des
Bergbaus zu verzeichnen, und 1997 überstiegen die Abgabengewinne aus Güter
und Dienstleistungen erstmals die bergbaulichen Steuereinnahmen, deren Anteil an
den Gesamtsteuereinnahmen umgekehrt proportional stetig sank.
Die Gewinne aus dem internationalen Handel resultierten ausschließlich aus dem Zollverkehr des Hafens und des Flughafens von Conakry(298). Indessen reduzieren bis heute zwei dem guineischen Zoll eigenen Verhaltensweisen seine Einnahmen erheblich und belasten den Staatshaushalt durch beträchtliche Verluste:
a. Die Minderung des Wertes von Importwaren war ein gebräuchliches Mittel zur
Reduzierung der Importsteuern, nahm jedoch mangels Kontrolle die Volkswirtschaft
schädigende Ausmaße an. Erst seit Mitte 1995 wird bei allen Importen eine
allgemeine Waren- und Preiskontrolle ab dem Herkunftsland durchgeführt.
b. Gerade nach Beginn der Handelsreformen 1985/86 artete die Praxis, Zoll- und Abgabenbefreiungen zum Zwecke der indirekten Förderung sektorieller Aktivitäten zu gewähren, zu einem unkontrollierbaren Mißbrauch aus. Untersuchungen einer unabhängigen Expertenkommission sowie die Einführung und Inbetriebnahme eines Zollinformationssystems(299) zeigten, daß Steuerbefreiungen (mit Ausnahme jener für Entwicklungshilfe und dem diplomatischen Dienst) 1994 für eine Minderung der Staatseinnahmen von 68,7 Mrd. FG, also 2,1% des BIP verantwortlich waren (WB 1996, S. 15).
Die gesetzlich festgelegten Zollabgaben für den Import der Mehrzahl privater Waren und Güter belaufen sich auf insgesamt 30% des Wertes. Eine Analyse der tatsächlichen offiziellen Einnahmen im Verhältnis zu den importierten Waren ergibt jedoch nur eine durchschnittliche Abgabenrate von 13,2% für die Jahre von 1990 bis 1994 (EBENDA). Das bedeutet, daß entweder mehr als die Hälfte der privaten Güter am Zoll vorbei in das Land gelangten oder nur zur Hälfte ihres tatsächlichen Wertes verzollt wurden. Die folgende Grafik zeigt außerdem, daß seit 1991 eine negative Tendenz in der Entwicklung der Abgabenrate vorherrschte. Der Verlauf der Mineralölsteuereinnahmen stellt sich ähnlich unzufriedenstellend dar (Grafik 17)(300). Die sich 1991 der geschätzten tatsäch-
lichen Verbrauchsmenge um etwa 75% nähernde Versteuerung hat ihre Begründung in einer zum Zeitpunkt der irakischen Invasion in Kuwait eingeführten Steuersenkung, um einem möglichen Ölpreisschock vorzubeugen (EBENDA, S. 16). Die nachfolgende Steuerberichtigung verminderte die Versteuerungsrate wieder bei anhaltender Steigerung des Gesamtverbrauchs.
Seit der Etablierung eines beständigen Haushaltes im Jahre 1989 schaffte es
die guineische Regierung trotz beträchtlicher Einnahmeschwankungen einerseits
und seiner strukturellen Mängel andererseits durch die Einführung und Anwendung
von Steuerungsinstrumenten immer wieder, diesen rechtzeitig anzupassen, um zu
einer letztendlich weitgehend stabilen Haushaltsbilanz zu kommen. In der Tat
wurde die Haushaltsführung durch die Zusammenfassung aller Ausgaben in einem
Budget und eine verstärkte Ausgabenkontrolle zu einem wichtigen Werkzeug in der
Entwicklung von Wirtschaft und Finanzen. Dennoch schwächen ständige Abweichungen
von eingeführten Standardprozeduren und -mechanismen seine Effizienz und führen
oft zu ad-hoc-Maßnahmen, die die Planungsziele und Durchführungskonzepte zu
ihrer Erreichung gefährden.
AUSGABEN
Seit 1990 sind die Ausgaben, im Verhältnis zum BIP gesetzt, beständig gesunken und erreichten 1997 nur noch 17,1% (s. Tab. 55). Damit einher ging der fremdfinanzierte Anteil an den öffentlichen Investitionsausgaben ebenfalls zurück, von 10,1%/BIP im Jahre 1990 auf 6,9%/BIP im Jahre 1994 (EBENDA, S. 19). Doch auch die laufenden Ausgaben erfuhren mit Ausnahme der öffentlichen Löhne und Gehälter teilweise rigide nominale Kürzungen.
Der Anstieg der Löhne und Gehälter der Staatsbediensteten von noch 38% im Jahre 1990 auf nahezu die Hälfte der gesamten laufenden jährlichen Ausgaben des Staates im Jahre 1993 hatte mehrere Ursachen: Aufgrund erheblicher politischer Unruhen wurden die staatlichen Gehälter 1991 verdoppelt. Ein Jahr später sorgte eine Umklassifizierung des Beamtentarifes für Grundschullehrer, die 23% der öffentlichen Angestellten ausmachten, für eine Erhöhung ihrer Gehälter um 50%. Außerdem führten unkontrollierte Bonus- und Zuschlagsregelungen für enorme jährliche Zusatzausgaben.
Im Bereich der Subventionen und Übertragungen waren es weniger die Finanzhilfen für die nach der Privatisierungswelle noch übriggebliebenen Staatsbetriebe(301), sondern vielmehr die Mitfinanzierung der ECOMOG - Friedenstruppen in Sierra Leone und
Liberia(302)
sowie wachsende Rentenausgaben, die für ein beständiges Ausgabenwachstum in
diesem Bereich sorgten. Der Anstieg der Renten hatte seinen Ursprung sowohl in
der seit Beginn der 90er Jahre eingeführten freiwilligen Pensionierung als auch
in einer deutlichen Aufwertung der Renten 1992 nach der Anhebung der
Beamtengehälter (s.o.).
Drastisch wurden die Ausgaben für Waren und Dienstleistungen gekürzt, die von
1993 bis 1995 um nominal 10% zurückgingen, was unter Berücksichtigung der
Inflation im selben Zeitraum einen Rückgang von mehr als 20% bedeutet.
Bestandteil der allgemeinen Haushaltskürzungen einerseits, lag die erklärte
Absicht der guineischen Regierung zugrunde, mit den Ausgabenreduzierungen in
diesem Bereich betrügerische Machenschaften und Korruption einzudämmen. Es
bleiben jedoch Zweifel, ob die Kürzungen dieses Ziel erreichen, denn das System
zur Ausgabenkontrolle bleibt nach wie vor schwach. Im Gegenteil, fehlende
Ausgaben führten in manchen Bereichen bald an den Rand der Handlungsunfähigkeit,
vor allem im Bildungs- und Sozialwesen.
DAS ÖFFENTLICHE INVESTITIONSPROGRAMM
Seit Entstehen der II. Republik legte Guinea ein ambitionsreiches
öffentliches Investitionsprogramm auf (Programme des Investissements Publics
PIP), um seine heruntergekommene physische Infrastruktur wiederherzustellen und
zu entwickeln. Die internationale Gebergemeinschaft unterstützte dieses Ziel mit
technischer und finanzieller Hilfe in Höhe von durchschnittlich 85% der
Investitionskosten. Bis 1990 wuchs der Anteil der Ausgaben für das
Investitionsprogramm auf 11,3% des BIP an (s. Tab. 55).
Die in den Folgejahren aufgrund ausbleibender Bergbaueinnahmen im
Gesamthaushalt und einer wegen unzureichendem Managements gekürzer externer
Unterstützung reduzierte Finanzgrundlage ließ das Investitionsprogramm deutlich
zurückfallen, seinen Anteil am BIP auf 7,3% sinken (1996). Die
Ressourcenknappheit veränderte die Prioritäten: während die externe Finanzierung
(Financement Extérieur FINEX) wie bisher die Entwicklung des sozialen und
ländlichen Sektors förderte, wurde das nationale Budget (Budget National de
Développement BND) mehr und mehr für die Verbesserung der allgemeinen Verwaltung
und den Energiesektor verwandt.
Doch letztendlich sind nicht allein die durch die Kürzungen des Haushalts hervorgerufenen Planungs- und Entscheidungsspannungen für die mangelnde Transparenz im Verabschiedungsprozeß des PIP verantwortlich. Das drei Planungsjahre umfassende Investitionsprogramm wird in jährlichen Sitzungen zwischen der zuständigen Behörde (Direction Nationale des Investissements Publics DNIP) und den betroffenen Ministerien in den letzten 2 - 3 Monaten des Steuerjahres als Komponente der Haushaltsplanung verhandelt und aktualisiert. Die Entscheidungsfindung zur Aufnahme neuer Projekte oder Anpassungen von Budgetzuweisungen bleibt indes unklar. Des weiteren übersteigt der jeweils verabschiedete Budgetvorschlag stets den möglichen Finanzrahmen des PIP und muß daraufhin nach makroökonomisch und steuerpolitisch relevanten Erfordernissen gekürzt werden. Dabei kommen planungs- und projektspezifische Notwendigkeiten wie z.B. Förderungskontinuitäten und Qualitätssicherung ständig zu kurz. Andererseits werden Finanz- und Verlaufskontrollen, Langzeitbewertungen für eine Nachhaltigkeitssiche-
rung oder Sanktionen weniger möglich.
DIE ZUKÜNFTIGE HAUSHALTS- UND STEUERPOLITIK
Seit 1993 nimmt die guineische Regierung zur Kompensation der deutlichen
Mindereinnahmen aus dem Bergbau erhebliche Kürzungen in den laufenden
öffentlichen Ausgaben und in ihrem Investitionsprogramm vor, um einer
makroökonomischen Instabilität vorzubeugen. Gleichzeitig führte ein allmählich
sich effektiver gestaltender Steuereinzug zu einem besseren Verhältnis des
Steueraufkommens zu den laufenden Ausgaben. Bei möglichen negativen
Veränderungen der finanziellen Parameter ist dieser Zustand des Übergangs zur
Überbrückung finanzschwacher Zeiten gefährlich instabil und sollte daher
zeitlich begrenzt bleiben. Das Risiko einer stagnativen und sogar rezessiven
Haushaltspolitik äußert sich durch die Veränderung der Investitionsprioritäten
der guineischen Regierung, die bei Finanzknappheit im Rahmen ihres Budgets (BND)
steigende Investitionen im Verwaltungsbereich aufweist und durch Mittelkürzungen
in mit externen Geldgebern (FINEX) kofinanzierten Projekten Entwicklungsziele
gefährdet.
Langfristig gesehen ist die Steigerung der öffentlichen Einnahmen durch
erhöhte Steuereinnahmen vorteilhafter und nachhaltiger als eine
Bilanzverbesserung durch Ausgabenkürzungen. Die Reaktion der Wirtschaft auf
allgemein ausgewogene und sinnvolle Steuererhöhungen ist in der Regel weniger
sensibel und restriktiv als auf die Reduzierung öffentlicher Investitionen und
das damit verbundene Ausbleiben marktwirtschaftlich notwendiger Anreize. Das
setzt allerdings voraus, daß Steuererhöhungen unter der Eliminierung von
Steuerprivilegien traditioneller, politischer oder machtindustrieller Art, also
unter Anwendung des Prinzips der Steuergleichheit im Rahmen eines Prozesses der
Mentalitätsänderung vorgenommen werden.
Die zukünftige Steuerpolitik Guineas wird sich auf Reformen in bestimmten Steuerarten sowie die Einführung und stringente Durchsetzung von Maßnahmen zur weiteren Verbesserung des Steuereinzugsystems konzentrieren. Zum einen soll das Anwendungsfeld für indirekte Steuern erweitert und gleichzeitig eine Vielzahl von sich akkumulierenden Kleinsteuern auf importierte und produzierte Zwischen- und Endgüter zu einer einheitlichen Mehrwertsteuer vom 20% zusammengefaßt werden (RG 1995d, S. 15). Zum anderen soll die Mobilisierung von Steuern durch die folgenden Maßnahmen weiter forciert werden:
1. Zentralisierung der Steuernverwaltung mit sämtlichen Verantwortlichkeiten für den Steuereinzug auf die nationale Steuerbehörde (Direction Nationale des Impôts DNI)(303).
2. Erhebung einer Vorsteuer von 3% auf alle Importe zur besseren Erfassung und Kontrolle informeller Aktivitäten(304).
3. Verbesserung der Erfassung und des Einzugs der Grundstücks- und Immobiliensteuer durch die Anlegung eines Katasters.
4. Bekämpfung des Mißbrauchs von Steuerbefreiungen durch eine deutliche Einschränkung dieser und Kontrolle dieser(305).
5. Verhinderung der Unterfakturierung von Importen durch Steigerung der Transparenz von Verzollungsvorgängen.
6. Aufhebung von Befreiungen von der Mineralölsteuer.
7. Einrichtung einer Spezialabteilung bei der Steuerbehörde für den gezielten
Steuereinzug bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 150 Mill. FG zur
Vermeidung von Zahlungsrückständen.
Des weiteren stellen insbesondere die Überwachung der ordnungsgemäßen
Verzollung der Nahrungsmittelimporte für das Militär sowie die Kontrolle der
zollfreien Importe von Verbrauchsgütern für die internationalen
Bergbaugesellschaften ein weiteres sensibles Feld dar, den Mißbrauch in Form des
kommerziellen Weiterverkaufs o.ä. der Güter in sich bergend.
Die Zahlungsbilanz
Die Jahre 1990 bis 1992 waren gezeichnet vom Rückgang der Exporte aus dem
Bergbausektor, hervorgerufen durch den Aluminiumpreisverfall auf dem Weltmarkt
sowie tiefgreifenden Restrukturierungen und umfangreichen Modernisierungen der
Minengesellschaften, die die laufende Produktion teilweise beeinträchtigten.
Gleichzeitig stieg der Import von Zwischen- und Konsumgütern weiter an und
übertraf in den Jahren von 1992 bis 1994 die Exporte, so daß die Handelsbilanz
negativ ausfiel (s. Tab. 56).
Auch der Kapitalfluß stagnierte bis 1991, was zur negativen Entwicklung der
Zahlungsbilanz beitrug. Die auftretenden Defizite konnten durch Umschuldungen,
Schuldenteilerlasse, die Mobilisierung finanzieller Staatsreserven, Erhöhungen
der Rückstände im Schuldendienst, Kreditaufnahme im Ausland und die
Zahlungsbilanzausgleichshilfe internationaler Finanzinstitute neutralisiert
werden.
Mit Ende der Reorganisation und Modernisierung der Bergbaugesellschaften,
deren vorherige Produktionskapazitäten wieder erreicht und z.T. gesteigert
werden konnten, nahmen 1993 die Ausfuhren wieder leicht zu, während die
Einfuhren gekürzt wurden. Dadurch fiel die Handelsbilanz weniger negativ aus. Im
Folgejahr führten allerdings eine schwache Dienstleistungbilanz, geringe
Übertragungsleistungen sowie eine unbefriedigend niedriger Saldo in der
Kapitalbilanz wiederum zu einer negativen Zahlungsbilanz. Ab 1995 sorgten der
mittels Reformen und Neuinvestitionen erstarkte Bergbau, aber mittlerweile auch
andere Produktions- und Dienstleistungszweige durch eine Steigerung der Exporte
für eine deutliche Verbesserung der Handelbilanz. Die Dienstleistungsbilanz hat
sich durch eine strikte Haushaltspolitik stabil gehalten.
Tabelle 56: Zahlungsbilanz Guineas 1989 - 1996 (in Mill. US$).
Bilanz/Jahr | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 |
Handelsbilanz (fob) | 135,9 | 66,1 | 13,0 | -146,6 | -111,3 | -88,9 | 34,3 | 17,3 |
Ausfuhr | 722,8 | 789,3 | 754,8 | 621,9 | 646,3 | 564,5 | 719,3 | 637,4 |
Einfuhr | -586,9 | -723,2 | -636,8 | -768,5 | -757,6 | -653,4 | -685 | -620,1 |
Dienstleistungsbilanz | -317,5 | -320,9 | -293,2 | -236,7 | -231,1 | -206,7 | -182,5 | -189,3 |
Saldo der Übertragungen | 53,8 | 60,7 | 78,7 | 80,7 | 103,2 | 67,3 | -52,6 | -68,0 |
Privat | -44,2 | -40,2 | -30,8 | -52,9 | -52,3 | -52,9 | -200,2 | -190,0 |
Staatlich | 98 | 100,9 | 109,5 | 133,6 | 155,5 | 120,2 | 147,6 | 122,0 |
Saldo der Leistungsbilanz | -127,8 | -194,1 | -201,5 | -302,6 | -239,2 | -228,3 | -200,8 | -240,0 |
Saldo der Kapitalbilanz | 119,4 | 117,9 | 114,5 | 182,2 | 189,1 | 62,9 | 127,9 | 117,4 |
Goldmünzprägung | 8,3 | 27,3 | 35,4 | 35,5 | 37,6 | 69,4 | 0 | 0 |
Ungeklärte Beträge | -27,9 | 11,2 | -16,0 | 2,4 | 36,8 | 49,0 | -29,5 | -19,0 |
Saldo der Zahlungsbilanz | -28,0 | -37,7 | -67,6 | -82,5 | 21,3 | -47,0 | -102,4 | -141,6 |
(Quelle: WB 1990a, Bd. I, S. 45; RG 1992a, S. 19-21; IWF 1993a, Anhang 9; EIU
CP 1993/94, S. 28/29; EIU CP 1994/95, S. 30; RG 1994a, Anhang Tab. 9; StLB 1994,
S. 96; RG 1995a, S. 4; EIU CP 1996/97, S. 30; RG 1995e, S. 6; RG 1998e, S. 26).
6.3.3.2 Die öffentliche Auslandsverschuldung - Ein Teufelskreis ohne
Ausgang
Im Zuge der seit 1982 bestehenden Verschuldungskrise in den Entwicklungsländern und dem mit dem Beginn der II. Republik einsetzenden Kapitalzufluß aus der westlichen Welt hat sich Guinea ebenfalls stark verschuldet(306). 1987 erreichte die Schuldenlast mit knapp 98% des BIP einen relativen Höchststand. Die meisten Kredite vergaben bilaterale Geber, allen voran die Länder des Pariser Clubs(307). Ihr Anteil an den langfristigen Schulden betrug in den Jahren von 1986 - 92 etwa 64%, wies jedoch eine abnehmende Tendenz auf und erreichte 1997 nur noch 48% (s. Tab. 57). Im selben Zeitraum wuchs die Kreditvergabe multilateraler Organisationen von 21,3% (1986) auf 49,4% (1997) an (PNUD RCD 1997, S. 15ff).
Dies zeigt, daß die multilateralen Entwicklungshilfe- und Finanzorganisationen deutlich ihre Bereitschaft erhöhten, zu Beginn der Reformen zur strukturellen Anpassung und den damit verbundenen Wirtschafts- und Finanzreformen mit der Bereitstellung von Krediten zur Sanierung von Staat und Wirtschaft beizutragen, die Entwicklung voranzutreiben.
Aufgrund der weitestgehenden Einhaltung der im Rahmen des Programms zur strukturellen Anpassung mit dem IWF vereinbarten Haushaltsvorgaben wurden Guinea von den Ländern des Pariser Club insgesamt 3 Anträge auf Umschuldung und Teilschuldenerlaß genehmigt(308) (235 Mill. US$ im April 1986, 124 Mill. US$ im April 1989 und 203 Mill. US$ im November 1992(309)). Für die letzte Umschuldung (203 Mill. US$) galten die seit Dezember 1991 eingeführten Sonderbedingungen für Entwicklungsländer mit niedrigem Einkommen, die sog. "erweiterten Toronto Terms(310)", die im Rahmen gestufter Tilgungspläne 3 Optionen vorsahen:
1. Streichung der Hälfte der Schulden und Umschuldung des Restes zu Marktzinsen unter Gewährung einer Tilgungsperiode von 23 Jahren und 6 tilgungsfreien Jahren.
2. Erweiterung der Tilgungsperiode auf 25 Jahre und 216 tilgungsfreie Jahre, die Rückzahlung erfolgt zu Marktzinsen.
3. Umschuldung unter Gewährung von Vorzugszinsen, so daß der Gegenwartswert
des gesamten vereinbarten Schuldendienstes halbiert wird, wobei ebenfalls eine
Rückzahlungszeit von 23 Jahren ohne tilgungsfreie Zeit zugrundegelegt wird (nach
PNUD 1994a, S. 7).
Weiterhin kam es in Verhandlungen mit dem Pariser Club 1995 zu einer
Umschuldung von ca. 13 Mill. US$ Handelsschulden mit Japan unter den sog.
"erweiterten Toronto Terms" (EIU CR 2/96, S. 18). In denselben Verhandlungen
erließen Frankreich, Deutschland, Japan, Norwegen und die USA unter den "Neapel
- Bedingungen" (Schuldendiensterlaß bis zu 67%) jeweils 50% des an sie für 1994
und 1995 zu entrichtenden Schuldendienstes (EIU CP 1996/97, S. 32). Im selben
Rahmen erfolgte noch einmal eine Schuldenerleichterung von 33,1 Mill. US$. Damit
sind insgesamt etwa ein Fünftel der Gesamtbelastungen umgeschuldet worden. Da
diese Beträge ebenso wie die Kredite multilateraler Organisationen sowie der
überwiegende Teil der Vorzugskredite nicht mehr umgeschuldet werden können, wird
zukünftig nur etwa ein Drittel aller mittel- und langfristigen Schulden
Gegenstand von weiteren Umschuldungsverhandlungen sein können (StLB 1994, S.
87).
1992 betrug die Auslandsverschuldung (langfristige Schulden) 2,46 Mrd. US$, 79% des BIP (s. Tab. 57). Im selben Jahr wurde kein Schuldendienst an Rußland geleistet, da sich einerseits die SBK, dessen Bauxitproduktion ausschließlich nach Rußland exportiert und zu über 50% zur Tilgung der Schulden verwandt wurde (s. Kap. 6.2.2), infolge ihrer Restrukturierung und Privatisierung in einem Produktionstief befand, andererseits Uneinigkeit über die Höhe der Schuldenlast nach dem Verfall der russischen Währung herrschte. Nach Wiederaufnahme der Produktion im Jahre 1993 wurden die Bauxitexporte im Rahmen von Neuverhandlungen von der Schuldentilgung getrennt und mittels di-
rekter Kaufverträge veräußert. Die Schuldensituation mit der ehemaligen
Sowjetunion wurde daraufhin neu verhandelt, und eine Schuldenhöhe von 231 Mill.
US$ für 1994 errechnet (EIU CP 1996/97, S. 31).
Tabelle 57: Öffentliche Auslandsverschuldung Guineas 1989 - 97 (Mill.
US$)(1).
Schuldenart/Jahr | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 |
Auslandsschulden, gesamt | 2167 | 2478 | 2626 | 2643 | 2784 | 3094 | 3242 | 3240 | 3120 |
IWF - Kredite | 61 | 51 | 55 | 60 | 60 | 71 | 94 | 82 | 99 |
Kurzfristige Schulden | 147 | 183 | 170 | 117 | 128 | 152 | 173 | 177 | 131 |
Langfristige Schulden(2) | 1958 | 2244 | 2401 | 2466 | 2596 | 2871 | 2975 | 2981 | 2890 |
Öffentl. Kreditgeber | 1837 | 2136 | 2303 | 2363 | 2492 | 2773 | 2892 | 2883 | 2810 |
Multilateral | 565 | 678 | 827 | 915 | 1060 | 1294 | 1466 | 1486 | 1429 |
Bilateral | 1272 | 1457 | 1476 | 1448 | 1432 | 1479 | 1427 | 1397 | 1381 |
Private Kreditgeber | 121 | 108 | 98 | 103 | 104 | 98 | 82 | 98 | 80 |
Schuldendienst | 115 | 168 | 134 | 85 | 84 | 97 | 181 | 114 | 105 |
Tilgung | 77 | 109 | 91 | 48 | 44 | 54 | 134 | 67 | 60 |
Zinsen | 38 | 59 | 43 | 37 | 40 | 43 | 47 | 47 | 45 |
Zum Vergleich | |||||||||
BIP (Mill. US$) | 2751 | 2838 | 2922 | 3131 | 3047 | 3236 | 3398 | 3648 | 3878 |
Gesamte Auslandsschulden
(in % vom BIP) |
78,8 | 82,6 | 82,6 | 84,4 | 91,4 | 95,6 | 95,1 | 88,8 | 80,5 |
Schuldendienstverhältnis (in %)(3) | 15,2 | 19,3 | 16 | 12,7 | 11,1 | 14,6 | 25,3 | 17,9 | 16,5 |
(1) Zu Marktpreisen.
(2) Fälligkeit > 12 Monate.
(3) Gesamtschuldendienst im Verhältnis zum Export von Gütern und
Dienstleistungen.
(Quelle: IWF 1993, Anhang ); EIU CP 1993/94, S. 31; WB 1993a, S. 289 - 291;
WB 1993b, S. 132 u. 134; TBEG Nr. 20 (4/93), S. 7; PNUD 1994a, S. 7; EIU CP
1994/95, S. 31 u. 32; WB 1994c, Annex 5, S. 1; PNUD 1995a, S. 7; RG 1995a, S. 5;
StLB 1994, S. 87; EIU CP 1996/97, S. 31 u. 32, EIU CP 1997/98, S. 35, EIU CP
1998/99; RG 1999b, S. 15ff).
War der Schuldendienst seit 1990 stetig reduziert worden, so stieg er 1994
mit 84 Mill. US$ wiederum auf über 3% vom BIP an. Während in den Jahren 1986 -
93 die Aufwendungen für den Schuldendienst zu durchschnittlich 70% auf die
Tilgung verwandt wurden, nahmen seit 1992 die Zinszahlungen 45% des
Schuldendienstes ein. Erst 1995 stiegen die Tilgungszahlungen wieder an (s. Tab.
57).
1997 erreichten Guineas Auslandsschulden 3,1 Mrd. US$, d.h. 89,3% des BIP. Die Verschuldung konnte bei einem Durchschnittswachstum des BIP von jährlich über 4% trotz Tilgungsbemühungen, Umschuldungsaktionen und Schuldenerlassen nicht reduziert werden, da einerseits die Weltmarktpreise für Guineas Hauptexportprodukte in den letzten Jahren stetig gefallen sind, andererseits die Einfuhr industriell gefertigter Konsumgüter
sowie Produktions- und Nahrungsmittel immer kostspieliger wurde(311).
Durch die Öffnung der Schere zwischen Importaufwendungen und Exporterlösen haben
sich die terms of trade merklich verschlechtert (s.
Tab. 52) (SENF 1996, S. 114).
Sich auch nach makroökonomischen Anpassungsprogrammen und zahlreichen
Sektorreformen steigernde Zahlungsbilanzdefizite führten neben der hohen
Weltmarktabhängigkeit zu weiteren Abhängigkeiten von der nunmehr in Form von
Haushaltsausgleichshilfe gewährten Entwicklungshilfe. Die wenn auch unter
erheblichen Vergünstigungen transferierten staatlichen Kredite(312)
sollten nach einer Erstarkung der Volkswirtschaft allmählich zurückgezahlt
werden. Jedoch konnte sowohl von der Strategie und Konzeption der mit den
Krediten verbundenen Programme als auch durch produktivitätshemmende innere
Strukturen kein Wirtschaftswachstum erreicht werden, das zu Bilanzüberschüssen
und damit zu Rückzahlungsmöglichkeiten geführt hätte.
