Zusammenfassung
Einleitung
In vorliegender Arbeit gehen religions- und kunstwissenschaftliche Interessen
zusammen. Bilder gehören zum Kult und werden in seinem Kontext untersucht. Die
ausgewählten Bilder Caravaggios, um die es sich hier handelt, sind zwar
Sammlerstücke und als solche aus dem engeren Zusammenhang des Kults gelöst;
sie gehören einer Sphäre an, die man als die Sphäre säkularer Repräsentation
bezeichnen muß. Doch die säkulare Repräsentation kann zur Zeit Caravaggios
sakraler Motive nicht ganz entraten; dies bestätigt, daß sie Funktionen
des Kults übernimmt, ihn nachahmt, ohne ihn verdrängen zu wollen. (Von dieser
Überlegung unberührt bleibt es, daß die säkulare Repräsentation den Kult
prinzipiell in Frage stellt.) Das Bild, das einmal nichts als das statuarische
Kultobjekt war, wird in dieser Zeit der Reflexion geöffnet, wird formalen
Variationen unterworfen, als Verweis auf ganz heterogene Themen artikuliert, mit
einem Wort: es wird zum concetto. Ich hoffe mit meinen Analysen
Anhaltspunkte zu bieten für die Diskussion darüber, wie Caravaggio diese
Entwicklung beeinflußt hat. Dabei folge ich den Anregungen HANS
BELTINGS und KRYSZTOF POMIANS. ANDREAS PRATER hat diese Thematik bereits in
bezug auf Bilder Caravaggios verhandelt.
Am
Triumphierenden Amor, Gegenstand des 1.
Kapitels, wird besonders deutlich werden, wie die Grenzen zwischen sakraler und
säkularer Kunst um 1600, gelinde gesagt, durchlässig sind. Das hergebrachte
Thema des Amor vincit omnia wird von
Caravaggio erweitert: Die Sexualität wird von ihrer zur Gewaltsamkeit offenen
Seite gezeigt; sie wird nicht zum geringsten durch die starken homosexuellen
Akzente aus dem gesellschaftlich rezipierten Zusammenhang der Reproduktion
gelöst; und
sie erscheint in den Zusammenhang des Leidens, um nicht zu sagen: der Passion
gerückt.
Das 2. Kapitel gilt der Thematik des Opfers .
Sein Gegenstand ist das Bild
des Isaaksopfers in Florenz. Ich zeige, wie Caravaggio sich in der Tradition der
katholischen Lehre vom Opfer hält und zugleich eine Kritik des Opfers
vorbringt. Ich ziehe andere Bilder des Malers heran, in denen diese Thematik zu
wesentlicher Bedeutung gebracht ist. Das Opfer exponiert und bindet Gewalttätigkeit;
es legitimiert sie und ist
damit konstitutiv. Caravaggio legt die
violence bloß
und stellt damit die Legitimität in Frage.
Auf
kunsthistorischer Seite ist das Licht
Thema dieser Arbeit. In den
ersten beiden Kapiteln wird gezeigt, daß Caravaggios Bildlicht den Rahmen des
strengen Beleuchtungslichts, in den WOLFGANG SCHÖNE es eingefügt gesehen
hatte, transzendiert.
Noch Prater schließt sich in seiner Auffassung Schöne an, wenn
auch nicht ohne sie modifizieren; meine Analysen und Interpretationen bestimmen
sich in der Auseinandersetzung mit Praters Thesen.
Er nimmt das Bildlicht Caravaggios ikonographisch
und öffnet damit die Tür zu
einer Methode, die den Begriff der Ikonographie auch auf formale Aspekte des
Bildes anwendet und ihn damit produktiver macht, als er es bisher in seiner
engen Bindung an den Bildinhalt sein konnte. Diesen Impuls nehme ich auf, und so
kann es zur Kollokation von Licht
und Gewalt kommen, die den
Titel meiner Arbeit abgibt.
Nicht
erst mit dieser Kollokation ist das Licht in einen religionswissenschaftlichen
Kontext gerückt. Das Licht, als Instanz des Zeigens,
hat an der Konstitution des
Bildes, seiner Realität, die zur allgemeinen Realität ein signifikantes Verhältnis
einnimmt, wesentlichen Anteil. (Man könnte, zur ersten, groben Orientierung,
sagen: Das Licht ist das Ich
des Bildes.) Wenn das Licht,
wie angedeutet, sich nicht immer in gleicher Weise zu den Gegenständen stellt,
sondern variiert zwischen dem Extrem eines harten Beleuchtungslichts und dem
anderen eines sich an die Materie, an die Gegenstände ?anschmiegenden?
