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FU Berlin
Digitale Dissertation

Annette Weber :
Zur Funktion und Gestaltung des 'imaginaire social' in Marcel Prousts Werk
On the function and formation of the 'imaginaire social' in Marcel Proust's work

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|Zusammenfassung| |Inhaltsverzeichnis| |Ergänzende Angaben|

Zusammenfassung

Die Arbeit "Zur Funktion und Gestaltung des imaginaire social in Marcel Prousts Werk" untersucht das gesellschaftliche Imaginäre in Prousts Oeuvre und dessen Verwandlungen vom ersten Romanessay, dem posthum erschienenen Fragment Contre Sainte-Beuve bis zum Roman A la recherche du temps perdu. Vor dem Hintergrund der Auflösungserscheinungen, wie sie die französische Gesellschaft zwischen Dreyfus-Affäre und Erstem Weltkrieg exemplarisch durchzogen haben, analysiert die Arbeit die paradoxe Funktion der traditionell identitätsstiftenden Begriffe wie famille, race und sexe in den Erzählstrategien Prousts. Die Arbeit beginnt mit einer Analyse des Contre Sainte-Beuve. Die hier von Proust emphatisch entwickelte poetologische Figur des moi profond, das hermetisch abgeschlossen vom gesellschaftlichen Außen Erinnerungsbilder hervorbringt, wird angesichts von Nationalismus und Antisemitismus, wie sie in der Folge der Dreyfus-Affäre auch in die literarische Kritik eindringen, lesbar als Abwehrfigur gegen den restriktiven gesellschaftlichen und ästhetischen Diskurs der race und daran gebunden, des Geschlechts. Destabilisiert wird die antisoziale moi profond-Poetik aber auch in den zahlreichen "sinnhybriden" Bruchstellen des Contre Sainte-Beuve: die die Textfragmente durchziehenden Momente von Polyphonie, Medialität und Dialogizität arbeiten gegen die monologische Hermetik des moi profond. Die poetologische Brüchigkeit der Gegenüberstellung von moi profond und moi social weist auf die komplexe Erzählerfigur in A la recherche du temps perdu. Im Mittelpunkt des zweiten und längeren Teils der Arbeit steht die Untersuchung der vielgestaltigen Erzählerfigur in Prousts Roman. Ausgehend zum einen von einer theoretischen Positionierung des Proustschen narrativen Systems, die sich von diskurstheoretisch und psychoanalytisch beeinflussten Fragestellungen leiten läßt, und zum anderen von einer Anbindung der narrativen Phänomene des Romans an medien,- und psychiatriegeschichtlicheAspekte, unternimmt die Arbeit ausführliche Textinterpretationen. Mit den hypersensiblen Empfängern eines Snobs, eines Homosexuellen und eines Juden ausgestattet, geht der Erzähler intensive Näheverhältnisse zu ihm korrespondierenden Figuren ein und tritt damit zugleich aus der Distanz und Sicherheit des moi profond heraus. Auf der in den Nähebegegnungen entstehenden mikrologischen Ebene des Gesellschaftlichen kippt das imaginaire social des Erzählers dabei mithin ins Halluzinatorische. Zentrale These ist, dass sich erst in den Näheverhältnissen des Erzählers zu privilegierten Aktanten der Entwurf seiner imaginierten Gesellschaft deutlicher ablesen läßt. Der Erzähler, psychoanalytisch formuliert, sein unbewusstes Begehren, folgt hier einer eigenartigen Obsession: die traditionell identitätsstiftenden Begriffe famille, race, sexe werden immer wieder in neue Relationen zu den Kategorien des Snob, des Invertierten und des Juden gesetzt. Vor dem Hintergrund des nationalistisch-antisemitischen Klimas der Gesellschaft zu Prousts Zeiten werden die genannten einheitsstiftenden Begriffe somit dekonstruiert. Die Durchkreuzung der traditionellen gesellschaftlichen Kategorien durch ihre "Gegenkräfte" führt dabei, so zeigt die Arbeit, zu zunehmenden Destabilisierungen, ohne dafür neue, wesenhafte Zuschreibungen festzulegen. Wo das imaginaire social des Romans fantasmatisch wird, so die abschließende These der Arbeit, kann "Erfahrung" als ein Integrationsmodell, wie es die wegweisenden gesellschaftsdiagnostischen Proust-Interpretationen Th. W. Adornos und H. Arendts reklamieren, nur noch teilweise funktionieren.

Inhaltsverzeichnis

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A. Titelblatt und Inhalt
B. Einleitung 4
I. Contre Sainte-Beuve 8
II. Á la recherche du temps perdu 47
II.1 Das "imaginaire social" 47
II.2 Das narrative System der Recherche 57
II.3 Textlektüren: famille, race, sexe 81
Literaturverzeichnis 8

Ergänzende Angaben:

Online-Adresse: http://www.diss.fu-berlin.de/2002/162/index.html
Sprache: Deutsch
Keywords: proust social imaginary formation function
DNB-Sachgruppe: 51 Allg. und Vgl. Sprach- und Literaturwissenschaft
Datum der Disputation: 15-Feb-2002
Entstanden am: Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, Freie Universität Berlin
Erster Gutachter: Prof. Dr. Hella Tiedemann
Zweiter Gutachter: PD Dr. Philippe Despoix
Kontakt (Verfasser): navette.weber@web.de
Abgabedatum:24-Aug-2002
Freigabedatum:02-Sep-2002

 


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