Dies bedeutet für Guinea eine auf unbestimmte Zeit unabwendbare Abhängigkeit
von ausländischen Kreditgebern, wenn nicht das Wachstum des BIP die Rückzahlung
der Schulden und gleichzeitige wirtschaftliche und soziale
Entwicklungsinvestitionen erlaubt. Seit 1995 ist zwar die gesamte
Auslandsschuldbelastung um 4% gesunken und stellt bei einem weitgehend stabilen
Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 4,7% im Jahr nur noch 80% des BIP
(1997) bei weiter fallender Tendenz dar, doch nimmt der Schuldendienst nahezu
28% der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe ein und übersteigt damit den
Wert der jährlichen Entwicklungszusammenarbeit eines jeden einzelnen Gebers
(1997).
Noch kritischer ist die Verschuldungssituation Guineas im Hinblick auf die
Art der von der internationalen Gebergemeinschaft geleisteten Entwicklungshilfe
zu sehen: 1997 betrug der in Form von zurückzuzahlenden Entwicklungskrediten
geleistete Übertragungsanteil 55% oder 210 Mill. US$, genau doppelt soviel wie
der Schuldendienst im selben Jahr (PNUD RCD 1997, S. 16 u. 30)(313).
Andererseits machen die Zinszahlungen Guineas derzeit über 61% der
rückzahlungsfreien Entwicklungshilfe aus (1997). Es wird deutlich, daß die hohe
Schuldenbelastung Guineas das Land in seinen Möglichkeiten, seine Entwicklung
durch entsprechende Investitionen voranzutreiben einschränkt.
Ursprünglich waren die Kredite, die zu diesem Verschuldungsniveau führten, zur Finanzierung von Investitionsprojekten aufgenommen worden, die zu einer verbesserten wirtschaftlichen Entwicklung führen sollten, um dann wiederum die Schulden zurückzahlen zu können. Guinea befindet sich damit wie viele andere afrikanische Entwicklungsländer auch heute noch in einer anhaltenden Verschuldungskrise, aus der es aufgrund eines durch ständige Kreditaufnahme provozierten Wachstumszwangs bei steigenden Zinsla-
sten keinen Ausweg gibt(314).
6.3.3.3 Geld und Kredit - Eine Frage des Vertrauens
Mit der Ende 1985 begonnenen Bankreform sollten drei für die
volkswirtschaftliche Entwicklung und insbesondere für die Wiederbelebung des
Finanzmarktes entscheidende Ziele verwirklicht werden; die Rückgewinnung des
Vertrauens der guineischen Bevölkerung in das Bankensystem, die Mobilisierung
finanzieller Ressourcen für die guineische Wirtschaft, und der damit verbundene
Aufbau eines tragfähigen Kreditmarktes.
Vertrauen in das Bankensystem
Erstmals nach mehr als einem Vierteljahrhundert der finanzwirtschaftlichen Herrschaft der Staatsbanken wurde der Bankensektor durch seine Liberalisierung mittels eines neuen Bankgesetzes Ende 1985 der breiten Öffentlichkeit und dem privatwirtschaftlichen Sektor zugänglich gemacht. Der Anteil der kurz- und langfristigen Bankeinlagen, der 1986 etwa 15,8% der Geldmenge im Umlauf betrug, stieg bis 1997 auf über 41% an. Ein weiteres, wichtiges Zeichen für die Wiederherstellung des Vertrauens in das Bankensystem war ein beständiger Anstieg der Bankkredite an Private, die zwischen 1990 und 1997 ein jährliches Durchschnittswachstum von etwa 17% verzeichnen konnten. Weiterhin sorgten die Liberalisierung des Wechselkurses, ein neues Investitionsgesetz (1987)(315) sowie der Kreditfluß internationaler Finanzierungs- und Entwicklungshilfeorganisationen für einen Anstieg ausländischer Nettokapitaleinlagen in Guinea.
Guineas Finanzsystem besteht heute aus der guineischen Zentralbank (Banque Centrale de la Guinée BCRG), fünf Handelsbanken, vier Versicherungsgesellschaften, einer Sozialversicherungskasse sowie zwei Bankenkooperativen für den ländlichen Bereich(316). Die Zahlen in der Tab. 58 belegen bis 1993 durchaus eine positive Entwicklung des Bankensektors. Jedoch haben sich die Beziehungen zum privatwirtschaftlichen Sektor und das Vertrauen der guineischen Öffentlichkeit noch nicht in ausreichendem Maße konsolidiert, um von einer die Konjunktur nachhaltig fördernden Wirkung zu sprechen. Die unzureichende Wirtschaft der Monetarisierung sowie vorherrschende ungünstige Geschäftsverbindungen und rechtliche Bedingungen blockierten weiterhin den Aufbau eines vor
allem den produzierenden Mittelstand ansprechenden Finanz- und Kreditsektors.
Tabelle 58: Die Währungssituation 1990 - 1998 (in Mrd. FG).
Jahr | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | 1998(1) |
Ausländische Nettoeinlagen | 64,6 | 82,4 | 112,4 | 161,7 | 121,4 | 109,4 | 85,7 | 157,2 | 180,4 |
Zentralbank | 49,9 | 58,3 | 74,1 | 122,3 | 88,1 | 98,4 | 74,4 | 135,2 | 146 |
Handelsbanken | 14,7 | 24,1 | 38,3 | 39,4 | 33,3 | 11 | 11,3 | 22 | 34,4 |
Nettokredite im Inland | 76,3 | 92,6 | 136,2 | 152,2 | 183,3 | 209,9 | 264,3 | 253,5 | 255,6 |
Nettokredite a.d. öfftl. Hand | 13,3 | 30,4 | 52,6 | 45,9 | 67,9 | 72,1 | 127,4 | 94,9 | 84,3 |
Kredite an die Regierung | 32,2 | 40,7 | 50,2 | 43,3 | 64,8 | 68,3 | 122,9 | 90 | 79,5 |
Kredite an Staatsbetriebe | -18,9 | -10,3 | -2,4 | 2,5 | 3,1 | 3,8 | 4,5 | 4,9 | 4,8 |
Bankkredite an Private | 63 | 62,2 | 83,6 | 106,3 | 144,4 | 172,4 | 188,4 | 187,4 | 219,9 |
Andere (Netto) | 7 | 19,4 | 6,7 | 1,1 | -29 | -34,6 | -56 | -33,7 | -53,3 |
Geldmenge im Umlauf (M2)(2) | 134,7 | 194,2 | 255,3 | 315 | 304,6 | 336,7 | 350 | 410,7 | 435,6 |
Bargeldumlauf | 84,8 | 119,4 | 133 | 166,6 | 154,8 | 174,1 | 154,4 | 191,6 | 208 |
Bankeinlagen kurz/langfristig | 44,3 | 61,3 | 104,8 | 116,8 | 121,3 | 134,4 | 151,1 | 168,8 | 171,3 |
Deviseneinlagen | 5,6 | 13,5 | 17,5 | 31,6 | 28,5 | 28,2 | 44,5 | 53,6 | 56,3 |
Zum Vergleich | |||||||||
BIP zu Marktpreisen (3) | 1930 | 2340 | 2890 | 3116 | 3309 | 3642 | 3663 | 3841 | 4030 |
Geldmenge in % vom BIP | 7 | 8,3 | 8,8 | 10,1 | 9,2 | 9,2 | 9,6 | 10,7 | 10,8 |
Jährliche Wachstumsrate der Geldmenge im Umlauf (%) | 44,2 | 31,5 | 23,4 | 22,9 | -3,3 | 10,5 | 3,1 | 14,2 | 9 |
Jährliche Wachstumsrate der Bankkredite an Private (%) | -1,3 | 34,4 | 27,2 | 12,7 | 35,8 | 19,4 | 9,3 | -0,5 | 17,3 |
(1) Schätzungen.
(2) Mit Deviseneinlagen, ohne öffentliche Unternehmen.
(3) Ohne OBK/SBK.
(Quelle: RG TBEG Nr. 16 (1/93), S. 12; RG TBEG Nr. 20 (4/93), S. 9; RG TBEG
Nr. 24 (2/95), S. 10; EIU CP 1993/94, S. 26; IWF 1994, Anhang 8; StLB 1994, S.
83; RG 1994a, S. 5; EIU CP 1996/97, S. 26 u. 27, RG TBEG Nr. 34 (4/97), S. 22;
RG TBEG Nr. 37 (4/98), S. 22; RG 1999b, S. 15ff).
Die Weltbank und der IWF bewilligten daher 1993 im Rahmen ihrer Kredite zur
strukturellen Anpassung zusätzliche Mittel für Maßnahmen zur Fortführung der
Finanz- und Währungsreformen, die die Zentralbank bis 1998 weitgehend umsetzte:
1. Währungspolitische Maßnahmen:
a. Einrichtung eines Marktes für Schatzanweisungen und Festsetzung der Mindestreserven auf 7% der Bankeinlagen zur Liquiditätskontrolle;
b. Weitere Liberalisierung des Devisenmarktes durch die Erteilung von Genehmigungen zum Betrieb privater Wechselbüros sowie der Einrichtung einer Devisenbörse im bankgeschäftlichen Bereich unter Beteiligung aller Handelsbanken (Marché Interbancaire de Devises MID);
c. Weiterentwicklung indirekter Steuerungsmöglichkeiten der BCRG durch die Einrichtung von makroökonomischen Überwachungsinstrumenten,
Frühwarnsystemen, weitere Informatisierung sowie Schulung des entsprechenden
Personals.
2. Strukturelle Maßnahmen:
a. Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Banken und Versicherungen durch die Optimierung ihrer gesetztlichen Grundlagen;
b. Rekapitalisierung zweier Handelsbanken mit Liquiditätsproblemen (BIAG und BIG);
c. Reduzierung der staatlichen Beteiligung in Banken und Versicherungen;
d. Weitere Dezentralisierung und Diversifizierung des Finanzsystems durch die
Institutionalisierung von Bankkooperativen (Crédit Rural, Crédit Mutuel) sowie
die Förderung des Aufbaus von Sparkassen.
Doch auch nach den Reformen kennzeichnet Guineas Finanz- und Bankensystem
mangelnde Tiefe und Instabilität. Obwohl ein stetes Anwachsen der Geldreserven
der guineischen Zentralbank seit 1993 erheblich zur Verminderung des
Inflationsrisikos beitrug, konnten andererseits die Nettokredite an die
öffentliche Hand nicht wesentlich verringert werden. Im Bereich der
währungspolitischen Maßnahmen wird sicherlich die weitere Organisation des
Devisenmarktes und seiner strikten Orientierung nach Angebot und Nachfrage der
Entwicklung des Handelsgewerbes positive Impulse geben können. Die Gefahr des
unkontrollierten Devisenabflusses und der Fortsetzung eines ungeregelten
Finanzverkehrs wird durch die Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen der
Banken und Versicherungen und damit eine deutliche Erhöhung der Transparenz und
Sicherheit entkräftet. Demzufolge kommt den Banken und Versicherungen ebenso
eine noch nicht abschätzbare Aufklärungs- und Informationsaufgabe zu.
Die Erfassung und Integration des ländlichen Bereiches in einen dort noch zu
etablierenden Bankensektor wird eine sensible und langwierige Aufgabe sein. Ihr
Erfolg wird im wesentlichen vom Ergebnis der Institutionalisierung der schon
bestehenden Bankkooperativen sowie der Einrichtung eines seriösen und
tragfähigen Systems von kleinen Volksbanken und Sparkassen abhängen.
Mobilisierung finanzieller Ressourcen
Die Monetarisierung der Volkswirtschaft schreitet nur langsam voran und wird
vom Inflationsrisiko bestimmt. Der Anteil der im Umlauf befindlichen Geldmenge
am BIP stieg von 7% im Jahre 1990 auf nahezu 11% im Jahre 1998. Obwohl bis 1993
eine ständige Mehrproduktion an Geldmitteln zum Ausgleich der Defizite im
Staatshaushalt stattfand(317),
blieb der Anteil der Geldmenge am BIP gegenüber anderen westafrikanischen
Nachbarländern deutlich zurück(318).
Tabelle 59: Inflationsrate und Wechselkursverhalten (US$) des FG 1986 -
1998(1).
Jahr | 1986 | 1987 | 1988 | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | 1998 |
% | 71,8 | 36,8 | 27,4 | 28,2 | 19,4 | 19,6 | 16,6 | 8,1 | 5 | 5,6 | 3 | 1,9 | 5,1 |
FG/US$(2) | 345 | 428 | 475 | 590 | 660 | 760 | 900 | 960 | 978 | 992 | 1004 | 1099 | 1233 |
(1) Die Werte errechnen sich aus dem Mittel der monatlichen Inflationsrate über ein Jahr, verglichen mit dem Mittel des vergangenen Jahres.
(2) Jahresdurchschnitt, gerundet.
(Quelle: RG 1992a; WB 1993a, S. 4; PNUD 1994, S. 5; RG 1994a, S. 5; RG 1995a,
S. 5; EIU CP 1996/97, S. 16; RG 1998e, S. 20; RG TBEG Nr. 34 (4/97), S. 20), RG
1999b, S. 3).
Sobald die allgemeine Nachfrage an Waren und Dienstleistungen steigt,
tendiert das allgemeine Preisniveau ebenfalls dazu, beträchtlich anzuziehen. Die
Gründe dafür sind einerseits in der Limitierung des nationalen Angebots,
andererseits in der Tatsache, daß die Zentralbank auf diese Situation mit einer
Entwertung des Wechselkurses zur Eindämmung der Nachfrage an importierten
Produkten reagiert, zu suchen.
Außerdem hat die Finanzierung von Haushaltsdefiziten durch die Erhöhung der
Geldumlaufmenge ebenfalls nachhaltige Auswirkungen auf die Preisentwicklung auf
dem guineischen Markt, da mit dieser Maßnahme Veränderungen in der allgemeinen
Nachfrage provoziert werden. Dies liegt wiederum in der extremen Geschwindigkeit
begründet, mit der das Geld zirkuliert; die Einkommen werden sehr schnell
ausgegeben oder in Werte und Besitz umgewandelt. Diesem Problem wird derzeit
durch die Verringerung des Haushaltsdefizits und die Ausgabe von staatlichen
Wertpapieren aus dem Schatzamt begegnet(319).
Die Mobilisierung nationaler Finanzkraft für produktive Investitionen ist nach den durch fünf Entwertungen der guineischen Währung während der I. Republik beigebrachten massiven Verluste für Sparer und Anleger und dem damit verbundenen Vertrauensverlust besonders schwer. Ende 1989 betrugen die inländischen Bankeinlagen in der Landeswährung nur 2,1% des BIP (WB 1990a, Bd. II, S. 103). Nach den schlechten Erfahrungen mit dem staatlichen Bankensystem zog die Bevölkerung nach Reformbeginn die Sicherheit von Devisendepots und Immobilienanlagen den Bank- und Spareinlagen in lokaler Währung zunächst vor.Heute liegt der Hauptgrund für die zögerliche Haltung der guineischen Öffentlichkeit und Teilen der Geschäftswelt gegenüber einer intensiveren Beteiligung am Finanzkreislauf in der negativen Realszinsentwicklung. Von 1988 bis 1990 lag die Zinsspanne für Sparkonten bei 12 - 16%, für Festgeldeinlagen bei 17 - 21%. Im selben Zeitraum herrschte jedoch eine durchschnittliche jährliche Inflationsrate von 25% vor. Erst in jüngerer Zeit hatte sich die Inflationsrate dem Zinsniveau von Spareinlagen angenähert, 1993 die 10%-Marke deutlich unterschritten und seither bei etwa 5% Stabilität bewiesen, so daß Sparer auch
nach Abzug der Verwaltungskosten mit einem positiven Realzins rechnen
konnten.
Doch nicht alle Geldanlagen bringen den erhofften Zins, so daß selbst bei
einer verhältnismäßig niedrigen Inflationsrate ein positiver Realzins keineswegs
gewährleistet ist. Hinzu kommt, daß einige der Banken im Hinblick auf Einlagen
in lokaler Währung einen Mindestumfang erwarten, der für Kleinsparer oftmals
nicht erreichbar ist. Die Folge davon ist eine Verstärkung der Tendenz, die
nationale Währung in Devisen umzutauschen und sichere Devisendepots anzulegen
sowie eingeführte Devisen erst gar nicht umzutauschen. Dies trägt zur
Verzögerung eines realen Wachstums des formellen Geldkreislaufs bei und
beeinträchtigt die notwendige Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen für das
Wachstum der guineischen Volkswirtschaft.
Der Kreditmarkt
Der guineische Kreditsektor ist bis heute in vielen Belangen unterentwickelt. Banken und Versicherungen reagieren bei Kreditvorhaben sehr zurückhaltend, da zahlreiche notleidende Kredite bereits bis zum Ende der 80er Jahre die mittels hoher Kreditzinsen angelegten Reserven stark dezimierten. Das bisherige Kreditrecht bietet nicht genügend juristische Absicherung gegen das Kreditrisiko. Zudem gab es auch in der Justiz zahlreiche Korruptionsvorfälle in diesem Bereich (WB 1990a, Bd. II, S. 104/105). Dennoch weisen einige positive Aspekte in den Rahmenbedingungen auf eine zukünftig günstigere Entwicklung des Kreditmarktes hin:
1. Die Inflation hält sich dank einer strikten Haushalts- und Währungspolitik seit 1994 bei durchschnittlich 5,5% und darunter und wird auch in den folgenden Jahren stabil bleiben. Dementsprechend haben sich ebenfalls die Kredit-, Spar- und Anlagezinsen auf einem konstruktiven Niveau stabilisiert, um als Basis für positive Impulse zur Kreditmarktentwicklung zu fungieren.
2. Die auf die Kredit- und Anlagebearbeitung umgelegten Verwaltungsgebühren der Banken sind gesunken. Außerdem hat die Eröffnung weiterer Handelsbanken für eine Belebung des Wettbewerbs gesorgt.
3. Mit einer verbesserten Vorbereitung von kreditnehmenden Unternehmen durch die sich langsam etablierende Branche der Unternehmensberatung durch die internationale Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen ihrer von den Banken verwalteten Kreditlinien sowie durch die Banken selbst hat sich die Zahl der Risikokredite in den letzten Jahren deutlich verringert. Die so gewonnene Sicherheit schlug sich in verbesserten Geschäftsergebnissen der Kreditabteilungen der Banken nieder, was direkt auf die Kreditnehmer umgeleitet werden konnte.
4. Die Reformierung des Grund- und Besitzrechtes durch ein neues
Immobiliengesetz, das ebenfalls neu verabschiedete Unternehmensgesetz sowie das
jüngst verbesserte Investitionsgesetz bieten weitere Sicherheiten für die Banken
zur Kreditvergabe.
Um das Kreditrisiko dennoch so gering wie möglich zu halten, beschränkten
sich die Banken bisher auf kurzfristige Kredite an wohlbekannte Importeure und
Händler für Handelsfinanzierungen (60% aller Kredite), an renommierte Baufirmen
für terminierte Bauvorhaben (17%) sowie an den Nahrungsmittelverarbeitungs- und
Textilsektor, um die Kreditausgleichsspanne so gering wie möglich zu halten.
Selbst ausländische Investoren taten sich mit dem Zugang zu Krediten zuweilen
schwer und mußten sich nicht selten auf Finanzierungen ihrer Muttergesellschaft
stützen.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sich trotz positiver
Entwicklungstendenzen in der Währungspolitik und im Kreditwesen das Vertrauen in
das Bankensystem und den nationalen Finanzkreislauf nur langsam festigt. Ein
negativer Realzins und unattraktive Spar- und Anlagebedingungen führten sogar zu
einem Rückgang der Bruttoinlandsersparnisse: 1986 betrug ihr Anteil am BIP noch
etwa 19,3% (ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 168), 1991 waren es nur noch 14,3% (RG
1992a, S. 13). Erst der Rückgang der Inflation, die Senkung der
Verwaltungskosten und eine verbesserte Zinssituation bei Einlagen und Krediten
förderten seit 1992 die Mobilisierung finanzieller Ressourcen aus der eigenen
Volkswirtschaft.
Die Situation auf dem Kreditmarkt bleibt kritisch. Zwar hat sich das
Kreditrisiko seit Beginn der Bankreform deutlich vermindert, dennoch waren Ende
1992 mehr als 20% aller Bankkredite als verlustreich zu bezeichnen (EIU CR 4/93,
S. 13). Eine Verfälschung der Marktbedingungen tritt durch stark
subventionierte, von den internationalen Finanzierungs- und
Entwicklungshilfeorganisationen im Rahmen ihrer Wirtschaftsförderungsprogramme
eingerichteten Kreditlinien auf. Einerseits wird damit zwar seriösen
Unternehmern mit tragfähigen Projekten der Zugang zu Krediten erleichtert,
andererseits spaltet sich der Finanzmarkt dadurch in ein Lager der Geförderten
und ein Lager der Real- oder Marktzinszahler auf.
Schließlich ist die wichtige Verbindung zwischen der Entwicklung des
Finanzmarktes und dem Wachstum der Volkswirtschaft noch nicht schlüssig genug.
Kurzfristige Investitionen fließen in großem Umfang in den Handels- und
Dienstleistungssektor, während sich das produzierende Gewerbe infolge mangelnder
Investitionen nicht zu dem erhofften Stützpfeiler der guineischen Wirtschaft
entwickeln kann.
6.3.3.4 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Die Entwicklung des BIP
Seit Beginn der Reformen im Jahre 1986 ist ein relativ gleichmäßiger
Wachstumsverlauf des BIP zu verzeichnen. Obwohl die Wirtschaftskraft schwach
bleibt, bedeutet ein jährliches Durchschnittswachstum von 4,1% (1987 - 97) einen
zunächst tragfähigen Vorsprung vor dem mittleren Bevölkerungswachstum von etwa
2,9% im Jahr und somit ein reales Minimalwachstum von 1,2%.
Zur Zeit der I. Republik von 1960 - 1984 lag das jährliche Wachstum des BIP
nur bei etwa 2,5% (WB 1990a, Bd. I, S. 2 u. 3), also unter der
Bevölkerungswachstumsrate, die sich seither kaum verändert hat. Infolgedessen
hatte die guineische Bevölkerung während der gesamten Sékou Touré - Ära unter
einem realen Negativwachstum des BIP zu leiden. Der neuere Reformprozeß ist
unter der Betrachtung des Verlaufs der Wachstumsraten eher als
Regenerationsphase denn als konsistente Wachstumsentwicklung zu bezeichnen.
Deutlich zeigen sich drei markante Entwicklungsabschnitte als Ergebnis einer
nicht konsequent bzw. nicht flexibel genug durchgeführten Reformpolitik und der
durch den Bauxitexport bedingten Weltmarktabhängigkeit der guineischen
Volkswirtschaft:
1. Eine erste Phase des allgemeinen Aufschwungs der im Zuge der Liberalisierung und Öffnung einsetzender Euphorie, die in den Jahren von 1987 - 90 für ein mittleres Wachstum des BIP von ca. 4,4% und ein Wachstum von 1,6% pro Kopf sorgte.
2. Eine zweite Phase der Stagnation (1991 - 92), in der die Wachstumsrate des
BIP auf 2,7% zurückging und somit ein reales Negativwachstum von -0,1% pro Kopf
zur Folge hatte.
3. Eine von 1993 - 95 laufende Konsolidierungsphase mit einem mittleren
Wachstum des BIP von über 4% und einem Wachstum von durchschnittlich 1,4% pro
Kopf.
Ende 1996 konnte die Mitte des Jahres eingesetzte neue Regierung der III.
Republik erste Früchte ihrer marktwirtschaftlich orientierten Reformpolitik
ernten und das Wachstum insgesamt konstant halten. Die darauffolgenden Jahre
entwickelten sich zu bisher moderaten, aber hoffnungssetzenden Wachstumszeiten
mit einem reellen jährlichen BIP-Wachstum von nahezu 5%.
Tabelle 60: Entwicklung des BIP zu Marktpreisen 1986 - 98 (in Mrd.
FG).
BIP/Jahr | 1986 | 1987 | 1988 | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | 1998(1) |
BIP Gesamt | |||||||||||||
Zu Marktpreisen | 671 | 902 | 1165 | 1628 | 1980 | 2397 | 1919 | 3116 | 3354 | 3502 | 3663 | 3841 | 4030 |
Zu konst. Preisen (1986) | 671 | 692 | 733 | 764 | 796 | 815 | 839 | 877 | 912 | 954 | 996 | 1042 | 1093 |
Wachstumsrate (%) | 3,1 | 5,9 | 4,3 | 4,3 | 2,4 | 3 | 4,5 | 4 | 4,4 | 4,6 | 4,8 | 4,9 | |
BIP pro Kopf (000 FG) | |||||||||||||
Zu Marktpreisen | 108 | 142 | 171 | 230 | 268 | 312 | 367 | 421 | 448 | 479 | 524 | 564 | 596 |
Zu konst. Preisen (1986) | 108 | 108 | 111 | 113 | 115 | 115 | 115 | 117 | 118 | 120 | 122 | 124 | 126 |
Wachstumsrate (%) | 0,3 | 3 | 1,4 | 1,7 | -0,4 | 0,2 | 1,7 | 0,9 | 1,6 | 1,8 | 2 | 2 |
(1) Schätzungen
(Quelle: StLB 1989, S. 74 u. 75; RG 1990d, S. 11-20 u. Anhang 1; WB 1990a,
Bd. I, Anhang 1; EIU CP 1993/94, S. 13-15; RG TBEG Nr. 20 (4/93), S. 2; StLB
1994, S. 93ff; PNUD 1995a, S. 5; RG 1995a, S. 5; EIU CP 1996/97, S. 13; RG
1998e, S. 26).
Dennoch gehört Guinea mit einem jährlichen BIP pro Kopf von knapp 550 US$ (1997) auch heute noch zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern der Welt(320).
Die Entstehung des BIP
In den ersten Reformjahren verlor der primäre Sektor immer mehr an Bedeutung. Besonders die Landwirtschaft büßte bis 1989 etwa ein Drittel ihres Anteils am BIP von 1986 ein. Erst seit 1991, nachdem die Aktionen und Investitionen der verschiedenen im Sektor tätigen Parteien (NRO, Entwicklungshilfeorganisationen, verschiedene Ministerien) durch eine einheitliche agrarwirtschaftliche Entwicklungspolitik koordiniert werden konnten(321), zeigten die zahlreichen Initiativen erste Erfolge und die Reformen langsam begannen zu greifen. Die Wachstumsverringerung der Landwirtschaft konnte zunächst durch ihre Modernisierung, die Einführung neuerer und angepaßterer Anbaumethoden,
den Ausbau der ländlichen Pisten und damit die Verbesserung der ländlichen
Transportinfrastruktur sowie eine Steuererhöhung für Agrarimporte aufgehalten
werden. 1994 erreichte die Landwirtschaft erstmals eine dem Wachstum des BIP
gleichkommende Wachstumsrate, die sich auch in den darauffolgenden Jahren als
stabil erwies (s. Tab. 61).
Die größten Wachstumsraten sind im Fischereiwesen zu verzeichnen. Die
Stützung und der Ausbau der traditionellen Fischerei und der ihr anhängenden
Zulieferungs-, Verarbeitungs- und Vertriebskette sowie die konsequente Förderung
des industriellen Fischproduktions- und -verarbeitungssektors sorgten für ein
jährliches Durchschnittswachstum von etwa 7,6% (1989 - 94). Die Verabschiedung
eines neuen Fischfanggesetzes sorgte 1995 mit Verzögerungen in der Neuregelung
und Umsetzung von Fangrechten für einen Produktionseinbruch in der industriellen
Fischerei und somit ein deutliches Negativwachstum. Doch zusätzliche Maßnahmen
zum Schutz der guineischen Fanggründe im Atlantik, der verstärkte Aufbau
industrieller Verarbeitungskapazitäten im Hafen von Conakry, die Verbesserung
der Versorgungsinfrastruktur im Landesinneren sowie die Förderung der
Süßwasserfischerei bescherten in den darauffolgenden zwei Jahren wieder positive
Wachstumszahlen und lassen auch weiterhin beständige Wachstumsraten von über 10%
realistisch erscheinen.
