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2.1 Behördenbibliotheken

 

Die Behördenbibliotheken zählen zu der Gruppe der wissenschaftlichen Spezialbibliotheken und lassen sich in folgende Typen unterteilen (APBB : Informationen über die APBB):

Die Trägerinstitution "Behörde" ist ein Teil der Gesamtinstitution Staat und übt eine Verwaltungstätigkeit aus. Diese administrative Tätigkeit schlägt sich in der jeweiligen Ressortpolitik der Behörde nieder; so werden z.B. in Ministerien Gesetzentwürfe entwickelt und insbesondere auf Landesebene die Politik und deren Planung durchgeführt. Hierzu zählen u.a. das Bildungswesen, der Ausbau der Infrastruktur und der Umweltschutz. Alle Tätigkeiten der Behörde dienen dem Interesse des Staates und haben direkte Wirkung auf die Gesellschaft.

Obwohl die Parlamente und Gerichte keine verwaltenden Tätigkeiten ausüben, sondern die Legislative (Gesetzgebung) bzw. die Judikative (Rechtsprechung) darstellen, gelten diese Institutionen als Behörden, da sie ebenfalls Bestandteile des Staates sind. Dementsprechend bilden die Parlaments- und Gerichtsbibliotheken eine Untergruppe der Behördenbibliotheken.

Was bedeutet die Stellung der Behörde im Staatsgefüge nun für die Arbeit der Bibliothek?

Die Hauptaufgabe der Bibliothek ist die Literaturversorgung für ihre Trägerinstitution.

"Die Behördenbibliothek ist ihrer Behörde zu unbedingtem Dienst untergeordnet." (Bibliotheksarbeit für Parlamente und Behörden, S. 66)

Aus diesem Grund ist der Bestand auf die tägliche Arbeit der Institutionsmitarbeiter ausgelegt. Von großer Wichtigkeit sind hier die Quellen der grauen Literatur, die amtlichen Druckschriften (Schrifttum herausgegeben von Behörden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts) und spezielle, meist juristische, Fachliteratur abgestimmt auf das Aufgabengebiet der Behörde. Weiterhin werden statistische Darstellungen, Gutachten und Tagungsliteratur erworben. Insgesamt ist der Bestand und seine Bearbeitung sehr arbeitsintensiv. Die Behandlung von amtlichen Druckschriften und Loseblattsammlungen, die bei juristischen Sammlungen bevorzugte Ausgabenart, bedeutet für die Bibliothekarin einen hohen Arbeits- und Zeitaufwand.

Aufgrund von räumlichen Engpässen gehört es für das Bibliothekspersonal zu den regelmäßigen Aufgaben, eine Revision des Bestandes durchzuführen, um veraltete Bestände auszusondern.

Die Erwerbung der gewünschten Bücher erfolgt weniger über den Buchhandel; die unkonventionelle Literatur wird z.B. über Mitarbeiter im Haus bezogen oder durch den Tausch mit anderen Bibliotheken. Diese Wege muß die Bibliothekarin häufig mit Hartnäckigkeit und Spürsinn verfolgen. Nicht jeder Mitarbeiter sieht den globalen Nutzen der Bibliothek und ihres Bestandes, vielmehr ist er auf sein Arbeitsfeld konzentriert und gibt oftmals ungern seine z.B. auf Tagungen erhaltenen Bände an die Abteilung ab.

Es kann auch vorkommen, daß ein Buch auf Wunsch eines Mitarbeiters innerhalb kürzester Frist beschafft werden muß, wenn es für seine Arbeit unentbehrlich ist. Ebenso besteht die Möglichkeit für einen Institutionsangehörigen, ein aus dringenden Gründen selbst angeschafftes Exemplar nachträglich der Bibliothek zur Einarbeitung in den Bestand zukommen zu lassen und eine Rückerstattung des Kaufpreises zu erwirken. Diese Methode sollte natürlich nicht zur Regel werden, um eine Etatübersicht und einen einheitlichen Bestand für die Bibliothek zu gewährleisten. Wie bei jeder Spezialbibliothek liegt in dem knapp bemessenen Etat eine Schwierigkeit für die Erwerbung; so kann der Vielfalt und Aktualität des Bestandes häufig nicht Genüge getan werden.

Die Erschließung des Bestandes erfolgt überwiegend nach hausinternen Regeln, wobei die RAK zugrunde liegen. Einige Bibliotheken bieten einen besonderen Dienst, in dem Zeitschriftenartikel in einer Dokumentationsdatenbank aufgenommen werden, an. Diese Dienstleistung ist für die Mitarbeiter der Trägerinstitution von großem Nutzen, da Zeitschriften aktuelle Themen behandeln und neue Erkenntnisse oder statistische Angaben umgehend veröffentlichen. Sind diese Artikel in einer Datenbank oder Kartei nachzuweisen, erspart es dem Mitarbeiter das "Browsen" durch die jüngst erschienenen Hefte.

Die Ausleihfrist in den Behördenbibliotheken ist nicht streng geregelt. Benötigt ein Mitarbeiter ein Werk über mehrere Monate für seine Arbeit, dann ist der Nachweis über den Standort des Buches in der Bibliothek vorhanden und es kann jederzeit für einen Kollegen zurückgefordert werden. Befindet sich ein Buch noch im Geschäftsgang, ist das kein Hinderungsgrund für die Ausleihe; es wird zur Verfügung gestellt und nach der Rückgabe eingearbeitet. Während die Ausleihe von Loseblattsammlungen in großen Bibliotheken untersagt ist, werden auch diese dem Benutzer in Behörden zur Verfügung gestellt.

Die Öffnungszeiten sollten über die Kernarbeitszeiten der Institution hinausgehen, um eine optimale Nutzung für diejenigen Mitarbeiter, die häufig auswärtige Termine wahrnehmen müssen, zu gewährleisten. Personell ist diese Forderung an die Bibliothek selten zu erfüllen, da auch in den Behördenbibliotheken die OPLs stark vertreten sind. Der Besuch von auswärtigen Nutzern ist obligatorisch eingeschränkt, da die Bibliothek die Aufgabe hat, der Trägerinstitution zu dienen. Nach telephonischer Absprache können Gäste in den Bibliotheken zugelassen werden.

Oftmals muß die Behördenbibliothek ihre Daseinsberechtigung unter Beweis stellen. Die Entwicklung eines Eigenlebens, wie es die Universitätsbibliotheken trotz ihrer übergeordneten Institution Hochschule und ihrer Abhängigkeit zu ihr geschaffen haben, ist bei den Behördenbibliotheken nur eingeschränkt möglich. Äußerungen wie "Was macht die Bibliothek denn schon?", oder "Wozu brauchen wir eine Bibliothek?" muß die Bibliothekarin mit Dienstleistungsangeboten und fachlicher Kompetenz entgegentreten. (vgl. Kapitel 2)