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Kapitel 3 - Herkunft aus öffentlichen Institutionen | Übersicht |


27 Die Offenbarungen der Heiligen Birgitta

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Birgitta:
Revelationes.
Daran: Vita abbreviata S. Birgittae.
Lübeck: Bartholomäus Ghotan, 1492.
Signatur: 4° Hist. eccl. Sanct. 176/32a Inc.
Provenienz: Michaeliskloster Lüneburg, 1853

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4° Hist. eccl. Sanct. 176/32a Inc. (Ausschnitt)
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Die als Birgitta Birgersdotter geborene Birgitta von Schweden (um 1303 – 1373) war die Tochter des Lagmanns von Uppsala. Bereits im Kindesalter hatte sie religiöse Visionen. Als 13-jährige heiratete sie den späteren Lagmann von Närke Ulf Gudarsson, dem sie acht Kinder gebar. Nach dem Tod ihres Ehemannes 1344 erfuhr sie immer häufigere Offenbarungen. Mehr als 600 Visionen wurden von ihrem Sekretär festgehalten, später aus dem Schwedischen in verschiedene Sprachen übersetzt und verbreitet. Zu ihnen gehörte der himmlische Auftrag zur Gründung des Birgitten- oder Erlöserordens. 1349 reiste Birgitta nach Italien, um die päpstliche Anerkennung ihres Ordens zu erwirken, die jedoch erst nach ihrem Tod, im Jahre 1378, erfolgte. Birgitta wurde 1391 heiliggesprochen. Sie wird heute als Schutzheilige Schwedens und seit 1998 als Patronin Europas verehrt.

Der lateinische Text der Revelationes basiert auf einer Übersetzung aus dem Schwedischen, die von Birgittas Beichtvätern angefertigt wurde. Birgitta beschreibt, wie sich Gott, Jesus Christus, die Jungfrau Maria und verschiedene Heilige ihr offenbarten. Außerdem berichtet sie als Zeugin von Gesprächen anderer, etwa von einem Dialog Christi mit einem ketzerischen Mönch. Schließlich finden sich in der Sammlung an verschiedene Personen gerichtete Briefe und Botschaften. Das durchgehende Thema der Revelationes aber ist ihre Kritik am moralischen Verfall der Kirche. Den Erstdruck besorgte der Lübecker Drucker Bartholomäus Ghotan im Jahre 1492 für das Kloster Vadstena am Wettersee, das Mutterkloster des Birgittenordens. Er hatte bereits um 1485 in Lübeck eine niederdeutsche Fassung der Revelationes gedruckt; 1486 und 1487 ist er als Drucker in Stockholm nachweisbar. Ghotans weitreichende internationale Beziehungen sind ihm möglicherweise zum Verhängnis geworden: In zeitgenössischen Quellen wird berichtet, dass er vom Großfürsten Iwan II. zur Einrichtung einer Druckerei nach Moskau gerufen wurde. Vermutlich verlor er im Zusammenhang mit den Nowgoroder Unruhen das Leben. Die 23 bemerkenswerten Holzschnitte in Birgittas Revelationes sowie Ghotans großformatige figürliche Initialen machen das Werk zu einem herausragenden Beispiel der norddeutschen Druckkunst.

(HR)