Der Anteil des sekundären Sektors am BIP ging von 33% im Jahre 1986 auf 27,3%
im Jahre 1994 zurück. Diese Abnahme deutet tendenziell auf einen Rückgang der
Bedeutung des Bergbaus hin. Die Gründe dafür sind einerseits in der Abhängigkeit
vom Weltmarkt zu suchen, der in den letzten Jahren Niedrigpreise für Guineas
Hauptexportprodukte Bauxit und Alumina aufwies, andererseits in internen
Schwierigkeiten der großen Bergbaugesellschaften selbst (Mißmanagement,
Modernisierung/Restrukturierung). 1995 und 96 kam es dank neuer umfanreicher
Bergbauaktivitäten im Gold- und Diamantbereich, aber auch infolge erster
positiver Ergebnisse der Restrukturierung bestehender Werke zu
überdurchschnittlichen Wachstumsraten im Bergbau. Diese werden sich in den
nächsten Jahren zwar wieder verringern, doch andere Sektorbranchen wie die
verarbeitende Industrie und das Bauwesen werden mit soliden Wachstumsraten der
guineischen Volkswirtschaft den sekundären Sektor als einen beständigen
Wachstumspol erhalten.
Tabelle 61: Die Entstehung des BIP 1994 - 1998 (in Mrd. FG).
Sektor/Jahr | 1994(1) | %(2) | WR(3) | 1995 | % | WR | 1996 | % | WR | 1997 | % | WR | 1998(4) | % | WR |
Primärer Sektor | 690 | 20,6 | 5 | 714 | 20,1 | 3,4 | 746 | 20,4 | 4,5 | 784 | 20,4 | 5,1 | 825 | 20,5 | 5,2 |
Landwirtschaft | 472 | 14,1 | 5 | 489 | 13,9 | 3,6 | 512 | 14 | 4,8 | 538 | 14 | 5,1 | 565 | 14 | 5 |
Viehwirtschaft | 108 | 3,2 | 5,5 | 114 | 3,3 | 5,4 | 120 | 3,3 | 5,3 | 127 | 3,3 | 5,5 | 134 | 3,3 | 5,7 |
Fischereiwesen | 34 | 1 | 7,6 | 33 | 0,9 | -4,9 | 34 | 0,9 | 2,5 | 37 | 1 | 10 | 41 | 1,1 | 11 |
Forstwirtschaft | 76 | 2,3 | 2,6 | 79 | 2,3 | 3 | 80 | 2,2 | 2,5 | 83 | 2,1 | 2,5 | 85 | 2,1 | 2,7 |
Sekundärer Sektor | 916 | 27,3 | 5,3 | 971 | 27,7 | 6 | 1056 | 28,8 | 8,8 | 1102 | 28,7 | 4,4 | 1150 | 28,5 | 4,3 |
Bergbau | 490 | 14,6 | 4,6 | 527 | 15,1 | 7,5 | 589 | 16,1 | 11,7 | 608 | 15,8 | 3,3 | 626 | 15,5 | 2,9 |
Industrie | 133 | 3,9 | 4,3 | 137 | 3,9 | 2,8 | 140 | 3,8 | 2,5 | 146 | 3,8 | 4,5 | 154 | 3,8 | 5,2 |
Energie | 17 | 0,5 | 7,6 | 18 | 0,5 | 3,5 | 18 | 0,5 | 0,6 | 19 | 0,6 | 6,3 | 21 | 0,5 | 7,5 |
Bauwesen | 275 | 8,3 | 6,7 | 289 | 8,2 | 5,1 | 309 | 8,4 | 7 | 328 | 8,5 | 6,2 | 349 | 8,7 | 6,4 |
Tertiärer Sektor | 1340 | 39,9 | 4,2 | 1392 | 39,7 | 3,6 | 1418 | 38,7 | 2,6 | 1468 | 38,2 | 3,8 | 1530 | 38 | 4,5 |
Handel | 955 | 28,8 | 4,7 | 989 | 28,2 | 3,6 | 1014 | 27,7 | 2,5 | 1066 | 27,7 | 5,1 | 1116 | 27,7 | 4,7 |
Transport | 199 | 5,9 | 5,4 | 205 | 5,8 | 3,1 | 216 | 5,9 | 5,6 | 227 | 5,9 | 4,8 | 237 | 5,9 | 4,5 |
Verwaltung | 187 | 5,5 | -2,8 | 198 | 5,7 | 5,9 | 188 | 5,1 | -5,1 | 176 | 4,6 | -6,3 | 178 | 4,4 | 1 |
Andere | 408 | 12,2 | 8,9 | 426 | 12,2 | 5,8 | 443 | 12,1 | 5,7 | 486 | 12,7 | 13,7 | 525 | 13 | 9,5 |
BIP Gesamt | 3354 | 100 | 5 | 3502 | 100 | 4,4 | 3663 | 100 | 4,6 | 3841 | 100 | 4,8 | 4030 | 100 | 4,9 |
(1) In Preisen von 1994, in Mrd. FG.
(2) In % vom BIP.
(3) Wachstumsrate gegenüber dem vergangenen Jahr in %.
(4) Schätzungen.
(Quelle: WB 1992b, Thema Nr. 3, Anhang Tab. 4.1; RG 1992a, Anhang A.1; EIU CP
1992/93, S. 12 u. 13; EIU CP 1993/94, S. 13-15; RG TBEG Nr. 20 (4/93), S. 2;
StLB 1994, S. 93/94; PNUD 1994, S. 111; RG 1995a, S. 6ff; EIU CP 1994/95, S. 15;
EIU CP 1995/96, S. 16; RG TBEG, Nr. 24 (2/95), S. 2; EIU CP 1996/97, S. 13; WB
1996a, S. 73; RG 1998e, S. 23).
Positive Aspekte dabei sind die Effizienzsteigerung in der traditionellen
guineischen Bergbauindustrie durch ihre Rationalisierung und Modernisierung
sowie die allgemeine Minderung ihrer Bedeutung und damit die indirekte Förderung
der Ausgewogenheit der verschiedenen Produktionsbranchen untereinander.
Demgegenüber steht allerdings die Tatsache, daß sowohl das Volumen des übrigen
Exports wie auch seine Diversifizierung bei weitem noch nicht ausreichen, um den
Mineralexport in seiner Bedeutung als wichtigste Stütze der Volkswirtschaft und
des Nationaleinkommens auch nur teilweise zu ersetzen.
Nach einem kurzzeitigen Aufschwung in den Jahren 1988 und 1989 nahm sich die
Entwicklung in der Industrie ab 1990 eher verhalten aus und lag nur geringfügig
über der durchschnittlichen Wachstumsrate des BIP. Wichtige Investitionen
scheiterten allzu oft an den noch ungenügenden Rahmenbedingungen
infrastruktureller, sozioökonomischer, institutioneller und rechtlicher Art. Die
teilweise nur halbherzigen und langwierigen Bemühungen des Staates um eine
Verbesserung der Situation konnte den Prozeß der Inwertsetzung guineischen
Produktionspotentials bis jetzt nicht entscheidend stimulieren. Auch bei der
Privatisierung der industriellen Staatsunternehmen traten hinsichtlich der
Wiederaufnahme der Produktion erhebliche Probleme auf. Zahlreiche Betriebe
scheiterten am Mangel an Kapital, Know-how, qualifiziertem Fachpersonal und
nicht zuletzt am ungeeigneten Profil der Unternehmensführung. Eine deutliche
Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen mit der Neufassung des
Investitionsgesetzes, der Vereinfachung administrativer Abläufe und einem
erhöhten Investitionsschutz sorgte ab 1995 für neue Wachstumsimpulse.
Bis 1993 hatte die größten Wachstumsraten der tertiäre Sektor aufzuweisen,
besonders im Handel. Die positiven Konsequenzen der Liberalisierung des Handels
und der Zoll- und Steuerreformen ließen den Anteil der Handelsbrache am BIP von
22% im Jahre 1989 auf 26% im Jahre 1993 steigen. Dennoch handelte es sich in den
meisten Fällen um kurzfristige Investitionen im Importhandel; ihre
Nachhaltigkeit bzw. tatsächliche Impulskraft zum Aufbau eines tragfähigen
Handelssystems war in Frage zu stellen. In den Jahren 1995 und 96 führten
insbesondere die Restrukturierung des Zollwesens, die Einführung der 18%igen
Mehrwertsteuer sowie die Wiedereröffnung des Konkurrenzhafens Monrovia zu
leichten Wachstumseinbrüchen. Die Entwicklung im Verkehrs- und Transportwesen
weist mit über dem durchschnittlichen BIP-Wachstum liegenden Werten (1989 - 97 =
5,2%) eine positive Tendenz auf. Dies liegt zum größten Teil an der Gründung
zahlreicher privater Transportunternehmen im städtischen Personenverkehr, im
Überlandverkehr, in der Landwirtschaft, im Gütertransport und im Baugewerbe.
Dennoch ist die Entwicklung gemessen am erforderlichen Wachstum zum Aufbau einer
funktionierenden Infrastruktur und zur Förderung der einzelnen
Produktionssektoren eher noch als zu gering zu betrachten.
Die Verwendung des BIP
Der Gesamtverbrauch sank von 1986 - 88 um etwa 6,4%, stieg dann jedoch beständig an und erreichte 1993 mit rund 89% des BIP einen Höchststand. In den Jahren 1987 und 1988 sank der öffentliche Verbrauch stark ab, da der größte Teil der Liquidationen und Privatisierungen der Staatsbetriebe zu dieser Zeit erfolgte. Von 1990 bis 1992 stagnierte er dann bei etwa 10%, um ab 1993 durch den weiteren Abbau des Staatsapparates auf 7% im Jahre 1997 abzusinken. Der private Verbrauch dagegen weist seit 1990 eine stabile Wachstumsrate auf, ein deutliches Indiz für die allgemeine Verbesserung der Gesamtsituation.Tabelle 62: Die Verwendung des BIP 1986 - 1998.
Verwendungsart/Jahr | 1986 | 1987 | 1988 | 1989 | 1990 | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | 1998(1) |
BIP zu Marktpreisen (Mrd. FG) | 671 | 902 | 1165 | 1628 | 1980 | 2397 | 2919 | 3116 | 3309 | 3642 | 3663 | 3841 | 4030 |
Gesamtverbrauch (%) | 81,8 | 76,6 | 77,3 | 83 | 82 | 83 | 86,2 | 88,8 | 87,6 | 85,7 | 83 | 81,3 | 82,9 |
Öffentlich | 12 | 9,9 | 9,3 | 9,3 | 10,5 | 10,4 | 10,1 | 8,1 | 7,5 | 7 | 7,1 | 7 | 6,8 |
Privat | 69,9 | 66,6 | 68 | 73,7 | 71,5 | 72,6 | 76,1 | 80,7 | 80,1 | 78,8 | 75,9 | 74,3 | 76,1 |
Bruttoanlageinvestitionen (%) | 14,8 | 11,6 | 15,9 | 16,7 | 16,5 | 15,7 | 17,2 | 15,8 | 16,6 | 17,1 | 17,5 | 18,8 | 19,6 |
Öffentlich | 5,1 | 5,5 | 7,1 | 7,8 | 8,1 | 7,1 | 7,4 | 6 | 5,5 | 5,9 | 5 | 5,6 | 6 |
Privat | 9,8 | 6,1 | 8,8 | 8,9 | 8,4 | 8,6 | 9,8 | 9,8 | 11,1 | 11,2 | 12,5 | 13,2 | 13,6 |
Vorratsveränderung (%) | 2,3 | 1,3 | 1,6 | 2,5 | 3,1 | 3,1 | 3,1 | 2,2 | 3 | 1,9 | 3,7 | 3 | 1,5 |
Ausfuhr (%) | 35,1 | 38,4 | 37,3 | 30,8 | 28,9 | 25,5 | 21,9 | 20,4 | 17,4 | 19,3 | 16,1 | 17,7 | 17,3 |
Einfuhr (%) | -34 | -27,9 | -32,1 | -33 | -30,5 | -27,3 | -28,4 | -27,2 | -24,6 | -24 | -20,3 | -20,8 | -21,3 |
BIP | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 | 100 |
Wachstumsraten | |||||||||||||
Gesamtverbrauch (%) | -3,6 | 7,1 | 0 | 5,2 | 4,4 | 2,8 | 5,3 | 0,9 | 7 | 5 | 5,4 | 12,1 | |
Öffentlich | -14,6 | -0,2 | 6,8 | 22,3 | 3 | 6,5 | -0,2 | -0,4 | 2,2 | 6 | 5,4 | 7,7 | |
Privat | -1,7 | 8,2 | -0,9 | 3,2 | 4,6 | 2,3 | 6 | 9,8 | 7,5 | 4,9 | 5,4 | 12,5 | |
Bruttoanlageinvestitionen (%) | -19,5 | 58,3 | 10,4 | 7,7 | -2,7 | 9,9 | 5,2 | 6,1 | 13,2 | 9,3 | 15,7 | 14,7 | |
Öffentlich | 11,9 | 38 | -3,2 | 1,8 | -10,9 | 11,8 | -18,9 | -6,2 | 17,5 | -7,4 | 20 | 19,5 | |
Privat | -35,8 | 76,6 | 20 | 13,4 | 4,4 | 8,5 | 0 | 15,1 | 10,2 | 17,8 | 14 | 12,8 | |
Vorratsveränderung (%) | -38,3 | 23,5 | 32 | -13,4 | 11,7 | -16,1 | -11,5 | 37,5 | -30,2 | 29,3 | -13,8 | -44,6 | |
Ausfuhr (%) | 13,1 | 2,8 | 5,5 | -0,7 | -3,5 | 3,3 | 5,7 | -4,3 | 21,4 | -5,8 | 18,5 | 7,2 | |
Einfuhr (%) | -15,3 | 27,2 | 0,4 | 2,4 | 0,7 | 2,4 | 3 | 0,4 | 7,1 | -8,5 | 10,5 | 13 |
(1) Schätzungen
(Quelle: RG 1990d, S. 11-16; RG 1992a, S. 6-10; RG TBEG Nr. 10 (7/91), S. 2; RG TBEG Nr. 20 (4/93), S. 1; StLB 1994, S. 94 u. 95; RG 1994a, Anhang Tab. 3; PNUD 1995a, S. IV; RG 1995a, S. 8ff; EIU CP 1996/97, S. 13 u. 14; RG 1998e, S. 26).
7 Auftrag und Wirkung der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit
Primär besteht der Auftrag der internationalen Entwicklungszusammenarbeit
darin, Guinea vornehmlich in der Nutzung der eigenen natürliche und
Humanressourcen zu helfen, sich aus dem immer noch bedeutenden
Entwicklungsrückstand herauszuarbeiten. Die zahlreichen Potentiale können jedoch
nur genutzt werden, wenn das Land sich darum bemüht, die ökonomischen
Basisinfrastrukturen (Verkehr, Energie, Telekommunikation, etc.) und die
Dienstleistungen im Sozialsektor (Bildung, Gesundheit) zu verbessern.
Gleichzeitig müssen Effizienz und Glaubwürdigkeit von Verwaltung und Justiz
erhöht werden. Dies ist nur über eine allgemeine Stärkung der Zivilgesellschaft
zu erreichen. Das Vorhandensein der seit 1991 eingerichteten rechtsstaatlichen
Strukturen allein genügt nicht, vielmehr müssen die Bürger auch die
Möglichkeiten haben, deren Funktionieren zu kontrollieren, mit ihnen gemeinsam
zu arbeiten und sich gegebenenfalls gegen ungerechte Staatsgewalt zur Wehr
setzen. Da die Entwicklung der Humanressourcen jedoch bisher vernachlässigt
wurde, ist dieses Ziel noch in weiterer Ferne. In Zukunft sind also auf drei
Ebenen intensive und parallele Anstrengungen der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit erforderlich: Entwicklung der Humanressourcen, Aufbau
der Wirtschafts- und Sozialinfrastruktur, Entwicklung einer Ethik des
gesellschaftlichen Gemeinwohls.
Die guineische Entwicklungspolitik
Nach dem Vorbild vieler sozialistischer Länder forcierte die I. Republik
unter Sékou Touré die Industrialisierung, während die Entwicklung des
Agrarsektors vernachlässigt wurde. Vom Bergbausektor abgesehen brachte diese
Politik jedoch mehr Fehlschläge denn Erfolge ein. Die I. Republik hinterließ
daher ein wirtschaftlich erschöpftes Land mit desolaten Infrastrukturen und
einer korrupten, nach Interessen weniger Einflußgruppen eigenmächtig handelnden
Verwaltung.
Die II. Republik setzte dann auf die Liberalisierung der Wirtschaft, wobei die Strukturreformen und die Investitionen mangels Mittel und Erfahrung eher dem Druck und den Vorschlägen der Geber als einer klar definierten Politik der Regierung zu verdanken waren. Zahlreiche Reformen besaßen daher auch nur formalen Charakter, eine Identifizierung mit ihren Inhalten fehlte. Da die politische Klasse und der Beamtenapparat weitgehend unverändert geblieben sind, änderten sich auch die Denkweisen bisher nur langsam. Positiv wird jedoch der Willen der Regierung der II. Republik gesehen, den Willen zur Demokratisierung durch einen ersten Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen gezeigt zu haben. Auch wenn dies zögerlich vonstatten ging und die Ergebnisse zum Teil unbefriedigend bleiben, wurde doch insgesamt eine akzeptable formale Grundlage geschaffen, die derzeit experimentiert wird. In wirtschaftlichen und sozialen Fragen setzen sich Einsichten durch, und in der Umsetzung von Programmen und Projekten zur Problemlösung wurden Fortschritte erzielt. So wird inzwischen der Schulbildung und der Gesundheitsfürsorge größerer Bedeutung beigemessen, der Bergbau wurde umstrukturiert, die Erhöhung der Staatseinnahmen wird als wesentlicher Entwicklungsfaktor genannt. Mit der Erarbeitung einiger wichtiger Basisstrategien ("Guinée - Vision 2010" (1996), "Programme National de Développement Humain PNDH" (1997) und "Visions et stratégies de développement (1998, anl. d. Gebertreffens in Paris)) und der sich immer mehr konsolidierenden Ausrichtung der Entwicklungsanstrengungen auf Geber- und Nehmerseite auf die gemeinsam formulierten Entwicklungsziele konkretisiert Guinea mehr und mehr eine in sich geschlossene, kohärente und integrative Entwicklungspolitik.
Die Rolle der internationalen Entwicklungshilfe
Die Auslandshilfe hatte einen entscheidenden Einfluß auf die Orientierungen
des vergangenen Jahrzehnts. Da die Regierung nur wenig Eigeninitiative zeigte,
war letztlich ausschlaggebend, wie überzeugend die im Rahmen der bi- und
multilateralen Entwicklungszusammenarbeit unterbreiteten Vorschläge waren bzw.
welcher Druck im Hinblick auf ihre Durchsetzung ausgeübt wurde. Für die
Strukturreformen zeichnen nach wie vor die Bretton Woods - Institutionen
verantwortlich. Ihre Aufgabe ist angesichts der großen Widerstände und der vor
allem in der Verwaltung vorherrschenden Passivität nicht einfach. Insgesamt
tragen die verschiedenen Geber bis zu 85% der Investitionen und einen großen
Teil der Verwaltungsausgaben des Staates. Letztere werden weitgehend über das
öffentliche Investitionsprogramm finanziert. Da aus dem Verwaltungshaushalt
lediglich die Gehälter und die hoheitlichen Ausgaben bestritten werden können,
stehen den Beamten selbst bei entsprechender Kompetenz und Motivation kaum
Mittel und Spielraum für ein effizientes Handeln zur Verfügung.
Zahlreiche bi- und multilaterale Geber leisten einen Beitrag zur Finanzierung
der Infrastrukturen und angegliederter Branchen. Wie schnell die Maßnahmen
durchgeführt werden, ist hauptsächlich von der Dauer der Studien, den nach wie
vor schleppenden Verwaltungsabläufen und deren Koordination sowie den
Verhandlungen abhängig. Bei der Gesamtprogrammierung hat die Weltbank die
Federführung übernommen. Dies wurde von der Regierung und den anderen Gebern
bislang weitgehend akzeptiert, außer im Fall des Wasserkraftwerks Garafiri, das
entgegen der Auffassung der Weltbank von der guineischen Regierung auf die Liste
der nationalen Entwicklungsprioritäten gesetzt und mit Hilfe anderer Geber,
hauptsächlich Frankreich und arabische Länder, in Angriff genommen wurde.
Bestimmte Sozialsektoren wie das Grundschulwesen und die
Basisgesundheitsversorgung binden mehr und mehr Mittel, nicht zuletzt wegen der
nun schon mehrjährigen eindeutig auf diese Bereiche abzielenden
Prioritätensetzung im Investitionsprogramm. In den letzten Jahren wurden hier
einige Fortschritte erzielt, obwohl Budgetrealisierungen nach wie vor erheblich
hinter den Allokationen zurückbleiben und die Koordinierung zwischen Gebern
aufgrund differierender Strategien schwierig bleibt. Bislang bestehender
Kohärenzmangel in der Politik und ihrer Umsetzung zeigt sich vor allem bei der
Landwirtschaft: Trotz umfangreicher Hilfe konnten oft nur mäßige Ergebnisse
erzielt werden, die nicht nachhaltig gesichert wurden.
Die Verwaltungsreform und die Umstrukturierung des öffentlichen Dienstes
wurden von den verschiedenen Gebern bisher eher punktuell und nach
Interessenslage unterstützt. Die Erfolge sind daher meist nur oberflächlich, was
jedoch auch darauf zurückzuführen ist, daß in der Verwaltung nach wie vor nicht
das Gemeinwohl, sondern Partikularinteressen im Vordergrund stehen (s. Kap.
4.5).
Der Umfang der ausländischen Hilfe
Guinea ist nach wie vor sehr geberabhängig. 1997 beliefen sich die Zuwendungen der öffentlichen Entwicklungshilfe (Official Development Assistance ODA) der internatio-nalen Gebergemeinschaft rund 382 Mill. US$ (s. Tab. 63), was einem Anteil von etwa 10% des BIP (1997) und 83% des öffentlichen Investitionsprogramms entspricht (PNUD 1999, S. 12). Dies liegt einerseits sicherlich am enormen Entwicklungsrückstand, den Guinea nach Ende der ersten Republik besaß, und der bis heute nur in Ansätzen ausge-glichen werden konnte. Andererseits muß die Frage nach der Effizienz der internationa-len Entwicklungszusammenarbeit gestellt werden, denn ihre tatsächlichen Ergebnisse und Wirkungen sind wesentlich für Entwicklungsgeschwindigkeit und -qualität in einem
Land wie Guinea.
Tabelle 63: Zuwendungen der öffentlichen Entwicklungshilfe nach Verwendung
1994 - 1997 (in Mill. US$).
Verwendung/Jahr | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 |
Technische Zusammenarbeit | 38,3 | 26 | 33,3 | 39,7 |
Technische Zusammenarbeit für Investitionsprojekte | 35 | 49,2 | 36,1 | 48,3 |
Investitionsprojekte | 257 | 214,7 | 211,5 | 175,9 |
Andere(1) | 121,3 | 76,3 | 48,5 | 117,8 |
Zuwendungen gesamt | 451,6 | 366,2 | 329,4 | 381,7 |
(1) Strukturanpassungshilfe/Haushaltsausgleichsunterstützung,
Nahrungsmittelhilfe, Nothilfe.
(Quelle: PNUD 1999, Tab. A.2; EIU CP 1998/99, S. 37).
Anhaltender Reformunwille und die Unsicherheit der internationalen
Gebergemeinschaft darüber, ob Guinea denn überhaupt noch in dem Maße
entwicklungsfähig sei, wie es die Leistungskriterien für die öffentliche
Entwicklungshilfe erfordern, ließen die Gesamtübertragungen auf ein Tief von
etwa 330 Mill. US$ im Jahre 1996 sinken. Erst durch die politischen
Reformmaßnahmen der neu eingesetzten Regierung von Mitte 1996 konnte das
Vertrauen der Entwicklungspartner zurückgewinnen und die Zuwendungen wieder
steigern (s. Kap. 5.4.5). Nach erstmaliger Erfüllung der gesetzten
makroökonomischen Zielwerte des strukturellen Anpassungsprogramms des IWF für
die Jahre 1997 und 1998 sowie die gute Vorbereitung und Präsentation der
Entwicklungsstrategie Guineas auf dem internationalen Gebertreffen Ende Juni
1998 werden für die kommenden Jahre steigende Zahlen erwartet. Deutlich ist auch
der Trend zu erkennen, Investitionsvorhaben mit einer stärkeren Komponente der
Technischen Zusammenarbeit auszustatten, um so ihre leistungsgerechte und
nachhaltige Durchführung besser zu sichern (s. Tab. 63).
Die wichtigsten multilateralen Geber sind nach wie vor die Weltbank und das
übrige UN-System. Im letztgenannten haben den bedeutendsten Teil allerdings das
Flüchtlingsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for
Refugees UNHCR) und das Welternährungsprogramm (Programme Alimentaire Mondial
PAM) inne, deren Nahrungsmittel- und Nothilfe mit 76% der UN-Übertragungen zu
Buche schlägt (1997). Die EU zählt mit Zahlungen von jährlich etwa 35 Mill. ECU
in den vergangenen 5 Jahren sowohl vom Umfang als auch von der regelmäßigkeit zu
den Hauptgebern. Die Finanzprobleme der Afrikanischen Entwicklungsbank haben
sich insbesondere auf die Übertragungsjahre 1996 und 1997 mit deutlich weniger
Zuwendungen niedergeschlagen.
Bei den bilateralen Gebern steht traditionell Frankreich an erster Stelle, gefolgt von Japan, Deutschland und den U.S.A. (1997). Auch bei den Bilateralen kam es in den letzten Jahren zu einer starken Konditionalisierung der Leistungen, jedoch waren die zahlreichen zumeist langfristigen Sektorvorhaben, die den Großteil der Entwicklungszusammenarbeit ausmachen, nur wenigen Schwankungen unterworfen. Auffallend ist das steigende Interesse arabischer Staaten (Kuwait, Saudi-Arabien), deren Zuwendungen in den letzten Jahren überproportional anstiegen.
Tabelle 64: Zuwendungen der öffentlichen Entwicklungshilfe nach Geber 1994 -
1997 (in Mill. US$).
Geber/Jahr | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 |
Multilateral | 280,4 | 230,3 | 178 | 245,1 |
Weltbank | 88,8 | 38,4 | 28,6 | 77,5 |
EU(1) | 41 | 66,5 | 55,1 | 38,7 |
IWF | 25,1 | 0,6 | 0,6 | 33 |
übriges UN-System | 59,6 | 59,4 | 46,8 | 57,8 |
BAD | 57 | 52,9 | 23,2 | 19,8 |
Andere | 8,9 | 12,5 | 23,7 | 18,3 |
Bilateral | 166,5 | 130,9 | 148,1 | 134,4 |
Frankreich | 47,9 | 46,5 | 45,2 | 41,3 |
U.S.A. | 41,3 | 16,4 | 12 | 11,9 |
Deutschland | 11,3 | 11,9 | 13,9 | 16,5 |
Japan | 30,1 | 11,6 | 10,4 | 14,8 |
Kanada | 7 | 10,4 | 10,9 | 12 |
Saudi-Arabien | 4,6 | 6,2 | 13,7 | 7,3 |
Kuwait | 0,9 | 9 | 32,5 | 23,9 |
GUS | 13,2 | 2,3 | 2,6 | 1,9 |
Andere | 10,2 | 16,6 | 6,9 | 4,8 |
NRO | 4,7 | 5 | 3,3 | 2,2 |
Gesamt | 451,6 | 366,2 | 329,4 | 381,7 |
(1) Europäische Investitionsbank eingeschlossen.