Verhaltens, so hat das auch Konsequenzen für das Problem der Konstitution, d.
h. der in der Wahrnehmung und im Bewußtsein festgestellten und so mit
bestimmten Bedingungen und Tendenzen apostrophierten Realität. Die Auffassung
des Lichts als Instanz des ?Generierens? der sichtbaren Welt läßt sich
induktiv aus der Doktrin des Beleuchtungslichtes herleiten, wie sie seit Cennini
gelehrt wurde und wie auch Caravaggio sie anerkannte. Diese Doktrin ist, so
scheint es, alles, was Caravaggio theoretisch über das Licht wußte und gelten
ließ; es gibt nach meiner Übersicht keine Anzeichen dafür, daß er sich von
einer überlieferten Lichtmetaphysik hätte leiten lassen. Indem Licht und
Gewalt am Begriff der Konstitution teilhaben, zeigt sich, daß ihre
Zusammenstellung nicht so krud-willkürlich ist, wie man es meinem Titel zunächst
ablesen könnte. Hierzu Näheres in den Bildanalysen des 2. und 3. Kapitels.
Es
dürfte schon deutlich geworden sein, wie emphatisch die hier dargestellte
Arbeit auf den Kontext
eines Phänomens Bedacht nimmt.
Es genügt nicht, dem Licht, für sich genommen, einen plausibel scheinenden
Einfluß auf die Bedeutung des Bildes zuzuschreiben; man muß es, wie es auch
Prater beispielhaft vorführt, im Kontext des ganzen ikonographischen Komplexes
lesen. In ihn gehört auch eine ikonographisch reflektierte Beachtung von Form
und Komposition. Diesen methodischen Aspekt meiner Arbeit entwickele ich in
einem Exkurs über THEODOR
HETZER, der, wie bekannt, in seinen
Analysen auf Form und Farbe eines Bildes vorrangig einging (Kapitel 2).
Im
3. Kapitel untersuche ich drei weitere Bilder Caravaggios nach den gleichen
methodischen Gesichtspunkten. Im ersten dieser Bilder, dem Ungläubigen
Thomas, ist die Artikulation
des Lichts, variabel wie in den vorher dargestellten Bildern, wenn auch mit
geringerem Spielraum, in den Zusammenhang von Charakterisierung und Dramatik
gestellt. Die beiden anderen Bilder des Kapitels, der S.
Giovanni der Galleria Borghese
und das in derselben Sammlung aufbewahrte Bild David
mit dem Haupte des Goliath, zeigen
das Licht in Variationen, die als Kommentare zu ihren Themen, den Themen der
Schuld, des Opfers, des Leidens, zu lesen sind. Das Kapitel legt dar, in wie
verschiedenen Bildern Caravaggio das Prinzip der variierten Artikulation des
Lichts realisiert und welch präzise Akzente er damit setzt.
Das
Weiterwirken des caravaggesken Lichtkonzepts ist Gegenstand eines Exkurses, der
die Arbeit abschließt. Ausgewählt wurde das Bild der Auffindung
des heiligen Sebastian von
Georges de La Tour (Berlin). Bei seiner Analyse wird ein Interpretament
entwickelt, das zum Schluß auf Caravaggios Helldunkel, genauer das des Martyriums
der heiligen Ursula angewandt wird.
Den
Schritt, eine Entwicklung
von Caravaggios Lichtkonzeption
zu konstruieren, getraue ich mir nicht zu gehen. Dies gilt auch für die
Wirkungsgeschichte dieses Konzepts. Die Arbeit ist konsequent monographisch
gedacht. Zwar kann man geltend machen, die Kategorie der Entwicklung sei
ihrerseits ein unabdingbares Kriterium der Gültigkeit, aber bei solchem Überprüfen
und Rekonstruieren bleibt die Aufmerksamkeit auf das Besondere einer
Realisierung zu leicht auf der Strecke. Vielleicht ist solches Überblicken der
Gegenstände in ihrer Folge der Indifferenz angemessen, die sich uns
repressiv als geeignete Existenzform anbietet. Gerade dann ist die Emphase
kontextueller Rede umso dringender geboten. Möglich, daß die Malerei selbst
das unüberbietbare Vorbild solch kontextueller Rede abgibt: Ut
pictura theoria.
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