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Kapitel 8 - Auswärtige Wissenschaftler | Übersicht |


84 Das Leiden Christi –
der Schatz des Menschen

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Stephan Fridolin:
Schatzbehalter der wahren Reichtümer des Heils.
Nürnberg: Anton Koberger, 8. XI. 1491.
Signatur: 4° Theol. mor. 142/29 Inc.
Provenienz: Rudolf Anton Fabricius, 1776

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4° Theol. mor. 142/29 Inc. (Ausschnitt)
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Stephan Fridolin (um 1430 – 1498) war Prediger, Lektor und Franziskanermönch in Bamberg, Mainz, Basel und Nürnberg, wo er als geistlicher Betreuer des Klarissenklosters wirkte. Neben einem Buch von den Kaiserangesichten, das Kaiserbildnissen auf antiken römischen Münzen gewidmet ist, einigen Predigtsammlungen und allegorischen Werken veröffentlichte er im Jahre 1491 sein wichtigstes Werk, den Schatzbehalter der wahren Reichtümer des Heils. Die „auff frag un[d] bitt etlicher andechtiger person“ verfasste Erbauungsschrift war dezidiert an Laien gerichtet. Die im Hauptteil des Werkes dargebotenen 100 Gedanken über das Leiden und Sterben Christi fordern dazu auf, die Werke und Martern des Gottessohnes „mit scha[m], mit mitleiden und danckberkeit“ zu betrachten und als Genugtuung für alle Sünde und Erlösung der Gläubigen zu begreifen. Die Passion und das Kreuzesgeschehen gelten so als Schrein – oder Schatzbehalter – des menschlichen Heils.

Der Schatzbehalter ist das einzige Werk Fridolins, das bereits zu seinen Lebzeiten in gedruckter Form veröffentlicht wurde. Mit einem Umfang von 352 Blatt und 96 ganzseitigen Holzschnitten aus der Werkstatt von Michael Wolgemut (1437 – 1519) und Wilhelm Pleydenwurff († 1494) bei Anton Koberger (ca. 1440 – 1513) erschienen, gilt es als Höhepunkt in der Geschichte der Nürnberger Druckerei. Das Buch, von dem heute weltweit knapp 140 Exemplare nachweisbar sind, verließ in mindestens vier unterschiedlichen Ausstattungen die Offizin. Die Holzschnitte des Göttinger Exemplars sind unkoloriert geblieben, so dass ihre künstlerische Wirkung zur vollen Entfaltung kommen kann. Eng auf den Text bezogenen, stellen sie die ständige Präsenz des Leidens Christi im gesamten Weltgeschehen seit der Erschaffung der Erde heraus. So ist auch zu erklären, dass sie sich mehrheitlich auf das Alte Testament und den präexistenten Christus bzw. auf das Leben Christi bis zum Geschehen auf dem Ölberg beziehen, während die Passionsschilderungen der Evangelien in nur fünfzehn Holzschnitten verarbeitet werden. Aufgeschlagen ist eine Abbildung, die Christus als „arzet und heylmacher“ zeigt: Ihm, der körperliche und seelische Leiden heilte und sich selbst als Arznei gab, wurde von den Juden vorgeworfen, die Menschen zu verderben.

(HR/SG)