(Quelle: PNUD 1999, Tab. A.3; EIU CP 1998/99, S. 37).
7.1 Eine kausalchronologische Analyse der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit seit Beginn der II. Republik
Die Öffnung: Orientierung und Strukturbildung in der Entwicklungszusammenarbeit
Nach dem Ende der I. Republik stellten sich, dem Hilferuf der neuen Regierung
folgend, zahlreiche Geber und Hilfsorganisationen ein und boten ihre Hilfe an.
Es folgte eine etwa 2-jährige Orientierungsphase, in der die internationale
Gebergemeinschaft zunächst eine profunde Situations- und Bedarfsanalyse in allen
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsbereichen vornahm. Das erschreckende
Ergebnis (s. Kap. 5.3.5) führte zur Erarbeitung erster Rahmenstrategien und
-konzepte zur Prioritätensetzung, Mittelkanalisierung und Basislegung der
Entwicklungsarbeit. Zur Neuorientierung der makroökonomischen Steuerung
entwarfen die Bretton Woods-Institutionen ein erstes strukturelles
Anpassungsprogramm, während sich zahlreiche bilaterale Geber in der
Landwirtschaft und im ländlichen Sektor, der Infrastruktur und in den sozialen
Sektoren Gesundheit und Bildung betätigten.
Gleichzeitig suchte jeder Geber in der Zeit bis 1986 die Zusammenarbeit, aber auch die politische und entwicklungsstrategische Abgrenzung zu anderen Entwicklungspartnern und legte seinen Grad gewollter und möglicher Einflußnahme fest. Eine Koordinierung und einheitliche Vorgehensweise der verschiedenen Partner bleib sowohl aufgrund mangelnder Erfahrung und fehlender Kompetenz und Kapazitäten auf guineischer Seite als
auch geberseitig wegen gedeckter oder noch unreifer Entscheidungen über
Engagements aus.
Die Interessensabgrenzung und Konkretisierung der Entwicklungspartnerschaften
Der Zeitraum von 1986 bis 1990 kann als Experimentalphase der internationalen Entwicklungszusammenarbeit bezeichnet werden, in der die Geber auf Basis ihrer Analysen mit ersten Programmen und Projekten ihre endgültigen Interessen, Interventionsmöglichkeiten und -grenzen festlegten. Obwohl das von der makroökonomischen Gesamtanalyse mittlerweile auf die Gestellung von Sektoranalysen fortgeschrittene strukturelle Anpassungsprogramm ein deutliches Gerüst für die entwicklungsstrategische Zielorientierung von Vorhaben vorgab, blieben zahlreiche Engagements inkohärent und geberseitig wenig aufeinander abgestimmt. Neben fehlender oder zu schwacher institutioneller Koordinierungsstrukturen konnte auch die international entwicklungspolitisch damit beauftragte Koordinierungsinstanz PNUD (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) ihr Mandat ebenfalls kaum wahrnehmen. Der so festzustellende Koordinierungsmangel der internationalen Entwicklungszusammenarbeit führte somit zu:
Die Entwicklungsrationalität der Geber bestand in diesen ersten Jahren darin, zunächst eigene Strukturen zu schaffen und deren Unterhalt zu sichern sowie parallel dazu sich eine institutionelle Partnerschaftsstruktur auf guineischer Seite entweder heranzubilden oder, falls vorhanden, entsprechend anzupassen. In den meisten Fällen und Sektoren sicher notwendig und opportun, da auf nationaler Seite kaum Organisations- und Durchführungskapazitäten für umfangreichere und langfristige Vorhaben zur Verfügung standen. Dennoch blieb insbesondere in den armutsindikativen Sektoren Bildung und Gesundheit die Entwicklungszusammenarbeit übermäßig geberlastig und -gesteuert, der selbsthilfefördernde Struktur- und Organisationsaufbau wurde vernachlässigt.
Die technischen Mängel der Entwicklungszusammenarbeit in dieser Zeit waren folglich:
fehlende oder inadequate Konzepte zur Sicherung der Nachhaltigkeit von Entwicklungsvorhaben;
eine unverhältnismäßige Wirkungsschwächung durch kostenintensive Eigenverwaltungsstrukturen von Programmen und Projekten;
einseitige und unflexible Implementierungsmuster, die oftmals aufgrund
einer zu starken Politisierung der Entwicklungszusammenarbeit eine Koordination der Aktivitäten und Partnerschaften verhinderte;
das Fehlen oder die Vernachlässigung von partizipatorischen Durchführungsansätzen;
die nur zögerlich sich einstellende Entwicklung von Alternativen zu den bis dahin wenig integrativen und inkohärenten Aktivitäten zur direkten Armutsbekämpfung;
eine mangelnde Unterstützung der Privatwirtschaft in Guinea;
die nur zögerliche Entwicklung von gleichzeitig verträglichen und rentablen Entwicklungsszenarios im Umwelt- und Ressourcenschutz;
und schließlich die unzureichende Ausrichtung auf Selbshilfeprinzipien(325)
und -konzepte für die Implementierung von selbsttragenden Entwicklungskonzepten
nach Prinzipien der Eigenverantwortung und Eignerschaftspräferenz
("ownership")(326).
Nach zwei von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds mit Krediten in Höhe von etwa 206 Mill. US$ unterstützten strukturellen Anpassungsprogrammen (s. Kap. 5.4.5) wurden mit der Einleitung institutioneller Reformen, einer Haushaltskonsolidierung, der Währungsstabilisierung und der Handelsliberalisierung erstmals günstige Rahmenbedingungen für langfristig tragfähige strategische Entwicklungsplanungen geschaffen. Gleichzeitig setzte mit der Verabschiedung des Grundgesetzes und der Schaffung erster rechtsstaatlicher Strukturen ein erster konkreter Bewußtseinsprozeß zur Formung eines demokratischen Staatswesens ein (s. Kap. 3.1.3). Doch gerade die durch eine erweiterte Strukturanpassungshilfe (ESAF I(327)) in Höhe von 110 Mill. US$ (s. Kap. 5.4.5) gestärkte Konzentration der Entwicklungszusammenarbeit auf die institutionelle Förderung, die damit zusammenhängende Vernachlässigung der Bildung nichtstaatlicher Trägerstrukturen sowie die weiterhin unzureichende Geberkoordination gaben einen idealen Nährboden für einen durch Entwicklungsopportunismus geprägten Reformunwillen ab.
Die Geber ihrerseits versuchten mit neuen Konzepten ihre Entwicklungszusammenarbeit effizienter zu gestalten, hatten jedoch aufgrund der Isoliertheit und Inkohärenz ihrer Ansätze wenig Erfolg(328). Der mangelnden Geberkoordination stand eine ebenso unzu-
längliche Nehmerkoordination gegenüber, in der oftmals wichtige Initiativen
verloren-gingen oder unbeachtet blieben, während entwicklungspolitisch weniger
bedeutende Aktivitäten lange Zeit und mittelbindend fortgeführt wurden. Methoden
zur konsequenten Wirkungsbeobachtung, -analyse und -evaluierung fanden nur wenig
Anwendung, so daß konzeptionelle Grundlagen für langfristige Planungen und
Optimierungen von Engage-ments in der Entwicklungszusammenarbeit fehlten.
Wichtigstes Manko in der Gesamtheit der Entwicklungszusammenarbeit blieb nach
wie vor das Fehlen einer richtungsweisenden Prioritätensetzung, die
Notwendigkeit der Kohärenz aller Entwicklungsmaßnahmen im Lande implizierend.
Sicher waren die institutionellen Struktur- und Kompetenzschwächen
hauptverantwortlich, doch auch geberseitig war wenig durchsetzungsfähige
Initiative vorhanden.
Schon während der Ausführung der zweiten Strukturanpassungsfazilität (ESAF
II, s. Kap. 5.4.5) von 1994/95 zeichneten sich Schwächen in der
Haushaltspolitik, der weiteren Reformierung und Festigung des Finanzsektors, der
Restrukturierung des Beamten-apparates und insbesondere der nationalen
entwicklungsbezogenen Investitionspolitik ab, die in der Folge zu einer
Vertrauenskrise zwischen der guineischen Regierung und der internationalen
Gebergemeinschaft führte.
Eine neue entwicklungspolitische Strategie
Im Zuge der nach dem militärischen Putschversuch vom Februar 1996
vorgenommenen Regierungsumbildung (s. Kap. 3.1.3) wurden im Lichte einer neuen
Entwicklungspolitik Verhandlungen zur Weiterführung der Strukturanpassungshilfe
und Revitalisierung der Entwicklungszusammenarbeit aufgenommen. Dieser neu
erwachsene liberale politische Geist führte auf der Initiative des guineischen
Planungsministers hin am Ende des Jahres 1996 zu einer Zusammenkunft aller
Fachministerien im Hotel der Stadt Dalaba im Fouta Djallon (vgl. Karte 4), um
eine sozioökonomische Entwicklungsstrategie zu erarbeiten, die das Land bis ins
Jahr 2010 führen soll (RG 1996a).
Zum ersten Mal in der neueren Geschichte Guineas fand eine allumfassende
Situationsanalyse in den einzelnen Sektoren und Subsektoren sowie in ihrer
Gesamtheit unter deutlicher Formulierung aller Stärken und Schwächen in dieser
konzentrierten Form statt. Aus dieser Bestandsaufnahme wurde daraufhin eine
globale Entwicklungsstrategie zur mittel- und langfristigen Verbesserung der
sozioökonomischen Situation des Landes erarbeitet, der sektorielle und regionale
Umsetzungsstrategien folgten.
Diese Initiative ist insofern ein Novum, als daß auch deutlich menschliche
und sozio-kulturelle Hemmfaktoren zu den eine nachhaltige Entwicklung
beeinträchtigenden Einflußgrößen aufgezählt wurden und sich nicht, wie in
vorangegangenen Zeiten, mit der Beschreibung des natürlichen Potentials des
Landes begnügt wurde. Neben der Sensibilisierung auf die stärkere
Berücksichtigung makroökonomischer Faktoren wie die Problematik der Folgekosten
und den Wert einer optimierten Investitionsplanung wurden die Notwendigkeit von
Mentalitätsänderungen und der Prozeß der Anpassung von Traditionen viel
realistischer als bisher betrachtet (MT Nr. 2698, S. 1642).
Dennoch bleibt die Strategie ein Prototyp, aus dem jetzt eine zielorientierte, in sich schlüssige und integrative Entwicklungspolitik formuliert werden muß. Allein das Vorhandensein einer solchen kann sowohl für die Seite der internationalen Gebergemeinschaft als auch auf seiten der guineischen Regierung zu einem erheblichen
Maß an Optimierung und Effizienzsteigerung in der Planung und Durchführung
weiterer Aktivitäten beitragen. Der politische Wille Guineas wie auch der seiner
bi- und multilateralen Kooperationspartner entscheiden über die letztendliche
Realisierung einer beide Seiten zufriedenstellenden Entwicklungspolitik zum Wohl
der guineischen Bevölkerung. Dies würde die schon genannten Geber- und
Nehmerrationalitäten zwar wieder enger zusammenführen, doch umso mehr
Perspektiven öffnen sich für eine effektivere Inwertsetzung des vorhandenen
Potentials und der bereitgestellten Mittel.
Der Prozeß ist auch langwierig und erfordert eine gewisse Durchhaltekraft
gegenüber traditionellen, gesellschaftlichen und innen- wie außenpolitischen
reaktionären Denkweisen und Kräften. Dies umso mehr, als daß auch dieses
Dokument nicht die endgültige Strategie darstellt, da noch endgültige
Untersuchungsergebnisse aus den wichtigen Sektoren und Subsektoren der
beruflichen und höheren Bildung sowie der Industrie und des Handwerks fehlen und
die vorläufig formulierten Sektorstrategien diesen Ergebnissen Rechnung tragen
müssen. Auch sind einige wichtige Themenfelder wie das gesamte Spektrum der
informellen Aktivitäten sowie intersektorielle Verknüpfungen der
Förderungsstrategien noch nicht erfaßt worden.
Weiterhin unterwirft sich die Strategie dem klar formulierten Grundsatz des
"guten Regierens" ("la bonne gouvernance") und verbindet die
Entwicklungszusammenarbeit direkt mit dem politischen Geschehen in Guinea. Damit
wird die internationale Entwicklungshilfe im positiven Sinne politisiert, und
Themenfelder wie die Demokratisierung und die Dezentralisierung sowie die
Förderung gesellschaftlicher Formungsprozesse werden deutlich als Arbeitsfelder
genannt. Somit bekennt die Regierung zwar, daß sie Unterstützung in jedem dieser
Bereiche benötigt, doch die Offenheit der Darstellung eröffnet Wege neuer
Kooperationen.
Der neue entwicklungspolitische Geist setzt sich in der eindeutigen Ausrichtung aller Anstrengungen auf die direkte und indirekte Armutsbekämpfung fort. Als Zielgruppe fungiert nicht mehr der guineische Staat mit seinen Strukturen, die zumeist als Begünstigte die Wirksamkeit der Entwicklungsmaßnahmen sicherstellen sollten, sondern die guineische Bevölkerung selbst, und die Rolle des Staates reduziert sich auf den Mittler, Förderer und Katalysator. Zur konkreten Umsetzung der Armutsbekämpfung wurden zwei mittelfristig angelegte Instrumente entworfen: auf Initiative des PNUD hin wurde ein entwicklungspolitisches Programm zur Förderung der menschliche Entwicklung für den Zeitraum von 1997 - 2002 entworfen (Programme National de Développement Humain (PNDH) 1997 - 2002, RG 1997c), während anläßlich der Jahresversammlung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds 1996 in Washington die guineische Vertretung die Weltbank für die Erarbeitung einer neuen nationalen Förderungsstrategie für Guinea gewinnen konnte (Stratégie d'Assistance à la Guinée (SAG), RG 1997c; WB 1997f)(329).
Das nationale Programm für die menschliche Entwicklung gliedert sich in zwei Unterprogramme: Regierungsführung und makroökonomische Steuerung sowie Armutsbekämpfung und Stärkung produktiver Kapazitäten. Zu deren Umsetzung wiederum wurden insgesamt fünf Rahmenarbeitsprogramme mit folgenden Aufgabenbereichen ent
worfen:
Stärkung von ökonomischen und sozialen Managementkapazitäten;
Zivilgesellschaft und Dezentralisierung;
Unterstützung von Basisinitiativen(330);
Förderung und Entwicklung des privatwirtschaftlichen Sektors, insbesondere klein- und mittelständische Unternehmen;
Gender und Entwicklung(331).
(Nach RG 1997c, S. 6ff)
Im Rahmen
der neuen Förderungsstrategie der Weltbank für Guinea wurden Umfragen und
Kampagnen im ganzen Land durchgeführt, um im direkten Austausch mit der
überwiegend ländlichen Bevölkerung eine Situationsanalyse vorzunehmen und
Entwicklungsprioritäten festzulegen. Dabei wurde z.B. festgestellt, daß vor
Bildung und Gesundheit der Ausbau der ländlichen Infrastruktur ein vorrangiges
Bedürfnis war, um den Grad der Mobilität zu erhöhen (s. Tab. 65).
Um der Konzentration der entwicklungspolitischen Anstrengungen auf die
Armutsbekämpfung die nötige investitions- und haushaltspolitische Bedeutung und
Transparenz zu verleihen, wurde im Rahmen des öffentlichen Investitionspogramms
ein mittelfritiger Ausgabenplan erarbeitet, der insbesondere die Planung,
Programmierung und Verfolgung der Entwicklungsausgaben für die prioritären
Sektoren Gesundheit, Bildung, ländliche Entwicklung und Straßen- und Pistenbau
regelt (Cadre de Dépenses à Moyen Terme CDMT, RG 1998e u. RG 1999b).
Das seit Mitte 1996 erarbeitete entwicklungspolitische Instrumentarium stellt
sich im Überblick wie folgt dar:
Grafik 17: Politische Struktur der Entwicklungszusammenarbeit in Guinea.
Das Dokument "Guinea - Vision 2010" (RG 1996a)
stellt die übergeordnete nationale Entwicklungspolitik dar. Als nachfolgende
entwicklungspolitische Steuerungselemente dienen das laufende strukturelle
Anpassungsprogramm zur ständigen Verbesserung und Konsolidierung der
makroökonomischen Rahmenbedingungen sowie das nationale Programm zur
menschlichen Entwicklung (PNDH) für artmutsorientierte Entwicklungsinitiativen
und -investitionen. Als komplementäres partizipatorisches und integratives
Umsetzungsinstrument wurde die Förderungsstrategie der Weltbank entwickelt, die
in der Implementierung der jeweiligen sektoriellen Entwicklungspolitiken und den
fünf Rah menarbeitsprogrammen des PNDH deren Ausrichtung auf die tatsächlichen
Bedürfnisse der guineischen Bevölkerung sichert. In der Realisierung der
Sektorpolitiken und Rahmenarbeitsprogrammen wiederum werden Projekte
durchgeführt, deren haushaltsgemäße Planung, Programmierung und Verfolgung durch
den mittelfristigen Ausgabenplan (CDMT) geregelt werden.
7.2 Hat die internationale Entwicklungszusammenarbeit ihre Rolle
bisher erfüllt?
Angesichts der immer noch vorherrschenden gravierenden Armut in weiten Teilen
Guineas ist man versucht, auch gemessen am Ergebnis der Bemühungen der
internationalen Entwicklungszusammenarbeit der letzten fünfzehn Jahre seit
Beginn der II. Republik diese Frage zu verneinen. Besonders kritisch ist dabei
die Tatsache anzusehen, daß sich die internationale Gebergemeinschaft erst in
den letzten 3 Jahren auf die Ausrichtung der Entwicklungshilfe auf die
Armutsbekämpfung konzentriert hat. Hauptimpulse dafür gin-gen weniger, wie
eigentlich gemäß der gebergesteuerten Haushalts-, Entwicklungs- und
Investitionspolitik zu erwarten gewesen wäre, von der internationalen
Gebergemeinschaft aus, sondern vielmehr von progressiven Kräften innerhalb der
guineischen Regierung. Sicherlich waren die Verschlechterung der Beziehungen zu
den Entwicklungspartnern Anfang 1996 und der daraus entstehende Handlungszwang
der guineischen Seite auslösende Momente für die neue entwicklungspolitische
Orientierung. Tatsache bleibt dennoch, daß trotz umfassender sektor- und
flächendeckender Studien und Untersuchungen zur Implementierung zahlreicher
Programme und Projekte seit Beginn der II. Republik (PNUD 1988, RG 1991d, PNUD
1992a, RG 1993a, RG 1994b) erst 1995 eine gezielte Untersuchung zur Bestimmung
der Armut in der guineischen Bevölkerung durchgeführt wurde, die erstmals eine
ausreichende Datenbasis zur Identifizierung und Abgrenzung von Armutsregionen
lieferte (RG 1995g).
Die Untersuchung basierte auf den durch den Eigenverbrauch und die Preisunterschiede zwischen der Hauptstadt und dem Landesinneren korrigierten Pro-Kopf-Ausgaben der guineischen Bevölkerung als Armutsindikator. Demnach leben etwa 40,3% der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze mit einem Jahreseinkommen von ca. 300.000 GNF (= 267 US$/a oder 0,73 US$ pro Tag). Ca. 13% der Bevölkerung leben dazu in extremer Armut, das Jahreseinkommen liegt unter 172.000 GNF (= 157 US$/a oder 0,4 US$/Tag) (RG 1995g, S. 2ff; PNUD 1999, S. 5 u. 6).
Das Armutsprofil ist heterogen, Unterschiede treten sowohl zwischen dem
städtischen und ländlichen als auch zwischen den einzelnen Naturregionen auf.
Grundsätzlich leben 52,5% der ruralen Bevölkerung in Armut gegenüber 24,3% in
den Städten im Landesinneren und 6,7% in der Hauptstadt. Von den Naturräumen
sind Mittel- und Oberguinea mit 62% und 50,6% am stärksten von der Armut
betroffen (s. Tab. 66).
Bei Betrachtung der Armutsverteilung nach sozioökonomischen Gruppen weisen
die von der Landwirtschaft abhängigen Bevölkerungsteile den größten Armutsanteil
auf. Die Gruppe der Staatsbediensteten hat dagegen einen Anteil von nur etwa 6%
zu verzeichnen. Bedenklich ist indes, daß der inaktive Teil der Bevölkerung
einen deutlich geringeren Armutsanteil von etwa 35% aufweist.
Im Bericht zur menschlichen Entwicklung des PNUD rangiert Guinea nur auf Rang 167, 15 Rangplätze unter dem hinsichtlich des aggregierten Pro-Kopf-BIP von 1139 US$ (Kaufkraftparität/1995) (PNUD RDH 1998, S. 130). Dieses Mißverhältnis deutet die Spezifität der guineischen Armut an: einerseits sind angesichts der noch geringen Bevölkerungsbelastung und des inwertsetzbaren agrarwirtschaftlichen Potentials Armutsgründe wie Überbevölkerung und Nahrungsmittelknappheit für Guinea nicht anwendbar, andererseits ist das Land nicht durch natürliche Ressourcen- und Vermögensgrenzen in seiner Entwicklung beschränkt.
Tabelle 67: Armutsindex nach sozioökonomischen Gruppen (1998).
Sozioökonomische Gruppen | Bevölkerungsanteil (%) | P0(1) | P1 | P2 |
Selbständige Bauern, die landwirtschaftliche Exporterzeugnisse produzieren | 11,6 | 0,466 | 0,134 | 0,053 |
Selbständige Subsistenzbauern | 49,6 | 0,553 | 0,193 | 0,087 |
Beschäftigte des öffentlichen Dienstes | 6,3 | 0,059 | 0,009 | 0,002 |
Beschäftigte im privatwirtschaftlichen Sektor (inkl. Landwirtschaft) | 4,9 | 0,117 | 0,031 | 0,01 |
Beschäftigte des informellen Sektors | 5,1 | 0,132 | 0,029 | 0,008 |
Übrige Beschäftigte des informellen Sektors | 6,2 | 0,145 | 0,037 | 0,013 |
Selbständige des informellen Sektors | 8,2 | 0,242 | 0,072 | 0,03 |
Inaktive/Arbeitslose/Auszubildende | 8,1 | 0,352 | 0,103 | 0,043 |
Gesamt | 100 | 0,403 | 0,131 | 0,057 |
(1) Armutsindex nach Foster, Greer, Thorbecke:
wobei für = 0 der Index die Armutsquote, für = 1 die Armuts-
lücke und für = 2 die Armutsintensität angibt (q = Anzahl der
Haushalte unter der Armutsschwelle z, n = Anzahl der Haushalte,
yi = Einkommen des Haushalts i).
Diese Dichotomie ist bis heute über weite Strecken als ein Resultat der
gescheiterten Wirtschafts- und Sozialpolitik der I. Republik 1958 - 84 anzusehen
(vgl. Kap. 5.3ff). Die nach dem Tode Sékou Tourés und dem Ende seiner Regierung
begonnenen Wirtschaftsreformen zeigten in den Anfangsjahren zwar ermutigende
Ergebnisse, stießen jedoch bald auf durch mangelhafte Führungskompetenz
markierte Grenzen zur nachhaltigen Umsetzung des eingeleiteten Erneuerungs- und
Stabilisierungsprozesses (s. Kap. 5.4).
Als Nebeneffekte der Reformen traten vermehrt soziale und politische Spannungen auf, die schnell Kompetenz- und Handlungsspielraum der guineischen Regierung überstiegen. Als Folge kam die Konsolidierung des Reformprogramms immer mehr ins Stocken. Weder konnte der weiterhin fragile und größtenteils fremdbestimmte Staatshaushalt stabilisiert werden, noch wurden wichtige Reformmaßnahmen konsequent und mit der notwendigen integrativen Kohärenz durchgeführt. Zudem wurden die in wichtigen Schritten zur Demokratisierung gewonnenen Rechte (z.B. Streikrecht, Demonstrations- und Pres-
sefreiheit) mit wachsendem Nachdruck von der Bevölkerung eingefordert und
stellten für die konzeptionslose Regierung weitere Unsicherheitsmomente dar.
Rechte, die im Rahmen einer nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen
Entwicklungsstrategie sowie einer komplementären gesellschaftspolitischen
Progression zu einer Freisetzung notwendigen Humanpotentials hätten führen
können. So bleiben bis heute ein unzureichendes Humankapital sowie für seine
Inwertsetzung bestimmende Rahmenbedingungen wie ein unrealistischer Arbeitsmarkt
und ein unzuverlässiger institutioneller Ordnungsrahmen Hauptengpässe für eine
nachhaltige Entwicklung.
Das Humankapitalproblem
Die Defizite an Humankapital im öffentlichen Dienstleistungssektor äußern
sich hauptsächlich in mangelhaften Verwaltungs- und Managementkapazitäten.
Ursachen dafür sind überwiegend in ineffizienten Organisationsstrukturen mit
unzulänglichen Managementsystemen und unpräzisen Verwaltungsvorschriften,
schwacher fachlicher Kompetenz oder Fehlqualifikation des Personals, teilweise
irrationalen Anreizsystemen sowie fehlenden Korrektur- und Sanktionsmechanismen
zu suchen (WB 1997b, S. 72ff). Im privatwirtschaftlichen Sektor bleibt die
Schicht klein- und mittelständischer Unternehmer marginal und isoliert. Weder
existieren die für Wettbewerbsfähigkeit notwendigen Qualifikationen, noch in der
Konsequenz daraus eine Bindung an den großindustriellen, multinationalen Sektor
möglich (z.B. Bergbau).
Der unrealistische Arbeitsmarkt
In Guinea werden Löhne und Gehälter nur in geringem Maße von der
Produktivität bestimmt, wodurch der Arbeitsmarkt großen Verzerrungen ausgesetzt
ist. Die Einkommenssituation verhält sich überwiegend umgekehrt proportional zum
jeweiligen Ausbildungsniveau. Angestellte des formellen Sektors erzielen oftmals
ein geringeres Einkommen als Selbständige des formellen und auch informellen
Sektors, die einen durchschnittlich geringeren Ausbildungsstand verfügen
(EBENDA, S. 8). Der informelle Sektor absorbiert wiederum in großem Maße die auf
dem formellen Arbeitsmarkt schwer integrierbarer Arbeitskräfte. Gleichzeitig ist
er jedoch aufgrund begrenzter lokalen Finanzmärkte, unzureichendem Fachwissen
und mangelnder Organisationskompetenz nicht in der Lage, ein wettbewerbsfähiges
Kleinunternehmertum aufzubauen.
