Zusammenfassung
Seit langem wird die Beteiligung von G-Proteinen der Gi-Familie an der Signaltransduktion der AR
diskutiert, wobei die dazu durchgeführten Untersuchungen mit Pertussistoxin (PTX) als
zellbiologischem Werkzeug durchgeführt wurden. Die Effizienz der PTX-Behandlung von
Spermatozoen verschiedener Spezies wurde allerdings nie systematisch überprüft. Die vorliegende
Arbeit hatte deshalb das Ziel, anhand funktioneller und biochemischer Testverfahren systematisch
den Einfluss von PTX auf die an der AR beteiligten G-Proteine zu untersuchen, um die katalytische
Wirkung des Toxins von einem unspezifischen Effekt auf Säugetierspermatozoen abzugrenzen.
Als zentrales, die AR auslösendes Ereignis, wird der Ca2+-Einstrom nach Bindung an die ZP
angenommen. Mit Hilfe der fluorimetrischen [Ca2+]i-Bestimmungen konnte in Eberspermien gezeigt
werden, dass der durch den Gi-Protein-Aktivator Mastoparan-induzierte Ca2+-Influx PTX-insensitiv
ist. PTX-vorbehandelte Eberspermien reagierten ebenso wie die Spermien aus der
Solvenskontrolle mit einem schnellen, langanhaltenden Einstrom von Ca2+-Ionen auf nahezu
identische Plateaus. Während der sechsstündigen Kapazitation kommt es nicht zur Inaktivierung
des Toxins, wie die fluoreszenzmikroskopische Bestimmung von Chemokin-stimulierten
Ca2+-Transienten in Co-inkubierten HL-60-Zellen zeigen konnte. Ein unspezifischer Effekt von PTX
auf Spermatozoen, der die funktionelle Integrität der Zellen beeinträchtigt, konnte anhand des
Zona pellucida-Bindungs-Assays ausgeschlossen werden. In Gegenwart von PTX kapazitierte
Eber-und Bullenspermien banden mit vergleichbarer Effizienz an homologe Zonae wie die
Solvens-behandelten Kontrollen. Da nur kapazitierte Spermien an die Zona pellucida binden
können, lässt sich mit diesem Testverfahren die Kapazitation als funktioneller Parameter erfassen.
Im Zusammenhang mit der PTX-Insensitivität des Mastoparan-vermittelten Ca2+-Einstroms wurden
die Auswirkungen der PTX-Vorbehandlung auf die Mastoparan-induzierte Akrosomreaktion an
Eberspermien untersucht. Mastoparan löst in PTX ?behandelten kapazitierten Eberspermien eine
AR mit nahezu identischer Effizienz aus wie in Kontrollspermien. Um festzustellen, welche
Auswirkung PTX auf die Zona pellucida-induzierte AR kapazitierter Spermatozoen hat, wurde durch
Doppelfärbung mit PNA-gekoppeltem FITC und Ethidium-Homodimer1 der akrosomale Status
Zona-gebundener Eberspermien bestimmt. Es konnte gezeigt werden, dass die Zona
pellucida-induzierte AR nicht durch PTX-Vorbehandlung hemmbar ist. Aus diesen Befunden ergab
sich der Verdacht, dass PTX nicht in der Lage ist, während der Kapazitation in intakte
Säugetierspermatozoen zu gelangen und dort Gi-Proteine zu ADP-ribosylieren. Daher wurden
zunächst die Expressionsniveaus von Gi-Proteinen in Membranen von humanen, porcinen,
murinen, und bovinen Spermien durch metabolische Markierung mit 32P-NAD+ als Substrat für
PTX erfasst. Es konnte mit Ausnahme des Rindes in den Membranen aller untersuchter Spezies
die Expression von Gi-Proteinen bestätigt werden. Durch Vorbehandlung der Spermien mit oder
ohne PTX, nachfolgende Membranpräparation und metabolischer Markierung konnte die
Vermutung bestätigt werden, dass PTX während der Kapazitation nicht in der Lage war,
Gi-Proteine zu ADP-ribosylieren und sie somit funktionell zu entkoppeln.
Somit konnte festgestellt werden, dass die PTX-Behandlung von Spermien unterschiedlicher
Spezies nicht in der Lage ist, eine funktionelle Entkopplung zu erzielen. Vermutlich ist das Toxin
nicht in der Lage, die intakte Plasmamembran zu überwinden, und ist daher nicht geeignet, als
zellbiologisches Werkzeug die Beteiligung von Gi-Proteinen an der Zona pellucida-induzierten
Akrosomreaktion nachzuweisen.
Unter mehreren charakterisierten ZP3-Rezeptoren soll die b-1,4-Galactosyltransferase Gi-Proteine
aktivieren und dadurch zur Auslösung der AR beitragen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit
lassen allerdings Zweifel daran aufkommen, ob die ZP3-vermittelte AR über G-Proteine das einzig
annehmbare Modell sein kann. Vielmehr gewinnen durch die hier vorgestellten Befunde
G-Protein-unabhängige Konzepte wie etwa eine p95 Tyrosinkinase oder Ca2+-permeable
Ionenkanäle wie PKDREJ und PKD2L sowie PKD2L2 neue Bedeutung als Kandidaten für die durch
Zona pellucida-Glykoproteine ausgelösten Signalmechanismen |