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Kapitel 9
Aus den Bibliotheken privater Büchersammler



Eine besonders interessante Konstellation kann immer dann entstehen, wenn ganze Sammlungen oder große Teile daraus aus privater Hand in Bibliotheken übernommen werden. Der Reiz besteht dann darin, in der Sammlung die Persönlichkeit des früheren Eigentümers, seine Vorlieben und Ansichten in der Bibliothek (wieder-)erkennen zu können. In den allermeisten Fällen sind von früheren Privatbibliotheken heute nur noch Verzeichnisse, zumeist Verkaufskataloge erhalten. Auch sie sind eine eminent wichtige Quelle für die Geschichte des privaten Büchersammelns mit all ihren Facetten. Die Göttinger Universitätsbibliothek besitzt eine stattliche Sammlung davon. Die Kataloge, einst Informations- und Einkaufsgrundlage für Bibliothekare und mit entsprechenden Akzessionsbemerkungen versehen, sind heute eine Fundgrube für die Aufhellung vieler Aspekte der Buchhandels- und Wissenschaftsgeschichte, unabhängig davon, ob es sich um gedruckte Verzeichnisse oder handgeschriebene Inventarlisten handelt. Aber es ist doch etwas anderes, die Bücher selbst dafür zur Hand zu haben, denn über zahlreiche exemplarspezifische Elemente wie Einband, Marginalien, etc. steht in den Katalogen mit ihren zumeist sehr kurz gefassten Titelbeschreibungen in der Regel nichts. In den Beständen der Universitätsbibliothek sind viele Sammlungen aus privatem Besitz aufgegangen: große und kleine, hochkarätige und weniger bedeutende, repräsentative Ensembles und Gebrauchsbibliotheken.

Duve
Katalog zur Bibliothek von Friedrich Wilhelm von Duve (1707 – 1785)

Zu den herausragenden Kollektionen aus Privatbesitz zählt zweifellos die Sammlung des kurbraunschweigisch-lüneburgischen Hofrats und Geheimen Kanzlei-Sekretärs Friedrich Wilhelm von Duve. Duve besaß eine umfangreiche Sammlung alter Drucke, von denen ein Teil – so auch Caxtons Mirror of the World – aus der Bibliothek Harley stammte. Der handschriftliche Katalog der Duveschen Bibliothek verzeichnet Drucke ab incunabulis artis typographicae usque ad annum 1510 und nennt insgesamt 704 Titel, davon 504 Inkunabeln, so dass die außergewöhnlich reichhaltige Sammlung mit Recht den Titel Monumenta typographica trägt. 383 Frühdrucke gelangten daraus 1781 / 82 als dritte und letzte der umfangreicheren Inkunabelerwerbungen der Heyne-Zeit nach Göttingen. Alle Wissensgebiete sind in der Sammlung vertreten, besonders zahlreich sind die Drucke antiker Autoren, etwa eine prächtig illuminierte frühe Ausgabe von Ciceros De officiis (Rom: Sweynheym und Pannartz 1469), die zweite Ausgabe von Caesars Kommentaren (Venedig: Jenson 1471) sowie die erste, vierte, fünfte und sechste Edition der Cosmographia des Ptolemaeus. Eine besondere Rarität stellen schließlich die beiden Caxton-Drucke dar, die aus der Harley-Sammlung stammen: The Dicts or sayings of the philosophers und The Mirror of the World, die englische Version des Werkes von Gossuin de Metz.

Stuss
Auktionskatalog der Bibliothek Johann Heinrich Stuß

Wenige Jahre zuvor, am 19. April 1776, wurde die Büchersammlung des Rektors Johann Heinrich Stuß (* 1686 in Grone) in Gotha verkauft. Der gedruckte Katalog enthielt mehr als 1.750 Nummern, wovon die Göttinger Bibliothek 40 Nummern (63 Titel) erwerben konnte. Darunter befanden sich immerhin 33 Inkunabeln, und zwar vorwiegend theologisch- philosophische Werke des Mittelalters.

Die Darstellung zur Chirurgie, die von dem Straßburger Arzt und Apotheker Hieronymus Brunschwig verfasst wurde, steht für die zahlreichen zusätzlichen Wissensgebiete, die in der Sammlung vertreten sind. Das hier erkennbare, sehr weit angelegte Sammlungsinteresse wird durch die Biographie aus der Feder seines Sohnes bestätigt: Stuß hing

„auch bald seiner Begierde nach, einen eigenen Schatz von Büchern sich zu sammlen, und opferte derselben oftmals Bequemlichkeiten und Vortheile auf, besonders bey den häufigen Auctionen in Gotha. Er sahe seine Bücher für seine Güter, und ihre Verfasser für seine Freunde und Gesellschafter an. … Jedesmal aber halfen ihm seine Bücherkenntniß und sein Gedächtniß, die Quellen, Nachrichten und Materialien, die er brauchte, geschwinde zu finden. Weil er nun auf diese Weise immer aus einem Felde der Gelehrsamkeit in das andere Lustreisen that, so bauete er sich zwar in keinem eigentlich an, war aber auch in keinem fremd“.

(JM)