Sowohl das Humankapitalproblem als auch die sich negativ auf die nachhaltige
Entwicklung auswirkende Arbeitsmarktstruktur wurden lange Zeit von den Gebern
vernachlässigt. Durch geberinterne Interessen gesteuerte entwicklungspolitische
Initiativen führten sogar oftmals zur Bindung des vorhandenen, ohnehin schwachen
Humankapitals wie auch zu einer weiteren Verzerrung des Arbeitsmarktes. Daraus
ergeben sich eine Reihe von gerade für Guinea wichtigen entwicklungspolitischen
Grundprinzipien für den Entwurf und die Umsetzung von Entwicklungsinitiativen,
die in ihrer horizontalen und vertikalen Anwendungsstringenz der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit in ihrer wichtigsten Rolle zur Armutsbekämpfung eine
Durchführungsbasis geben können:
Die Bereitschaft zur Führungsqualität von Entwicklungsvorhaben ist entscheidend für die entwicklungspolitische Zielerreichung;
Eine effiziente und nachhaltige Umsetzung von Entwicklungsvorhaben setzt gut formulierte, realistische und tragfähige sowie dezentrale Umsetzungspläne und Realisierungskonzepte voraus, um Abhängigkeiten und Einflüsse einer schwachen und korrupten öffentlichen Administration zu minimieren;
Partizipation, Eignerschaft und Selbsthilfefähigkeit sind entscheidende Voraussetzungen für Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit;
Eindeutige und objektiv überprüfbare Leistungsindikatoren sind Grundbedingung
für Planung und Verlaufskontrolle, -analyse und -evaluierung von
Entwicklungszusammenarbeit.
8 Schlussbetrachtung: Guineas Weg aus Armut und Unterentwicklung
Die II. Republik als Orientierungs- und Übergangszeit nach der desaströsen
Sékou Touré-Ära betrachtend, liegt es nun am politischen Geschick und an der
wirtschaftlichen und sozialen Kompetenz des heutigen Guinea, das Land aus Armut
und Unterentwicklung in eine bessere Zukunft zu steuern. Dazu sind präzise und
realistische makroökonomische und sektorielle Zielvorgaben notwendig. Im Rahmen
ihrer Programme zur strukturellen Anpassung werden diese von der Weltbank, dem
Internationalen Währungsfonds und der guineischen Regierung formuliert und
entsprechend den Ergebnissen des Programmverlaufs jährlich angepaßt. Sowohl bei
makroökonomischen als auch bei sektoriellen Programmelementen wurden bis 1996
selten zufriedenstellende Ergebnisse erzielt (vgl. WB 1997c, S. 1ff).
Erst durch ein deutliches Bekenntnis der seit Mitte 1996 eingesetzten neuen
Regierung unter einem Premierminister zur konsequenten Weiterführung und
tatsächlichen Umsetzung der Reformen des Programms konnte das Vertrauen der
internationalen Geberge-meinschaft, der Handels-, Geschäfts- und
Entwicklungspartner und nicht zuletzt der guineischen Bevölkerung wiedergewonnen
werden. Jetzt gilt es, mit Mühe geschaffene und gewachsene Rahmenbedingungen für
die weitere Entwicklung vor allem im privatwirtschaftlichen Investitionsbereich
zu stabilisieren, zu konsolidieren und zu optimieren.
In der folgenden Schlußbetrachtung soll zunächst in einem ersten Teil auf der
Basis der zwischen 1995 und 1997 erzielten Ergebnisse im Bereich der
makroökonomischen Strukturanpassung und ihrer sektoriellen Reformkomponenten ein
mittelfristiger reformpolitischer Orientierungsrahmen mit den dazugehörigen
Entwicklungsbedingungen gegeben werden. Darauf aufbauend sollen in einem zweiten
Teil mögliche Entwicklungsperspektiven dargelegt werden. Schwerpunkte sind die
beiden wichtigsten Wachstumspole der guineischen Volkswirtschaft, die
Landwirtschaft/ländliche Entwicklung und der Bergbau. Auf der Basis der
vorangegangenen kritischen Betrachtung der Rolle und des tatsächlichen Wirkens
der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (s. Kap. 7) wird auch ihr
zukünftiger Auftrag nochmals beleuchtet.
8.1 Die nächsten Schritte: Vollendung der Strukturanpassung und
weitere Inwertsetzung der Potentiale
8.1.1 Orientierungsrahmen der makroökonomischen
Steuerungsebene
Die im Rahmen der III. Erweiterten Strukturanpassungsfazilität ESAF III mit dem IWF und der WB formulierten Zielsetzungen für den Zeitraum 1998 - 2000 sind:
Erreichen einer jährlichen Wachstumsrate des BIP von 5,5%;
Halten der jährlichen Inflationsrate auf unter 4%;
Begrenzen des Haushaltsdefizits auf 6% des BIP bei gleichzeitiger Steigerung der Importreserven auf 3,5 Monate;
Steigerung der Investitionen auf 24% vom BIP, wovon 16,6% auf Privatinvestitionen fallen sollen.
Steuerpolitik
Bis zum Jahre 2000 wird eine Steigerung der Steuereinnahmen auf 11% des BIP die Zielvorgabe sein. Da zumindest für diesen Zeitraum nicht mit einer nennenswerten Einnahmensverbesserung aus dem Bergbausektor zu rechnen ist, müssen die Einnahmen aus anderen, noch nicht angemessen ausgeschöpften oder vernachlässigten Steuerbereichen wie die Mineralölbesteuerung, Grundsteuer, Immobiliensteuer, etc., kommen. Gleichzeitig muß mit strikten Maßnahmen gegen Korruption, Steuerbetrug und -unterschlagung sowie Schmuggel, gerade im Mineralölbereich, vorgegangen werden, um Verluste zu minimieren.
Mit den erhöhten Einnahmen wachsen auch die Möglichkeiten zu investieren. Parallel dazu muß die Investitionsplanung und -durchführung rationalisiert und optimiert werden. Dazu hat die guineische Regierung seit Ende 1996 einen mittelfristigen Ausgabenplan entworfen, der sich auf Investitionen in den vier für die sozioökonomische Entwicklung prioritären Bereichen Gesundheit, Bildung, ländliche Entwicklung und Infrastruktur konzentriert (vgl. Kap. 5.4.5). Wichtig ist hierbei die makroökonomische Koordinierung der sektoriellen Investitionen in vier Schritten:
Festlegung von mittelfristigen sektoralen Entwicklungszielen mit realistischen und verifizierbaren Leistungsindikatoren;
Erarbeiten von Durchführungsprogrammen zur Erreichung dieser Ziele mit detaillierter Funktions- und Investitionskostenplanung;
Festsetzung von bindenden mittelfristigen Sektorbudgets unter Berücksichtigung o.g. Zielsetzungen und Kostenplanungen;
Jährliche Budgetzuweisung mit Ausgabenkontrolle und -evaluierung.
Dies darf keineswegs einer interventionistischen Investitionssteuerung
staatlicherseits den Weg bereiten, sondern muß vielmehr auf einer auf
Abstimmung, Kohärenz und Synergie basierenden Politik ruhen, welche verfügbare
öffentliche und private Investitionen so effizient wie möglich einsetzt.
Andererseits muß die Ausgabenseite strenger kontrolliert werden. Insbesondere in
den Bereichen öffentliche Ausschreibungen und Vertragswesen sollte die
Harmonisierung von Ausschreibungswerken und Prozeduren sowie die
Vertragsabwicklung Projektrentabilitäten steigern und Verluste verhindern.
Das öffentliche Investitionsprogramm
Basierend auf der Investitionsschwerpunktsetzung der mittelfristigen
Ausgabenplanung sollte das öffentliche Investitionsprogramm in der Planung wie
Durchführung auf die inter- und intrasektorielle Kohärenz ausgerichtet sein und
mögliche Synergien gerade im Hinblick auf die geberintensiv unterstützten
sozialen Sektoren aber auch zukünftige potentielle Privatinvestitionen nutzen.
Ein wichtiger Aspekt für die Effizienz und Nachhaltigkeit von
Investitionsmaßnahmen ist die präzise Planung und Allokation ausreichender
Mittel (Funktions- und Investitionskosten) von nationaler Seite(332).
Dies schließt Mittel für die Durchführungskontrolle und anschließende
Evaluierung der Projekte ein.
Währungspolitik und Finanzreform
Die jüngste Erhöhung der Geldreserven der guineischen Zentralbank (Banque
Centrale de la Guinée BCRG) um 8% (1997/98) geht einher mit der Fortführung der
Liberalisierungspolitik zur Förderung der privaten Kreditaufnahme für
Investitionen. Konsequenterweise wird sich die Zentralbank graduell aus dem
Devisenhandel zurückziehen und in Zukunft nur noch bei Bedarf regulatorisch und
steuernd intervenieren. Damit wäre die letzte Stufe des liberalen
Devisenhandels, der ausschließlich marktorientierte Wechselkurs erreicht. Zur
Erhaltung der Stabilität des Systems ist es allerdings unabdingbar, daß reale
Zinssätze positiv bleiben. Dazu hat die Zentralbank schon Mitte 1998 die
Zinssätze auf Regierungskredite den Marktzinsen angepaßt, um Verzerrungen zu
vermeiden und das Zinsverfallsrisiko zu vermindern. Stimulierende
Begleitmaßnahmen zur Erhöhung der Volksersparnisse sind dazu die Herausgabe von
Bundesschatzbriefen.
Auf der anderen Seite muß die Zentralbank ihre Kontrollfunktion gegenüber den Privatbanken erhöhen und das Bankensystem transparenter gestalten. Zwar lief die jüngste Liquidierung einer Bank, der BIAG (s.o.) weitgehend problemlos, allen Gläubigern konnten die Einlagen erstattet werden, doch eine weitere Liquidierung ist aufgrund des zu erwartenden weiteren Vertrauensverlustes unbedingt zu vermeiden. Aus diesem Grunde hat die Zentralbank nach einer gründlichen Prüfung der Situation der anderen Banken schon jetzt die Hauptaktionäre dreier weiterer Banken aufgefordert, ihr Geldinstitut zu rekapitalisieren.
8.1.2 Perspektiven auf der sektoriellen Interventionsebene
Landwirtschaft
Seit 1987 verfolgt
die guineische Regierung zusammen mit der internationalen Geberge-meinschaft
eine landwirtschaftliche Entwicklungspolitik, dessen Hauptziele, die Erreichung
der Nahrungsmittelautarkie und die Exportproduktion, bisher nur zum Teil
realisiert werden konnten. 1997/98 wurde daher diese Politik nochmals
aktualisiert und den jüngsten Entwicklungen, Erfordernissen und Perspektiven
angepaßt. Mehr denn je kommt es auf eine Abstimmung zwischen den
Agrarproduzenten und ihren Organisationen und Verbänden, ausländischen Partnern
und den politischen Rahmeninstitutionen an, um Investitionen zu fördern.
Prioritäre Sektormaßnahmen dazu sind:
Verbesserung des den ruralen Sektor betreffenden Rechtssystems, insbesondere die Landbesitzrechtsklärung (Traditionelles Besitzrecht und ländliches Kataster);
Förderung der Kooperativen- und Verbandsbildung im produzierenden Bereich;
Verbesserung von Markt- und Marketingbedingungen, insbesondere für die ländliche Exportproduktion;
Ausbau der ruralen Infrastruktur (Pistenbau, Wasserversorgung, Bewässerunsgsysteme) mit einer starken Instandhaltungskomponente;
Ökologisch nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen;
Dezentralisierung landwirtschaftlicher Dienstleistungen;
Schaffung von Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten zur Sicherung eines
nachhaltigen Know how-Transfers.
Parallel dazu sollte die Regierung mit Hilfe der internationalen
Gebergemeinschaft und der zahlreichen, in diesem Bereich arbeitenden
internationalen und nationalen NRO die Bildung von KMU/KMI im Produktionsbereich
fördern. Dazu ist der Aufbau eines verläßlichen, stabilen ruralen Kreditsystems
erforderlich. Dabei ist es wichtig, eine Abstimmung der Maßnahmen mit den
jeweiligen Dezentralisierungsbemühungen und -initiativen der guineischen
Regierung und verschiedener Geber sicherzustellen, um eine synergetische
Komplementarität auf der Ebene der ländlichen Gebietskörperschaften (CRD) zu
gewährleisten (vgl. Kap. 4.5).
Fischereiwesen
Trotz der Reformierung der Fischereigesetzgebung und der Einrichtung von
Kontroll- und Überwachungsorganen und -mechanismen zum Schutz und zur geregelten
Nutzung der Fischbestände sind einerseits die Verluste durch den
nichtregistrierten Fischfang noch zu hoch, andererseits bleibt das Fangpotential
noch zu großen Teilen unausgeschöpft. Deshalb muß die Überwachung der
Fischgründe an Guineas über 300 km langen Küste dahingehend verstärkt werden,
daß die nationale Fischerei geschützt und der internationale Lizenzfischfang
regelgerecht überwacht und kontrolliert wird. Gleichzeitig sollte die
Fischereiforschung vor allem in den Bereichen Meeresökologie und Fischzucht
intensiviert werden.
Bergbau
Trotz aller Bemühungen um eine intensivere Steuermobilisierung und Leistungssteigerung in anderen Produktionssektoren wird Guineas Volkswirtschaft auch weiterhin vom Bergbau wesentlich bestimmt. Er ist mit 16,2% am BIP beteiligt, stellt ca. 81% des nationalen Exportvolumens und liefert dem Staat 28% seiner Steuereinnahmen (1997). Nach einem weltmarktbedingten und durch Verschleppung notwendiger Reformen verursachten Einbruchs der Mineralproduktionen zwischen 1991 und 1994 haben sich mit dem neuen Bergbaugesetz von 1995, der Einrichtung eines Zentrums zur Förderung der Bergbauentwicklung (CDPM, vgl. Kap. 6.2.2.2) und der Eröffnung einer Bergbaukammer die institutionellen Rahmenbedingungen erheblich verbessert. Dies führte schon in jüngster Zeit zur Eröffnung neuer Gold- und Diamantminen, aber auch die anderen, weitestgehend bekannten Lagerstätten (Bauxit, Eisen, Nickel) ziehen die Aufmerksamkeit internationaler Bergbaugesellschaften auf sich.
Doch nach
allen Reformerfolgen bleibt die notwendige Restrukturierung der größten
Bauxitgesellschaften (CBG, SBK, FRIGUIA) Priorität. Dies bedeutet in den meisten
Fällen eine Änderung der existierenden Unternehmensformen, um die
Aktienbeteiligung des guineischen Staates an den Unternehmen weiter zu
verringern und Struktur und Management der Unternehmen zu rationalisieren. Um
die Unternehmen jedoch langfristig konkurrenzfähig zu halten, müssen sowohl die
bestehenden Anlagen modernisiert als auch die Kapazitäten für eine rentablere
Mehrproduktion erweitert werden. Für diese umfangreichen Investitionen der
nächsten Jahre müssen schon jetzt ressourcenreiche und zukunftssichere
Partnerschaften gefunden werden.
Energie
Obwohl sich die Sektorbedingungen in den letzten Jahren im Bereich der
Energieproduktion und -verteilung erheblich verbessert haben, hängt die
zukünftige Entwicklung des Sektors entscheidend von seiner weiteren
institutionellen Reformierung und finanziellen Sanierung ab. Da das derzeitige
Vertrags- und Arbeitsverhältnis zwischen der staatliche Vermögensgesellschaft
ENELGUI und der privatwirtschaftlichen Betriebsgesellschaft SOGEL unzureichend
ist und daher die Hauptquelle für das unzureichende Management technischer und
kommerzieller Verluste darstellt, beabsichtigt die Regierung, die ENELGUI zu
restrukturieren und zu rationalisieren sowie einen neuen, langfristigen
Konzessionsvertrag aufzusetzen und die Konzession neu auszuschreiben.
Langfristig hat sich jedoch das Modell der Vermögensgesellschaft mit
konzessionärer Betriebsvergabe überholt. Anstelle der Vermögensgesellschaft
sollte eine Aufsichts- und Regulierungsbehörde treten, der gesamte Produktions-
und Vertriebssektor privatisiert werden. Dazu müßte ein solider und sicherer
Investitionsrahmen ausgearbeitet werden, der gebergestützten oder privaten
Investoren eine stabile Handlungs- und Wirkungsgrundlage bietet.
Rechtsreform
Ein sicheres und verbindliches Rechtssystem ist in Guinea eine
Grundvoraussetzung für ein nachhaltiges Wachstum durch erhöhte private und
öffentliche Investitionen. Zwar ist die Regierung dabei, wichtige Gesetzestexte
zum Schutz von Investitionen zu überarbeiten und gültigem internationalem Recht
anzupassen, doch angesichts der Erfahrung mit langen Verabschiedungs- und vor
allem Umsetzungszeiten, die im Gegensatz zu der Notwendigkeit einer schnellen
Schutzgewährleistung der potentiellen Investitionen im produzierenden Sektor
stehen, muß der raschen Schaffung eines soliden Maßes an Rechtssicherheit
höchste Priorität beigemessen werden..
8.2 Guineas Entwicklung: Mögliche Perspektiven
Für ein stabiles Entwicklungsszenario müssen zunächst folgende Annahmen getroffen werden:
Die politische Lage in Guinea bleibt stabil. Nach einem weitestgehend problemlosen Verlauf der Präsidentschaftswahlen Ende 1998 ist davon auszugehen, daß die auf liberale Wirtschaftsentwicklung bedachte Innen- und Wirtschaftspolitik sowie die regionale Stabilität und Integrität fördernde Außenpolitik beibehalten werden.
Die derzeit schwierige aber noch verwaltbare Situation an Guineas Grenzen mit Liberia, Sierra Leone und Guinea-Bissau wird sich nicht verschlimmern. Sie wird insbesondere keine finanzielle Mehrbelastung für den guineischen Staat bedeuten, sondern wie bisher verkraftbare Mittel des Staatshaushaltes für Sicherheit und Logistik binden.
Die internationale Gebergemeinschaft bewahrt ihre Haltung der
leistungsorientierten, reformkonditionalisierten Unterstützungsbereitschaft.
Mittelzusagen werden weiterhin vom politischen Willen der guineischen Regierung
und ihrer dezentralen Strukturen abhängig gemacht, die Reformen der
strukturellen Anpassung sowie Sektorreformen und gemeinsam mit den Partnern der
Entwicklungszusammenarbeit beschlossenen Programme und Projekte konsequent und
leistungsgerecht durchzuführen.
Eine progressive mittlere jährliche Wachstumsrate des BIP seit 1994 von 4,5% läßt die makroökonomische Zielsetzung der guineischen Regierung, bis Ende 2000 eine Wachstumsrate von 5,5% zu erreichen, unter den rezenten positiven Vorzeichen für eine weiterhin progressive Konjunkturentwicklung durchaus realistisch erscheinen. Dies umso mehr, als daß seit 1996 in zahlreichen Sektoren (Energie, Bergbau, Transport und Infrastruktur) Reformen konsequent durchgeführt werden und zur Schaffung einer soliden Basis für die weitere Entwicklung führen. Hinzukommen mehrere Großprojekte im Energie- und Bergbausektor, die umfangreiche Fremdinvestitionen anziehen können, die wiederum zu einem deutlichen Konjunkturschub schon während der Realisierung der Projekte führen könnten. Mit den zusätzlichen Einnahmen aus dem Bergbau könnte die guineische Regierung daraufhin umfangreiche Sozialprogramme starten, um neben der indirekten Armutsminderung durch ökonomisches Wachstum Armut und sozialen Mißstand direkt zu bekämpfen.
Schwerpunkt für die Motivation von Investitionen bleibt auch in nächsten Zukunft die Schaffung und nachhaltige Gewährleistung sicherer institutioneller Rahmenbedingungen zum Schutz und zur problemlosen Umsetzung von Fremdinvestitionen. Auf dem Papier ist viel getan: neue, angepaßte Gesetzestexte, Investitionsführer, institutionelle Anlaufstellen und politische Unterstützungsbekundungen sind überall verfügbar und allenthal
ben zu vernehmen. In der Praxis waren bisher nur wenige reine, d.h.
geberunabhängige und nicht protegierte oder subventionierte
privatwirtschaftliche Investitionen erfolgreich. Noch herrscht ein großes Maß an
Korruption, Willkür, Schikane oder auch nur notorischer Unwille in der
guineischen Verwaltung, die zahlreichen Investitionsinitiativen internationaler
wie auch nationaler Art verhindern. Das Rechtssystem ist derzeit nicht sicher.
Jedoch ist dies als grundlegende Bedingung für die weitere Entwicklung erkannt,
seine Reformierung und Anpassung an gültiges internationales Recht sowie seine
nachhaltige Umsetzung als oberste Priorität stipuliert.
Ein weiterer Risikofaktor ist die Umsetzungsgeschwindigkeit von Reformen,
Anpassungen und neuen Initiativen bzw. die Trägheit der an den Reformen
beteiligten Strukturen. Sicherlich hat sich, bedingt durch den neu entfachten
politischen Reformwillen der III. Republik, diese Umsetzungsgeschwindigkeit
deutlich gesteigert. Die Früchte sind eine erhöhte Finanzierungs- und
Kooperationsbereitschaft der internationalen Gebergemeinschaft und eine
ansatzweise Stimulanz der Konjunktur. Es stellt sich jedoch die Frage, wie lange
diese Geschwindigkeit beibehalten und sogar noch erhöht werden kann, und nach
der Dauerhaftigkeit des Erreichten.
Sollte bis Ende 1999 die Konsolidierung von tragfähigen und verläßlichen
institutionellen Rahmenstrukturen, insbesondere in der Rechtsprechung,
abgeschlossen sein, bedarf es noch mindestens 1 - 2 Jahre, bis die nötige
Praktikabilität, Nutzerfreundlichkeit und Effizienz erreicht ist. Ein wichtiger
Schritt dazu war z.B. die Neufassung des Investitionsgesetzes, das nunmehr, im
Gegensatz zur früheren Praxis, Firmengründungen mit einer 100%igen
Fremdkapitalbasis erlaubt(333).
Mit der eingehenden weiteren Liberalisierung des Devisenmarktes ist eine nächste
Grundvoraussetzung für einen Investitionsschub zu erwarten. Im Bankensektor
haben die bisherigen Reformmaßnahmen seit 1996 von der Entscheidungswilligkeit
der Regierung einerseits (Schließung der BIAG, vgl. Kap. 7.1.1) und von ihrer
verbesserten antizipatorischen Reaktionsbereitschaft andererseits (rechtzeitige
Wirtschaftsprüfung und Rekapitalisierungsinitiative für andere Banken) gezeugt.
Nach Abschluß der Sanierung des Bankensektors werden im Zinsbereich die
Voraussetzungen für tragfähige Kreditsysteme verbessert sein, um vor allem
nationalen Investoren Firmengründungen und Projektfinanzierungen zu erleichtern.
8.2.1 Landwirtschaft und ländliche Entwicklung: die traditionelle
Basis-priorität
Nationale Entwicklungspriorität hat die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion von der Selbstversorgung des Landes mit Nahrungsmitteln bis hin zu einer die Volkswirtschaft unterstützenden agrarischen Exportproduktion. 1997 lebten nahezu 60% der guineischen Bevölkerung von der Landwirtschaft (RG 1998a, S.6), die jedoch nur einen Anteil von 14% am BIP hat (RG 1998e, S. 23). Die Gründe hierfür liegen sowohl in soziokulturell verankerten Bewirtschaftungstraditionen (Bodenauslaugung durch Wanderfeldbau mit zu kurzen Brachzeiten, ineffizienten Anbaumethoden, unrentable Größe der Anbauflächen, ungenutzte Flächen durch traditionelle Besitzrechtsdissenzen, etc.) und der infrastrukturellen Unterversorgung des ländlichen Raumes (ungenügende Zubringer- und Transportpisten, mangelnde ländliche Wasserversorgung, qualitativ und quantitativ unzureichende landwirtschaftliche Dienstleistungen) sowie das Fehlen einer angepaßten Finanzdienstleistungsstruktur (Unausgereiftheit und Unprofessionalität
ländlicher Kreditsysteme, inkonsequente und sozial ungerechte
Ressourcenverteilung durch den Staat, inadequate Rahmenbedingungen für
Privatinvestitionen) sowie der Mangel an leistungsstarken institutionellen
Grund- und Begleitstrukturen, vor allem im Bereich professioneller
Bauernorganisationen und Erzeugerverbände.
Nahrungsmittelautarkie und damit Unabhängigkeit von volkswirtschaftlich
belastenden Nahrungsmittelimporten, allen voran Reis, erreicht Guinea am
schnellsten durch Produktionssteigerungen von Reis und den traditionellen
Energielieferanten Maniok, Yams und Hirse. Dabei sollten Ertragssteigerungen
durch intensivere und modernere Anbaumethoden mit einer zusätzlichen Gewinnung
neuer, allenthalben verfügbarer Anbauflächen einhergehen. Die einst aus Europa
eingeführten Nahrungsmittel Kartoffeln, Mais, Zwiebeln und einige Gemüsearten
spielen dabei nur eine geringe komplemetäre Rolle, da sie auch nur in
agrarwirtschaftlichen Gunsträumen produziert werden können.
Von grundlegender Bedeutung ist die Einrichtung und langfristig modulare
Anwendung eines flexiblen Tarifschutzsystems für Reisimporte und die nationale
Reisproduktion. Dadurch wären Weltmarktpreisschwankungen bei Reisimporten sowie
intern wirksame Marktveränderungen auffang- und ausgleichbar. Die
kostenintensivere nationale Reisproduktion ist parallel dazu begrenzt schütz-
und förderbar, wenn das System nicht subventionär wirkt und komplementär dazu
Anbau, Transport und Kommerzialisierung des lokalen Reis' optimiert werden.
In der Exportproduktion ist neben der Verbesserung der Rahmenbedingungen für
den privatwirtschaftlichen Investitionsbereich der Optimierung der Organisation
von Erzeugerverbänden und deren Zugang zu modernen Produktionstechniken
Priorität beizumessen. Auch hier muß die Produktionssteigerung zu gleichen
Anteilen auf der Urbarmachung neuer Areale zur Erweiterung der Anbaufläche sowie
auf der Ertragssteigerung durch die Erneuerung des phytogenetischen Materials
und die Anwendung moderner, angepaßter Anbaumethoden ruhen (vgl. Kap.
6.1.1.3.2).
Eine Grundvoraussetzung für den sich in großen Teilen auf das weitläufige und
teilweise unzugängliche, sich in zahlreiche kleine Produktionszonen
atomisierende Hinterland konzentrierenden agrarwirtschaftlichen Wachstumsschub
stellt die gleichzeitige Verbesserung der ländlichen Infrastruktur dar. Nicht
nur eine staatliche Aufgabe, umfaßt dies den ländlichen Pistenbau, die ländliche
Strom- und Wasserversorgung, aber auch die Verfügbarmachung notwendiger
staatlicher Dienstleistungen sowie die Besitzrechtssicherheit von Grund und
Boden. Für den Privatsektor eröffnen sich in diesem Feld
Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich des Auf- und Ausbaus sowie der
Instandsetzung und -haltung bestehender und neuer Infrastruktur, in der
Agrarforschung und im Dienstleistungs- und Finanzbereich.
Insgesamt erscheint eine Steigerung der jährlichen Produktion von 7-8% für
den Reis und 12-14% für die traditionellen Grundnahrungsmittel Maniok, Yams und
Fonio realistisch. Bei einer Produktionssteigerung der Exportartikel Kaffee,
Baumwolle, Hevea (Naturkautschuk) und bestimmter Früchte und Gemüse, auch in
weiterverarbeiteter Form, von 6-7%, würde der landwirtschaftliche
Produktionssektor als stabiler Wachstumspol wieder einen 20%igen Anteil am BIP
erreichen. Mit einem voraussichtlich höheren Wachstumsfaktor als in den anderen
Produktions- und Dienstleistungssektoren würde damit der Exportanteil der
Landwirtschaft am Gesamtexport auf 25% steigen.
