Kapitel 4 - Wer bietet mehr? Ersteigert auf Auktionen | Übersicht |
39 Ein Rechenbuch für Schüler und Kaufleute
Beschreibung | Großbild
Adam Ries:
Rechnung auf den Linien und Federn.
Erfurt: Melchior Krause, 1531.
Signatur: 8° Math. II, 1282 (1) Rara
Provenienz: Auktion Berlin, 1968
Adam Ries (1492 – 1559) hatte zunächst – wie damals üblich – auf Märkten und Messen seine Rechenfertigkeiten vorgeführt und sich dabei bereits als junger Rechenmeister einen Namen gemacht. Nach seinen Wanderjahren ließ er sich um 1517 in Erfurt nieder und eröffnete eine Rechenschule, in der er angehende Kaufleute und Handwerker im kaufmännischen Rechnen unterrichtete.
Rechenschulen traten im deutschen Sprachraum seit dem 16. Jahrhundert in Erscheinung. Der Unterricht an diesen Schulen erfolgte in deutscher Sprache und vermittelte wichtige Rechenfertigkeiten sowie Grundkenntnisse der Algebra. Das kaufmännische Rechnen spielte vor dem Hintergrund der ökonomischen Entwicklung, die von einem beachtlichen Aufschwung des städtischen Handels und Gewerbes geprägt war, eine immer größere Rolle.
In seinem ersten, 1518 verfassten Rechenbuch beschreibt Adam Ries das „Rechnen auf den Linien“, ein damals verbreitetes Rechenverfahren auf Rechentischen und Rechentüchern: Rechenpfennige wurden auf Linien gelegt und mittels geeigneter Aktionen, die der Durchführung der vier Grundrechenarten entsprachen, verschoben, aufgelegt und entfernt. Dem Titelblatt des Buches ist zu entnehmen, dass es damals üblich war, diese Art von Rechenbuch für den Unterricht an Rechen- schulen einzusetzen. Das zweite, hier vorgestellte Rechenbuch, das in erster Auflage 1522 erschien, führt nach einer kurzen Darstellung des „Rechnens auf den Linien“ didaktisch geschickt in das uns heute vertraute schriftliche Rechnen („mit der Feder“) mit arabischen Ziffern ein. Gemäß dem Titelzusatz auff allerley Handthirung gamacht enthält es ausführliche Anleitungen, Beispiele und Aufgaben, die auch ein selbständiges Durcharbeiten, Nachvollziehen und Aneignen des Stoffs ermöglichen. Das Werk hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die römischen Zahlen in der Folgezeit in der alltäglichen Anwendung immer mehr an Bedeutung verloren und sich das Rechnen mit arabischen Ziffern etablierte. Das Buch erlebte schon zu Ries’ Lebzeiten zahlreiche Auflagen. In deutscher Sprache und allgemein verständlicher Form geschrieben, fand es weite Verbreitung und begründete so den Ruhm seines Verfassers. Das Buch hat über die Jahrhunderte nichts von seinem Reiz verloren und eignet sich als Quelle anwendungsbezogener Aufgabenstellungen.
Die damals hochgeschätzte Rechenkunst erlebte mit Hilfe der arabischen Ziffern, der Schreibfeder und dank Adam Ries eine überzeugende Vereinfachung, die sie einer breiten Schicht zugänglich machte. Noch heute ist die Redewendung „nach Adam Riese“ geläufig, welche die Richtigkeit eines Rechenergebnisses unterstreicht.
(KH)