Zusammenfassung
Diese Arbeit ist in einem Projekt entstanden, das sich mit
Fragestellungen der Photochemie in der kondensierten Phase beschäftigt
und in den Sonderforschungsbereich SfB 450, "Analyse und Steuerung
ultraschneller photoinduzierter Reaktionen" eingebettet ist. Als
Modellsysteme werden Halogene und Interhalogene (I2, Cl2 und ClF
) in Edelgasfestkörpern mit Femtosekunden-Pump-Probe Spektroskopie
untersucht.
Trotz der starken Wechselwirkung des I2-Moleküls nahe der Dissoziationsgrenze mit der
kristallinen Kr-Matrix bleibt eine kohärente Wellenpaketdynamik mit
einer Periode von T ~ 350 fs über 10 Picosekunden nach der
Photoanregung erhalten. Für die Auswertung der Pump-Probe Spektren wird
an diesem System ein neues Schema entwickelt und erprobt, das die
Konstruktion effektiver eindimensionaler Potentiale von angeregten
elektronischen Zuständen (B und E) gestattet. Die dissipative
Wellenpaketdynamik des Moleküls wird an einer gemessenen Trajektorie
sichtbar gemacht, und verschiedene Signaturen der Ultrakurzzeitspektren
dienen der Bestimmung von Schwingungsrelaxationsraten. In der Nähe des
Potentialminimums beträgt die Energieabgabe weniger als 1 % pro Periode,
steigt aber im Bereich der Gasphasendissoziationsgrenze auf Werte über
50 % an.
Zum ersten Mal werden die Moleküle ClF und Cl2 in Ar- und Kr
-Matrix mittels Pump-Probe Spektroskopie untersucht. Für ClF in Kr
wird die Wellenpaketdynamik beim Austritt eines Fragmentes (F) aus dem
Umgebungskäfig zeitaufgelöst beobachtet. Die gemessene Zeit für
den direkten Käfigaustritt beträgt texit = 250 fs. In Konkurrenz zur
Dissoziation steht die Rekombination der Molekülfragmente, die eine
reichhaltige Dynamik aufweist. Oberhalb der Dissoziationsgrenze verliert
ClF über 35 % der kinetischen Energie in der ersten Periode,
während die Rate im Potentialminimum auf 0,1 % pro Schwingung sinkt. Die
experimentellen Ergebnisse belegen eine starke nicht-adiabatische Kopplung
von Singulett- und Triplettzuständen, die das Molekül sehr schnell
in die niedrigsten elektronisch angeregten Zustände relaxieren
lässt. Das Umklappen des Spins erfolgt in weniger als tf = 500 fs,
obwohl die Spin-Bahn-Kopplung bei leichten Atomen wie Cl und F schwach
ist. Trotz dieser starken Wechselwirkungen ist eine Wellenpaketdynamik zu
beobachten. Das Streuverhalten der Fragmente am Käfig von geometrisch unterschiedlich
eingebauten Molekülen mit ähnlichen elektronischen Zuständen
wird verglichen. Wenige Stösse der Fragmente mit dem isotropen Ar-Käfig
(einfach substituiert) zerstören eine photoselektierte Ausrichtung der ClF-Bindung
innerhalb von τd = 1,2 ps, während I2 in seinem zylindrischen Kr
-Käfig (zweifach substituiert) starr ausgerichtet bleibt. In gemischt dotierten Cl2/ClF/Ar
-Matrizen lässt sich mit einer Doppelpulsfolge das Verhältnis von
angeregtem Cl+Cl- gegenüber Cl+F- und deren Fluoreszenz
mit einem Kontrast von über 1:250 steuern.
Durch systematische Variation der Wellenlängen von Pump- und Probe-Pulsen
wird mit den Experimenten eine eindeutige Interpretation erarbeitet, ohne
dabei auf Rechnungen zurückzugreifen. Die Ergebnisse sind deshalb
besonders geeignet für den Vergleich mit den im SfB 450 parallel
laufenden Simulationen.
Die Spektroskopie von ClF in Ar und Kr sowie die Bestimmung der
Dissoziationsausbeuten stellen wichtige Vorarbeiten dar. Der Aufbau von zwei neuen NOPAs zur Erzeugung der
fs-Pulse resultierte in einer Verdopplung der Effizienz gegenüber dem kommerziellen Gerät.
Zudem wurde eine flexible Variante der FROG-Technik
implementiert, mit der sich fs-Pulse vom infraroten bis zum ultravioletten Spektralbereich bezüglich ihrer
Pulsdauer und Phase charakterisieren lassen. |