Zusammenfassung
Interaktive Regulationsmuster verschiedener Transmissionssysteme sind grundlegende Mechanismen
physiologischer Hirnfunktion. Nicht die Betrachtung von Transmissionssystemen in ihrer Singularität, sondern der
Untersuchungsansatz, die Funktionsweise des ZNS als interagierendes System zu verstehen, verspricht eine
Weiterentwicklung in der Erkenntnis physiologischer sowie pathophysiologischer Zusammenhänge.
Bisherige Daten über wechselseitige Beziehungen zwischen dopaminergem und serotonergem
Transmissionssystem verweisen auf eine Komplexität, die mit ihrem klinischem Hintergrund ein Potential der
gegenseitigen Kompensation zentraler Funktionsdefizite erwarten lässt. Mit dem Ziel, diese Interaktion auf Ebene
der dopaminergen Transmissionsregulation im STR genauer zu charakterisieren, ist in vorliegender Arbeit mit
Hilfe in vivo voltammetrischer Methodik die Funktion des striatalen DAT in Folge einer 5-HT-Läsion untersucht
worden. Aufgabenstellung war, den DAT-vermittelten hochaffinen striatalen DA-Uptake nach Läsion der kranialen
Raphekerne (DRN bzw. MRN) zu ermitteln und einen möglichen läsionsbedingten Effekt in seiner zeitlichen
Ausprägung sowie Altersabhängigkeit darzustellen. Die Untersuchungen wurden an Ratten vom Stamm Sprague
Dawley vorgenommen.
Tiere zweier Altersklassen (7 Wochen bzw. 10 Monate) erhielten durch Applikation des Neurotoxins 5,7-DHT in
jeweils einen der kranialen Raphekerne, DRN oder MRN, eine direkte Läsion der Ursprungsgebiete der zentralen
serotonergen Projektion. Nach einem Zeitraum von einer, drei oder neun Wochen folgte unter Anwendung des
voltammetrischen Verfahrens der CA und nach elektrisch stimulierter Transmitterfreisetzung (Stimulation des
MFB) die Bestimmung der striatalen DA-Clearancerate. Es wurden Messreihen jeweils vor und nach Blockade der
DAT durch den DAT-Inhibitor GBR 12909 vorgenommen. Im Anschluss an die voltammetrische Untersuchung
wurden die Gehirne perfusionsfixiert und der Läsionserfolg 5-HT-immunhistochemisch überprüft. Die Auswertung
des amperometrischen Messsignals mit Berechnung der Geschwindigkeitskonstanten k [1/s] des hochaffinen
striatalen DA-Uptakes erfolgte auf Grundlage eines kinetischen Modells.
Die Ergebnisse vorliegender Studie verdeutlichen eine Abhängigkeit des striatalen DAT von der serotonergen
Funktion. Sowohl bei den jungen, als auch den adulten Tieren zeigte sich im Vergleich zu Scheinläsionen und
unbehandelten Kontrollen eine Verlangsamung des striatalen hochaffinen DA-Uptakes eine Woche nach
5-HT-Läsion. Bei den Jungtieren, nicht aber bei den Adulten, war dieser Effekt auch drei Wochen nach
Läsionswirkung feststellbar, nach neun Wochen konnte diese DAT-Funktionsänderung bei beiden Altersklassen
nicht mehr beobachtet werden. Die Daten vor und nach Gabe von GBR 12909 verweisen zusätzlich auf weitere
regulative Mechanismen, die mit serotonerger Läsion bzw. einer herabgesetzten DAT-Funktion auftreten.
Es hat sich mit den Ergebnissen dieser Studie bestätigt, dass das serotonerge und dopaminerge System in enger
Wechselwirkung bzw. einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Die herausragende Rolle des
dopaminergen Systems für striatale- und insgesamt BG-Funktionen hebt die Bedeutung von Erkenntnissen
hervor, die mit dem Verständnis regulativer Steuergrößen einhergehen. Die Abhängigkeit des gezeigten Effektes
vom Tieralter unterstützt Studien zu Alterungsprozessen des ZNS, welche veränderte anatomische, biochemische
und elektrophysiologische Bedingungen beschreiben. Es liegt daher nahe, dass auftretenden Funktionsstörungen
altersabhängig unterschiedliche Regulationsmuster entgegenwirken. Obwohl die Daten dieser Studie eine
umfassende Interpretation des gezeigten Effektes nicht ermöglichen, kann mit Hintergrund der bisherigen
Erkenntnisse zu Interaktionen beider aminerger Transmittersysteme vermutet werden, dass es sich bei den
Veränderungen der DAT-Funktion um eine kompensatorische Leistung des ZNS handeln könnte, das serotonerge
Defizit auszugleichen. |