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Kapitel 7 - Göttinger Gelehrte | Übersicht |


60 Eine Weltkugel-Fabrik in Göttingen?

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Acta Societatis Cosmographicae seu Minorum Scriptorum a Membris Societatis publicandi Instituti Cosmographici causa editorum in unum Volumen Collectio, facta Anno 1754, quo exspiravit huius Societatis Directorium Norimbergense, ad Musas idque Goettingenses felicissimis Auspiciis emigravit.
Nürnberg: Kosmographische Gesellschaft, 1754.
Signatur: 4° Geogr. 662 Rara und 4° Geogr. 663 Rara
Provenienz: Johann Michael Franz, 1754

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4° Geogr. 662 Rara und 4° Geogr. 663 Rara
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Johann Michael Franz (1700 – 1761), Mitinhaber des Verlages Homännische Erben, erkannte um 1740, dass sich ohne eine umfassende, staatlich finanzierte Datenaufnahme die Kartographie nicht weiterentwickeln könne. Da der Verlag aus eigener Kraft keine Abhilfe schaffen konnte, gründete Franz einen privaten Verein, die Kosmographische Gesellschaft, mit dem Ziel, das öffentliche Bewusstsein zu ändern und damit den Weg für eine staatlich finanzierte kartographische Stelle zu ebnen. Diese Kosmographische Gesellschaft bestand aus nur wenigen Mitgliedern, die fast alle für den Verlag Karten zeichneten. Seit 1750 folgten diese Wissenschaftler Rufen an die Universität Göttingen: zunächst der Astronom Tobias Mayer, fünf Jahre später der Mathematiker Georg Moritz Lowitz und Franz selbst. Man hatte letzterem in Göttingen eine Finanzierung der Kosmographischen Gesellschaft in Aussicht gestellt, wofür er seine Verlagshälfte mitzubringen versprach. Doch seine Reise nach Göttingen musste heimlich geschehen, und eine Übersiedlung des Verlages verhinderte der Rat der Stadt Nürnberg, als die hohe Verschuldung von Franz offenbar wurde.

In enger Zusammenarbeit mit der Kosmographischen Gesellschaft wollten Franz und Lowitz eine Globenproduktion ins Leben rufen, die alle bisher bekannten Globen an Qualität weit übertreffen sollte. Von dem Verkauf der Globen erwartete Franz einen Gewinn, den er in die Kartenproduktion des Verlages investieren wollte. Für ein derart anspruchsvolles Unternehmen wurde eine längere Vorbereitungszeit vorgesehen. In dieser Zeit wurden verschiedene Werbeschriften verteilt, die vor allem dazu dienten, Subskribenten für die Finanzierung des Projektes der „Weltkugel-Fabrik“ zu gewinnen, und es fanden sich auch genügend Interessierte, die bereit waren, im Vorhinein Geld zu investieren. Lowitz’ Ansprüche an die Qualität der Globen waren jedoch so hoch, dass die Produktion nicht in Gang kam. Zehn Jahre nach der ersten Ankündigung der Globen forderten die Subskribenten ihr eingezahltes Geld zurück. Franz hatte diese Gelder jedoch längst in andere Projekte investiert. Lowitz beendete daraufhin die Arbeiten an den Globen und verließ 1767 enttäuscht Göttingen, um einem Ruf nach St. Petersburg zu folgen. Die Kosmographische Gesellschaft in Göttingen brachte aufgrund der zu hoch gesetzten Ansprüche in Verbindung mit der finanziellen Zerrüttung von Franz anstatt eines Quantensprungs in der Kartographie lediglich einige kleinere programmatische Schriften zustande.

(MS)