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Kapitel 9 - Aus den Bibliotheken privater Büchersammler | Übersicht |


97 Das erste wissenschaftliche
Lehrbuch in der Wundarzneikunde

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Hieronymus Brunschwig:
Chirurgia.
Straßburg: Johann Grüninger, 4. VII. 1497.
Signatur: 4° Med. chir. I, 13060 Inc.
Provenienz: Johann Heinrich Stuß, 1776

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4° Med. chir. I, 13060 Inc. (Ausschnitt)
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Der Straßburger Wundarzt Hieronymus Brunschwig (1450 – 1512) hat sich auf verschiedenen Gebieten Verdienste erworben: Im Jahre 1500 erschienen zwei Arbeiten zur Arzneimittelkunde, der Liber destillandi de simplicibus und der Liber pestilentialis de venenis epidimie. Als Brunschwigs pharmakologisches Hauptwerk gilt der 1512 gedruckte Liber de arte distillandi de compositis (s. Nr. 37). Mit seiner bereits im Jahre 1497 bei dem Straßburger Drucker Johann Grüninger verlegten Chirurgia entstand „das erste deutsche Lehrbuch in der Wundarzneikunde, das Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben konnte“ (Probst).

Das Werk besteht aus sieben Traktaten, die in systematischer Anordnung typische Verletzungserscheinungen beschreiben und Anweisungen zu ihrer Therapie geben. Seine Kapitel sind den ethischen Maximen des Arztberufes, der allgemeinen und der speziellen Chirurgie, stumpfen Verletzungen, Knochenbrüchen, Verrenkungen und der Arzneikunde gewidmet. Sie beinhalten auch die Behandlung von Verletzungen, die durch Leibesstrafen, Folter und – sofern der Patient sie überlebt hatte – Hinrichtungen wie das Rädern oder Henken entstanden waren. Den Ausführungen sind exakt ausgeführte, im Göttinger Exemplar kolorierte Holzschnitte beigefügt. Sie stellen zumeist eine Begegnung des Arztes bzw. einer Gruppe von Medizinern und eines Patienten mit einer jeweils spezifischen Verletzung dar. Im Falle des gezeigten Holzschnittes, der dem Traktat über Themen der speziellen Chirurgie entnommen ist, steht zu hoffen, dass er dazu dient, einen summarischen Überblick über den Inhalt des Kapitels zu geben. Es behandelt Kopfwunden mit und ohne Schädelverletzungen, Gesichts- und Halsverletzungen sowie verschiedene Wunden an Armen, Rumpf, Bauchorganen, Beinen, Füßen und Zehen.

Der große Erfolg der Chirurgia veranlasste den Augsburger Nachdrucker Johann Schönsperger dazu, bereits im Dezember 1497 einen Nachdruck vorzulegen, der einige Korrekturen des Originals beinhaltete. Grüningers Antwort bestand darin, seine Ausgabe der Chirurgia durch Brunschwigs Traktat von der Anatomia zu ergänzen, um so die Verkaufsaussichten des Plagiats zu verringern.

(SG/HR)