Kapitel 1 - Der Grundstock im Jahre 1734 | Übersicht |
2 Das größte Buchdruckunternehmen
der Wiegendruckzeit
Beschreibung | Großbild
Hartmann Schedel:
Liber chronicarum.
Nürnberg: Anton Koberger, 12. VII. 1493.
Signatur: 2° Hist. un. II, 53b Inc.
Provenienz: Joachim Hinrich von Bülow, 1734
Im Juli 1493 erschien in Nürnberg eine lateinische Weltchronik, die zu den schönsten Holzschnittbüchern der Wiegendruckzeit zählt. Nicht weniger als 1.800 Holzschnitte von 645 Holzstöcken umfasst das Werk, mithin die bildreichste Inkunabel des Abendlandes. Erstmals wurde ein weltliches Buch so aufwändig gestaltet wie zuvor nur kirchliche Texte. Dem lateinischen Erstdruck, der am 12. Juli 1493 erschien, folgte bereits im Dezember desselben Jahres eine deutsche Ausgabe. Der Drucker der Weltchronik war der Nürnberger Anton Koberger (um 1440/45 – 1513), der Pate Albrecht Dürers. Nach zeitgenössischen Berichten soll der Großverleger gleichzeitig mit bis zu 24 Druckerpressen gearbeitet und über hundert Gesellen und andere Mitarbeiter beschäftigt haben, Drucker, Korrektoren, Setzer, Metteure, Illuminatoren und Buchbinder. Für die Weltchronik reichten allerdings selbst seine finanziellen Möglichkeiten nicht aus, zumal innerhalb kurzer Zeit zwei Ausgaben zu besorgen waren: Die Druckkosten wurden von den Nürnberger Bürgern Sebald Schreyer und Sebastian Kammermeister finanziert.
Die Weltchronik stammt aus der Feder des
Nürnberger Stadtphysikus Hartmann Schedel
(1440 – 1514), der zu den größten Bibliophilen
des ausgehenden Mittelalters gehört. Anregungen
erhielt er aus einer 1482 gedruckten
Chronik des Italieners Jacobus Philippus de
Bergamo (1434 – 1530). Der in die christliche
Heilslehre eingebundene Text beschreibt
die gesamte Menschheitsgeschichte von der
Schöpfung und der Erschaffung Adams und
Evas (im ersten Weltalter) bis zum Ende der
Welt, der Apokalypse (im siebten Weltalter).
Der Zeitraum von der Geburt Christi bis
zur damaligen Gegenwart im Jahr 1493 ist
dem sechsten Zeitalter zugeordnet, während
das siebte eschatologischen Betrachtungen
gewidmet ist. Das auffälligste Merkmal des
Werkes sind die von den Nürnberger Künstlern
Michael Wolgemut (1434/37 – 1519)
und Wilhelm Pleydenwurff (um 1420 – 1472)
geschaffenen Holzschnitte, insbesondere
die großen Städteansichten. Vermutlich war
auch Wolgemuts Schüler Albrecht Dürer an
ihrer Herstellung beteiligt. Das Buch Kobergers
erschien in einer Auflage von etwa
1.400 Exemplaren; sein buchhändlerischer
Erfolg wurde freilich durch einen Raubdruck
seines Augsburger Konkurrenten Johann
Schönsperger (1455 – 1521) geschmälert, der
1497 eine kleinere, billigere – und qualitativ
schlechtere – Ausgabe drucken ließ. Aufgeschlagen
ist der Tanz um das goldene Kalb
aus dem dritten Weltalter.
(HR)