8.2.2 Weitere Restrukturierung und angepaßte Entwicklung des
Bergbaus
Die Konzentrierung auf die Entwicklung des Bergbaus während der letzten drei
Jahrzehnte hat zu einer unverhältnismäßigen Abhängigkeit der nationalen Ökonomie
vom Schicksal dieses Sektors geführt. Obwohl im gesamtwirtschaftlichen Kontext
die Rolle des Bergbaus im Sinne einer höheren Diversifizierung der
Einkommensstruktur des Staates reduziert werden soll, erfordert doch
gleichzeitig die ständige Sicherung seiner Einnahmen und die weitere gezielte
Erschließung zukunftssicherer Lagerstätten bedeutende finanzielle Ressourcen.
Mit dem steten Rückzug des Staates aus den Beteiligungen der bestehenden und
seiner Beteiligungsgrenze von 15% an neuen Bergbaugesellschaften konzentriert er
sich zukünftig fast ausschließlich auf seine sektorspezifischen
rahmenpolitischen Steuerungsaufgaben.
Mittelfristiges Ziel der guineischen Regierung muß es sein, auf der Basis
einer sicheren und umfassenden Datengrundlage eine für bergbauliche
Investitionen attraktive, transparente Ausgangssituation mit einer berechenbaren
und verläßlichen institutionellen Umgebung zu schaffen. Erst mit der
Gewährleistung des erforderlichen Maßes an Sicherheit im Rechtssystem und der
öffentlichen Verwaltung sowie der Verfügbarkeit eines Mindestmaßes an
Infrastruktur können bedeutende Sektorinvestitionen angezogen werden.
Mit der Bildung entsprechender institutioneller Förderstrukturen (vgl. Kap. 6.2.2.1) wurden Grundvoraussetzungen für einen sektorpolitischen Entwicklungsdialog geschaffen. Doch abgesehen von der Weltmineralbörse steht und fällt die Rentabilität von Bergbauvorhaben gerade im noch recht unzugänglichen guineischen Hinterland mit den nötigen Investitionen für die Energie- und Transportinfrastruktur. Die Rentabilität kann langfristig nicht allein auf den im neuen Bergbaugesetz von 1995/96 präsentierten fiskalen Sonderkonditionen und der Gewährung entsprechender Sicherheiten basieren. So internationale konkurrenzfähig dies auch sein mag, muß die langfristige Entwicklungsstrategie darauf abzielen,
Den Infrastrukturaufbau multisektoriell und etappenweise zu realisieren, um Investitionsrückflüsse durch Einnahmen aus Teilnutzungen zu sichern;
Für den für die weitere bergbauliche Erschließung notwendigen
Infrastrukturaufbau den Privatsektor zu interessieren.
Die energetische und Transportinfrastruktur muß von vornherein so ausgelegt sein, daß sämtliche Entwicklungssektoren wie die Landwirtschaft, das produzierende Gewerbe und der Handel davon ebenso profitieren können. Dies bedeutet, daß der Staat in bestimmten Bereichen mit Hilfe der internationalen Entwicklungspartner komplementär an den Investitionen partizipieren muß, um parallel zu den Privatinvestitionen seine Entwicklungsprioritäten auch in den sozialen Sektoren wahren und bestmöglich umsetzen zu können. Andererseits eröffnet die schrittweise Realisierung von Infrastrukturprogrammen Möglichkeiten, über die teilweise Verfügbarmachung dieser (z.B. Energieeinheiten, Eisenbahnteilstücke) zu ersten Einnahmen zu kommen, die als Investitionsrückflüsse Gesamtfinanzierungen erleichtern.
Erst im April 1998 verabschiedete das guineische Parlament ein Gesetz zur privatwirtschaftlichen konzessionären Übernahme staatlicher Funktionen im Rahmen einer BOT- Struktur (Build-Operate-Transfer). Bei entsprechendem Investitionsschutz ergeben sich damit weitere Möglichkeiten, die Herausforderung langfristiger und umfangreicher Investitionen im Bergbau auf mehrere Schultern zu verteilen. Durch eine erhöhte Nut
zungsvielfalt erweitern sich damit gleichzeitig die Rentabilitätsgrenzen und
der Wachstumspol Bergbau trägt letztendlich zur weiteren Stärkung der
volkswirtschaftlichen Einnahmensbasis Guineas bei.
8.2.3 Die zukünftige Rolle der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit
Eine der wichtigsten Herausforderungen stellt sich für die internationale Entwicklungszusammenarbeit im langfristig tragfähigen Abbau der Auslandsverschuldung Guineas. Eine brisante Aufgabe, da zurückzuzahlende Entwicklungskredite bisher ein wesentlicher Bestandteil der Politik zahlreicher internationaler Entwicklungsorganisationen war und weiterhin bleiben wird. Doch bei einem BIP pro Kopf von 550 US$ hat jeder guineische Einwohner eine Schuldenlast von 439 US$ zu tragen (1997). Und angesichts eines steigenden Anteils von Zinszahlungen gegenüber der übertragenden rückzahlungsfreien Entwicklungshilfe (1997 stieg dieser Anteil auf 61% an (vgl. Kap. 6.3.3.2)) besteht schnell das Risiko einer extern gelenkten Entwicklungsblockade durch drohende Rückzahlungsunfähigkeit. Diese ist meist dann erreicht, wenn zur Bedienung der Altschulden neue Schulden aufgenommen werden müssen (CREUTZ 1990, S. 16ff). Hinsichtlich der langfristigen Lösung der Verschuldungssituation Guineas kommt dabei der internationalen Gebergemeinschaft eine methodische wie moralische Verantwortung zu, da sie einerseits dem Land im Rahmen der strukturellen Anpassungsprogramme strenge Vorgaben zur Haushaltsführung macht, andererseits den Handlungsspielraum zum Ausschöpfen der Entwicklungspotentiale des Landes nicht an diesen Rahmenbedingungen nicht scheitern lassen darf.
Die Ansatzstrukturen für Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit zur Armutsbekämpfung sind in Guinea überaus schwierig. Dies hängt zum großen Teil mit unangepaßten wirtschafts- und sozialpolitischen Konzeptionen der Regierung sowie Kapazitätsdefiziten in nahezu allen Sektoren zusammen. Eine unzulängliche Geberkoordination verhinderte bislang überdies eine klare und systematische Orientierung der Entwicklungszusammenarbeit zur effizienten Bekämpfung der Armut in Guinea. Maßnahmen dazu sollten u.a. mit der Fortführung des Strukturanpassungsprozesses grundsätzlich sowohl auf der strukturellen Ebene ansetzen als auch direkte und mittelbare armutsmindernde Zielwirkungen haben. Angesichts des reichen Ressourcenpotentials sind dabei mittel- und langfristige Strategien zur Beschäftigungs- und Einkommensschaffung und -förderung über eine verbesserte Nutzung dieser Ressourcen vorrangig zu entwickeln. Mangels der dafür notwendigen Management-, Organisations- und Verwaltungskapazitäten auf nationaler Seite muß dies vornehmlich durch verstärkte Investitionen in- und ausländischer Unternehmen realisiert werden. Dabei kommen folgenden Maßnahmen entscheidende Bedeutung zu:
Die Förderung und Vermarktung des Investitionsstandortes (Informationsbereitstellung und -verbreitung, Ausbau und Konsolidierung wirtschaftsnaher Infrastruktur, Stabilisierung des Investitionsrechts, Standortmarketing);
Die Stärkung, Förderung und Diversifizierung des lokalen Privatsektors (Verbesserung institutioneller und struktureller Rahmenbedingungen, praxisnahes Aus- und Fortbildungsangebot, Bereitstellung angepaßter finanzpolitischer Förderungsinstrumente, Sicherung der Unternehmensgesetzgebung, Anpassung der Faktorkosten);
Qualifikations- und Kompetenzförderung in der Verwaltung (Aufbau und Förderung von Investitionsagenturen, Organisations- und Ablaufverbesserung in den Wirtschafts- Industrie- und Handelsministerien).
Die internationale Entwicklungszusammenarbeit kann hier in gezielter,
koordinierter und angepaßter Weise mehr als zuvor das Land Guinea einerseits bei
der Verbesserung der Inwertsetzung seines natürlichen Vermögens unterstützen,
andererseits die gravierenden Ursachen der vorherrschenden absoluten Armut
bekämpfen. Der erforderliche breit angelegte Ansatz dazu muß systematisch und
entsprechend den zu erwartenden und zu erarbeitenden Interdependenzen und
Synergieeffekten ausgelegt sein. Dabei sind die Maßnahmen zur Inwertsetzung des
Ressourcenpotentials mit Initiativen zur sektorspezifischen Armutsminderung
horizontal und vertikal in Planung und Durchführung miteinander zu vernetzen:
Maßnahmen zur sektorspezifischen direkten und indirekten Armutsminderung
Ausbau und Konsolidierung der Humankapitalbasis:
Neben den bereits existierenden Engagements der internationalen Gebergemeinschaft in den Sektoren Bildung und Gesundheit, vor allem in der Grundschulbildung sowie in der Basisgesundheitsfürsorge zur Stärkung der physischen Leistungsfähigkeit der Bevölkerung sind folgende bisher wenig beachtete Bereiche für eine langfristige Stabilisierung der Humankapitalbasis von Bedeutung:
-eine abgestufte, aber angepaßte und in sich kohärente Bildung auf allen Ebenen (so z.B. eine sich dem Wirtschafts- und Marktpotential anpassende und vorausgreifende Berufsbildung und eine qualitativ auf die Nachfrage abgestimmte tertiäre Bildung);
-integrierte Mischkonzepte der Bereiche Berufs- und Fortbildung sowie Gesundheit, Ernährung und Hygiene zur optimalen Förderung der arbeitsfähigen Bevölkerung.
-die Jugendförderung zur langfristigen Sicherung der zukünftigen Entwicklung
des Landes;
Stärkung der Verwaltungskompetenz:
Als Grundvoraussetzung für die sichere Planung und Umsetzung von
Entwicklungs-inhalten gelten sowohl in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik
als auch in der dezentralen Verwaltung die Stärkung von Fachkompetenz und die
Förderung einer adequaten Organisationsentwicklung. Die
Verwaltungsdezentralisierung bedarf zu ihrer effektiven Umsetzung auf
nationaler, lokaler und regionaler Ebene ausreichend effizienter und
substantieller Kapazitäten für eine systematische Arbeitsteilung und
interinstitutionelle Abstimmung über Entwicklungsentscheidungen.
Dezentrale bzw. regionale Entwicklungspolitik:
Zur intensiven Bekämpfung der ländlichen Armut ist eine möglichst genaue Kenntnis regionaler physischer und anthropogener Vor- und Nachteile und Tendenzen erforderlich. Die Erfassung und entwicklungsspezifische Analyse existierender Produktions- und und Beschäftigungskapazitäten zur gezielten Inwertsetzung der Ressourcenausstattung ist Voraussetzung zur Erstellung regionaler Entwicklungs-pläne(334).
Stärkung des Finanzsektors:
Parallel zur Förderung des produktiven formellen und informellen Sektors ist
der guineische Finanzsektor den Entwicklungsförderungsbedingungen anzupassen und
zu stärken, um Risikokapital für Investitionsbereiche bereitzustellen, in denen
Beschäftigungspotentiale existieren und Wettbewerbsfähigkeit aufgebaut werden
kann.
Produktivitätssteigerung im Agrarsektor:
Die Agrarproduktion stellt als Versorgungsbasis das Rückgrat der guineischen
Ökonomie dar, hat sich jedoch bis heute nicht von seiner Vernachlässigung
während der I. Republik erholt. So behindern ein hoher Grad an Informalisierung
und eine wenig produktive Subsistenzwirtschaft nach wie vor die Ausschöpfung des
vorhandenen Potentials und belasten die zu Nahrungsmittelimporten gezwungene
Volkswirtschaft. Hier sind Angebote in Ausbildung, landwirtschaftliche
Dienstlei-stungen und Agrarfinanzierungen erforderlich, um über
Produktivitätssteigerungen die Nahrungsmittelautarkie zu erreichen sowie das
Exportpotential bestimmter Agrar-produkte umzusetzen (s. Kap. 6.1.1.3ff).
Schaffung zusâtzlicher Arbeitsplätze:
Durch die Freisetzung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst muß Guinea
alternative Beschäftigungskapazitäten schaffen. Der privatwirtschaftliche
Sektor, v.a. der informelle Bereich, besitzt ausreichend Potential, um
entsprechende Absorptionskapazitäten aufzubauen, nutzt dieses derzeit jedoch
kaum aus. Zu den Entwicklungsblockaden zählen dabei mangelnde finanzpolitische
Förderungseinrich-tungen, Ausbildungsmängel, eine nachteilige Rechtskultur sowie
behördliche Behinderung und Korruption, die komplementär angegangen werden
müssen.
Begleitende Maßnahmen zur Inwertsetzung der natürlichen Potentiale
Aufbau, Rehabilitierung und Erweiterung wirtschaftsrelevanter Infrastruktur (Energie, Transport, Telekommunikation, Industriezonen, etc.) sowie deren angemessene Bereitstellung und Unterhaltssicherung;
Humankapital- und Kompetenzaufbau in der Verwaltung zur Schaffung adäquater Rahmenbedingungen in der institutionellen Wirtschafts- und Investitionsförderung;
Aufbau und Förderung von privatwirtschaftlichem Unternehmertum;
Qualifikations- und Kompetenzförderung in der angewandten Wirtschaftsforschung;
Unterstützung von klein- und mittelständischen Unternehmen in der
Zusammenarbeit mit der Großindustrie (Bergbau, Hoch- und Tiefbau, Agroindustrie
etc.) in den Bereichen Zulieferung, Dienstleistungen und Arbeitsteilung.
Zusammenfassend wird sich die internationale Entwicklungszusammenarbeit mehr denn je auf die indirekte und direkte Armutsbekämpfung über die gezielte Inwertsetzung von nachhaltigen Produktions- und Dienstleistungspotentialen bei einer gleichzeitigen Ausweitung und Intensivierung ihres Engagements in allen Sozialsektoren, insbesondere Gesundheit und Bildung konzentrieren müssen. Bei einer konsequenteren Einhaltung der Grundprinzipien Selbsthilfe, Partizipation, "ownership", dem Streben nach Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung der Korruption sowie intensiveren Bemühungen um Koordination, Komplementarität und Kooperation in der Planung und Umsetzung der Entwicklungszusammenarbeit werden leistungssteigernde Wirkungen einen Großteil von Mittelmehraufwendungen kompensieren. Für die Sicherung von Effizienz und Nachhaltigkeit sind gleichzeitig vor der Durchführung festzulegende Konditionierungen von Engagements mit staatlichen Trägern bei gleichzeitiger Determinierung von gemeinsam zu erreichenden Leistungsindikatoren von Bedeutung.
Abkürzungen
ACDI Agence Canadien pour le Développement International
AFD Agence Française de Développement
AfDB African Development Bank (Afrikanische Entwicklungsbank)
AGC Ashanti Goldfields Corporation
ANA Agence de Navigation Aérienne
BADEA Banque Arabe pour le Développement Economique de l'Afrique
BARAF Bureau d'Aide à la Réinsertion des Agents de la Fonction Publique
BCRG Banque Centrale de la Guinée
BEI Banque Européen des Investissements
BIAG Banque Internationale pour l'Afrique en Guinée
BICIGUI Banque Internationale pour le Commerce et l'Industrie de la Guinée
BIP Bruttoinlandsprodukt
BM Banque Mondiale
BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
BND Budget National de Développement
BOT Build - Operate - Transfer
BSP Bruttosozialprodukt
CBG Compagnie des Bauxites de Guinée
CFP Centre de Formation Professionelle
CCDE Centre pour la Création et le Développement des Entreprises
CCIAG Chambre de Commerce, d'Industrie et d'Agriculture de la Guinée
CDMT Cadre de Dépense à Moyen Terme
CEDEAO Communauté Economique des Etats de l'Afrique Occidentale
(s. ECOWAS)
CFD Caisse Française de Développement
CFDT Compagnie Française pour le Développement des Fibres Textiles
CFP Centre de Formation Professionelle
CM Crédit Mutuel
CMRN Comité Militaire de Redressement National
CNPIP Centre National pour la Promotion des Investissements Privés
CNSH Centre National des Sciences Halieutiques
CNSP Centre National de Surveillance de la Pêche
CNSS Caisse Nationale de la Sécurité Sociale
CODESRIA Conseil pour le développement de la recherche économique et social en Afrique
CPDM Centre de Promotion et de Développement Minier
CPTI Centre Pilote des Technologies Industrielles
CR Crédit Rural
CSRP Commission sous-régionale de la Pêche
CTRN Comité Transitoire de Redressement National
DEG Deutsche Entwicklungsgesellschaft
DNFPR Direction Nationale de la Formation et de la Promotion Rurale
DNI Direction Nationale des Impôts
DNIP Direction Nationale des Investissements Publics
DRS Debtor Reporting System (Weltbank)
E Einwohner
ECOMOG Economic Community Monitoring Group
ECOWAS Economic Community of West African States (s. CEDEAO)
ENELGUI Energie Electrique de Guinée
EIB European Investment Bank
EIU (CR, CP) Economist Intelligence Unit (Country Report, Country Profile)
EU Europäische Union
FED Fonds Européens de Développement
FG Franc Guinéen
FINEX Financement Extérieur
FMI Fonds Monétaire International
GE Guinée Economique
GIS Geographisches Informationssystem
GSM Golden Shamrock Mining
GTZ Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
HCAE Haut Conseil aux Affaires Electorales
IDB Islamic Development Bank
IFC International Finance Corporation
IRAG Institut de Recherche Agronomique de Guinée
IWF Internationaler Währungsfonds
KFAED Kuwait Fund for Arab Economic Development
KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau
KMI Klein- und mittelständische Industrien
KKMU Kleinst-, klein- und mittelständischen Unternehmen
KMU Klein- und mittelständische Unternehmen
LANAM Laboratoire National des Analyses de Matoto
LC Le Courier
LPDA Lettre de Politique de Développement Agricole
LPT Lettre de Politique des Transports
MID Marché Interbancaire de Devises
MILIC Moderate Indebted Low Income Country (Weltbank)
MRNEE Ministère des Ressources Naturelles, de l'Energie et de l'Environnement
NRO Nichtregierungsorganisation
OBK Office de Bauxite de Kindia.
ODA Official Development Assistance
OFAB Office de l'Aménagement de Boké
OGUIB Office Guinéen du Bois
ONAH Office National des Hydrocarbures
ONCFG Office National du Chemin de Fer de Guinée
ONPPME Office National de Promotion des Petites et Moyennes Entreprises
ONUDI Organisation des Nations Unies pour le Développement Industriel
OPIP Office pour la Promotion des Investissements Prinvés
OPS Office des Projets Routiers
PAC Port Autonome de Conakry
PAC BI Bulletin d'Information du PAC
PAC SC Statistiques Comparées du PAC
PAM Programme Alimentaire Mondial
PDG Parti Démocratique de Guinée
PDG-AST PDG-Ahmed Sékou Touré
PDG-RDA PDG-Rassemblement Démocratique Africain
PIP Programme des Investissements Publics
PNAE Plan National d'Action pour l'Environnement
PNUD Programme des Nations Unies pour le Développement
PRP Parti du Renouveau et du Progrès
PUP Parti de l'Unité et du Progrès
RG République de Guinée
RPG Rassemblement du Peuple Guinéen
SAG Société Aurifère de Guinée
SBDT Société des Bauxites de Dabola-Tougué
SBK Société de Bauxite de Kindia
SDF Saudi Development Fund
SGP Société Guinéenne des Pétroles
SGS Société Générale de Surveillance
SMD Société Minière de Dinguiraye
SNE Société Nationale d'Electricité
SNSA Service National des Statistiques Agricoles
SOGEAC Société de Gestion et d'Exploitation de l'Aeroport de Conakry
SOGEL Société Guinéenne d'Electricité
SOGUITRO Société Guinéenne des Travaux Routiers
SPSA Système Permanent des Statistiques Agricoles
TOT Terms of Trade
UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development
UNHCR United Nations High Commissioner for Refugees
UNR Union pour la Nouvelle République
UPG Union Nationale pour la Prospérité de Guinée
UPR Union pour le Progrès et le Renouveau
USAID United States Agency for International Development
USPIAG Union des Sociétés de Pêche Industrielle et Artisanale de Guinée
VN Vereinte Nationen
WB Weltbank
Grafiken
Seite
Grafik 1: Partei- und Verwaltungsstruktur in der 1. Republik. 18
Grafik 2: Alterspyramide der guineischen Bevölkerung 1995. 68
Grafik 3: Verteilung der guineischen Haushalte nach sozioökonomischen
Gruppen (1991, in %). 69
Grafik 4: Verteilung der guineischen Haushalte nach ihrer Größe (1991, in %). 69
Grafik 5: Bevölkerungsverteilung nach Familienstand (1991, in %). 71
Grafik 6: Investitionen im Siebenjahresplan 1964 - 1971. 101
Grafik 7: Äußere Verschuldung Guineas 1965-84 (in Mio. US$). 114
Grafik 8: Durchschnittliches Wechselkursverhalten auf dem offiziellen
und parallelen Devisenmarkt (FG:US$). 120
Grafik 9: Anteil der Plantagenkulturen an der jeweiligen nationalen
Gesamtanbaufläche (1992, in %). 153
Grafik 10: Die Entwicklung des Viehbestandes in Guinea. 155
Grafik 11: Durchschnittlicher jährlicher Reisverbrauch pro Kopf (1997) 167
Grafik 12: Exportzusammensetzung 1957 - 97. 211
Grafik 13: Internationaler Passagiertransport via Guinea 1989 - 1996. 259
Grafik 14: Luftfrachtaufkommen am Flughafen Conakry G'Bessia
1989 - 1996 (in t). 260
Grafik 15: Entwicklung der Einfuhrzölle 1990 - 1994
(in % des Importwarenwertes). 267
Grafik 16: Entwicklung des Mineralölsteuereinzugs 1988 - 1994. 268
Grafik 17: Politische Struktur der Entwicklungszusammenarbeit in Guinea. 296
Kästen
Kapitel Seite
Die koloniale Verwaltung Kap. 3.1.1 10
Profil Sékou Touré Kap. 3.1.1 13
Sékou Touré und Charles de Gaulle Kap. 3.1.1 15
Das permanente Komplott Kap. 3.1.2.1 17
Profil Lansana Conté Kap. 3.1.3 27
Die Auswirkungen der Bürgerkriege in Liberia und
Sierra Leone Kap. 3.1.3 34
Das Phänomen Sékou Touré Kap. 3.1.3 37
Guinea im Jahre 2000 Kap. 3.1.3 41
Bauxit Kap. 4.3 52
Die Polygamie Kap. 4.4.2.3 72
Der Untergang der traditionellen Herrschaftsstrukturen Kap. 5.2.2 90
Der Parallel-Markt und die Korruption Kap. 5.3.3 112
Das Immobilien- und Unternehmensgesetz Kap. 5.4.2.3 136
Leistungen des strukturellen Anpassungsprogramms
der WB und des IWF Kap. 5.4.2.4 139
Die Reisproblematik Kap. 6.1.1.4.1 168
Der informelle Sektor Kap. 6.2.1.2.2 197
Das Investitionsgesetz Kap. 6.2.1.2.3 201
Ein Armutsprofil Guineas Kap. 7.2 298
Jüngste makroökonomische Reformergebnisse Kap. 8.1 302
Tabellen
Seite
Tabelle 1: Demographische Basisindikatoren 1970 - 1995. 63
Tabelle 2: Bevölkerungsverteilung in Guinea 1996. 64
Tabelle 3: Einwohnerdichte Guineas mit relevanten Kennzahlen (1991). 65
Tabelle 4: Sexualproportion 1996 (in %). 67
Tabelle 5: Altersstruktur 1991 (in %). 68
Tabelle 6: Interregionale Binnenwanderungen. 80
Tabelle 7: Bevölkerungsprognose der Vereinten Nationen
und der Weltbank (1994). 82
Tabelle 8: Exportleistungen Französisch-Guineas 1892 - 1913 (in t). 88
Tabelle 9: Bananenproduktion Französisch-Guineas von 1920 - 1958 (in t). 93
Tabelle 10: Geplante Produktionsziffern und Investitionen im Rahmen
des Dreijahresplans (1960-1963) nach Wirtschaftsbereichen. 97
Tabelle 11: Leistungen der ausländischen Entwicklungshilfe für den
Dreijahresplan 1960-63. 98
Tabelle 12: Situation von Währung und Krediten während der I. Republik
(in Mrd. GS). 105
Tabelle 13: Außenhandelsbilanz Guineas 1973-77 (in Mio. US$). 107
Tabelle 14: Guineas Zahlungsbilanz 1964-1985 (in Mill. US$). 107
Tabelle 15: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) während der I. Republik
(in Mrd. Syli zum jeweils aktuellen Wert). 109
Tabelle 16: Anteil der Bauxit/Aluminaausfuhr am Gesamtexport 1982-85 (in %). 110
Tabelle 17: Staatshaushalt der I. Republik von 1964-68 (in Mrd. FG). 113
Tabelle 18: Staatshaushalt der I. Republik von 1976-84 (in Mrd. Syli). 115
Tabelle 19: Ausgewählte Wirtschaftsindikatoren für Guinea 1984. 117
Tabelle 20: Devisenhaushalt Guineas 1987 - 1989 (in Mill US$). 121
Tabelle 21: Die Personalreduzierung im Rahmen der Verwaltungsreform
im Zeitraum 1985-88. 126
Tabelle 22: Gehaltsstruktur des öffentlichen Dienstes 1986-90. 126
Tabelle 23: Zusammensetzung der Staatseinnahmen 1986-92 (in Mrd. FG). 130
Tabelle 24: Schätzung des Kaufkraftausgleichs auf der Basis des
Wechselkurses 1986 - 1990. 132
Tabelle 25: Die Verteilung des BIP nach Wirtschaftssektoren 1986 - 1989 (in %). 133
Tabelle 26: Zahlungsbilanz Guineas 1986 - 1989 (in Mill. US$). 133
Tabelle 27: Landwirtschaftlicher Im- und Export 1956 - 89. 143
Tabelle 28: Exportvolumina der wichtigsten Agrarprodukte 1960 - 1990 (in t). 144
Tabelle 29: Anbauflächen der Hauptreisarten in den Naturräumen 1986 (in ha). 144
Tabelle 30: Reisproduktion in Guinea 1969 - 90 in Relation zur
Anbaufläche und zum Ertrag. 145
Tabelle 31: Importvolumina der wichtigsten Nahrungsmittel 1974 - 93 (in 1000 t). 145
Tabelle 32: Landwirtschaftliche Produktionsmengen 1989 - 95 (in 1000 t). 147
Tabelle 33: Anbaufläche nach Nahrungsmittelanbauart und Naturraum
Guineas 1994. 148
Tabelle 34: Verteilung des Viehbestandes in den Naturräumen Guineas (in %). 155
Tabelle 35: Entwicklung der Inflation 1986 - 96 (in %). 163
Tabelle 36: Wachstum der Landwirtschaft Guineas 1986 - 96 (in %). 163
Tabelle 37: Fischproduktion in guineischen Gewässern im Vergleich zur
tatsächlich angelandeten Fischmenge für den nationalen Verbrauch
(1990 - 95). 178
Tabelle 38: Art und Anteil des Waldbestandes Guineas an der Gesamtfläche
des Landes. 186
Tabelle 39: Waldbestandanteil (mit geschlossener Kronendecke) in den
Naturräumen. 186
Tabelle 40: Exportmengen der wichtigsten Minerale Guineas 1991-97. 210
Tabelle 41: Mineralexporte Guineas 1985 - 97 (in Mill. US$). 212
Tabelle 42: Einnahmen aus dem Bergbau 1989 - 97 (in Mrd. FG). 214
Tabelle 43: Steuermodell des Bergbaugesetzes von 1995. 215
Tabelle 44: Renaturierte Flächen der Minengesellschaften im Tagebau (1993). 227
Tabelle 45: Die Energiebilanz Guineas 1995 (in Mill. t ROE). 228
Tabelle 46: Nutzung verschiedener Energieträger zur Lichterzeugung in
guineischen Haushalten (in %). 229
Tabelle 47: Planung der guineischen Regierung für den Ausbau der öffentlichen
Stromversorgung in Mittel-, Ober- und Waldguinea. 235
Tabelle 48: Entwicklung des tertiären Sektors und des Handels 1986 - 1991. 238
Tabelle 49: Außenhandel Guineas 1988 - 1997 (in Mill. US$). 239
Tabelle 50: Im- und Exportmengen der wichtigsten Handelsgüter 1991 - 1997. 240
Tabelle 51: Wichtigste Außenhandelspartner 1989 - 1995. 243
Tabelle 52: Terms of Trade Guineas 1987 - 1997. 245
Tabelle 53: Das Straßennetz Guineas. 249
Tabelle 54: Volumen des Güterverkehrs im Hafen von Conakry 1989 - 1998. 257
Tabelle 55: Haushalt der guineischen Regierung 1989 - 1997 (in Mrd. FG). 265
Tabelle 56: Zahlungsbilanz Guineas 1989 - 1996 (in Mill. US$). 272
Tabelle 57: Öffentliche Auslandsverschuldung Guineas 1989 - 97 (Mill. US$). 274
Tabelle 58: Die Währungssituation 1990 - 1998 (in Mrd. FG). 277
Tabelle 59: Inflationsrate und Wechselkursverhalten (US$) des FG 1986 - 1998. 281
Tabelle 60: Entwicklung des BIP zu Marktpreisen 1986 - 98 (in Mrd. FG). 282
Tabelle 61: Die Entstehung des BIP 1994 - 1998 (in Mrd. FG). 284
Tabelle 62: Die Verwendung des BIP 1986 - 1998. 286
Tabelle 63: Zuwendungen der öffentlichen Entwicklungshilfe nach Verwendung
1994 - 1997 (in Mill. US$). 289
Tabelle 64: Zuwendungen der öffentlichen Entwicklungshilfe nach Geber
1994 - 1997 (in Mill. US$). 290
Tabelle 65: Prioritätensetzung der guineischen Bevölkerung im Rahmen
der Förderungsstrategie zur Armutsbekämpfung. 295
Tabelle 66: Verteilung der Armutsgrenze in % der Gesamtbevölkerung. 297
Tabelle 67: Armutsindex nach sozioökonomischen Gruppen (1998). 298
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3.2 Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP/PNUD
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PNUD 1992a: "Schéma régional d'aménagement et de développement." Ein
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PNUD 1992b: "La Guinée et le développement humain. Chiffres, faits et
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PNUD 1993a: "Rapport de coopération au développement 1991". Conakry 1993.
