Göttinger Cimeliennavigation

Kapitel 3 - Herkunft aus öffentlichen Institutionen | Übersicht |


29 Ein Standardwerk der neuzeitlichen Architekturgeschichte

Beschreibung | Großbildweiterzurück

Andrea Palladio:
I quattro libri dell’architettura.
Venedig: Franceschi, 1570.
Signatur: 4º Math. Arch I, 1293 Rara
Provenienz: Michaeliskloster Lüneburg, 1853

Vorschau
4° Math. Arch. I, 1293 Rara (Ausschnitt)
Klick aufs Bild für Großbild

Wohl kaum jemand wüsste etwas mit dem Namen Andrea di Pietro della Gondola anzufangen. So aber hieß der unter seinem Künstlernamen Andrea Palladio (1508 – 1580) berühmt gewordene Architekt eigentlich. Seine Benennung verdankte er dem Vicentiner Adeligen Giangiorgio Trissino, dessen Bekanntschaft für den jungen Palladio nicht nur wegen der Namensgebung schicksalhaft war. Bis dahin hatte Palladio das Maurer- und Steinmetzhandwerk erlernt, nunmehr kam er in den Genuss humanistischer Bildung und beschäftigte sich mit antiker Architektur und Architekturtheorie. Mehrfach hielt er sich in Rom auf und erschloss für sich die Überreste der antiken Bauten. 1554 publizierte er sein so erworbenes Wissen in einem Führer mit dem Titel Le antichità di Roma. 1556 steuerte er seine Kenntnisse für eine Ausgabe des römischen Architekturschriftstellers Vitruv bei.

Der größte Wurf aber waren die vier Bücher über die Architektur, die Palladio 1570 herausbrachte. Das Wesentliche beinhalten die exakten Zeichnungen, auf wortreiche Erläuterungen verzichtete Palladio und zeigte sich so auch im Edieren als ein Praktiker, dessen Arbeit sich von der vieler Fachschriftsteller seiner Zeit abhob. Sein Thema war die Zivilbaukunst. In verschiedenen Schnitten und Aufrissen sezierte Palladio gewissermaßen jedes Gebäude und vermittelte eine bislang unerreichte Anschaulichkeit. Im vierten Buch seines Werkes beschäftigte sich der Meister mit den Bauwerken der Antike, so auch mit dem Pantheon, zu dem er u. a. nebenstehende Ansicht fertigte.

Vorbildcharakter kam der antiken Hinterlassenschaft aus der Sicht des humanistisch gebildeten Architekten in mehrfacher Hinsicht zu: Dauerhaftigkeit, Zweckmäßigkeit und Schönheit waren die Eigenschaften, die es auch für die gegenwärtige Architektur wiederzugewinnen galt. Die Wirkung Palladios in der europäischen Kunstgeschichte kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Jede Epoche griff bei der Ausformulierung ihres Architekturstils immer wieder auf ihn zurück. Palladio ist in der höfischen und adeligen Baukunst ebenso anzutreffen wie in der bürgerlichen Architektur. Auch wenn sein Werk bisweilen als eine Art Musterbuch für den Architekten benutzt wurde, so beeindruckte er doch alle späteren Generationen mit der Geschlossenheit seiner Entwürfe, in der die Lösungen untereinander stimmig sind, Tradition und Innovation vereint werden, ein angemessenes und in jeder Beziehung „passendes“ Ergebnis entsteht.

(JM)