Zusammenfassung
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ZUSAMMENFASSUNG
Mit der Totalsequenzierung des Genoms eines Organismus und der Identifizierung
der kodierenden Sequenzen kann - im Prinzip - jedes Protein des betreffenden
Organismus seinem Strukturgen zugeordnet werden, wenn genuegend Information
ueber die Primaerstruktur (Aminosaeuresequenz, Peptidmassen) der
Proteine vorliegt. Ungeklaert dabei bleibt jedoch, inwieweit ein Protein
ueber sein Strukturgen hinaus von anderen kodierenden DNA-Sequenzen abhaengig
ist. Das sind Gene, die auf die Modifikation und Expression der Proteine Einfluss
nehmen koennen. Unter dieser Fragestellung wurde in der vorliegenden Arbeit
mit genetischen Methoden eine umfangreiche Kartierung von Proteinen der Maus
durchgefuehrt.
Die Untersuchung der Gehirnproteine der beiden Maeusespezies Mus musculus
und Mus spretus durch hochaufloesende zweidimensionale Elektrophorese
(2-DE) in der Arbeitsgruppe Prof. J. Klose (Klose 1999b) hatte zum Nachweis
von 1324 qualitativen oder quantitativen Proteinpolymorphismen innerhalb einer
Gesamtzahl von etwa 8700 Proteinspots gefuehrt. Im Rahmen einer europaeischen
Kooperation (The European Collaborative Interspecific Backcross; EUCIB) wurde
mit den Maeusespezies Mus musculus und Mus spretus eine Feinkartierung
des Genoms der Maus auf der Basis von DNA-Polymorphismen von etwa 1000 Rueckkreuzungstieren
durchgefuehrt. Die durchschnittliche Markerdichte betrug 0.61cM. Die Kartierung
von 1324 Proteinpolymorphismen auf der genetischen Karte der Maus in dieser
Arbeit basierte auf den Ergebnissen der Analyse der Polymorphismen in 2D-Gelen
von 64 Rueckkreuzungstieren der EUCIB-Kreuzung. Da viele der 64 Rueckkreuzungstiere
innerhalb des EUCIB-Projektes nur unzureichend mit Mikrosatellitenmarkern genotypisiert
worden waren, wurden in dieser Arbeit zunaechst IRS-PCR-Marker eingesetzt, um
die Markerdichte zu erhoehen. Dies diente dazu, die Rekombinationen in den
64 Rueckkreuzungstieren vollstaendig zu erfassen und fuer die Proteinkartierung
nutzbar zu machen. IRS-PCR-Marker sind Marker, die ohne jede Sequenzinformation
eingesetzt werden koennen. Sie werden mit einem einzigen Primer, hier dem
Primer B1R fuer das repetitive SINE-Element B1 der Maus, gewonnen. IRS-PCR-Produkte
von genomischer DNA von Mus musculus, die einen quantitativen Polymorphismus
zwischen Mus musculus und Mus spretus aufwiesen, wurden zur Genotypisierung
von bis zu 300 Rueckkreuzungstieren der EUCIB-Rueckkreuzung verwendet. Die Integration
von 70 IRS-PCR Markern und 9 Mikrosatellitenmarkern in das Ankermarkergeruest
aus 90 DNA-Markern des EUCIB-Projektes bot ein dichtes Netz von Markern und
damit eine wesentlich verbesserte Ausgangslage fuer die Positionierung der Proteine
auf der genetischen Karte der Maus. Mit dem Programm MAPMAKER/EXP 3.0 wurde
aus DNA- und Proteinpolymorphismen eine genetische Karte erstellt. Die Ergebnisse
zeigten: Von 1324 polymorphen Proteinspots konnten 664 Spots genetisch kartiert
werden. Spotserien, die gleiche Vererbung und gleichen Variationstyp zeigten,
wurden unter demselben Variantennamen zusammengefasst und als 'homogene
Spotfamilie' bezeichnet. Die 664 kartierten Spots stellen demnach 409 Varianten
dar. Von diesen konnten 360 auf den Chromosomen positioniert oder zumindest
Regionen zugeordnet werden. Als Grenzwert fuer die Anordnung der Proteine auf
einem Chromosom galt ein LOD-Wert von 2,5. 49 Varianten zeigten nur geringe,
jedoch
signifikante Kopplung (LOD-Wert groesser 3) an einzelne Marker der Chromosomenenden
und konnten daher zumindest einem Chromosom zugeordnet werden.
