Kapitel 2 - Schenkungen vollständiger Sammlungen| Übersicht |
10 Kunst als mathematische Wissenschaft
Beschreibung | Großbild
Albrecht Dürer:
Underweysung der messung mit dem zirckel und richtscheyt.
Nürnberg: Hieronymus Andreae, 1525.
Signatur: 2° Bibl. Uff. 183 (1)
Provenienz: Johann Friedrich Armand von Uffenbach, 1769/70
Die Kunst der perspektivischen Zeichnung war in Italien bereits fast ein Jahrhundert lang bekannt und in der Praxis verbreitet, als Albrecht Dürer (1471 – 1528) sie 1525 mit seinem bahnbrechenden Werk Underweysung der messung mit dem zirckel und richtscheyt in Nordeuropa bekannt machte. Dürer lernte das „Geheimnis der Perspektive“ zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf seinen Italienreisen kennen. Frühere Arbeiten zur Perspektive wie Leon Battista Albertis Trattato della Pittura (1435 / 36) hatten die perspektivische Zeichnung als Problem der Optik dargestellt, wie es bereits in der Antike üblich gewesen war. Im Gegensatz hierzu wandte Dürer Euklids Geometrie auf die Darstellung von Gegenständen auf einer zweidimensionalen Ebene an. Sein Buch stellte so die erste vollständig ausgearbeitete mathematische Theorie der linearen Perspektive dar. Um Perspektive in geometrische Begriffe zu „übersetzen“, musste Dürer neue Termini schaffen. Der erste neue Begriff erscheint im Titel des Werks: „Messung“ statt „Messkunst“ (was Landvermessung bedeutete). Da keine deutschen Entsprechungen für die Bezeichnungen der drei Kegelschnitte (Ellipse, Parabel und Hyperbel) existierten, nannte er sie „Eierlinie“, „Brennlinie“ (da ein Parabolspiegel benutzt werden kann, um ein Feuer zu entfachen) und „Gabellinie“.
Dürers „Kunst des Messens“ war für Maler, Handwerker, Steinmetze und Zimmerleute bestimmt. Erst gegen Ende des letzten Teils des Werkes erörtert er das Problem der Perspektive, und dies erst nachdem er Anweisungen zur Konstruktion von Sonnenuhren auf der Basis der Geometrie gegeben hat. Kunsthistoriker sind sich uneins über den Einfluss, den das Werk auf die europäische Kunst, ja selbst auf diejenige Dürers, ausgeübt hat. Dürer stellte stets ästhetische Grundsätze über rigorose mathematische Prinzipien. Dies ist etwa in seinem Bemühen erkennbar, einen perspektivischen Schatten darzustellen, der von einem Kubus auf einer quadratischen Ober- fläche erzeugt wird, oder in der unterschiedlichen Verwendung des Fluchtpunkts bei der Darstellung von Gebäuden im Gegensatz zu menschlichen Figuren. Im Anhang seines vierten und letzten Buches stellt Dürer Zeichenapparate zur vollkommenen Abbildung von Gegenständen und Personen vor. Die Abbildung zeigt verschiedene Kegelschnitte, darunter auch rechts unten die „parabola“ als Brennspiegel.
(KMO/KN)