PNUD 1993b: "Rethinking Technical Coopération. Reforms for capacity building
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PNUD 1994a: "Rapport de coopération au développement 1992". Conakry 1994.
PNUD 1994b: "Finances publiques et développement humain". Conakry 1995.
PNUD 1995a: "Rapport de coopération au développement 1993". Conakry 1995.
PNUD 1999: "Rapport de coopération au développement 1997". Conakry 1999.
3.3 Andere internationale Organisationen und Institutionen
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Begleitunterlagen d. Investitionsmesse v. 26. - 29.5.1998 in Conakry: Liste de
projets et information pour les participants; guide de l'investisseur pour la
Guinée; Etudes filières. Conakry 1998.
PRICE WATERHOUSE 1998: "Guide de l'investisseur en Guinée". Hrsg. v. Price
Waterhouse Conseil. Conakry 1998.
NU/CEA/ONUDI 1994: "Perspectives d'accroissement de la production et du
commerce intra-africain de l'aluminium et des produits a base d'aluminium".
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AFRIKA JAHRBUCH (AJB), Jahrgänge 1987 - 1996, Hrsg. v. Institut für Afrikakunde
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DER ÜBERBLICK (DÜ), hrsg. v. der Arbeitsgemeinschaft kirchlicher
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ENTWICKLUNGSPOLITIK MATERIALIEN (EM), hrsg. v. Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BMZ, Bonn.
ENTWICKLUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN (EPI), Jahrgänge 1996-98, Saarbrücken.
JEUNE AFRIQUE (JA), Jahrgänge 1990 - 1998, Paris.
L'ECONOMIE GUINEENNE, Magazine de l'économie guinéenne, Jahrgänge 1994 - 1998, Conakry.
MARCHES TROPICAUX ET MEDITERRANEENS (MT), Jahrgänge 1986 - 1998, Paris.
MUNZINGER-ARCHIV (MA): "Guinea", IH-Länder aktuell, 1997.
STATISTISCHE LÄNDERBERICHTE (StLB) und Länderkurzberichte (StLKB), Jahrgänge
1967, 1969, 1994, in: Allgemeine Statistik des Auslandes, hrsg. v. Statistischen
Bundesamt, Wiesbaden.
THE ECONOMIST INTELLIGENCE UNIT (EIU): "Country Report Guinea (CR)" und
"Country Profile Guinea (CP)". CR in vierteljährlicher, CP in jährlicher
Erscheinungsweise. Jahrgänge 1990 - 1998. London.
Karten
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National - France und Institut de Topographie et de Cartographie de Guinée.
Paris/Conakry, zwischen 1929 (Blatt Dabola NC-29-XIII) und 1957 (Blatt
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Guinea (Guinée), Maßstab 1:1.000.000. Hrsg. v. Institut Géographique National
Guinéen, Conakry und Institut Géographique National, Paris. Paris/Conakry 1980,
letzte aktualisierte Ausgabe 1993.
Geologische und mineralogische Karte von Guinea (Carte géologique et minérale
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Hrsg. v. Ministère des Mines et de la Géologie. Conakry 1980.
Geologische Karte 1:200.000, Blätter Conakry NC-41-XI, Boffa NC-39-XVI,
Kindia NC-30-XVIII, Labé NC-37-XXI, Dabola NC-29-XIII. Hrsg. v. JICA Japanese
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l'Energie (MRNE).Tokio, Conakry 1989.
Geologische und mineralogische Karte Guineas (Carte géologique et des
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Geologische Karte von Guinea, Guinea-Bissau, östlicher Senegal (Carte
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VILLENEUVE, M.: "Etude géologique sur la bordure sud-ouest du craton
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Tektonische Karte von Westguinea (Tektonicheskaya karta zapadnoy chasti
Gvineskoy Respubliki), Maßstab 1:500.000, von G.GALPEROV. Conakry 1978.
Thematische Karten auf Präfekturebene: Straßen- und Transportinfrastruktur,
präfektorale Kommerzialisierungsströme, Bevölkerungsverteilung, Gesundheits-,
Bildungs- und Kultureinrichtungen. In: PNUD 1988: "Etude socio-économique
régionale. Bilan-diagnostique au niveau des préfectures". Bände Nieder-,
Mittel-, Ober- und Waldguinea. Projekt PNUD/DTCD/GUI/84/007. Conakry/New York
1988.
Thematische Karten auf Naturraumebene: Bevölkerungsverteilung und -dichte,
ethnische Gruppen, Landwirtschaft und landwirtschaftliches Potential, Bergbau
und Industrie, Märkte und Kommerzialisierungsströme, Infrastruktur, etc., in:
Kartographischer Bericht in: PNUD 1992a: "Schéma régional d'aménagement et de
développement." Ein Hauptband und je ein Band pro Naturraum. Conakry 1992.
1. - -
2. - -
3. Die "Befriedung" war damals die für die Franzosen übliche Bezeichnung für die Unterwerfung aller der sich der französischen Kolonialherrschaft widersetzenden Stämme im Kolonialgebiet.
4. Das erste mit den Herrscherfürsten der Peulh des Fouta Djallon, den Almami Ahmadou und Ibrahima Sori III, am 5. Juli 1881 geschlossene Abkommen war noch ein freiwillig unterzeichneter Schutzvertrag, während die Verträge mit den benachbarten Dialonké-Stämmen Benna, Tamisso, Kamonké, Konkonia und Tambaka sowie der zweite Schutzvertrag mit dem Fouta Djallon vom 6. Februar 1897 militärisch erzwungen waren.
5. Aus ihm entsteht 1902 die Föderation Französisch-Westafrika (Fédération d'Afrique Occidentale Française AOF).
6. "Proclamation des principes civilisateurs"
7. Damit wurde für die französischen Kolonialherren die Rolle des Schiedsrichters zwischen Eingeborenenstaaten (Protektorate), das Recht auf Maßnahmen zum Schutz französischer und europäischer Siedler sowie die Aufgabe, Steuern als "Beitrag zu den Kosten des Friedenswerkes" einzutreiben, legitimiert (VOSS 1968, S. 49).
8. -
10. Durch den Bau des Hafens sollte ab 1897 ein wesentlicher Teil des westafrikanischen Überseehandels, der damals über das britische Freetown abgewickelt wurde, nach Conakry gezogen werden (VOSS 19968, S. 50).
11. 1927 gab es in Guinea 12 europäische Ärzte, 10 Assistenten und 1 Hilfsapotheker, 12 Hebammen sowie 93 Krankenschwestern. 1939 waren es nur wenig mehr: 22 europäische Ärzte, 32 Assistenten, 2 Apotheker, 27 Hebammen und 149 Krankenschwestern (LEWIN 1984, S. 46/47).
12. Zu Ehren des Initiators Noel-Eugène Ballay, Gouverneur Französisch-Guineas von 1890-1900. Heute trägt es den Namen Hopital Ignaz Deen und ist neben dem später erbauten Hopital Central das größte Krankenhaus des Landes.
13. Verschärft wurde die Situation durch die Konfrontation der Bevölkerung mit einigen aus Europa eingeschleppten Krankheitserregern wie Grippe und TBC, gegen die keine Abwehrstoffe existierten.
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19. z.B. Union des Métis, Union des Toucouleurs, Comité de la Basse-Guinée (Soussou), Amicale Gilbert-Vieillard (Peulh), Union des Mandingue (Malinké), Union Forestière LEWIN 1984, S. 48).
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26. Oft machte man sich über die Qualität der "Errungenschaften" des Ostblocks lustig, wie z.B. über den Bau eines Senders, der auf einem eisenerzhaltigen Hügel errichtet wurde, womit die Wellenausstrahlung unmöglich gemacht wurde.
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28. In einem öffentlichen Prozeß im Januar 1971 wurden 91 Menschen zum Tode verurteilt. 8 von Ihnen wurden öffentlich gehängt.
29. Sékou Touré betrachtete die Exilguineer als eine permanente Bedrohung, die von ihren Hauptbasen in Dakar und Abidjan aus gegen ihn operierten.
30. Gerade in der Zeit der hohen politischen Repressalien nach den Ereignissen von 1970 stieg die Auswanderungswelle enorm an, so daß bald wichtige Arbeitsmarktelemente wie Händler, Handwerker, technische Fachkräfte und Lehrer fehlten (HILLEBRANDT/WEIMER 1988, S. 31).
31. Das "Comité inter-Etats des riverains du fleuve Sénégal", dem neben Guinea und Senegal noch Mali und Mauretanien angehörten, nahm 1968 mit der Gründung einer Organisation der Anrainerstaaten des Senegalflusses (Organisation des Etats Riverains du fleuve Sénégal OERS) in Labé (Mittelguinea) feste Konturen an.
32. Die Verhandlungen über eine Freihandelszone scheiteren 1965 endgültig an den zu unterschiedlichen Positionen und Interessen der beteiligten Länder.
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35. Gleichzeitig brach Sékou Touré im Juni 1967 aus Solidarität zur Vereinigten Arabischen Republik VAR die bis dahin guten Beziehungen zu Israel aufgrund des Sechstagekrieges abrupt ab.
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40. Auch regionale Initiativen im Rahmen der OUA-Charta, wie der Beitritt zur Organisation für die Inwertsetzung des Gambiaflusses (Organisation de la Mise en Valeur du fleuve Gambie OMVG) und zur Union des Manoflusses (Union du fleuve Mano UFM) binden Guinea in ein dichtes Netz nachbarstaatlicher Partnerschaften ein (LEWIN 1984, S. 80).
41. So startete er als Präsident des islamische Komitees zur Schlichtung zwischen dem Iran und Irak im Laufe des Jahres 1981 mehrere Vermittlungsversuche (LEWIN 1984, S. 80).
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45. Die RPG vereinigte mehrere kleine Dissidentengruppierungen wie die nationale demokratische Bewegung (Mouvement National Démocratique MND), die Bewegung Einheit und Recht (Mouvement Unité et Justice MUJ) und den Militärrat für die nationale Einheit (Conseil Militaire pour l'Unité Nationale COMUNA). Ihre Mitglieder stammten überwiegend von der Malinké-Ethnie. Weitere Oppositionsgruppen waren das Komitee zur Reflexion über die Demokratie in Guinea (Comité de Réflexion sur la Démocratie en Guinée CRDG), die guineische Gemeinde in Paris (Guinéens de l'extérieur) sowie die guineische Liga der Menschen- und Bürgerrechte (Ligue Guinéenne des Droits de l'Homme et du Citoyen LGDHC).
46. Amnesty International meldete im November 1989 die Verhaftung und Folterung von RPG-Mitgliedern, die regimekritische Schriften verteilt hatten. Die Regierung wies die Beschuldigungen von sich und unterstrich, daß seit der Amnestie für die am Putschversuch 1985 Beteiligten keine politischen Häftlinge mehr in Guineas Gefängnissen einsäßen (AJ 1989, S. 113).
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49. Mitte Mai 1991 formte sich außerhalb Guineas eine aus sieben politischen Gruppierungen und Arbeiterbewegungen bestehende Opposition, die Allianz zur Einführung der Demokratie (Alliance pour l'Instauration de la Démocratie AID). Ihre Mitglieder waren die guineische Organisation zur Verteidigung der Menschenrechte (Organisation Guinéenne de la Défense des Droits de l'Homme OGDH), das Forum für die Demokratie in Guinea (Forum pour la Démocratie en Guinée FODEG), die guineische Arbeitergewerkschaft (Union Générale des Travailleurs en Guinée UGTG), die guineischen Lehrer und Forscher (Enseignants et Chercheurs de Guinée ECG), die Bewegung der entlassenen Staatsbediensteten (Mouvement des Déflatés de la Fonction Publique MDFP), eine protestantische Bewegung (Association Preche et Orientation APO) und eine pro-arabische islamische Gruppierung. Unterstützt wurde diese Front von der aus Abidjan operierenden guineischen Gesellschaft für Demokratie und Entwicklung (Association Guinéenne pour la Démocratie et le Développement AGDD) (EIU CR 3/93, S. 15).
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55. Zahlreiche bi- und multilaterale Geber wie die WB, die UN, die skandinavischen Länder, Frankreich und Deutschland konditionieren ihre Entwicklungshilfebeiträge für die Entwicklungs- und Schwellenländer immer mehr mit einem deutlichen Bekenntnis zum Demokratisierungsprozess und zur Forcierung dieses im Sinne einer sog. "good governance (la bonne gouvernance)".
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58. Auch auf Regierungsseite brachten es bereitstehende Regierungstruppen nicht fertig, schlagkräftig gegen die Meuterer vorzugehen. Sogar die Präsidentengarde, nahe der staatlichen Radio- und Fernsehstation Koundara im Zentrum von Conakry postiert, konnte die Meuterer nicht daran hindern, diese einzunehmen und von dort aus Parolen zu verbreiten.
59. Der größte Teil der Forderungen wurde sofort erfüllt: Der Sold wurde verteilungsgerecht angehoben, ein Sanierungsprogramm für die im desolaten Zustand befindlichen Kasernen wurde gestartet, und die Hinterbliebenen von im Bürgerkrieg im guineischen ECOMOG-Kontingent gefallenen Soldaten wurden besser versorgt.
60. Mitauslöser war eine unabgestimmte, beträchtliche Erhöhung der Beamtengehälter vom Januar 1996, die zudem noch höher ausfiel als ursprünglich geplant und ein großes Loch in die Personalausgaben riß.
61. Die Schwächen der guineischen Regierung in ihrer Haushaltsführung wurden mit ungewohnter Kritik in dem Bericht "Revue des dépenses" der WB dargestellt (WB 1994).
62. Als Sohn guineischer Eltern der im Fouta Djallon beheimateten Malinké-Unterethnie Diakhanké (s. Kap. 4.4) in der Elfenbeinküste geboren machte Sidya Touré mit einer fundierten Ausbildung in Unternehmensrecht Karriere in der ivorischen Handelsverwaltung und stieg zum Kabinettsdirektor des damaligen ivorischen Premierministers Alassane Ouattara auf, der er bis Ende 1993 blieb. Anfang 1994 kehrte er nach Guinea zurück, wurde Geschäftsmann und Mitbegründer einer Finanzierungsgesellschaft. Am 9. Juli 1996 erfolgte seine Ernennung zum Ministerpräsident. Hauptgründe für seine Berufung waren seine technokratische Einstellung und Arbeitsweise sowie seine Verbindungen und langjährigen Erfahrungen mit dem IWF, der WB und dem Pariser Club.
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69. Die Zusammensetzung erfolgte proportional zu den Regierungsanteilen der Parteien, bestand also zu über der Hälfte aus Vertretern der Regierungspartei.
72. Das im Bau befindliche Kraftwerk in Garafiri war ursprünglich für die Versorgung einer Aluminiumhütte mit ausreichend Energie geplant worden, muß aber nun zunächst den durch das Bevölkerungswachstum überproportional gestiegenen Energiebedarf der Haushalte in Conakry, Kindia und Mamou, den größten Agglomerationen in Nieder- und Mittelguinea decken. Dennoch sind für die Erzeugung von Primärenergie zur Aluminiumproduktion weitere Wasserkraftwerkbauten in Souapiti und in Kaléta vorgesehen (s. Kap. 6.2.3 u. Karte 29)(MT 2698, S. 1635).
74. Nämlich von 174 Ländern an 160ster Stelle (PNUD 1996b, S. 167).
75. Parinas excelsa (Kura in Pular, der Sprache der Peulh).
76. Dort, wo die Sandsteinsedimente nicht den Schutz dieser Doleritschicht genießen, ist in vielen Gebieten eine durch die chemische und mechanische Verwitterung hervorgerufene, karstähnlich zerklüftete Morphologie vorzufinden.
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86. Zu den wichtigsten religiösen Ereignissen zählt die Beschneidung von Frauen und Männern, die jedoch ihren Ursprung in den traditionellen Naturreligionen hat und mittlerweile vom Islam integriert wurde.
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89. Wie die Malinké des heutigen Guinea Vertreter der Manding-Völker.
90. Jetzt Kumbi, im heutigen Mauretanien gelegen.
91. VOSS (1968, S. 34) spricht sogar von einer den Völkern Nordafrikas und Europas gleichzusetzenden staatsbildenden und staatstragenden Dynamik.
95. Das Schmied-, Tischler- und Lederhandwerk sowie die Brunnenbautechnik stammte aus den durch die Peulh assimilierten Volksgruppen, während die Weberei und die Schneiderei ein traditionelles Handwerk der Foulbé-Männer (Peulh) darstellte (DIALLO 1984, S. 344-364).
96. Durch die Unterwerfung einiger kleinerer Volksgruppen, die an den östlichen Rändern ihres Herrschaftsbereiches lebten, schufen sich die Peulh eine Art Pufferzone zum Malinké-Staat.
97. Nachdem sich die Portugiesen auf den nördlichen Abschnitt der guineischen Küste (heutiges Guinea Bissau) zurückgezogen hatten, waren es vor allem französische, englische, griechische, libanesische und deutsche Händler, die mit dem Ausbau der europäischen Handelsverbindungen der späteren französischen Kolonisierung Vorschub leisteten.
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122. Dieser Zusammenhang unterstreicht den wirtschaftlichen Aspekt von Sékou Tourés ständigem Streben nach afrikanischer Solidarisierung, dessen Hauptelement ein gemeinsamer afrikanischer Markt war. Doch seine Verwirklichung scheiterte zu oft am nationalistischen Machtdenken der einzelnen Regierungen. Selbst Kleinstbündnisse zur engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit, wie eine am 24. Dezember 1960 gegründete Union zwischen Ghana, Mali und Guinea, war kein Erfolg in dieser Hinsicht beschert (SURET-CANALE 1970, S. 192).
123. Dazu gehörten die "Centres Nationaux de Production Agricole CNPA", Großgenossenschaften mit Modellcharakter, die für den Export bestimmte Monokulturen anbauen sollten; die "Coopératives Agricoles de Production CAP", Dorfkooperativen als strukturelles Grundelement, eng assoziiert mit der untersten politischen Parteieinheit, dem PRL; die "Fermes Agro-Pastorales d'Arondissement FAPA", unterpräfektorale staatliche Wirtschaftsfarmen, bestehend aus dem Zusammenschluß von Kooperativen zur Kräftekonzentration von Wissen und Technik; und schließlich die "Centres de Modernisation Rurale CMR", regional verteilte Ausbildungszentren, die die Funktion der Ausbildung und Einführung von neuen Methoden und Maschinen der landwirtschaftlichen Produktion übernehmen sollten.
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126. Syli = Elefant (in Maninka, der Sprache der Malinké), das Zeichen Guineas für Stärke und Weisheit. Sékou Touré, von der Abstammung ein Malinké, wurde oft mit diesem Synonym bedacht.
1 Syli = 100 Cauri (abgeleitet von der Kaurimuschel).
127. Die Außenhandelsbank (Banque Guinéenne du Commerce Extérieur BGCE) wickelte zahlungsmäßig den Außenhandel ab uns war für die Exportlizenzen zuständig. Die landwirtschaftliche Entwicklungsbank (Banque Nationale de Développement Agricole BNDA) vergab langfristige Kredite zum Ausbau der Landwirtschaft. Die Mittel kamen sowohl aus dem Staatshaushalt als auch von ausländischen Geldgebern. Die Kredite wurden zu bankmäßigen Bedingungen vergeben. Die Handels-, Industrie- und Siedlungsbank (Crédit National pour le Commerce, l'Industrie et l'Habitat CNCIH) verfügte über Niederlassungen im Landesinneren, die das klassische Depositen- und Kreditgeschäft betrieben. Versicherungen wurden über die nationale Versicherungsgesellschaft (Société Nationale d'Assurance et de Réassurance SNAR) abgewickelt. Weitere Bankinstitute waren im Bereich des Sparwesens (einschließlich Postsparkassen) und des Wertpapierwesens tätig (StLB 1985, S. 50).
129. Gemäß dem 3. Wirtschaftsplan (Fünfjahresplan 1973-78) sollte Guinea sich bis 1978 mit Nahrungsmitteln selbst versorgen können. Hierzu sollte das guineische Volk im Sinne einer gewaltigen humanen Investition (Investissement humain) seine gesamte Arbeitskraft der landwirtschaftlichen Produktion widmen. Die praktische Ausführung sollten die ca. 8000 PDG-Basiskomitees (PRL), die den gesamten ländlichen Raum systematisch erfaßten, übernehmen. Inkonsequenz und Disziplinlosigkeit in der Durchführung, Mißtrauen zwischen den einzelnen Regional- und Subregionalinstanzen sowie das Festhalten an der Subsistenzmentalität ließen diese Aktion weitestgehend scheitern.
131. Diese Eisenbahnlinie sollte ursprünglich die Küste mit dem Hinterland Französisch-Westafrikas verbinden und über Bamako (Mali) bis weit in das Kontinentinnere getrieben werden.
132. Benty war der Verladehafen für den in den Jahren 1933-57 aufblühenden Bananenexport.
133. Diese Gewinne wurden jedoch nie in neue Investitionen umgesetzt. Ein Großteil der Gewinne war nicht erfaßbar und verschwand unregistriert.
134. Die Bauxitkrise zu Beginn der 80er Jahre sorgte für einen Einbruch in den Außenhandelsabgaben aus diesem Sektor von 41%.
135. 1,113 Mrd. DM (Basiswert 1980: 1 Syli = 0,096 DM)
141. Programme de Redressement Economique et Financier PREF.
142. Das guineische Reformprogramm entspringt der 2. Generation der Konzepte zur strukturellen Anpassung der Weltbank und des internationalen Währungsfonds, als sog. "Baker-Plan" im Oktober 1985 auf der Generalversammlung in Séoul vorgestellt. Gegenüber den früheren Versuchen der ersten Konzeptgeneration, mit einer Rationalisierung der Verwaltung und Reduzierung der inneren Nachfrage den Verschuldungsprozeß in den Entwicklungsländern aufzuhalten, beruhte die Philosophie des Baker-Planes auf einer gezielten Förderung des Produktions- und Exportpotentials, um die Wirtschaftskraft der Entwicklungsländer von innen heraus zu stärken.
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145. Zwischen 1987 und 1988 nahm im durch Devisen finanzierte Importe die Nahrungsmitteleinfuhr mit einem Anteil von 40% die erste Stelle ein. Es folgten Konsumgüter (31%) und Zwischen- bzw. Investitionsgüter (19%) (WB 1990a Bd. I, S. 15).
146. Der Devisenhaushalt des Staates umfaßt alle registrierten Devisenaktionen der Zentralbank, bestehend aus den Aktivitäten der Regierung (Schuldendienst, Direktimporte), der staatlichen Unternehmen und des privatwirtschaftlichen Sektors.
147. Zwischen Juni 1987 und Mai 1988 belief sich die Entwertung gegenüber dem US$ nur auf 4%, während die Inflationsrate 15,3% erreichte. Damit wertete sich der FG in einem Jahr indirekt um ca. 6,5% auf (WB 1990a Bd. I, S. 17).
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152. Schmuggelgewohnheiten waren im Handelsgeschehen fest verwurzelt. Sie hatten ihren Ursprung in der Zeit von 1975 bis 1979, als jeglicher Import für den privatwirtschaftlichen Sektor verboten war. Mitte 1979 wurde das Verbot dahingehend gelockert, daß Importe aus den Devisenbeständen des Importeurs finanziert werden konnten. Da jedoch ein privater Devisenbestand nur illegal aufgebaut werden konnte, wurde gleich direkt geschmuggelt.
153. Die Importe im Bergbausektor zur Versorgung der Minengesellschaften hingegen unterlagen anderen, wesentlich günstigeren Zollbestimmungen. Ein Hauptgrund dafür war die Tatsache, daß ein Großteil der importierten Güter den Parallel-Markt versorgten.
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156. Das CGRA war zunächst direkt dem Präsidenten unterstellt. Im April 1988 wurde es mit dem Ministerium für den öffentlichen Dienst zusammengelegt, woraus das Ministerium für die Verwaltungsreform und den öffentlichen Dienst entstand.
157. Die Vorbereitungen der Zählung dauerten 6 Monate, in denen eine breitangelegte Informationskampagne sowie eine intensive Schulung des Zählungspersonals durchgeführt wurde.
158. Man nimmt an, daß die Beamtengehälter 1987 etwa 17% des Volumens der Staatseinnahmen ausmachten. Im Vergleich dazu kamen im selben Jahr die Elfenbeinküste und Togo auf 33% respektive 37%. Demgegenüber waren die mittleren Jahresgehälter im öffentlichen Dienst in Guinea 1987 doppelt so hoch wie das BIP pro Kopf, während sie in der Elfenbeinküste und Togo hingegen acht bzw. neunmal höher waren (WB 1990a Bd. I, S. 24).
159. Das Personal der aufgelösten Staatsbanken und -betriebe wurde automatisch von den Beamtenlisten gestrichen und hatte keine Möglichkeit auf Wiedereingliederung.