Mit dem hier verwendeten genetischen Verfahren der Kartierung mendelnder Merkmale
liessen sich nur monogen bedingte Polymorphismen kartieren. Die nicht positionierten,
nur schwache Kopplung zeigenden 49 Varianten sowie die andere Haelfte (660
Spots) der 1324 Polymorphismen, die nicht zur Kartierung eingesetzt werden konnten,
liessen sich offenbar deswegen nicht kartieren, weil diese Proteine polygen
determiniert waren. Die Polymorphismen dieser Spots werden vermutlich von mehr
als nur einem - dem Strukturgenlocus - determiniert.
Um herauszufinden, welche Proteine die 664 kartierten Spots oder 409 Varianten
darstellen, bestand der zweite Schritt nach der Kartierung in der Identifizierung
der kartierten Proteinspots durch Massenspektrometrie. Das Ziel hierbei war,
Spotfamilien zu erkennen, d.h. die Isoformen eines Proteins zu finden. Insgesamt
wurden bisher etwa 200 polymorphe Proteinspots identifiziert. Neben den genannten
homogenen Spotfamilien konnten bisher 25 heterogenen Spotfamilien gefunden werden.
Eine heterogene Spotfamilie enthaelt Spots, die als dasselbe Protein identifiziert
wurden, aber unterschiedliche Polymorphismen aufweisen. Die genetische Analyse
zeigte, dass einige der polymorphen Spots auf die genetische Position des identifizierten
Strukturgenortes kartierten, waehrend andere polymorphe Spots auf einen anderen
chromosomalen Locus kartieren. Diese Kartierungspositionen zeigen offenbar Protein-modifizierende
oder -regulierende Gene an. Die identifizierten Proteine konnten folgenden Gruppen
zugeordnet werden: 103 Proteinspots gehoerten 70 Proteinen an und erwiesen
sich als neue Kartierungen in der Maus. 20 Proteine waren bereits kartiert worden
und unsere Kartierung stimmte mit der bekannten Kartierungsposition ueberein.
Diese Proteinpolymorphismen wurden als Strukturgen-bedingte Polymorphismen gewertet.
Sie beruhen auf verschiedenen Allelen des Gens in den beiden Mausstaemmen. Eine
dritte Klasse bildeten 21 Polymorphismen, die abweichend von der bisher bekannten
Kartierungsposition in der Maus oder der des menschlichen Orthologs kartierten.
Zum Beispiel gehoeren Spots der heterogenen Spotfamilie des Proteins 'Gamma-Enolase'
zu allen drei genannten Klassen: vier Mobilitaets-Varianten kartieren auf die
bekannte Position des Gens fuer Gamma-Enolase auf Chromosom 6, zwei auf weitere
unterschiedliche Positionen auf Chromosom 6 und eine auf Chromosom 15, auch
ein nicht-varianter Spots wurde identifiziert, der ein kleineres Molekulargewicht
zeigt und wahrscheinlich ein Fragment darstellt, das die Mutation verloren hat.
Auf Einzelspotebene sind 70% der mit Massenspektrometrie identifizierten polymorphen
Spots strukturgenbedingt, waehrend 30% der Polymorphismen durch einen Modifikator-
oder Regulatorgenort verursacht werden.
In der vorliegenden Arbeit wurde die cytosolische Fraktion der Gehirnproteine
untersucht. Zur weiteren Untersuchung liegt die Membranfraktion vor. Ferner
wurden von den gleichen Rueckkreuzungstieren der EUCIB-Kreuzung auch die
Organe Leber, Herz, Niere und Muskel entnommen. Die genetische Analyse wurde
inzwischen auf die Organe Leber und Herz ausgeweitet. Die 2DE-Muster zeigten,
dass viele Proteine in mehreren oder allen Organen auftreten. Die genetische
Untersuchung dieser Proteine wird zeigen, ob der Effekt von Protein-modifizierenden
und -regulierenden Genen wesentlich zur Organspezifitaet der Proteine beitraegt.
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