Aus dem Vorwort:
Die projektive Geometrie
und die in sie eingebetteten Cayley-Kleinschen Geometrien sind ein recht
altes Gebiet der Geometrie, das im 19. Jahrhundert in Arbeiten von V. Poncelet,
J. Gergonne, Ch. v. Staudt, A.-F. Möbius, A. Cayley, F. Klein, S.
Lie, N. I. Lobatschewski und vielen anderen entstand. Obwohl dieses Gebiet
eine der Grundlagen der algebraischen Geometrie ist und viele Anwendungen
in der Differentialgeometrie hat, wird es seit Jahren im allgemeinen Lehrbetrieb
der deutschen Universitäten -- und nicht nur an diesen -- sehr vernachlässigt.
Auch in der neueren Fachliteratur werden diese klassischen Aspekte der
Geometrie wenig berücksichtigt. Eher findet man hier die synthetische
projektive Geometrie und manche aktuellen Anwendungen zum Beispiel der
endlichen Geometrien, auf die wir in unserem Buch nur mit einigen Hinweisen
eingehen. Wir wollen vielmehr eine systematische Darstellung der auf den
Begriff des Vektorraums gestützten projektiven Geometrie geben, der
das erste Kapitel unseres Buches gewidmet ist, um dann im zweiten Kapitel
die wichtigsten klassischen Geometrien nach den Prinzipien von A. Cayley
und F. Klein systematisch zu entwickeln, die auf der Auszeichnung eines
Absoluts und der Untersuchung der sich daraus ergebenden Invarianten geometrischer
Objekte beruhen. Diese durch die lineare Algebra und die Theorie der Transformationsgruppen
bestimmten Methoden sind es gerade, die in der algebraischen und der Differentialgeometrie
benötigt werden. Darüber hinaus kann man sie als einen integrierenden
Faktor für die Entwicklung der Analysis betrachten, wobei wir besonders
an die auf der Theorie der Lieschen Gruppen fußende harmonische oder
geometrische Analysis denken. Wenn wir auch überall dort, wo es keine
besonderen Anstrengungen erfordert, von Vektorräumen über beliebigen
Schiefkörpern ausgehen, so widmen wir uns doch hauptsächlich
den Geometrien über den reellen, komplexen oder quaternionischen Zahlen;
auch die Auswirkungen von Erweiterungen oder Einschränkungen der Skalarbereiche
auf die betrachteten Geometrien werden untersucht. Neben der reellen projektiven
Geometrie stellen wir auch einige elementar seltener behandeltekomplexe
und quaternionische Geometrien ausfuhrlich dar. Auf die elementare konforme
oder Möbius-Geometrie gehen wir detailliert ein. Die Oktaven- und
Oktavengeometrien, die nicht den klassischen Serien Liescher Gruppen, sondern
den Ausnahmegruppen zuzuordnen sind, bleiben außerhalb des Rahmens
unseres Buches; zu diesem Thema verweisen wirauf
die Schriften H. Freudenthalundvon
H. Salzmann,D. Betten, Th. Grundhöfer,
H. Hähl, R. Löwen, M. Stroppel.
Wir
hoffen, mit dieser systematischen Darstellung allen denen ein nützliches
Werkzeug in die Hand zu geben, die sich selbständig oder etwa in speziellen
Seminaren den jeweils benötigten Hintergrund erarbeiten wollen. Die
systematische Gliederung, vollständige Darstellung der Beweise, eingestreute
Übungsaufgaben und ein ausführlicher Index sollen die Auswahl
des gerade interessierenden Materials und seine Aneignung erleichtern.
Das Buch ist als ein Hand- und Arbeitsbuch gedacht und keineswegs als eine
Vorlage für eine Vorlesung.
Die etwa 50 den Text begleitenden Abbildungen wurden zumeist mit Hilfe
des Programms Mathematica von St. Wolfram angefertigt. Dieses Programm
stellt viele Möglichkeiten zu numerischen und symbolischen Berechnungen
zur Verfügung und enthält einen vielseitigen grafischen Apparat
zur Visualisierung ebener und räumlicher geometrischer Objekte, der
naturgemäß an die euklidische Geometrie gebunden ist. Auf dieser
Homepage
kann man einige in Mathematica geschriebene Notebooks finden, die bei der
Erarbeitung des Buches entwickelt wurden und die Möglichkeiten von
Mathematica erweitern. Zu erwähnen ist hier die pseudo-euklidische
Geometrie, mit deren Hilfe Relativitätstheorie, Möbius-Geometrie,
Liesche Kugelgeometrie und auch, über die Killingformen, halbeinfache
Lie-Algebren bearbeitet werden können. Ausführlich wurde die
dreidimensionale euklidische und die Möbius-Geometrie der k-Sphären,k
= 0, 1,2, behandelt. Einige in diesen Notebooks mit Hilfe symbolischer
Rechnungen gewonnene Formeln, welche in Analogie zum Coxeter-Abstand von
Hypersphären Möbius-Invarianten durch euklidische Invarianten
ausdrücken, sind in unser Buch aufgenommen worden. Man findet dort
auch einen sehr schnellen Orthogonalisierungs-Algorithmus nach Erhard Schmidt
und ein Orthogonalisierungsverfahren für Vektorfolgen pseudo-euklidischer
Räume. Damit sind Möglichkeiten erschlossen, die wegen des Umfanges
und der Komplexität der Rechnungen mit traditionellen Methoden ,,per
Hand" kaum zu erreichen wären.Ihre
Grenzen findet die sogenannte ,,künstliche Intelligenz" recht bald
dann, wenn sie den finiten algorithmischen Boden verlässt und sich
dem in der modernen Mathematik alltäglichem begrifflichen Denken zuzuwenden
versucht. Schon die naive Mengenlehre in Mathematica zu implementieren
stößt auf erhebliche Probleme, wie der Entwurf eines diesbezüglichen
Systems von Mathematica Notebooks und Packages zeigt, das man auch auf
dieser Homepage findet.