160. Weitere Reduzierungen wurden durch spezielle Anreizprogramme der Regierung erzielt, in denen freiwillige Abgänge mit Prämien und bis zu fünfjährigen Lohnfortzahlungen honoriert wurden.
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163. Die bis dahin geltende Rechtsform ging auf die französische Gesetzgebung von 1912 zurück.
164. In gewisser Weise verdeckte die Geldentwerung das Haushaltsproblem. Hinzu kam, daß die Steuereinnahmen in Devisen, die fast ausschließlich aus dem Bergbausektor kamen, in einer ersten Zeit die Devisenausgaben im Staatshaushalt überstiegen und die Notwendigkeit von Einnahmenserhöhungen verschleierten.
165. Listen zur Wertbestimmung und Zollerhebung für Importgüter wurden ständig aktualisiert und komplettiert. Dennoch war der Anteil der Waren, die am Zoll vorbeiliefen oder mit zu geringen Zöllen belegt wurden, sehr hoch.
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167. Verschiedene Entwicklungshilfepartner wie z.B. einige Spezialorganisationen der Vereinten Nationen, stellten für ihr Fachgebiet sektorielle Entwicklungsstrategien auf.
168. Darunter waren zahlreiche Prestigeobjekte wie beispielsweise kostspielige Militärcamps und überdimensionale Pferdeställe für die Reittiere der Präsidentengarde. Aber auch Projekte, die ohne Einbindung in eine generelle Entwicklungsstrategie von vornherein zum Scheitern verurteilt waren, wie kurzfristige Investitionsspritzen im staatlichen Post-, Elektrizitäts- und Kommunikationswesen, beeinträchtigten die Durchführung und Zielvorgaben des Investitionsprogramms.
169. Die Steuerbehörde stellte damals 29 vom Finanzministerium verfolgte Steuern fest. Einem Drittel dieser Steuern lag keinerlei Gesetzestext zugrunde. In einigen Fällen genügte es, die Steuer dem neuen Gesetz anzupassen. In anderen Fällen konnte weder eine gesetzliche Grundlage, noch die Eintreibungsmethode gehalten werden.
170. So wurden die Zollstationen im Landesinneren durch mobile Brigaden verstärkt, während im Hafen von Conakry unqualifiziertes und suspektes Personal entlassen wurde. Gleichzeitig setzte eine Periode intensiver, praxisorientierter Schulung ein.
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174. Die städtische Wasserversorgung besaß ein völlig verwahrlostes, niemals instandgesetztes, daher auch nur eingeschränkt funktionierendes Leitungsnetz. Mehr als die Hälfte des gewonnenen und eingeleiteten Wassers ging verloren, die Wasserqualität war weniger als mittelmäßig. Die größten Verluste wurden durch zu geringe Gebühren, chaotische Berechnungsprozeduren, fehlende Kontrolle und einen ständigen Mangel an qualifiziertem Fachpersonal in allen Bereichen verursacht. Die Restrukturierung bedeutete die Auflösung der bisherigen Gesellschaft und die Gründung zweier neuer Gesellschaften zur Trennung der Wartung, Instandhaltung und Erweiterung des Leitungssystems vom wasserbetrieblichen Rechnungswesen. Die Beteiligung qualifizierter ausländischer Partner am Aufbau sowie die Auswahl geeigneten Fachpersonals führten bis Ende 1989 zur Verdopplung der Wasseranschlüsse und Verfünffachung der Einnahmen (WB 1990a Bd. I, S.39)
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176. Die Weltbank als Programmleiter stützte mit dem 50 Mill. US$ umfassenden "Förderkredit für den Privatsektor" (Private Sector Promotion Credit PSPC) den defizitären guineischen Haushalt, während Kofinanzierungen Frankreichs, von USAID und UNDP die institutionelle Förderung übernahmen (Zollbereich, Rechtssystem, Zentralbank, Arbeitsministerium) (WB 1994e).
177. Man nimmt an, daß zu den in Tab. 32 angegebenen 7.000 t produzierten Kaffees (1987) rund 5.000 t hinzukommen, die unregistriert über die Landesgrenzen in die Nachbarländer exportiert wurden (WB 1990a, Bd. II, S. 24).
179. Den größten Anteil daran haben mit 5.800 km2 die nur insgesamt 10.000 km2 umfassenden Küstenebenen. Das Hinterland dagegen besitzt nur 10% an landwirtschaftlicher Nutzfläche (PNUD 1992a, Band Niederguinea, S. 68).
180. Mit der Errichtung eine Fabrik zur Herstellung von Fruchtsäften im Jahre 1967 hatte sich der parallele Aufbau von Mangoplantagen um Kankan herum gut entwickelt. Durch eine mangelhafte Instandhaltung der Plantagen und Probleme in der Kommerzialisierung der Fruchtsaftprodukte mußte die Fabrik vor einigen Jahren schließen. Die Mehrzahl der bäuerlichen Plantagenbesitzer setzten ihre Mangoproduktion fort, indem sie den Anbaukalender veränderten und die Ernte 2 Monate später einfuhren, um der normalen Erntezeit und dem durch den Angebotsüberschuß hervorgerufenen Preisverfall zu entgehen (PNUD 1989a, S. 200).
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182. Dieser nördliche Ring Waldguineas gehört sowohl aufgrund seines naturlandschaftlichen und agrarökologischen Erscheinungsbildes (Savannenvegetation, Reiskultur) als auch im Hinblick auf seine ethnographische Struktur (ein Großteil der Einwohner sind der oberguineischen Volksgruppe der Malinké zugehörig) mehr Oberguinea an. Nur die Gesetze einer administrativen Ausgewogenheit führten zu einer Zuordnung dieses Raumes zur Verwaltungsregion Waldguinea (WB 1992b, Thema Nr. 2, S. 39).
183. Da ein bedeutender Teil der Bevölkerung dieses Naturraums dem Animismus und dem Christentum angehört, ist ihm der Genuß von Schweinefleisch möglich. Sie werden jedoch größtenteils als Haustiere gehalten, 1994 wurden von 40800 Schweinen nur 2040 geschlachtet (RG1996c, S. 23).
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185. FAO Production Yearbook 1994.
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190. Die Viehbestandsdichte beträgt in diesen Unterpräfekturen durchschnittlich 15.000 tropische Vieheinheiten (Unité de Bétail Tropical UBT) und mehr. Ein Rind zählt 0,8 UBT, eine Ziege oder ein Schaf 0,15 UBT (nach PNUD 1992a, Bd. Mittelguinea, S. 65).
191. Die Kammer unterhält in allen 36 Präfekturen des Landes Vertretungen. Darüber hinaus wurden bis 1995 acht regionale Landwirtschaftskammern gegründet, die über die gesamte Landesfläche verteilt sind. Jede dieser Unterkammern hat 50 direkt gewählte Mitglieder, die wiederum die 45 Mitglieder der nationalen Kammer in Conakry wählen. Die Errichtung dieser Kammern stellt einen ersten Schritt zur horizontalen Organisation und Vertretung der sonst traditionell vertikalen und sektoriellen Strukturen auf dem Lande dar (MT 1995, Nr. 2584, S. 1067).
192. Die am häufigsten vorkommenden Organisationsformen zur gegenseitigen finanziellen Unterstützung sind die sog. "Tontines" (=Tanten). Sie sind unter den Dorffrauen in allen Regionen Guineas verbreitet. Jedes Mitglied zahlt einen Beitrag ein, dessen Höhe von allen Mitgliedern festgelegt wurde. Die Summe des gesammelten Geldes wird einmalig an ein Mitglied ausgezahlt, das diese finanzielle Unterstützung am dringendsten benötigt.
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194. So wurde beispielsweise in der Besorgnis um Nahrungsmittelsicherheit in den Jahren 1992 und 1993 die Einfuhr von Kartoffeln und Zwiebeln für einige Monate gestoppt, um die lokale Produktion zu schützen. Diesen Entscheidungen lagen weder empirische Erhebungen zur Bestimmung der tatsächlichen Lage noch eine tragfähige Risikoabschätzung von volkswirtschaftlichen Gewinnen und Ver-lusten solcher Maßnahmen zugrunde.
195. Werte für die Produktion von Reis, Mais, Maniok, Yams, Süßkartoffeln und Erdnüsse.
197. In einem Memorandum vom 2. November 1993 an den Generalsekretär der Regierung schlug der guineische Landwirtschaftsminister zur Stärkung der nationalen Nahrungsmittelproduktion folgende Maßnahmen vor: (a) die Bildung eines interministeriellen Nahrungsmittelsicherheitsrates, (b) eine drastische Erhöhung aller Einfuhrzölle für Nahrungsmittel als allgemeine Schutzzölle, (c) eine zusätzliche Erhebung einer Nahrungsmittelsicherheitssteuer von etwa 8% zum besonderen Schutz von durch Importe direkt bedrohten nationalen Produkten, (d) die Gründung eines Fonds zur Förderung der Nahrungsmittelsicherheit und (e) die Bildung eines Koordinationskomitees für Nahrungsmittelimporte. Dieses Memorandum war der erste Versuch der Regierung ein Steuerschutzsystem für Nahrungsmittel zu institutionalisieren, wurde jedoch bisher aufgrund des hohen Verwaltungsaufwandes, der fehlenden Implementierungskapazität und dem absehbaren Potential zur Mittelveruntreuung nicht realisiert.
198. Der durchschnittliche tägliche Energieverbrauch eines guineischen Bürgers wird auf 1900 Kcal ge-schätzt (MT Nr. 2698, S. 1661).
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201. Selbst bei den traditionellen Anbauarten wie Kaffee und Mangos ist eine Verbesserung der Anbautechnik oder des Biomaterials kaum festzustellen.
202. Erschwert wird diese Situation dadurch, daß die Produktion stark gestreut ist. Allein in Niederguinea schätzt man die Zahl der Fruchtproduzenten auf rund 100.000 (WB 1992a, S. 12).
203. Der guineische Robusta-Kaffee beispielsweise, eine von der Rohpflanzenart her durchaus konkurrenzfähige Anbauart, wird größtenteils immer noch in traditioneller Handarbeit getrocknet und geschält und dabei nicht genug gesäubert und sortiert. Der Qualitätsverlust erklärt den Preisverfall des guineischen Robusta-Kaffees auf dem internationalen Markt.
204. Ein Teil der Produktion wird ebenfalls in die Nachbarländer Senegal, Elfenbeinküste, Liberia und Sierra Leone geliefert.
205. - - -
206. Eine Initiative ist die Verarbeitung und Verwertung von Blüten und Blätter einiger Varietäten des Orangenbaums zur Gewinnung von Parfümessenzen durch die "Société des Plantes Aromatiques de Guinée SOPAG".
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208. Trotz eines tragfähigen guineischen Grund- und Besitzrechtes basiert gerade im ländlichen Bereich der Grundbesitz noch immer überwiegend auf traditionellen Rechtsformen, nach denen kein langfristiger Nutzungs- und Verfügungsanspruch auf Grund und Boden besteht. Infolgedessen kann Grundbesitz, eigentlich der wichtigste Aktivposten des wirtschaftenden Bauern, nicht zur Garantie für Kredite herangezogen werden.
209. Frankreich stellte 1987 5 Mill. FF für den Aufbau eines solchen Systems in Mittelguinea bereit (Crédit Mutuel CM). Die Europäische Kommission folgte mit einer entsprechenden Finanzierung für die Einrichtung je eines Systems in Nieder- und Oberguinea (Crédit Rural CR).
210. 102 US$ (1 US$ = 978 FG, Stand 1994).
211. 7,7 Mill. US$.
212. 5,3 Mill. US$.
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214. Etwa 45% aller Pirogen sind motorisiert (MT Nr. 2698, S. 1671).
215. Dieses Hafenbecken mit etwa 315 m Kailänge wird zur Zeit durch die nationale Marine, einem kleinen Schwimmdock (300 t) und einigen privaten Transportunternehmen mit kleineren Schwimmeinheiten besetzt. Nur 130 Kaimeter davon wurden offiziell der Fischerei eingeräumt (PNUD 1992b, S. 15). Dies ist jedoch nur eine vorübergehende Lösung. In der zu Beginn des Jahres 1998 abgeschlossenen Hafenausbauplanung soll dieses Hafenbecken geschlossen werden, die Fischerei sowohl mehr Kaimeter als auch Kaifläche zum Aufbau industrieller Anlagen erhalten.
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217. Auf subregionaler Ebene existiert seit 1985 eine Fischereikommission (Commission sous-régionale des Pêches CSRP). Auf ihrem letzten Treffen im April 1996 kamen die Mitgliedsstaaten Cap Verde, Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Mauretanien und Senegal überein, eine gemeinsame Strategie zum Schutz ihrer Fischgründe zu entwickeln. Grundelemente sind dabei u.a. der Austausch von Informationen aus der Luftüberwachung der 200-Meilen-Zone sowie eine Harmonisierung der nationalen Fischereipolitik (EIU CR 3/96, S. 16).
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220. Mehrere industrielle Holzverarbeitungseinheiten mußten ob ihrer jahrelangen unwirtschaftlichen Produktion infolge Überkapazitäten und fehlender Absatzmärkte ab 1985 stillgelegt werden. Es handelte sich hauptsächlich um die für den nationalen Markt überdimensionierten Werke von Sérédou (Holzplattenherstellung), SONFONIA (Großschreinerei, Conakry) und N'Zérékoré (Sägewerk). Letzteres nahm die Produktion unter Führung eines privaten viatnamesischen Investors 1995 erfolgreich wieder auf (RG 1995c, S. 7).
222. Die Verbesserung bezieht sich auf die Konstruktion eines Bodenbelags unter dem Erdmeiler sowie den Einbau eines Schlotes zur Optimierung der Luftzirkulation. Der Karbonisierungsertrag wird damit automatisch auf 25 - 30% erhöht (ONUDI 1991a, Vol. III, Bd. 4, S. 36).
223. Zwischen 1985 und 1988 wurden die meisten der staatlichen Industrien aus der I. Republik privatisiert oder liquidiert.
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229. Mehr als 20 Arten der Steuerbefreiung von der Ausbildungssteuer über die Einkommenssteuer bis hin zu Zollaufhebungen waren möglich (WB 1990a, Bd. II. S. 97).
230. Das Aufblühen der Verwaltung in den zu Beginn der II. Republik neugegründeten staatlichen Institutionen war ein regelmäßig zu beobachtendes Phänomen. Seine Ursache ist in der erst sehr langsam sich vollziehenden Mentalitätsänderung hinsichtlich Bedeutung und Aufgabe von Verwaltung als Funktion zu suchen, die während der I. Republik überproportional ausgeprägt war.
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233. Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Communauté Economique des Etats de l'Afrique Occidentale CEDEAO, engl. ECOWAS).
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239. Der Bauxitpreis der CBG (Compagnie des Bauxites de Guinée), Guineas größtem Bauxitproduzenten, wird nach der Qualität des Bauxits, der Produktionskosten und der Weltinflation (US-Großhandelspreisindex für industrielle Erzeugnisse) sowie der Welthandelspreise für Alumina und Aluminium festgelegt (ARULPRAGASAM/SAHN 1991, S. 144).
240. Dies sind die Compagnie des Bauxites de Guinée (CBG), das Office des Bauxites de Kindia (OBK) und die FRIGUIA für die Bauxit- und Aluminaproduktion, die AREDOR und die Société Aurifère de Guinée (AuG/SAG) für die Gold- und Diamantgewinnung.
241. 1991 schätzte die Weltbank die erwerbstätige Bevölkerung Guineas auf 2,65 Mill. Menschen oder 46,6% der Gesamtbevölkerung bzw. 60,3% der Bevölkerung über 7 Jahre. Diese Zahl schließt eine Schätzung über Erwerbstätige im informellen Sektor ein (BM 1991a, S. 109) (s. Kap. 4.4.2.4).
242. Eine schwer zu kalkulierende Größe ist dabei die artisanale Gold- und Diamantgewinnung. Sie weist starke saisonale Schwankungen auf.
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246. Gesetz L/95/036/CTRN Code Minier de la République de Guinée vom 30. Juni 1995, verabschiedet im Dezember desselben Jahres (RG 1995g).
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248. Die Halco-Gruppe setzt sich zusammen aus folgenden Aluminiumgesellschaften: Alcoa (USA, 37%), Alcan (Kanada, 33%), Pechiney (Frankreich, 10%), Vereinigte Aluminiumwerke VAW (BRD, 10%), Reynolds (USA, 6%) und COMALCO (Australien, 4%) (CBG 1998, S. 4).
249. Umfang etwa 120 Mill. US$, größtenteils von der Afrikanischen Entwicklungsbank AfDB finanziert (EIU CR 2/95, S. 14).
251. Am Frialco-Konsortium sind die Konzerne Pechiney (Frankreich, 30%), Noranda (Kanada, 30%), Alcan (Großbritannien, 20%) und Norsk Hydro (Norwegen, 20%) beteiligt.
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255. Davon besitzen etwa 565 Mill. t einen Bauxitgehalt von ca. 50% bei einem SiO2-Gehalt von 1,2 - 1,7% und sind als abbauwürdig eingestuft (RG 1995f, S. II).
256. Die guineische Regierung hat die Investment-Bank SBC Warburg Dillon Read beauftragt, neben der Beratung in der Neustrukturierung und Privatisierung der guineischen Bauxit- und Aluminaindustrie auch eine Bewertung der Vorkommen von Dian-Dian und Dabola/Tougoué vorzunehmen.
257. Mittleres Präkambrium, Konsolidierungsphase des Westafrikakratons, etwa 1,9 - 1,6 Mrd. Jahre, einer der ältesten Teile der Erdoberfläche.
258. Die Chevaning Mining Company besteht zu 51% aus der Union Minière (Belgien) und zu 49% aus der Pan Continental (Australien).
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263. Drei Viertel der Goldschürfer sind Bauern, die während der Trockenzeit im Zeitraum von Februar bis Juli etwa 90 Tage insgesamt auf dem Goldfeld schürfen.
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270. Die Friguia ist darüber hinaus damit beschäftigt, der Rückführung ihres Brauchwassers in den Konkouré weitere und größere Sedimentationsbecken zur Filterung vorzuschalten.
271. Rohöläquivalent.
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275. Die technischen Probleme waren enorm: im Kraftwerk Tombo, das Conakry mit Strom versorgt, blieb zeitweise nur eine von sieben Dieselturbinen betriebsfähig; in Kankan fielen alle vier vorhandenen 3,5 MW Dieselgeneratoren aus, ebenso der einzige Generator in N'Zérékoré; beide Städte blieben monatelang ohne Stromversorgung (EIU CP 1992/93, S. 20).
276. Hydro Québec, eine französisch-kanadische Gruppe, für den technischen Bereich sowie Price Waterhouse für den betriebswirtschaftlich/finanziellen Bereich.
277. Das Kapital beläuft sich auf 33 Mill. FF, wovon 33,4% vom guineischen Staat gehalten werden, 66,6% vom Konsortium Hydro Québec (Kanada) - Electricité de France EDF/SAUR (Frankreich).
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281. Die autonomen Bergbaugesellschaften konnten dagegen zunächst Mineralölprodukte direkt und überwiegend steuerfrei importieren. Außerdem wurde die Einfuhr von bestimmten Mineralölprodukten durch die Privatisierung der nationalen Mineralölgesellschaft ONAH größtenteils liberalisiert (s. Kap. 6.2.3.1.2).
282. Die nichtindustrielle Produktion blieb davon unberührt.
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284. Die 'Terms of Trade' geben das Verhältnis zwischen dem Index der Exportgüterpreise und dem Index der Importgüterpreise an. Steigt der Preisindex für Exportgüter relativ zum Importgüterindex an, müssen weniger Güter exportiert werden, um die importierten Güter umtauschen zu können und umgekehrt.
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286. Das sektorielle Transportprojekt ist ein wesentlicher Bestandteil des Programmpakets der Weltbank für die Durchführung von Reformen zur strukturellen Anpassung im Rahmen von Transformationsprozessen und entsprechenden infrastrukturellen Entwicklungsmaßnahmen.
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289. Da in Zukunft die Fischereiwirtschaft in einem größeren und professionelleren Rahmen als bisher organisiert werden soll, müssen die derzeitigen Benutzer des dafür vorgesehenen Hafenbeckens wie die Nationalmarine, das Schwimmdock und kleinere Transportunternehmen zugunsten neuer Fischereianlagen weichen. Die Nationalmarine soll beispielsweise mit einem ihr neu zugeordneten Aufgabenbereich betraut werden - dem Schutz der 200-Meilen-Zone zur Erhaltung der natürlichen Fischgründe unter Bekämpfung und Unterbindung der Raubfischerei. Letztere hatte bislang dazu beigetragen, den Aufbau einer organisierten Fischereiwirtschaft zu verhindern, wodurch dem guineischen Staat und dem Hafen wichtige potentielle Erträge verlorengingen.
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292. Zu 51% in guineischer Hand, 29% halten die Industrie- und Handelskammer von Bordeaux und der Flughafen von Paris, 20% die französische Regierung.
293. Am Jahresende 1996 waren mehr als 15 internationale Fluggesellschaften in der Hauptstadt vertreten, unter ihnen Air France, Sabena, Air Afrique, Royal Air Maroc und Aeroflot für den Flugverkehr zwischen Conakry und Europa; Air Ivoire, Ghana Airways, Nigeria Airways, Ethiopian Airlines, Air Guinée und Air Guinée-Bissau für den innerafrikanischen Luftverkehr. Im guineischen Luftraum teilte sich die nationale Air Guinée den Markt mit drei neu gegründeten Privatgesellschaften.
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295. Ein wesentliches Instrument der Implementierung dieser Politik wird dabei ein realistisches öffentliches Investitionsprogramm sein müssen, das integrativ und gleichzeitig übergreifend die kohärente Entwicklung der Prioritäten im Sektor fördert.
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298. Erst seit Ende 1996 wurde eine Zollstation in Kamsar, dem Werkshafen der CBG Compagnie des Bauxites de Guinée in Betrieb genommen, um den dortigen Waren- und Güterverkehr außerhalb des Bauxitexportes zu kontrollieren.
299. System SYDONIA der UNCTAD, 1993 beim guineischen Zoll eingeführt.
300. Auch hier gehen im Bereich des seit 1992 eingeführten, wenig kontrollierten Lizenzvertriebes von Mineralölprodukten sowie unter dem Mantel von gesondert vereinbarten Steuerreduzierungen und -befreiungen für Bergbaugesellschaften, Energieproduzenten etc., und in erheblichem Maße durch den illegalen Import von vor der guineischen Küste liegenden Tankern beträchtliche Mengen an Mineralölprodukten am Fiskus vorbei.
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302. ECOMOG Economic Community Monitoring Group - eine von der ECOWAS (CEDEAO) aufgestellte Friedenstruppe zur Unterstützung der Friedensbemühungen in Liberia und Sierra Leone.
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305. Die Liste der möglichen Steuerbefreiungen bei privatwirtschaftlichen Investitionen wurde in einer Revision des Investitionsgesetzes (Code des Investissements) vom Juni 1995 stark reduziert (RG 1995d, S. 14 u. 15).
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308. Voraussetzung für eine Umschuldung oder einen Teilschuldenerlaß des Pariser Club ist eine vom IWF (und der WB) geführte Reformpolitik der strukturellen Anpassung im Schuldnerland. Werden die vom IWF und vom Schuldnerland gemeinsam ausgearbeiteten Eckwerte der Haushalts- und Wirtschaftspolitik weitgehen eingehalten, können Umschuldungen über eine Zeitspanne von 12-18 Monaten, max. jedoch 3 Jahren zur Entlastung des Haushalts erfolgen (WB 1993d, S. 58).
309. Hinzu kommt eine 43 Mill. US$ umfassende Umschuldung mit dem Londoner Club im Jahre 1988 (StLB 1994, S. 84). Der Londoner Club ist ein internationales Handelsbankenforum, das seine Aktivitäten zwar weitestgehend mit dem IWF abstimmt, dennoch unabhängig operiert.
310. Basierend auf den im Juni 1988 in Toronto während eines Wirtschaftsgipfels der Mitglieder des Pariser Clubs verabschiedeten Umschuldungsbedingungen, den sog. "Toronto Terms" zur Bekämpfung der Verschuldungskrise in Entwicklungsländern mit niedrigem Einkommen.
311. Wie in vielen afrikanischen Ländern ist dies auch in Guinea größtenteils eine Folge des Kolonialismus, in dem Guinea einerseits als Rohstoffergänzungsraum diente, andererseits einen Absatzmarkt für Industrieprodukte darstellte. Diese müssen in Devisen eingekauft werden, was entsprechende Exporterlöse voraussetzt. Durch die hohe, auf einen bestimmten Produktionssektor ausgerichtete Exportspezialisierung entstand für Guinea eine Weltmarktabhängigkeit, die schließlich bei stetig sinkenden Weltmarktpreisen der Hauptexporterzeugnisse zu erheblichen Handelsbilanz- und damit Zahlungsbilanzdefiziten führte.
312. Entwicklungskredite mit einer Laufzeit von 15 - 30 Jahren und einem Zinssatz zwischen 0,5 -3%.
313. Für die hohen Kreditaufnahmen der letzten beiden Jahren ist vor allem das Großbauprojekt des Wasserkraftwerkes Garafiri verantwortlich (s. Kap. 6.2.3).
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319. Der Verkauf von staatlichen Wertpapieren (Schatzbriefe) an die Banken und die Öffentlichkeit trägt dazu bei, die Auswirkungen der durch das Haushaltsdefizit hervorgerufenen Bewegungen mittels einer Gegenfinanzierung zu kompensieren. Vom Verkauf der unter einer attraktiven und gesicherten Wertzuwachsrate angebotenen Wertpapiere sollen positive Signale für das übrige Bankenwesen ausgehen, ihre Spar- und Anlageangebote so interessant wie möglich zu gestalten und so zur allgemeinen Mobilisierung der nationalen Reserven beizutragen.
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322. Natürlich war das Arbeitsfeld zunächst so umfassend, daß geographische Überschneidungen selten auftraten. Zu kritisieren ist hierbei vor allem die Mittelverschwendung bei konzept- und themengleichen Projekten, ohne vorherige Erfahrungen und Synergien zu nutzen.
323. Nehmerseitig entwickelte sich bei fehlender Transparenz der noch zu schwach ausgebildeten Investitions- und Budgetplanungsstrukturen parallel dazu oftmals eine Rationalität, die zur mehrfachen Beantragung von gleichen Programmen und Projekten führte.
324. Erste Sektorpolitiken, die zusammen mit der guineischen Regierung im Sinne des "ownership" erstellt wurden, waren noch zu allgemein gefaßt und teilweise ebenfalls sehr gebergesteuert.
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330. Mit Basisinitiativen sind hauptsächlich Verbände, Gruppierungen und Interessenszusammenschlüsse von Agrarproduzenten im ländlichen Raum gemeint.
331. Der Gender- Ansatz stellt eine geschlechtlich ausgeglichene und kohärente Vorgehensweise in der Entwicklungspolitik dar, in der sowohl Nachteile von ungünstiger Geschlechterverteilung herausgestellt und bekämpft als auch Vorteile einer gleichwertige Verteilung beider Geschlechter in Gesellschaft und Wirtschaft gefördert werden.
332. Allzu oft geraten Projekte in Verzug oder Mitleidenschaft, weil der nationale Teil der Investitions- und Funktionskosten (in der Regel 5 - 10% der Gesamtinvestitionen) nicht, zum Teil oder zu spät zur Auszahlung kommt.
333. Bis 1993/94 war eine minimale Beteiligung eines guineischen Partners von 50% Bedingung.
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