Die technische Anfertigung des Manuskripts in LaTeX sowie der
Abbildungen wurden vom zweitgenannten Autor ausgeführt, der eventuelle
Unvollkommenheiten zu entschuldigen bittet. Für die Unterstützung
und Hilfe bei dieser Arbeit bedanken wir uns bei der Humboldt-Universität
zu Berlin, und besonders bei deren Mitarbeitern Frau H. Pahlisch und den
Herren H. Gollek, J. Gehneund H.
Spitzer. Herrn Bernd Wegner von der Technischen Universität Berlin
danken wir herzlich für sein Interesse an unserer Arbeit und seine
Bemühungen um eine Publikation. Leider blieben, gemessen an dem ursprünglichen
Plan des Buches, noch viele Wünsche und Fragen offen. Besonders bedauern
wir, dass die elementare symplektische Geometrie zu kurz gekommen ist.
Bei dem wachsendem Umfang des Manuskripts und der langen Zeit, die wir
für manche Vorhaben noch benötigen würden, haben wir uns
entschlossen, uns jetzt auf die unserer Meinung nach wichtigsten Gegenstände
zu beschränken und das Manuskript in der vorliegenden Form der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen. Wir bitten den Leser um Nachsicht und Unterstützung:
Für Kritiken, Fehlerkorrekturen und andere Hinweise sind die Autoren
sehr dankbar. Wir denken und hoffen, dass es manchen Kollegen und vielen
Studenten Anlass zu eigenen Überlegungen und Grundlage für eigene
Untersuchungen sein wird.
A. L. Onishchik,R. Sulanke
Wir
beabsichtigten nicht, eine vollständige Bibliographie dieses Gebietes
aufzulisten. Es ist ja heute nicht schwer, sich aus den vorhandenen Datenbanken
beliebig ausführliche Bibliographien zusammen zu stellen. Wir verweisennur
auf die bei der Bearbeitung des Stoffes herangezogenenTitel,
wobei der Zufall und die subjektive Auswahl eine nicht unbedeutende Rolle
spielen. Sehr häufig haben wir die bekannten grundlegenden Bücher
von E. Artinund R. Baer benutzt.
Natürlich haben wir auch unseren Lehrern für Hinweise und Orientierungen
zu danken, die wir seit unserem Studium und in langen Jahren gemeinsamer
Arbeit erhielten, und die, vielleicht mitunter unbewusst, in dieses Buch
eingegangen sind. Besonders zu erwähnen sind hier sicher die Vorlesungen,
Seminare und Schriften von W. Blaschke, E. B. Dynkin, L. A. Kaloujnine,
A. G. Kurosch, P. K. Raschewski und
H. Reichardt.
Es seien hier
noch einige Lehrbücher und Monographien genannt, die unser Thema aus
anderer Sicht oder mit anderen Schwerpunkten behandeln......
F ür das Verständnis unseres Buches ist die Kenntnis der
Grundbegriffe derlinearen Algebra
und der auf ihr beruhenden affinen und euklidischen Geometrie, wie sieüblicher
Weise im ersten Studienjahr eines Mathematik- oder Physikstudiums gelehrt
werden, eine unabdingbare Voraussetzung. Dazu gehört auch die Kenntnis
der affinen Klassifikation der Quadriken und ihre euklidische Verfeinerung
mittels der Hauptachsentransformation.Wir
verwenden diese Begriffe und Resultate oft ohne spezielle Hinweise. Natürlich
ist es für die Autoren und diejenigen Leser, welche die beiden Bände
der Reihe Algebra und Geometrie kennen oder besitzen,angebracht
und bequem, die Beziehungen zu den dort dargestellten Gegenständen
zu nutzen. ...Der Leser kann anstelle dieser Bücher natürlich
auch andere Lehrbücher heranziehen, die zumeist entsprechende Informationen
enthalten.Vorkenntnisse über
differenzierbare Mannigfaltigkeiten oder Liesche Gruppen sind für
das Verständnis des Buches nicht erforderlich. Der Anhang "Bezeichnungen"enthält
einige in den ersten beiden Bänden eingeführte Bezeichnungen,
sowie einige in diesem Buch nicht explizit behandelte Definitionen allgemein
üblicher Termini. Wir waren bemüht, einen ausführlichen
Index zu erstellen. ...
Berlin, im Januar 2004
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